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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
Über mich: 
Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 150 Bewertungen
Bewertung vom 01.01.2021
Teatime mit Lilibet
Holden, Wendy

Teatime mit Lilibet


sehr gut

Ein Leben für die Königskinder
Marion Crawford macht in Edinburgh eine Ausbildung zur Lehrerin, eigentlich mit dem erklärten Ziel, unterprivilegierten, armen Kindern eine Schulbildung zukommen zu lassen. Sie gehört zur ersten Generation von Frauen, die eine Berufsausbildung machen. Die Leiterin ihres Instituts überredet sie jedoch, eine Stelle als Gouvernante bei der Herzogsfamilie York anzunehmen, mit dem Argument, dass auch solche privilegierten Kinder Lehrer brauchen, die ihnen das Leben der "normalen" Leute nahebringen. Marion ist 22 als sie die Stelle antritt und man schreibt das Jahr 1932. Eigentlich sollte es erst nur ein Probemonat sein, aber im Endefekt bleibt Marion 16 Jahre bei der Familie, aus der inzwischen die Königsfamilie geworden ist.
Sie bemüht sich, ihren beiden Schützlingen Elizabeth und Margaret Einblick in das Leben außerhalb der Paläste zu geben, fährt mit ihnen U-Bahn, geht in öffentliche Schwimmbäder und zu Woolworth. Ihr Unterrichtsprogramm wird oft von - in ihren Augen überflüssigen - Veranstaltungen des Hofprotokolls gestört und unterbrochen. Aber sie hat die beiden Mädchen ins Herz geschlossen, liebt sie, als wären sie ihre eigenen Kinder und hat ihr Privatleben für ihren Job mehr oder weniger aufgegeben. Mehrfach will sie kündigen, wird aber von der "Queen Mum" immer wieder daran gehindert. Denn obwohl die Mädchen sehr an ihr hängen, wird sie letzlich doch als Domestikin behandelt.
Als sie das (gutbezahlte) Angebot erhält, ein Buch über die Prinzessinnen zu schreiben, tut sie es entgegen dem ausdrücklichen Verbot der Königin und wird danach von der königlichen Familie geächtet.
Gerade wenn man auch "The Crown" gesehen hat, fügt das Buch noch einige informative Facetten hinzu, ist aber insgesamt für mich doch etwas zu langatmig und repetitiv, eine Kürzung und Straffung hätte gut getan.

Bewertung vom 29.11.2020
Die Djurkovic und ihr Metzger
Raab, Thomas

Die Djurkovic und ihr Metzger


sehr gut

Spannend und witzig!
Anfangs tat ich mich recht schwer mit dieser Lektüre: Verwirrend viele unbekannte und skurrile Protagonisten (ich bin Metzger-Neuling), unterschiedliche Zeitebenen und Orte, verschiedene Textformen und Schreibstile, teilweise starker Dialekt - da musste ich mich erst einmal einlesen, bin dann aber doch ganz gut hineingekommen und fand es immer witziger und spannemder, zum Ende hin super spannend und auch die einzelnen Puzzle-Teile fügten sich dann zu einem sinnvollen Ganzen zusammen.
Metzgers langjährige Lebensgefährtin Danjela Durkovic, die er nun nach 13 Jahren auch ehelichen wollte, lässt ihn während der Trauung am Altar stehen und verschwindet. Metzger fällt in ein tiefes Loch, beginnt sich dann allmählich doch darüber Gedanken zu machen, ob hinter ihrem Verschwinden nicht etwas anderes stecken könnte. Danjela ist von ihrer Vergangenheit eingeholt worden, die etwas anders aussieht, als sie von ihr immer dargestellt worden war.
Ich will vom Inhalt nicht mehr verraten, aber reizvoll ist auch der Schreibstil: Funkprotokolle, von Leuten, die sich mit Vogelnamen anspreche, ein Anruf bei einer Mobilfunkhotline inklusive Warteschleife, dann wieder Passagen im Stil eines Drehbuches, herrliche, knappe und witzige Dialoge, z.B. beim Anzugkauf in der Umkleidekabine, völlig absurde Situationen, z.B. mit dem Zirkuselefanten bei einer Promi-Party, wo der Metzger zum Youtube-Star avanciert. Satire, rabenschwarzer Humor, liebenswerte Protagonisten, Geselschaftskritik und ein veritabler, spannender Kriminalfall. Sehr unterhaltsam!

