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Benutzername: 
Milli11
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 99 Bewertungen
78910
Bewertung vom 30.08.2017
Wildfutter / Kommissar Vitus Pangratz Bd.1
Bayer, Alma

Wildfutter / Kommissar Vitus Pangratz Bd.1


sehr gut

Schon das Coverbild zeigt ganz klar, in welche Richtung das Buch geht: Mord mit Spaß!
Der pensionierte Polizeikommissar Vitus Pangratz findet im Wildsaugehege eines Tierparks die angenagte Hand einer ansonsten verschwundenen Leiche. Da er seinem Amtsnachfolger weder eine vernünftige Ermittlung noch sonst etwas Vernünftiges zutraut, beschließt er, in diesem Fall selbständig und undercover zu ermitteln.
Seine Tochter Johanna „Jo“ Coleman unterstützt ihn dabei. Nicht zuletzt auch, um ihre eigene bislang leider nicht allzu erfolgreiche Journalisten-Karriere bei einem örtlichen Käseblatt ein wenig zu fördern.
Bei der Suche nach dem Täter taucht dann der Leser ein in den Mikrokosmos einer bayrischen Mittelstadt, wo jeder jeden kennt und seine Meinung zu diesem hat, man bekommt garstige Einblicke in die Ehen diverser Protagonisten, bei denen man nur hoffen kann, dass es in Wirklichkeit so schlimm nicht sein mag.

Man lernt begeisterte und nahezu fanatische Fußball-Mütter und –Väter kennen, die für die erhofften Karrieren ihrer Kinder (möglichst und einzigst natürlich beim FC Bayern München als Fernziel) buchstäblich alles tun und sich gänzlich und in jeder Beziehung dafür aufopfern.
Nicht zuletzt wird auch der Arbeitsalltag in der Redaktion, in der Jo arbeitet, sehr nett beleuchtet samt ihren intriganten und missgünstigen Kollegen und besonderen Lese-Spaß bereitet auch der Einstieg von Jos Freundin Marina in die Berufstätigen-Welt als selbständige Dildo-Vertreterin.
Bei den Ermittlungen kommen dann sowohl Vitus als auch Jo doch leider auch ihre eigenen Liebeshändel in die Quere und trüben ein wenig die objektive Sicht. Schlussendlich gelingt es aber beiden doch noch, den Mord aufzuklären.
Das alles liest sich höchst unterhaltsam, das Buch hat richtig derben Biss und die bayrische Mundart und Gepflogenheiten machen mir als Außenstehenden und zum Glück nicht involvierten Nur-Leser sehr viel Spaß. Leben möchte ich allerdings dort auf gar keinen Fall!
Aber für Krimifans mit einem Sinn für etwas derberen Humor und Liebhaber der bayrischen Kultur und Lebensart ist das Buch unbedingt eine Empfehlung!

Bewertung vom 09.05.2017
Das Haus der schönen Dinge
Rehn, Heidi

Das Haus der schönen Dinge


ausgezeichnet

Das Titelbild ist sehr schön gestaltet mit einer Frauenfigur in Kleidung aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich vom Betrachter abwendet und in den großen Foyerbereich eines prächtigen Kaufhauses blickt.
Auch der Titel passt für meinen Geschmack sehr gut, er ist gleichzeitig Motto und Anspruch der jüdischen Familie Hirschvogl, die für eine fiktive Kaufmannsfamilie in München steht.
Der Roman beginnt mit der feierlichen Eröffnung des neuen Kaufhauses „Hirschvolg am Rindermarkt“. Die ganze Familie nimmt teil, alle Freunde, natürlich auch die Geschäftspartner und Honoratioren der Stadt und sogar der Prinzregent kommt!
Das große Ereignis ist sehr detailliert und liebevoll beschrieben, man lernt die wichtigsten Charaktere kennen und sieht auch schon, wo sich Konfliktfelder in der Familie und im Gesellschaftsleben auftun. Im Weitergang rankt sich der Roman hauptsächlich erstmal um den Patriarch der Familie Jakob und seine talentierte Frau Thea. Später geht dann das Hauptaugenmerk auf seine Tochter Lily über, die nach vielen Kämpfen die Leitung des Kaufhauses übernehmen darf.
Dabei werden sowohl die Liebes-, Ehe- und Familienprobleme nicht ausgespart, Kämpfe und Versöhnungen mit den Freunden und Freundinnen, Entwicklungen der Kinder, die nicht in das Weltbild der Eltern passen, Streit und Versöhnung, Verrat und Hilfe, wie das Leben so spielt.
Dies alles vor dem Hintergrund der aufkommenden Nazizeit, mit Anfeindungen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und Neid auf ihre privilegierte wirtschaftliche Stellung. Das Leben für die Familie wird immer schwieriger, darüber gehen Lieben und Freundschaften auseinander, andere Unterstützer finden sich dafür und manche werden den Krieg und die Nazizeit auch nicht überleben.
Das liest sich sehr flüssig, ist spannend geschrieben und man fürchtet unwillkürlich mit der Familie vor dem kommenden Unheil.
Dagegen sind nicht alle Charaktere immer schlüssig dargestellt, manche Wandlungen von Freund/ -in zu Feind/ -in und zurück kann ich nicht nachvollziehen und manchmal sind mir die ganzen Sozialleistungen und –ideen von z. B. Lily für ihre Kunden und Angestellten zu unglaubwürdig, auch Kaufhausbesitzer sind nun mal gezwungen, zuerst auf den Gewinn und erst dann auf soziale Wohltaten zu schauen, das ist ein bisschen viel für eine Person.
Nichtsdestotrotz kann ich das Buch sehr empfehlen, sehr schön finde ich auch den Stammbaum und die beigefügte München-Karte.

