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Aischa

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Insgesamt 544 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Sehsüchtig hatte ich gehofft, dass nach "Die rätselhaften Honjin-Morde" auch weitere Bände der Reihe um den kauzigen Privatdetektiv Kosuke Kindaichi ins Deutsche übersetzt würden. Nun liegt endlich "Mord auf der Insel Gokumon" vor, und ich wurde nicht enttäuscht.
Schon das Setting bietet reichlich Grusel, war die karge Felseninsel doch einst Piatenstützpunkt und später Sträflingskolonie. Die Geschichte spielt im Japan kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges und erschien im Original bereits 1971. Ich habe mich sehr gerne auf die spannende Zeitreise eingelassen.
Im Vordergrund stehen natürlich die Morde und deren Aufklärung, und Seishi Yokomizo versteht es ebenso meisterlich wie seine britischen Kolleg*innen Arthur Conan Doyle und Agatha Christie, zahlreiche Hinweise auf den Tathergang, aber auch falsche Fährten einzubauen, so dass man fieberhaft miträtselt und letztendlich doch von der Auflösung überrascht wird. Neben dem Kriminalfall kann man aber auch einiges über die japanische Gesellschaft vor gut 70 Jahren erfahren. Diese war nach dem zweiten Weltkrieg sehr gebeutelt; einerseits wirtschaftlich, andererseits werden starre Traditionen in Frage gestellt, etwa der bedingungslose Gehorsam und ein - aus heutiger und westeuropäischer Sicht - seltsam anmutender Ehrbegriff.
Ursula Gräfe hat diesen Whodunit (inklusive einiger Haikus) nicht nur großartig übersetzt, sondern auch um ein hilfreiches Glossar ergänzt. Bleibt zu hoffen, dass sie noch viele der 77 Originalbände der deutschsprachigen Leserschaft zugänglich macht.

Bewertung vom 07.08.2023
Marianengraben
Schreiber, Jasmin

Marianengraben


gut

O.k., die Romanidee ist jetzt nicht sonderlich originell: Eine junge Frau, die sich die Schuld am Tod ihres kleinen Bruders gibt und letztlich am Weiterleben verzweifelt, trifft auf einen schrulligen alten todkranken Mann und hilft ihm (zunächst widerwillig) seine letzte Mission zu erfüllen. Das hat man so oder so ähnlich schon Dutzende Male gelesen oder im Kino gesehen. Und doch habe ich diese Geschichte gern gelesen.

Zum einen erzählt Jasmin Schreiber herrlich unpathetisch und meist kitschbefreit von emotional hoch aufgeladenen Themen wie dem Tod und davon, wie zurückbleibende Familienangehörige es schaffen können, nicht dauerhaft in Trauer zu versinken, sondern wieder ins Leben zurück zu finden. Und zweitens ist der Roadtrip des ungleichen Duos zwar immer wieder mehr als seltsam, um nicht zu sagen: Eine Unwahrscheinlichkeit reiht sich an die andere. Aber die Dialoge der beiden, die noch dazu oft unvermittelt abbrechen, weil der alte Herr keine Lust hat, sich zu öffnen, sind einfach zu witzig.

"Marianengraben" ist sicher kein Ersatz für eine Psychotherapie, aber ein leichter, unterhaltsamer Roman zu schweren Themen.

Bewertung vom 07.08.2023
Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte
Fletcher, Susan

Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte


sehr gut

Die britische Autorin Susan Fletcher zeichnet in diesem Roman ein eindrucksvolles Porträt einer Ehe. Ihre Protagonisten Jeanne und Charles Trabuc haben wirklich gelebt - Monsieur Trabuc leitete die Nervenheilanstalt in Saint-Rémy, deren bekanntester Patient wohl der Maler Vincent van Gogh war.

Vincent spielt auch eine Rolle im Roman, denn Jeanne ist auf besondere Weise von dem sehr eigensinnigen, aber auch sehr kranken Künstler angezogen. Sehr einfühlsam schildert Fletcher das Gefühlsleben Jeannes, die seit dem Auszug ihrer erwachsenen Söhne sehr einsam geworden ist. Von der Dorfgemeinschaft wird sie als Zugezogene abgelehnt, ihr Mann kommt praktisch nur noch zum Essen und Schlafen nach Hause. Wirkliche Gespräche gibt es zwischen den Eheleuten längst nicht mehr, der letzte Sex liegt Jahre zurück und selbst Zärtlichkeiten werden kaum noch ausgetauscht.

