Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 246 Bewertungen
Bewertung vom 20.12.2023
Das Blaue Kind
Kurka, Peggy

Das Blaue Kind


ausgezeichnet

Ein beeindruckendes Buch über die Selbstfindung einer Frau, die Dinge kennengelernt hat, von denen Normalsterbliche keine Ahnung haben.

„Peggy muss noch lernen, sich mehr in der Partei zu engagieren.“ So lasen ihre Adoptiveltern damals, in der DDR, Beurteilungen über ein Kind, das im Sozialismus eine Fremde bliebt.

Ihr wurde dort von (zumeist) Lehrerinnen beigebracht, nicht so sexualisiert und erotisch zu sein. Trotzdem wurde sie von anderen so behandelt, auch von ihrem ersten und zweiten Stiefvater.

Gut, dass Peggy Burka den Mut fand, etwas aufzuschreiben, das einem in vielen Passagen den Atem stocken lässt. „Als schwarzes Kind war ich Luft und hatte in tiefer Dankbarkeit zu sein.“ Sie war ein lebendiges Abbild für gelebte Solidarität in der DDR, mehr nicht. Was tatsächlich in ihr vorging, interessierte niemanden.

Zwischen den hehren Zielen des Sozialismus und den Vorgaben der Emanzipation wurde ganz normal gelebt, wie immer und überall. Erotisches Verlangen machte auch vor eigenen Kindern nicht halt - und Kinder in der Schule benehmen sich so wie Kinder sich eben benehmen.

In diesem Zusammenhang eine dunkle Hautfarbe zu haben, war in der DDR ein echtes Problem. Dabei erzog der Sozialismus zum Luxus-Verzicht, nur um damit umso stärker die Gier nach Besitztümern zu fördern. Heute scheint es umgekehrt, wir sollen wieder verzichten, damit eine neue Ideologie ihre Segnungen ausfahren kann.

„Wir waren angekotzt davon, dass wir nahezu nichts durften, aber alles wollten.“ (1988) Die Memoiren von Peggy Kurka sind ein treffendes Lehrstück über den Sozialismus und die Natur des Menschen. Diese bleibt immer gleich und auch dem Geld oder Kapitalismus ist keine Schuld zu geben. Fatale Wirkungen haben immer falsch verstandene Moral und Ideologien, die andere unterdrücken. Etwas sein oder haben zu wollen, etwas selbst unternehmen zu können, es ist dies der Antrieb des Menschlichen.

Bewertung vom 03.12.2023
Die Geschichte Österreichs in Reimen
Brezina, Thomas

Die Geschichte Österreichs in Reimen


ausgezeichnet

Ungewöhnlich, anders und leicht verständlich, dabei spannend und für jeden nachvollziehbar.

Dieses Buch macht Geschichte lebendig und vermittelt Wissen, das jeden interessieren sollte. Z.B. auf den Seiten 170-175 die Belagerung von Wien 1683 durch die Osmanen.

Jan der Dritte Sobieski von Polen gewann am 12. September 1683 schließlich die Entscheidungsschlacht am Kahlenberg, die Osmanen wurden zurückgedrängt und in der Folge von Prinz Eugen weiter nach Istanbul gedrängt.

Am Ende des Buches folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungs-Daten, übersichtlich zusammengestellt.

Lust auf Wissen zu machen, das gelingt diesem Buch auf beste Weise, ein Werk nicht nur für Kinder.

Bewertung vom 03.12.2023
WOKE - Wie eine moralisierende Minderheit unsere Demokratie bedroht
Ramadani, Zana;Köpf, Peter

WOKE - Wie eine moralisierende Minderheit unsere Demokratie bedroht


ausgezeichnet

Ein zentrales Buch für die kommende Zeit. Die Autoren schlüsseln die Ebenen des Oberkommandos Weltmoral auf und vermitteln, warum die quasireligiöse Bewegung des Schutzes der Heiligen Minderheiten der letzten Tage in die Irre führen muss. Im Bereich Gendern gibt es es schon wirksame Gegenbewegungen, diese Verirrungen scheitern auch an der fehlenden Alltagstauglichkeit.