Bewertung vom 11.04.2017
Esst euer Eis auf, sonst gibt's keine Pommes
Zimmermann, Katja

Esst euer Eis auf, sonst gibt's keine Pommes


gut

Ich lebe zwar in einer komplett anderen Situation als die Autorin Katja Zimmermann, trotzdem hat mich interessiert, wie sie das Leben als alleinstehende Zwillingsmutter meistert.

Und es ist genau der Horror, den ich mir vorgestellt habe. Schlaflose Nächte, die alleinige Verantwortung bei Krankheiten, Erziehungsfragen und allen anderen Entscheidungen, dazu noch Liebeskummer um den verschwundenen Kindsvater, der zu allem Überfluss sich ein neues Familienglück am anderen Ende der Welt aufbaut (und Katja auch noch daran teilnehmen lässt).

Ihre Situation als Freiberuflerin hat zwar viele Vorteile bezüglich flexibler Zeiteinteilung, trotzdem finde ich die ständige Anspannung um die finanziellen Auftragslage wesentlich schlimmer. Hat halt alles Vor- und Nachteile.

Trotzdem schlägt sich die Zwillingsmutter tapfer durchs Leben und versucht auch immer wieder, einen neuen Mann und bestenfalls Zweitvater für die Kinder zu finden.
Die Erlebnisse sind locker geschrieben und das Buch liest sich unterhaltsam, trotzdem werde ich mit dem Thema nicht so richtig "warm". Deshalb die 3 Sterne.

Bewertung vom 11.04.2017
Fast perfekte Heldinnen / Perfekte Heldinnen Bd.1
Bréau, Adèle

Fast perfekte Heldinnen / Perfekte Heldinnen Bd.1


sehr gut

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, der Schreibstil ist sehr locker und leicht lesbar, ich hatte das Buch während der Feiertage an einem Nachmittag durchgelesen.
Es beschreibt das Leben 4er Freundinnen, die in Paris leben, in zum Teil ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Eine lebt in Trennung von ihrem Mann und hat eine große Teenager-Tochter, eine hat 3 Kleinkinder bzw. eins davon noch als Baby, eine andere wiederum kämpft verzweifelt ums Schwanger-werden und beneidet die anderen um ihre Kinder.

Jede hat mit unterschiedlichen Problemen in der Ehe, am Arbeitsplatz, mit inneren Problemen und in der speziellen Lebenslage zu kämpfen. Das wird sehr sympathisch beschrieben und ich wünschte jeder der Freundinnen, dass sich die Probleme lösen lassen, allerdings spielt das Leben oft anders. Nicht immer kann ich alle Handlungen und Entscheidungen der Traumfrauen nachvollziehen oder verstehen, aber auch das ist ja im richtigen Leben auch oft so. Manchmal sieht man eben Situationen von außen klarer, als wenn man selbst betroffen und involviert ist.

Und ich würde mir auch wünschen, zu erfahren, wie es mit den 4 Freundinnen weitergeht, ob die Freundschaft von Bestand ist und auch, wie es mit den diversen Männern weitergeht, der Nachfolgeroman ist ja bereits avisiert.
Ein sehr schöner Roman für freie Nachmittage oder vielleicht auch einen Frankreich-Urlaub, das Pariser Lebensgefühl kommt auf jeden Fall sehr nett rüber.