Bewertung vom 23.11.2020
Ada
Berkel, Christian

Ada


gut

Authentische Schilderung der Nachkriegsgeneration in West-Berlin
Dies war mein erstes Buch von Christian Berkel und der Autor versteht es, eine unterhaltsame und fesselnde Geschichte zu erzählen. Dass es sich bei diesem Roman um den zweiten Band einer Trilogie handelt, war mir vor der Lektüre nicht bewusst, aber ich kam auch ohne die Kenntnis des ersten Bandes problemlos in die Geschichte hinein. Ich bin ein paar Jahre jünger als die fiktive Ada, aber in vielem decken sich ihre Erlebnisse einer westberliner Nachkriegsjugend mit meinen. Besonders eindrückliche Ereignisse waren der Mauerbau, das Stones-Konzert in der Waldbühne, die Ermordung von Benno Ohnesorg während der Demos anlässlich des Schah-Besuchs, die Studentenrevolte und Woodstock (dort war ich zwar nicht, aber trotzdem gehört das irgendwie zur kollektiven Erinnerung).
Die gesamte Familie durchläuft die typische Entwicklung im Wirtschaftswunderland, man kommt allmählich zu Geld und hat einen - ziemlich spießigen - Freundeskreis, mit dem man regelmäßig zusammenkommt. Die Mutter ist Jüdin und war deshalb mit ihrer Tochter aus Deutschland geflohen: erst nach Paris, dann nach Argentinien. Als sie mit der neunjährigen Ada nach Berlin zurückkehrt, ist es für das kleine Mädchen sehr schwierig, sich dort zu Hause zu fühlen. Dann heiratet die Mutter Adas Vater (wobei die tatsächliche Vaterschaft ein Rätsel bleibt), einen Arzt mit eher nicht ganz reiner Weste während der Nazizeit. Die Mutter, Sala, erzieht ihre Kinder katholisch, das jüdische Erbe wird ausgespart. Überhaupt wird in der Familie über viele Themen nicht gesprochen und Ada beginnt, sich zur Rebellin zu entwickeln.
Das ist gut lesbar und interessant, allerdings bin ich trotzdem mit Ada nicht richtig warm geworden. Das mag zum einen daran liegen dass ein Mann in der Ich-Form als Frau erzählt, was manchmal nicht so ganz hinhaut, zum anderen daran, dass ich Adas Aktionen und Reaktionen nicht immer ganz nachvollziehbar fand.
Fazit: Eine unterhaltsame Lektüre, die Erinnerungen weckt und zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 12.11.2020
Funkenmord / Kommissar Kluftinger Bd.11
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Funkenmord / Kommissar Kluftinger Bd.11