Sie verlangen Ergebnisgleichheit total. Leistung, Eignung und Befähigung zählen nicht mehr, sondern willkürlich gesetzte Regelwerke, die zudem andere Gruppen ausgrenzen.
Es herrscht Selbstgerechtigkeit statt Gerechtigkeit. Der schuldige, alte weiße Mann kann nichts mehr zu sagen haben. Wie in der franz. Revolution wird zu radikal und konzeptlos agiert, die Woken sind eine Risikogruppe für die Demokratie.

„Ausgestattet mit leidenschaftlicher Lust und zweifelhaften Argumenten wähnt sich die Elite der Erwachten auf dem leuchtenden Pfad in ein moralisches Morgen.“ Statt Altruismus herrscht in dieser Bewegung aber Bevormundung, die sich so wohlig überlegen anfühlt. Diese päpstliche Attitüde der Unfehlbarkeit mit hochroten Backen begegnet ihrem Überschwang mit wachsender Unlust der Belehrten, diesen Kinderkram gut zu heißen.

Aber alle Argumente der anderen werden mit der woken roten Karte diffamiert, die jede weitere Diskussion unterbinden soll. Die Frage ist, warum ein ganzes Land von einer Minderheit dominiert wird, die wieder einmal am deutschen Wesen die Welt genesen lassen möchte.

Woher kommt das Ganze und seine rigide Stärke gerade in Deutschland. Immer wieder fällt mir die hellsichtige Projektion von Franz Werfel ein, aus 1946: „Zwischen Weltkrieg II und Weltkrieg III drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Und sie nahmen das, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Und Humanität schien ihnen jetzt der bessere Weg zu diesem Ziel. Sie fanden diesen Weg sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenwahn. So wurden die Deutschen die Erfinder der Ethik der selbstlosen Zudringlichkeit.“

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2023
DIE ZEIT Philosophie Wochen-Kulturkalender 2024. Philosophische Fragen, Begriffe und Denkanstöße in einem Wochen-Kalender. Hochwertiger Wandkalender voll philosphischem Wissen
Hattstein, Markus

DIE ZEIT Philosophie Wochen-Kulturkalender 2024. Philosophische Fragen, Begriffe und Denkanstöße in einem Wochen-Kalender. Hochwertiger Wandkalender voll philosphischem Wissen


ausgezeichnet

Philosophie ist die Frage nach dem richtigen Leben in Harmonie mit sich selbst und anderen. So viele Antworten umschwirren uns und leider sind wenige wirklich verständlich. Anders in diesem Kalender, der Philosophen nachvollziehbar & knapp auf den Punkt bringt.

Im Vorwort von Maximilian Probst lesen wir: „Wer philosophiert, geht von seinem gelebten Alltag aus, stellt sich zusehends Fragen, die einen wachsenden Radius haben, und kehrt am Ende aus maximaler gedanklicher Ferne zu seinem Alltag zurück.“ Dieser schöne Satz drückt die Problematik gut aus, um was es geht: sich selbst und die Fragen der weiteren Welt zu erkennen.

Dabei werden Formalisierungen und logische Schlüsse, gar Allgemeingültigkeiten angestrebt, die in diesem Kalender durch große Denker und ihre wesentlichen Konzepte sowie jeweils einem Satz vermittelt werden. Theorien also, aber ganz praktische Umsetzungen, Zielsetzungen, Anregungen und Hilfestellungen.

Seneca (1-65 n.Chr.) war der Erzieher Neros und wurde von diesem schließlich zum Suizid gezwungen. Er sieht Lebenszeit vor allem als eine Frage des Zeitmanagements: „Wir haben aber nicht wenig Zeit, wir haben viel vergeudet. Hinreichend lang ist das Leben und großzügig bemessen, um Gewaltiges zu vollbringen, würde man es im Ganzen nur richtig investieren.“

Dass Adolph Freiherr von Knigge auch ein Philosoph war, beweist diese Aussage: „Vor allen Dingen vergesse nie, dass die Leute unterhalten, amüsiert sein wollen; dass selbst der unterrichtendste Umgang ihnen in der Länge ermüdend vorkommt, wenn er nicht zuweilen durch Witz und gute Laune gewürzt sind.“ (7. Woche)

Der Spruch „Anything goes“ stammt von Paul Feyerabend (1924-1994), einem österreichischen Philosophen, der in Berkeley gelehrt hat. Dies bedeutete seiner Meinung nach allerdings nicht, dass es keinen rational-wissenschaftlichen Weg zur Erkenntnis gäbe, sondern er bestritt nur, dass dies der einzig wahre Pfad sei.