Bewertung vom 11.04.2017
Spreewaldtod / Klaudia Wagner Bd.2
Dieckerhoff, Christiane

Spreewaldtod / Klaudia Wagner Bd.2


gut

Nicht völlig überzeugend
Nach wie vor gefällt mir das Cover und auch der Titel sehr gut, jedoch bin ich von dem Buch an sich nicht wirklich überzeugt. Es liest sich zwar gut und flüssig, mir gefallen aber die vielen losen Fäden in der Geschichte nicht bzw. erschweren sie mir das Verständnis an zu vielen Stellen. Offensichtlich soll hier der Vorgängerroman noch gelesen werden müssen, das gefällt mir nicht.

Gerade da die Hauptperson Kommissarin Klaudia Wagner ganz offensichtlich noch mit schweren seelischen und körperlichen (Tinnitus) Auswirkungen irgendwelcher grausamen Vorgänge im Vorläuferbuch zu kämpfen hat. Und auch die restlichen Personen wie z. B. ihr Kollege Demel und ihr Vermieter Uwe samt Familie sind allesamt in diese traumatischen Ereignisse verwickelt, da wäre eine knappe Schilderung, was da passiert ist, ganz hilfreich gewesen.
Die eigentliche Story des Mordfalls im Spreewaldgurken-Erntehelfer-Milieu ist zwar eine gute Idee, aber auch hier sind die Motive eher dünn. Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass sich ein normaler Mensch im Affekt zu Gewalttaten hinreißen lässt, kaltblütige geplante Erschießungen mitten auf dem Gurkenfeld dürften aber eher unwahrscheinlich sein. Zumal wir ja alle wissen, dass die Aufklärungsquote in Deutschland bei Mord sehr hoch liegt ;-)).
Gegen Ende dieses Buches deuten dann schon wieder sehr viele offene Fragen auf das nächste Buch, da werden die Brandenburger-Neonaziszene, die Staatsanwältin mit ihren unklaren Beziehungen in diese, ein Mordanschlag auf Klaudia und irgendwelche privaten Probleme eines weiteren Kollegen angerissen und dann offen gelassen und sollen dann wohl im nächsten Buch weitergeführt werden.

Gut gelungen finde ich aber die Beschreibung des Seelenzustandes von Klaudia mit ihren Panikattacken und auch die Stimmung im heißen Spreewaldsommer ist sehr gut eingefangen, das kann ich mir sehr gut so vorstellen. Man spürt nahezu den Schweiß auf dem Rücken und wünscht sich ein abkühlendes Gewitter herbei.
Sehr schön sind auch die Lebensverhältnisse im Spreewald beschrieben, wo jeder jeden kennt und gemeinsame gute wie auch schlechte Erfahrungen und Erlebnisse miteinander teilt.

Im Großen und Ganzen würde ich das Buch jemandem in die Hand drücken, der einen Urlaub im Spreewald plant, würde ihm aber einen Kauf nicht unbedingt empfehlen.

Bewertung vom 11.04.2017
Projekt Rahanna
Wohlers, Uli

Projekt Rahanna


gut

Tolle Idee, aber in der Buchentwicklung nicht voll überzeugend
Titel und Cover gefallen mir richtig gut, gerade das Segelschiffmotiv kommt auf dem Hochglanz-Schutzumschlag super zur Geltung. Beides passt gut zusammen und verspricht Spannung.
Auch die Grundidee des Buches: Kampf gegen die Umweltzerstörung, gegen industrielle Groß-Agrarbetriebe und die Politikerkaste auf der Insel Bornholm durch Übernahme der gesamten Inselgewalten durch eine Gruppe neuzeitlicher Wikinger finde ich prima.
Die Beschreibung einzelner Protagonisten z. B. des Polizisten Stig Papuga oder des Alt-Polizisten Ole Rasmussen gelingen dem Autor gut. Die Dialoge sind oft recht witzig und voller schwarzem Humor, gerade die Militärkräfte kommen dabei auch recht schräg rüber. Auch die Wandlung des einen Polizisten vom Verteidiger der alten Rechtsordnung zum Anhänger der neuen Bewegung ist nachvollziehbar (wenn auch die Story mit der Hundeverwandlung mir etwas zu krude erscheint).