gut

Unterhaltsam, nicht übermäßig spannend und zum Teil ärgerlich!
Ich habe das Gefühl, für Kluftinger wäre es allmählich an der Zeit, abzutreten - Vorruhestand oder ähnliches!
Dieser Band beginnt da, wo der letzte mit einem Cliffhanger aufgehört hatte: Klufti will seinen ersten Fall, der seiner Karriere sehr förderlich war, noch einmal aufrollen will, denn inzwischen zweifelt er daran, dass damals vor 35 Jahren der wirkliche Täter bestraft wurde. Mit Hilfe seiner Kollegen ermittelt er weiter in diesem Fall und findet schließlich auch den Mörder der jungen Lehrerin, der auch falsche Beweise beim damaligen Liebhaber von Karin Kruse plaziert hatte, um diesem den Mord anzuhängen. Der Kollege Strobl kam ja im letzten Band zu Tode und wird von einer etwas schnoddrigen jungen Kollegin namens Lucy Beer ersetzt, was beim hauptsächlich männlichen Team zuerst eine Abwehrhaltung auslöst. Richie Maier denkt sich täglich immer lächerlichere Rituale aus, um des toten Kollegen zu gedenken.
Es war in dieser Reihe schon immer so, dass Kluftis Privatleben einen sehr großen Raum einnahm, aber in diesem Band tritt die Krimihandlung stark hinter das Private zurück. Und allmählich begann der Kommissar, dem ich früher immer eine große Sympathie entgegenbrachte, mich zu nerven mit seinem Geiz (Thermomix), seiner Boshaftigkeit (Langhammers Hund), seinem rudimentären mit Deutsch durchsetzten Englisch (Mails an den japanischen Schwiegervater seines Sohns), seiner gar nicht so latenten Frauenfeindlichkeit und generell seinen dümmlichen Gedankengängen. Ich schätze, Klufti müsste so ca zwischen 55 und 60 sein - kann jemand, der ja ein gewisses Bildungsniveau haben müsste, in der heutigen Zeit noch so ticken, sogar in Altusried? Das hat mir den Spaß ein wenig verdorben, auch wenn das Buch trotzdem recht unterhaltsam war. Ich bin eigentlich ein recht loyaler Leser, aber ich kann mir vorstellen, dass ich den nächsten Band nicht mehr lesen werde. Nur noch etwas für in der Wolle gefärbte Fans!

Bewertung vom 05.11.2020
Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1
Maurer, Martin

Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Spannender Krimi mit zeitgeschichtlichem Hintergrund
1984 ... ich kann mich noch gut an dieses auch in meinem Leben bedeutungsvolle Jahr erinnern, an die Angst vor den Pershing-Raketen auf bundesdeutschem Boden und vor einem möglichen Kanzler Franz Josef Strauß! Und auch an das Konzert von Joy Division 1981 im Kant-Kino, bei dem Nick mit seinem Sohn Jo war - da war ich auch dabei.
Der Berliner Ermittler Nick Marzek steckt nach dem Tod seiner Frau in einer Lebenskrise und ertränkt seinen Kummer in Alkohol. Als sein Freund Aki von der Münchner Kripo nach Berlin kommt und ihn so angeschlagen vorfindet, bietet er ihm eine Stelle in München an, wo er ihm auf die Beine helfen könne. Nick nimmt an und stürzt sich in die Arbeit. Meist geht es um Fälle im Rotlicht-Milieu, aber liegt hier auch der Grund für den Anschlag auf die Münchner Diskothek Liverpool? Dahingehend wird zunächst ermittelt, bis dann ein Bekennerschreiben der italienischen Gruppe LUDWIG auftaucht. Das Bekennerschreiben ist überwiegend in Italienisch verfasst, aber verziert mit Hakenkreuzen und Runen. Nick wird in halboffizieller Mission nach Italien geschickt und da auf die Schnelle kein Dolmetscher gefunden werden kann, soll Graziella, die italienische Putzfrau der Münchner Kripo, ihn begleiten. Das ungewöhnliche Gespann klappert die Tatorte ab, an denen Anschläge der Gruppe Ludwig stattgefunden haben, sie studieren Polizeiakten und sprechen mit den unterschiedlichsten Leuten. Allmählich beginnen sich Gemeinsamkeiten herauszukristallisieren.
Den Anschlag auf den Club Liverpool und die Gruppe Ludwig hat es tatsächlich gegeben. Die Motivation der (sehr kleinen) Gruppe Ludwig, die sich mit Nazisymbolen schmückt, scheint aber doch eher nicht rechtsextremistisch, sondern katholisch-fundamentalistischer, moralischer Natur gewesen zu sein. Zu Beginn der Anschläge (ab 1977) waren die Oberschüler erst 17 bzw. 18 Jahre alt. Sie warfen ihren Opfern moralische Verkommenheit und Abfall von der wahren Religion vor.
Der Autor hat gründlich recherchiert und mit den fiktiven Mitteln, die einem Krimiautor im Gegensatz zum Historiker zur Verfügung stehen einen gut lesbaren und spannenden Roman daraus gemacht. Durch Graziella an seiner Seite bekommt Nick einen viel besseren Einblick in die italienische Mentalität, als wenn ein beeidigter Dolmetscher ihn begleitet hätte. Die beiden, jeweils leicht angeschlagenen Enddreißiger, entwickeln sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten zu einem gut eingespielten Team. Durch die beiden hat man als Leser einen persönlicheren Zugang zu den realen historischen Vorfällen. Und zur Aufheiterung zwischendurch ein wenig Fiorucci und viel gutes Essen.
Gelungener und informativer historischer Krimi - von mir eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 05.11.2020
Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10
Schorlau, Wolfgang

Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10


ausgezeichnet

Realistisch, aktuell, informativ, spannend - ein Krimi mit "Alles drin" sozusagen
Schon lange hatte ich vor, endlich mal einen Dengler-Krimi zu lesen, kenne bis jetzt aber nur ein paar Verfilmungen, so dass Dengler und Olga beim Lesen vor meinem inneren Auge wie Ronald Zehrfeld und Birgit Minichmaier aussahen. Im Frühjahr hatte ich dank Vorablesen den Krimi "Der freie Hund" gelesen, den Schorlau zusammen mit einem Co-Autor verfasst hat. Auch das ein spannender politischer Krimi, aber verglichen mit Kreuzberg Blues doch eher zahm.
Hier wird richtig harter Tobak geboten, es geht um Miethaie verschiedener Ausprägung und deren äußerst fragwürdige Geschäftspraktiken.
Dengler und Olga kommen nach Berlin, um einer Freundin von Olga zu helfen, die von Immobilienspekulanten aus ihrer günstigen Kreuzberger Mietwohnung hinausgeekelt werden soll. 3 Firmen spielen sich dabei gegenseitig in die Hände: die Deutsche Eigentum, Kröger Immobilien und Blackhill - unschwer zu erkennen die Anspielung auf die Deutsche Wohnen und BlackRock. Da wird nicht davor zurückgeschreckt, aggressiv gezüchtete Ratten im Hausflur auszusetzen oder im Winter die Fenster auszubauen. Erschreckend realistisch wird die Lage auf dem Wohnungsmarkt dargestellt. Und dass er so nah an der Realität ist. macht diesen Politkrimi so spannend. Dengler und Olga ermitteln teils zusammen, teils separat jeder auf seine eigene Art. Spannung entsteht dadurch, dass mehrere parallel stattfindende Ereignisse abwechselnd geschildert werden und Schrecken, weil sich einem die skrupellosen Strategien dieser Spekulanten allmählich immer mehr erschließen. Und dann noch eine geheimnisvolle Organisation von Verfassungsschützern und Mitarbeitern des Innenministeriums, die sich selbst scherzhaft als Zentralkomite bezeichnen, unauffällig im Hintergrund arbeiten, um ihre deutschnationalen Ziele voranzubringen. Ob das eine reale Grundlage hat, weiß ich zwar nicht, wundern würde es mich jedoch nicht.
Ein realistischer Krimi am Puls der Zeit, spannend und zum Nachdenken anregend - äußerst lesenswert!

Bewertung vom 14.10.2020
Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2
Horowitz, Anthony

Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2


sehr gut

Literarischer, selbstironischer Krimi und Hommage an Holmes und Watson
Der Schriftsteller und Drehbuchautor Anthony Horowitz ist ein bekennender Sherlock Holmes-Fan und so waren seine ersten Krimis auch neue Sherlock Holmes-Geschichten, aber seit "Die Morde von Pye Hall" verknüpft er seine Krimis auch aufs Amüsanteste mit der Welt des Literaturbetriebes. Mord in Highgate ist der zweite Fall des Ex-Polizisten Hawthorne, der aber bei besonders kniffligen Fällen von der Polizei noch immer zu den Ermittlungen hinzugezogen wird. Und dieser Hawthorne hat Horowitz auserkoren, sein "Watson" zu sein.
Noch immer ist der Mann für Horowitz ein Buch mit sieben Siegeln und er entwickelt einen gewissen Ehrgeiz, mehr über ihn herauszufinden. Immerhin erfährt er jetzt, dass Hawthorne Mitglied eines Buchclubs ist, der gerade einen Sherlock Holmes - Roman liest und diskutiert. Die anderen Mitglieder haben erfahren, dass Hawthorne Horowitz kennt und ihn gebeten, den Autor mitzubringen. Dabei lernt er auch den im Rollstuhl sitzenden Jungen Kevin kennen, der Hawthorne offensichtlich mit seinen Computerkenntnissen zur Seite steht. Aber auch in diesem zweiten Band wird einem Hawthorne nicht viel sympathischer, und der Leser und Anthony Horowitz rätseln, was in diesem Mann eigentlich so vorgeht.
Im aufzuklärenden Fall um die Ermordung des erfolgreichen Scheidungsanwalts Richard Pryce gibt es viele Verdächtige und es wird ein Zusammenhang mit einem einige Jahre zurückliegenden Todesfalls während einer Höhlendurchquerung erkenntlich, an der der besagte Anwalt teilgenommen hat. Die naheliegendste Täterin scheint allerdings eine avantgardistische feministische Autorin zu sein, deren Ehemann bei der Scheidung von Pryce vertreten wurde, denn sie hatte den Anwalt kürzlich in einem Edel-Restaurant beschimpft, ihm ein Glas Rotwein ins Gesicht geschüttet und gedroht, das nächste Mal eine ganze Flasche zu nehmen - und genauso wurde Pryce getötet: erschlagen mit einer Flasche teuersten Rotweins! Es gibt eine Menge falscher Fährten und das ermittelnde Duo muss immer wieder von vorne anfangen.
Das liest sich launig und spannend und der Unterhaltungswert liegt vor allem darin, dass Horowitz (seine) Realität und Fiktion vermischt, er bezieht sich auf reale Fakten aus seinem Leben wie Dreharbeiten zu einer Serie, die er schreibt, Treffen mit seiner Literaturagentin usw. Aber natürlich ist er auch ein fiktiver Protagonist dieses Romans, und diese Mischung macht den Reiz dieses Romans aus. Ein großes Lesevergnügen, ich freue mich schon auf den nächsten Band!

Bewertung vom 30.08.2020
Das Haus in der Claremont Street
Carolsfeld, Wiebke von

Das Haus in der Claremont Street


sehr gut

Bewegendes Familiendrama
Der neunjährige Tom wird Zeuge eines schrecklichen Familiendramas, bei dem seine beiden Eltern ums Leben kommen. Er reagiert darauf mit "selektivem Mutismus", d.h. er hört auf zu sprechen und zieht sich komplett in sich zurück.
Seine Mutter Mona war das jüngste von vier Geschwistern: der verheirateten, perfektionistischen Sonya, die sich vergeblich ein Kind wünscht und nach dem frühen Tod ihrer Mutter die jüngeren Geschwister aufgezogen hat, der etwas chaotischen, alleinerziehenden Rose und Will, einem Weltenbummler, der mit 30 immer noch nicht erwachsen ist.
Das Leben sämtlicher Familienmitglieder wird von Monas Tod gründlich aufgemischt und durch Toms stumme und widerwillige Anwesenheit können sie ihre Trauer, ihre Schuldgefühle und das Nachdenken über ihr Leben und die Fehler, die sie gemacht haben, nicht länger verdrängen. Nach 2 Monaten in Sonyas Haushalt, wirft diese das Handtuch und Tom zieht zu Rose, Will und Roses Sohn Nick.
In dem Roman geht es darum, wie es ihnen allen ganz allmählich gelingt, sich gegenseitig zu helfen und ins Leben zurückzufinden. Es geht in diesem Roman um die Familie als Gesamtgefüge und die Autorin bringt uns - in teilweise durchaus amüsanter und humorvoller Weise - die einzelnen Familienmitglieder näher. Eine bewegende und ziemlich traurige Geschichte, an deren Ende es aber immerhin einen Silberstreif am Horizont gibt. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 28.08.2020
Der Gepäckträger
Rawlings, David