In Rückblenden erfährt man, dass die Ehe anfangs sehr glücklich war. Natürlich habe ich während der Lektüre spekuliert, was wohl dazu geführt haben mag, dass die Beziehung der Trabucs so kalt und lieblos wurde. Und wie so oft ist nicht alles so, wie es zunächst den Anschein hat.

Fletchers Stil ist sehr eigen, manchmal etwas arg abgehackt, das war für mich anfangs durchaus gewöhnungsbedürftig. Aber sie versteht es bestens, Stimmungen zu vermitteln, die Erzählung steckt voller feiner Zwischentöne. Da ich darstellende Kunst sehr schätze, haben mir auch die Beschreibungen von van Goghs Bildern sehr gefallen.

Der Roman ist eine besondere Zeitreise in die Provence Ende des 19. Jahrhunderts und eine eindrucksvolle Aufforderung, auch in einer langjährigen Ehe nie aufzuhören, ehrlich und offen miteinander zu sprechen.

Bewertung vom 31.07.2023
Reisehandbuch Costa Brava und Girona
Biarnés, Nicole

Reisehandbuch Costa Brava und Girona


sehr gut

Autorin und Übersetzerin Nicole Biarnés zog bereits vor zwei Jahrzehnten nach Katalonien, wo sie inzwischen auch als Reiseführerin tätig ist. Mit dem vorliegenden Handbuch teilt sie ihr umfangreiches Wissen über ihre Wahlheimat mit reiselustigen, kulturell interessierten Leser*innen.

Auf den ersten Seiten erfährt man Grundlegendes zur "Wilden Küste", von Transportmittel über einen interessanten geschichtlichen Abriss bis zu hilfreichen Verhaltenstipps, um nicht unabsichtlich anzuecken.

Dann geht es auch schon los, von Alt Empordà im Norden bis zu den südlichen Ausläufern der Costa Brava. Biarnés führt ihre Leserschaft nicht nur die Küste entlang, sondern zeigt ebenso das reizvolle Hinterland. Besonders gefallen mir dabei außergewöhnliche Tipps, die nicht in klassischen Reiseführern zu finden sind, wie z. B. Girona anhand eines Kräuterspaziergangs mitten durch die Stadt zu entdecken, oder eine kleine Strandbar in der Nähe von Empuriabrava, in der Einheimische zum Sonnenuntergang tanzen.

Zahlreiche Karten geben Orientierung, wobei ich es praktisch gefunden hätte, wenn Übersichtskarten in den Innenseiten der Klappenbroschur abgebildet wären. Doch hier findet sich - wie bei allen Reisehandbüchern des Reisedepeschen Verlags - der nördliche und der südliche Sternenhimmel. Die Texte sind sehr persönlich geschrieben, die Autorin erzählt von ihren Vorlieben, aber auch von besonderen Menschen, denen sie begegnet ist. Dazu passen die zahlreichen Farbfotos mit ganz eigenem Reiz; sie wirken oft wie aus einem privaten Fotoalbum, nicht so "aalglatt" und poppig, wie in den Hochglanzprospekten der Tourismusbüros.

Die Fülle an Informationen geht leider etwas zu Lasten der Lesbarkeit: Manche Anschriften, websites etc. sind doch arg klein geraten und (vor allem auf farbigem Hintergrund) nur schwer zu entziffern.

Davon abgesehen sind die Reisetipps für die Costa Brava rundum gelungen, und ich freue mich schon sehr darauf, diese Region in ein paar Wochen selbst zu erkunden.

Bewertung vom 24.07.2023
Nachhaltig mit Genuss
Svensson, Paul;Mourtada, Zeina

Nachhaltig mit Genuss


sehr gut

Die libanesischstämmige Köchin Zeina Mourtada und der in seiner schwedischen Heimat recht bekannte Koch Paul Svensson haben sich für dieses Kochbuch zusammen getan, um zu zeigen, wie man zu Hause gesund und nachhaltig kochen kann, ohne gänzlich auf tierische Produkte zu verzichten, wenn man das (noch) nicht möchte.

Das heißt konkret, die meisten der 77 Rezepte sind vegetarisch oder vegan, es gibt aber auch einige mit Fleisch oder Fisch. Sehr gut gefällt mir, dass die Gerichte oft einen internationalen Einfluss erkennen lassen, aber dennoch möglichst regionale Zutaten verwendet werden. Um auch möglichst einfach saisonal kochen zu können, hätte ich mir eine Einteilung nach Jahreszeiten gewünscht (statt nach Eintöpfen, Ofengerichten etc.).