Allerdings verliert sich der Roman dann in zu vielen und zu verwirrenden Einzelsträngen. Die öko-revolutionären Neu-Wikinger zerfallen in einem innerparteilichen Machtkampf, die Gruppe um Blut-Eigil überrennt einige Bauernhöge und schlachtet dabei Mensch und Tier nieder, auch die Verbrüderung mit den norwegischen Amazonen gelingt eher nicht so gut.
Die Bewegung endet wie so viele gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Aktionen in der Flucht.

Zeitweise habe ich allerdings ein wenig den Spannungsfaden verloren, einiges ist auch nicht wirklich glaubwürdig und ich hatte das Gefühl, dass der Autor nach dem tollen Beginn auch nicht so richtig wusste, wie er die Geschichte zum Ende bringen soll.
Trotzdem regt das Buch durchaus an, sich über ein solches Übernahme-Szenario Gedanken zu machen, die Hintergründe sind ja real auch bei uns vorhanden und würden Anlass dazu geben. Kein Krimi im klassischen Sinn, aber dennoch etwas für Leute mit Sinn für eher ungewöhnliche und schräge Romane.

Bewertung vom 11.04.2017
Wenn ich jetzt nicht gehe
Dueñas, María

Wenn ich jetzt nicht gehe


sehr gut

Schöner Liebes- und Abenteuerroman in historischem Ambiente
Das Cover begeistert mich immer noch sehr, dort ist ein Paar in ganz zarten verschwimmenden Farben dargestellt und passt ganz hervorragend zum Roman.

Der stürzt den Leser gleich mitten hinein ins Geschehen, der reiche Bergwerksbesitzer Mauro Larrea hat gerade erfahren, dass er mit einer riskanten Aktion sein ganzes Vermögen verloren hat. Und damit beginnt der Kampf, einerseits die Fassade zu bewahren und sich und vor allem auch seinen beiden Kindern das Ansehen zu erhalten und andererseits möglichst schnell wieder zu viel Geld zu kommen.
Deshalb verlässt Mauro Mexico und versucht sein Glück auf Kuba. Dort gelingt es ihm, zum Besitzer eines großen Weingutes in Spanien zu werden und er will eigentlich nur schnell dahin reisen, um das Anwesen zu verkaufen und mit dem Erlös in sein altes Leben zurück zu kehren.

Aber dort kommt alles anders, er trifft auf Soledad, eine Nachfahrin der ursprünglichen Besitzer und die beiden stürzen von einem Problem ins andere und kommen sich dabei natürlich auch immer näher.
Dieser Buchteil in Spanien überzeugt mich deutlich mehr als der Anfang, die Handlung nimmt immer mehr Fahrt auf und fesselte mich dann so, dass ich unbedingt wissen wollte, wie die beiden Hauptakteure aus ihren diversen, zum Teil selbst gebastelten Zwängen und Problemen wieder herauskommen. Und ob sie vielleicht doch noch einen Weg finden, zusammen zu kommen. Und auch das Ende hat mir sehr gut gefallen.

Sehr interessant fand ich auch die Beschreibungen der Lebensverhältnisse in diesen Ländern, Mexico, dass sich schon vom spanischen Mutterland losgelöst hatte, Kuba in seinem Zwiespalt zwischen Spanien und den USA, die Konflikte durch die Sklavenhaltung auf der Insel und die Menschen, die versuchen, auf unterschiedlichste Art und Weise zu Geld zu kommen, sei es im Bergwerk in Mexico oder z. B. durch Sklavenhandel auf Kuba.
Das finde ich zusätzlich zu der Liebesgeschichte noch sehr positiv und kann das Buch als gute Unterhaltung empfehlen.

Bewertung vom 11.04.2017
Das letzte Bild der Sara de Vos
Smith, Dominic

Das letzte Bild der Sara de Vos


sehr gut

Verwicklungen über Jahrhunderte hinweg
Der Roman liest sich nicht ganz unkompliziert, es gilt, 3 Handlungsstränge aus ganz unterschiedlichen Zeiten zu verfolgen.
Beginn ist in der 60 iger Jahren des vorigen Jahrhunderts, einem sehr wohlhabenden Anwalt in New York, Marty de Groot, wird ein seit ewigen Zeiten im Familienbesitz befindliches Gemälde gestohlen. Auf der Suche nach dem Bild kommt es zur Begegnung und sich immer mehr vertiefenden Beziehung mit der Fälscherin seines Bildes.