Der Gepäckträger


weniger gut

Plattitüden
Die Grundidee klang durchaus interessant, doch die Umsetzung enttäuscht.
Im selben Flugzeug sitzen 3 Personen, die einander nicht kennen. Jeder von ihnen steht an einem für ihn schwierigen Punkt im Leben: Gillian, der Hausfrau und Mutter, mangelt es an Selbstwertgefühl, sie denkt alle anderen sind besser, erfolgreicher und glücklicher als sie. Der junge Michael steht vollkommen unter dem Einfluss seines Vaters, der hofft, dass sein Sohn seine eigenen gescheiterten Träume verwirklicht, ein Spitzensportler zu sein, obwohl der Junge selbst viel lieber an seinem künstlerischen Talent arbeiten möchte. Und David, der gestresste und ewig wütende Geschäftsmann, der von morgens bis abends hart arbeitet, um seiner Familie ein gutes und sorgenfreies Leben zu ermöglichen, erkennt nicht, dass es nicht nur ums Geld geht, sondern dass seine Familie auch seine Anwesenheit als Ehemann und Vater braucht. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit hat seine Frau ihn ein einziges Mal betrogen, was er ihr absolut nicht verzeihen kann.
Alle drei haben einen schwarzen Koffer mit rotem Anhänger und so kommt es, dass jeder von ihnen den falschen Koffer erwischt. Ein mysteriöser "Gepäckträger" ist nicht ganz unschuldig daran. Und jeder hat etwas in seinem Koffer, dass er für seinen Besuch am Zielort dringend braucht.
Alle bekommen eine Adresse in einem abgelegenen Industriegebiet, wo sie sich ihren Koffer abholen können. Und dort trifft jeder von ihnen wieder auf den Gepäckträger, der ihnen helfen soll, "sich um ihr Gepäck zu kümmern". Hier geht es natürlich in Wirklichkeit nicht um die Koffer, sondern um den Ballast, den jeder Mensch in einem gewissen Maß mit sich herumträgt. Durch gezielte Fragen und seine "mitleidvollen und wehmütigen" Blicke bringt der Gepäckträger/Therapeut die drei Protagonisten dazu, über ihr Leben nachzudenken.
Es geht im Wechsel jeweils um einen der drei Kandidaten und seinen speziellen Ballast. Es ist eine kurze Erzählung und dementsprechend bleibt alles ziemlich oberflächlich und klischeehaft und mir als Leserin war es nicht möglich, eine Beziehung zu den einzelnen Personen zu entwickeln. Auch literarisch hat mich das Buch nicht überzeugt. Für mich ist es ein als Roman verkleidetes Ratgeberbuch und von der im Untertitel versprochenen "Kunst, unbeschwert zu leben" habe ich nichts verspürt.

Bewertung vom 21.08.2020
Ein Mann der Kunst
Magnusson, Kristof

Ein Mann der Kunst


ausgezeichnet

Satirischer Ausflug in die Welt der Kunst
Der exzentrische, zurückgezogen auf einer Burg im Rheingau residierende Künstler KD Pratz trifft sein bildungsbürgerliches Publikum in Form der Mitglieder des Fördervereins für das Museum Wendevogel. Diese wollen ihn kennenlernen als Entscheidungshilfe für die Frage, ob der geplante Museumsanbau in Gänze dem Werk dieses Künstlers gewidmet werden soll.
Der gesellschaftskritische Künstler und die kunstbeflissene, wohlbetuchte Klientel – da prallen zwei Welten aufeinander, es kommt zum Desaster – oder doch nicht? Die Schilderungen sowohl des Künstlers als auch der unterschiedlichen Kunstfreunde sind äußerst amüsant, die pointierten Dialoge sind einfach köstlich. Wer ist dieser publikumsscheue KD Pratz nun eigentlich, ist er einfach völlig durchgeknallt oder am Ende gar ein Marketinggenie?
Dieser kurzweilige Roman unterhält blendend, hält einem (wenn man sich zum Bildungsbürgertum zählt) einen Spiegel vor und regt zum Nachdenken an. Klare Leseempfehlung!