Die Rezepte sind übersichtlich und gut verständlich auf je einer Doppelseite angeordnet, mit großformatigen, sehr ansprechenden Fotos, die Lust machen, sofort den Kochlöffel zu schwingen. Es gibt wenig Salat, viel Eintöpfe und Aufläufe. Das Buch ist vielleicht nicht ganz so abwechslungsreich wie andere Kochbücher, v.a. wer Hülsenfrüchte nicht mag, ist hiermit nicht sonderlich gut beraten. Ich jedoch liebe Kichererbsen, Bohnen und Co. und kann die Rezepte von Herzen empfehlen! Ich koche leidenschaftlich gerne und probiere regelmäßig Neues aus, und dennoch gehört das hier vorgestellte "Mac and Cheese im Bhutan-Stil" zum Besten, das ich seit langem zubereitet und gegessen habe!

Der ausführliche Theorieteil zu nachhaltiger Ernährung gibt neben dem bekannten "regional, saisonal und bio! auch weitergehende, interessante Empfehlungen, aber hier fehlen mir Quellenangaben und weiterführende Literaturangaben.

Hilfreich fidne ich die Tipps im Anhang, wie man Lebensmittel retten kann, sprich: weniger wegwerfen muss. Echt überraschend, was man mit braunen Bananen oder welkem Salat noch Schmackhaftes zubereiten kann!

Bewertung vom 24.07.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


gut

Uff. Mit Erleichterung habe ich diesen Roman nach den letzten Seiten zugeklappt. Ich breche die Lektüre eines einmal begonnenen Buchs so gut wie nie ab - hier hätte ich es tun sollen.

Doris Knecht erzählt zu viel Belangloses, zu viele Wiederholungen, es ist ein nicht enden wollendes Kreisen der Protagonistin um die Frage, wo und wie sie nach dem Auszug ihrer erwachsenen Kinder wohnen möchte. Dabei hatte die Geschichte durchaus vielversprechend angefangen: "Der Hund hat schon wieder ins Autor gekotzt." Ein origineller erster Satz, der hoffen lässt, dass es ohne viel Geschwurbel zur Sache geht, dachte ich. Als sich dann noch eine der beiden Töchter der Ich-Erzählerin darüber beschwert, dass sie seit Jahren wider ihren Willen in den Werken der schreibenden Mutter vorkommt, und diese daraufhin statt von ihrer Tochter von ihrem Sohn schreibt, war ich wirklich angetan, ich freute mich auf eine witzige, unterhaltsame Story.

Aber weit gefehlt. Die kurzen Kapitel mäandern um den bevorstehenden Umzug. Die derzeitige Wohnung kann sich die Protagonistin alleine nicht leisten, mit Untermietern möchte sie den Alltag nicht teilen. Kurze Neidanfälle auf Freundinnen und Schwestern, die rechtzeitig in Eigentum investiert haben, o.k. Aber das hat man dann nach einigen Abschnitten kapiert, ebenso wie die Tatsache, dass es die eine, absolute Wahrheit in Bezug auf Erinnerung nicht gibt.

Dazwischen findet sich reichlich erzählerisches Füllmaterial, das mich nicht interessiert: dass die Hauptfigur nicht gerne Ski fährt, oder die detaillierte Schilderung des Ausmistens ihres Hausstands vor dem Umzug - einfach langweilig. Auch sprachlich konnte ich keine Höhepunkte entdecken, alles plätschert so vor sich hin.

Doris Knecht ist Schriftstellerin und Kolumnistin für diverse österreichische Zeitungen und Magazine. Vielleicht hätten die kurzen Kapitel als Kolumnen besser funktioniert - für einen Roman reicht es meines Erachtens nicht, jedenfalls nicht für einen guten.

Bewertung vom 20.07.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Die erst 28jährige Germanistin Caroline Wahl hat mich mit ihrem Romandebüt sehr beeindruckt und bewegt. Sie erzählt die Geschichte der jungen Tilda, die Erstaunliches leistet: Sie studiert Mathematik und jobbt regelmäßig an der Supermarktkasse, nicht nur, um ihr Studium zu finanzieren, sondern auch, um ihrer achtjährigen Halbschwester ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen. Die Väter haben sich längst aus dem Staub gemacht, die Mutter der beiden ist nicht in der Lage (oder willens?), sich um ihre Töchter zu kümmern. Im Gegenteil, betrunken wird sie zur gewalttätigen Furie, vor der die jüngste nicht immer rechtzeitig fliehen kann.