In einem weiteren Erzählstrang wird die Entstehungsgeschichte des Bildes und das Schicksal der niederländischen Malerin Sara de Vos geschildert, dieser Teil gefällt mir am besten, dieser hätte gern noch etwas weiter ausgeführt werden können.
Die Beschreibung des Lebens im 17. Jahrhundert in Holland sind sehr interessant, auch der Protektionismus innerhalb der Gilden ist gut ausgeführt und man wünscht der Künstlerin sehr, dass sich ihr Leben irgendwie zum Guten wenden möge.

Im 3. Erzählstrang treffen sich Marty und die Fälscherin Ellie in Australien wieder, er mittlerweile hoch in den 80ern und sie eine sechzigjährige Frau. Dieses Wiedertreffen ist sehr berührend geschrieben, beide haben aus ihrer kurzen gemeinsamen Zeit Wunden und Narben erhalten und das Wiedersehen ist nicht unkompliziert.
Ich kann die Handlungsweisen und Entscheidungen der Hauptpersonen nicht immer nachvollziehen, trotzdem liest sich das Buch durchaus flüssig und interessant. Wie schon geschrieben, ist mir der Teil im mittelalterlichen Holland der liebste, mir fehlt allerdings gerade in den neuzeitlichen Epochen ein wenig Leidenschaft und Feuer. Die diversen Ehen und Liebesbeziehungen werden sehr sparsam ausgeführt, das fühlt sich immer etwas zu distanziert an.

Eine leichte Nebenbei-Lektüre ist der Roman ganz sicher nicht, dafür ist er zu „intellektuell“, aber für Liebhaber verschiedener historischer Epochen durchaus empfehlenswert.
Absolut überragend ist dafür die Gestaltung des Covers und die Haptik, das ist ganz wunderbar gelungen.

Bewertung vom 11.04.2017
Demnächst in Tokio
Seewald, Katharina

Demnächst in Tokio


ausgezeichnet

Ein sehr bewegendes Frauenschicksal

Ich habe in letzter Zeit sehr viele und auch viele gute Romane gelesen, aber dieses Buch hat mich wirklich so berührt wie schon lange keines mehr.
Die 18-jährige Elisabeth wird von ihrem tyrannischen Vater an den ihr nahezu unbekannten Sohn einer Fabrikantenfamilie in die Ehe „verkauft“. Und wenige Wochen später muss sie ihm nach Tokio folgen, wo Ernst Wilhelm einen Botschafterposten vermittelt bekommen hat.
Dort muss sich die sehr junge Frau nicht nur mit einem unbekannten Ehemann arrangieren, sondern auch mit einem völlig fremden Land und einem ihr ebenfalls fremden gesellschaftlichen Kreis innerhalb der deutschen Botschaftsangehörigen.

Und wie ihr hier gelingt, sich langsam zu entwickeln und dem Leben zu öffnen, die ihr von ihrem Vater gewaltsam eingebläuten Beschränkungen und Regeln abzulegen und zu überwinden, finde ich sehr schön und ergreifend beschrieben. Sie lernt, auch mit Hilfe ihres Mannes, eigene Entscheidungen zu treffen. Und auch die Liebe kommt irgendwann zu ihr …
Schlussendlich dann die Rückkehr in ein zerstörtes Deutschland und der mühsame Wiederaufbau. Natürlich ist das Leben von Elisabeth materiell durchaus sehr privilegiert und auch mit dem nicht unsympathischen Ehemann kann sie sich gut arrangieren und mit ihm auch sehr schlimme Zeiten gemeinsam durchstehen. Die Auflösung um seine Lebensgeschichte hätte es nicht unbedingt gebraucht, der Leser weiß lange vorher schon ungefähr Bescheid.

Mir hat das Buch unglaublich gut gefallen, ich habe wieder Details und Facetten der deutschen Geschichte näher kennen gelernt, die ich bestenfalls als angelerntes Schulwissen im Kopf hatte und wo es der Autorin gelingt, Leben durch ihre Figuren hineinzubringen. Gerade die langsame Gleichschaltung innerhalb der Botschaft, die Situation der deutschen Emigranten in Asien und der komplizierten Beziehungen und wechselnden Allianzen zwischen den Ländern während des 2. Weltkrieges wurden toll beschrieben.
Ich fand es sehr spannend und habe das Buch innerhalb zweier Abende weggelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht.

Eine unbedingte Empfehlung als Liebesgeschichte mit sehr fundiertem historischen Hintergrund.

78910