Ich liebe diese Art von Kalender, die einen anregen, sich eine Woche Gedanken über einen Menschen und seine Gedanken zu machen, sich gleichsam mit ihm zu unterhalten. Michel de Montaigne gehört in diesem Zusammenhang zu einem der radikal Ehrlichsten, der mir immer wieder Freude macht. „Ich tue nichts ohne Frohsinn, und zu langes und anhaltendes Nachsinnen trübt meinen Verstand, macht ihn träge und lässig.“ Montaigne lebte in einer Zeit brutaler, blutiger Religionskriege und zog sich in seine Turmbibliothek zurück, um seine auch heute noch lesenswerten Essays zu den Themen des Lebens zu verfassen.

Einen deutlichen Ruf in unsere Zeit sehe ich in der Aussage von Wilhelm von Humboldt: (48. Woche) „Wer oft und viel geleitet wird, kommt leicht dahin, den Überrest seiner Selbsttätigkeit gleichsam freiwillig zu opfern. Er glaubt sich der Sorge überhoben, die er in fremden Händen sieht, und genug zu tun, wenn er ihre Leistung erwartet und ihr folgt.“

Bewertung vom 20.11.2023
Die Zunge
Werner, Florian

Die Zunge


ausgezeichnet

„Eine Zunge kann kosten, staunen, lecken, schmecken, zeigen, küssen, sprechen, stechen und leider auch abgeschnitten werden. Mit diesen Gliederungspunkten lesen wir in diesem Buch alles, wirklich aber auch alles über ein Organ, das normalerweise weit oben mitläuft ohne in ihrem Können ganz oben im Gehirn anzukommen in ihrer wahren Bedeutung.

„Diesem Organ haftet, ganz wertneutral gesprochen, etwas zutiefst Animalisches an. Es verbindet uns anatomisch mit dem Tierreich, mit sabbernden Hofhunden, Fliegen fangenden Fröschen oder Katzen, die mit der Zunge das kotverschmierte Fell ihres Nachwuchses saubermachen. Durch ihre schiere Existenz verweist die Zunge auf die grundlegendsten Bedürfnisse des saugenden, kauenden, verdauenden Körpers; Eigenschaften, die wir mit etlichen anderen Lebewesen teilen.“

Es stimmt, die Zunge bleibt ein hinter den Zähnen verschanztes, feucht schillerndes Geheimnis. Mit diesem Buch werden Dinge erhellt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. So wollte Erdogan nicht zulassen, dass jemand dem Propheten die Zunge herausstrecke: „Es ist unsere Pflicht, diese Zunge herauszureißen“. Die populäre türkische Sängerin Sezen Aksu hatte ein Lied veröffentlicht, „Es ist wunderbar, am Leben zu sein“, in dem Adam und Eva als Dummköpfe verspottet werden.

Die erste Stufe zum Mord ist das Herausschneiden der Zunge, mit dem der Delinquent ruhig gestellt und bestraft werden soll, durch die Nicht-Fähigkeit des Sprechens. Und baumelt man am Galgen, kann dann nicht mal mehr die Zunge heraushängen als letztes sicheres Zeichen des Todes.