Als wäre das nicht schon genug Last auf Tildas Schultern bekommt sie auch noch eine Promotionsstelle angeboten, für die sie wegziehen müsste. Was tun? Die eigene Karriere verfolgen, endlich der familiären Hölle entkommen, aber die kleine Schwester eben dort zurück lassen? Neben diesem Dilemma spinnt Wahl einen weiteren spannenden Handlungsfaden, rund um den tragischen Unfalltod eines Freundes von Tilda. Und außerdem darf man sich als Leser*in auf eine völlig kitschbefreite Liebesgeschichte freuen.

Caroline Wahl schreibt knapp und dennoch präzise, scharf und bissig, aber auch Zärtlichkeit hat ihren Platz. Besonders die Dialoge schaffen Authentizität. Ein wirklich berührender Roman. Da verzeihe ich sogar die seltsame Marotte, sämtliche Zahlen, selbst in Zusammensetzungen, als Ziffern zu schreiben.

Bewertung vom 20.07.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

"Wir sind als Spezies erledigt, meiner Meinung nach", so pessimistisch äußerte sich Bestsellerautor T. C. Boyle unlängst im Hinblick auf die Zukunft der Menschheit in einem Interview.

Und folglich sieht es für die Figuren in seinem jüngsten Roman auch nicht gerade rosig aus: Wir folgen den Mitgliedern einer US-amerikanischen Familie durch den alltäglichen Wahnsinn. Die menschengemachte Klimakatastrophe ist dabei Kulisse für einen Cliffhanger nach dem anderen - Gefahren durch Zecken- oder Schlangenbisse, Brände im völlig ausgedorrten Kalifornien, wo sogar der Wein nach Asche schmeckt, während in Florida Überschwemmungen an der Tagesordnung sind und man vielerorts nicht mehr mit dem Auto, sondern mit dem Motorboot zum Einkaufen fährt.

Dabei sollte der Roman meines Erachtens nicht als Cli-Fi gelesen werden. Denn zu wenig Fiktion ist dafür im Plot, zu sehr sind viele der beschriebenen negativen Klimaveränderungen bereits Realität. Und genau daraus bezieht "Blue Skies" auch sein Spannungspotenzial; die Geschichte klingt erschreckend real, alles ist sehr gut vorstellbar. Ebenso wie - leider - auch die Verhaltensweisen der Menschen. In alten Gewohnheiten verhaftet, zaudernd, nur sehr zögerlich stellt man sich um und ist dabei auch noch inkonsequent. Ein wenig insektenbasierte Lebensmittel verzehren, o.k, aber nicht mehr zu fliegen ist dann doch zu unbequem.

Boyle erzählt seine Familien- und Gesellschaftskritik gewohnt unterhaltsam-satirisch, die Figuren sind allesamt etwas überzeichnet, was meinen Lesegenuss jedoch keineswegs geschmälert hat.

Abstriche mache ich aufgrund der Übersetzung von Dirk van Gunsteren. Denn einige Anspielungen und Witze versteht man erst, wenn man die entsprechenden Passagen wieder ins Englische zurück übersetzt. Schade.

Bewertung vom 17.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


ausgezeichnet

Philipp Oehmke hat es einfach drauf: Der studierte Germanist und Journalist hat vor Jahren mit seiner Biografie über die Punkband Die Toten Hosen einen Verkaufsschlager hingelegt, und es würde mich nicht wundern, wenn auch sein erstes belletristisches Werk ein Bestseller wird.
Mich jedenfalls hat die Geschichte der fiktiven Familie Schönwald durchweg gefesselt, was bei über 500 Seiten schon eine Leistung an sich ist. Oehmke erzählt spannend, unterhaltsam, kurzweilig und informativ. Die Kapitel nehmen unterschiedliche Erzählperspektiven der Familienmitglieder ein: Harry, der als Staatsanwalt und Vater dreier erwachsener Kinder scheinbar ein erfülltes Leben hatte, nun aber im Rückblick den ein oder anderen Zweifel verspürt und (heimlich) eine Therapie beginnt. Seine Frau Ruth hingegen, die der Familie zuliebe auf ihre Karriere als Germanistin verzichtet hatte, wischt seit jeher alle Probleme beiseite, in der Hoffnung, dass das, worüber man nicht spricht, auch keine große Bedeutung erlangt; überdies möchte sie ihre Lieben nicht unnötig belasten. Und so ist es nicht wirklich überraschend, dass auch die drei erwachsenen Kinder wichtige Teile ihrer Leben verheimlichen, vor den Eltern oder vor ihren Partner*innen.
Dem Autor gelingt es hervorragend, durch die Perspektivwechsel zu zeigen, dass es oft nicht die eine Wahrheit gibt, und das innerfamiliäre Geflecht wird bei der Lektüre so geschickt aufgebaut, dass man das Gefühl hat, einer Familienaufstellung zusehen zu dürfen.
Der Plot steckt voller überraschender Wendungen, die sehr überzeugend aufgebaut sind. Besonders gelungen fand ich die Wandlung des ältesten Sohns, der in die U.S.A. ausgewandert ist, vom linksliberalen Linguistikprofessor zum Wahlkampfhelfer in Donald Trumps Make-America-Great-Again-Maschinerie. Oehmke erweist sich hier als ausgewiesener Kenner der U.S.-amerikanischen Gesellschaft, wozu sicher beigetragen hat, dass er fünf Jahre lang das New Yorker Büro des Magazins "Der Spiegel" leitete.
Ein paar Wiederholungen hätte das Lektorat kürzen können, aber ich gebe dennoch eine uneingeschränkte Leseempfehlung für diesen hervorragenden Familien- und Gesellschaftsroman.

Bewertung vom 01.07.2023
Labyrinth Barcelona
Wiegand, Jens

Labyrinth Barcelona


ausgezeichnet

Auf der Suche nach einem wirklich guten Barcelona-Führer? Wer die katalanische Hauptstadt gerne zu Fuß erkunden möchte, dem empfehle ich dazu uneingeschränkt "Labyrinth Barcelona". Ich kenne nicht nur Barcelona von mehreren Kurzreisen (meine Tochter lebt dort), sonder auch einige einschlägige Reiseführer, und darunter ist dieser definitiv der beste.

Autor Jens Wiegand ist seit einem Vierteljahrhundert Wahl-Barceloneser. Und man merkt dem Buch nicht nur an, dass er sich hervorragend in der katalanischen Metropole auskennt, sondern man spürt bei der Lektüre auch seine Faszination für die Stadt, die so wunderschön zwischen Mittelmeer und der nahen Bergkette des Collserola gelegen ist. Und diese Faszination ist ansteckend!

Nach einer kompakten Einführung mit wichtigen Basics (Verkehrsmittel, Sprache u.a.) darf sich die Leserschaft erst einmal an je einer Doppelseite großartiger Fotos erfreuen, anhand derer der Autor seine persönlichen "Best of" vorstellt zu: Museen, Fotospots, Architektur, Aussichtspunkte sowie Bars und Restaurants.

Den Hauptteil nehmen 30 Touren ein, anhand derer man Barcelona zu Fuß erkunden kann, bequem und intensiv. (Genauer gesagt führt die Mehrzahl der Spaziergänge durch die Stadt, vier hingegen ins nahe Umland.) Wiegand berücksichtigt beliebte Touristenmagneten wie die Sagrada Familia oder die beliebte Flanier- und Einkaufsmeile La Rambla, hat aber auch unzählige (wirkliche) Geheimtipps in petto, so dass sich das Buch für einen Erstbesuch eignet, man aber damit sicher auch noch neue Seiten Barcelonas entecken kann, selbst wenn man die Stadt schon gut zu kennen glaubt.

Texte und Fotos wechseln sich angenehm ab, Übersichtskarten in den Innenseiten der praktischen Klappenbroschur sowie zahlreiche Stadtplanausschnitte geben hilfreiche Orientierung. Aktuelle Öffnungszeiten, Eintrittspreise etc. fehlen genauso wenig wie interessante, witzige oder überraschende Hintergrundinfos. Überhaupt staune ich, wie viele Informationen Wiegand in diesem handlichen Taschenbuch untergebracht hat, ohne dass dies zu Lasten der Übersichtlichkeit geht.

Meine klare und begeisterte Empfehlung für alle, die nach Barcelona reisen, egal ob zum ersten oder wiederholten Mal!