Sezen Aksu ließ sich nicht einschüchtern und veröffentlichte ein neues Lied: „Du kannst mich nicht umbringen, ich habe meine Stimme, mein Instrument und meine Sprache – ich stehe für uns alle.“ Ins Gefängnis allerdings musste eine Journalistin, die ohne den Namen Erdogan zu sagen, das zum Besten gab: „Wenn ein Ochse in einen Palast einzieht, wird er damit nicht zum König, sondern der Palast wird zum Stall.“

Man sollte also in diktatorischen Umgebungen die Zunge im Zaum halten mit öffentlichen Anklagen und sie mehr für das Kosten und Küssen einsetzen. Wenn ich dieses Buch vergleichen würde mit einer echten feinen Gourmet-Kost dann wäre es ein langes, überraschendes 5 Gänge Menü mit zahlreichen, überraschenden Grüßen aus der Küche.

Dass Zunge und Phallus miteinander verwandt sind und Sklaven nicht nur das untere, sondern auch das obere Organ entfernt wurde, es war wohl so, obwohl die abgeschnittene Zunge Sklaven eher weniger wertvoll machte. Deswegen waren Eunuchen mit Zunge eher an der Tagesordnung. Die Sklavengeschichte ist heute relativ gut erklärt, z.B. im Buch von Egon Flaig: Weltgeschichte der Sklaverei. In jedem Fall aber war mit der Hinweis auf "Mr. Cruso, Mrs. Barton & Mr. Foe: Roman" von Herrn Werner sehr wertvoll, ich werde dieses Buch lesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.11.2023
Alles gut? Das meiste schon!
Schreyl, Marco

Alles gut? Das meiste schon!


weniger gut

"Die Beziehung zu meiner Mutter bekam einen fetten Riss." Daran erinnere ich mich primär nach diesem Buch. Es beinhaltet eine Abfolge von Begebenheiten, die zeitlich hin- und herspringend, eher verwirrend, erzählt werden. Oft wusste ich nicht, in welchem Jahr ich war.

Marco Schreyl vermittelt das Krankheits-Drama mit seinen Eltern, vor allem der Mutter. Alles klingt zwar liebevoll, aber doch merkwürdig wenig sagend. Ich weiß nicht, welche Bücher er gelesen hat, welche Träume er hatte oder wie die christliche Erziehung in der DDR auf ihn wirkte. Letzteres hätte mich besonders interessiert, um einen Abgleich mit einem kommunistischen System zu bekommen.

Das Schicksal seiner Eltern war hart und er litt mit. So geht es unzähligen Menschen. Ich habe das verstanden und erkenne die Seele des Jungen/Mannes, der einfach mitfühlend mittendrin war. Trotzdem wirken die Aneinanderreihungen von Begebenheiten luftleer. Die Ohrringe seiner Mutter erinnert er und die Liebe seiner Oma.

Das Buch kommt von der Oberfläche nicht in den Tiefgang, alles passiert irgendwie und der Junge wird groß, erfolgreich, redet im Radio, Fernsehen, wird bekannt. Und er macht sich permanent Sorgen.

O-Sätze:

„Wenn ich an meine Oma denke, dann denke ich an die kleine untersetzte Frau, die so herzhaft lachen konnte.“

Seine Mutter sagte jeden Morgen mit glitzernden Ohrringen mit einem geschliffenen Glitzerstein: „Pass schön auf Dich auf.“

Es war mir zu viel Krankheit der Eltern, ein Drama ohnegleichen, das in zu vielen Details erklärt wird. Ich will nicht mit im Wartezimmer sitzen, wenn die Analyse der Blutwerte ansteht. Dass Marco Schreyl trotzdem einen so positiven Eindrucke macht, es scheint ein kleines Wunder.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.11.2023
Rote Linien
Michael, Klonovsky

Rote Linien


ausgezeichnet

Michael Klonovsky kann verständlich erklären und Zusammenhänge auf den Punkt bringen wie wenig andere. Es scheint an der Zeit, überzogene moralische Allmachtsphantasien zu vergessen und alle Kräfte auf das zu konzentrieren, was wir leisten können.

Die ursprünglichen Podcasts kenne ich und konnte sie so wieder auflesen, ein sehr gelungenes, kluges Buch. Ideologien enden, aber nicht sachliche Kritik. Das Oberkommando Weltmoral kann sich durch dieses Buch in einer Art Belagerung fühlen, und das ist auch gut so.