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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2022
FROST
Jónasson, Ragnar

FROST


gut

Nachdem ich das Konzept der rückwärts erzählten Trilogie rund um Kommissarin Hulda ziemlich genial fand, war ich mehr als hooked als ich diesen Spin-Off von Huldas Nachfolger Helgi entdeckt habe, der in einem Cold Case von kaltblütig ermordeten Mitarbeitern eines ehemaligen Tuberkulose Sanatoriums ermittelt. Die gespannte Vorfreude wich allerdings schon bald einer herben Enttäuschung, denn weder die blassen Charaktere noch die einschläfernd ruhige Erzählweise des nordischen Krimis konnten mich sonderlich begeistern.

Inhaltlich waren zwar einige gute und vor allem erfrischend neue Handlungsansätze vorhanden, insbesondere was ein Detail des privaten Strangs und die Beweggründe der Morde angeht, welche jedoch neben der holprigen Sprache verblassten. Bei einem Thriller erwarte ich realistischerweise keine literarischen Ergüsse, aber aufgrund der losen Aneinanderreihung einfacher Satzstrukturen stotterte der Text in meinen Augen und ließ an sogartiger Rhythmik vermissen.

Dessen sprachliche Einfachheit kann natürlich auch in der Übersetzung begründet liegen, denn aus dem Isländischen wurde es zunächst ins Englische und dann ins Deutsche übertragen. Auch die womöglich bewusst abgehackt gewählten Wechsel zwischen den Erzählperspektiven und Zeiten konnten der ruhig dahinplätschernden Handlung nicht den gewünschten Spannungsanstieg verschaffen. Stattdessen wurde sie durch ausschweifend repetitive und in meinen Augen vollkommen überflüssigen Ausführungen zur isländischen Kriminalliteratur weiter ausgebremst.

Zwischendurch hatte ich gar den Eindruck, eine vollkommen andere Person als der Autor der erfolgreichen Hulda-Trilogie hätte diesen Thriller geschrieben, so different war mein Leseerlebnis. Die agierenden Charaktere blieben allesamt seltsam distanziert und kalt, lediglich Hulda, die ein paar Gastauftritte hat, war mir sympathisch – aber auch das vermutlich nur aufgrund des Vertrauensvorschusses von „DUNKEL“ und Co. Dennoch wollte ich „FROST“, angetrieben von meiner Neugier auf die Lösung des Falles, nicht vorzeitig beiseitelegen – ein paar Dinge hat Ragnar Jónasson also richtig gemacht.

Bewertung vom 25.12.2021
Klugscheißer Supreme / Lehrer Seidel-Romane Bd.3
Steffens, Thorsten

Klugscheißer Supreme / Lehrer Seidel-Romane Bd.3


ausgezeichnet

Mit „Klugscheißer Supreme“ ist der dritte Band aus der Lehrer Seidel Reihe endlich da und Klugscheißer Timo ist erwachsen geworden! Dennoch ist er genauso sympathisch und liebenswert wie in seiner Sturm- und Drangzeit, denn er ist sich treu geblieben und hat sich nicht verbiegen lassen. Er bemüht sich nach eigenen Aussagen (zwinker) nicht mehr ganz so oft als Klugscheißer unterwegs zu sein und in jedes noch so kleine Fettnäpfchen zu tapsen. Das braucht Timo auch gar nicht, denn das Klugscheißen übernehmen jetzt ganz selbstverständlich seine Schüler, urkomisch und einfach nur super.

Sein Lehramtsstudium hat er nun geschafft und das in Regelstudienzeit, was ihm keiner zugetraut hätte. Nun muss er nur noch das Haifischbecken des Referendariats heil durchschwimmen, dann ist alles in trockenen Tüchern. Doch Timo wäre nicht Timo, wenn alles so einfach über die Bühne gehen würde. Über all diese Erlebnisse seines Referendariats zu lesen war so witzig und unterhaltsam, ich hatte von der ersten bis zur letzten Seite ein breites Grinsen im Gesicht und hätte noch ewig weiterlesen können.

Timo und auch alle anderen Figuren sind so authentisch und fröhlich frech gezeichnet, sodass ich sie alle bildlich vor Augen hatte. Eigentlich hat es sich gar nicht nach Lesen angefühlt, sondern vielmehr als würde ich einen witzigen, spannenden, unterhaltsamen und wahnsinnig guten Film ansehen.

Alle drei Bände versprühen eine Leichtigkeit und gute Laune, verlieren dabei aber nie die Balance zwischen Humor an der richtigen Stelle und Ernsthaftigkeit. Es hat mir jedes Mal riesigen Spaß bereitet, Timo ein Stück seines ungewöhnlichen Weges zu begleiten. Schade, dass dieser gemeinsame Weg zu Ende ist. Vermissen werde ich auf jeden Fall seine scharfsinnigen und witzigen, timoesken Neologismen und deren Erläuterungen. Aber wer weiß, was das Leben für den Klugscheißer ja noch alles bereit hält!

Bewertung vom 25.12.2021
Walnusswünsche / Kalifornische Träume Bd.5
Inusa, Manuela

Walnusswünsche / Kalifornische Träume Bd.5


ausgezeichnet

Um ein bisschen Sonnenschein in den grauen Alltag zu zaubern, greife ich immer gerne zu den Büchern von Manuela Inusa. Wer also dem trüben Winteralltag entfliehen möchte, ist mit „Walnusswünsche“ bestens versorgt. Die Reise ins sonnenverwöhnte Kalifornien auf die älteste Walnussfarm bringt Sonnenschein, Walnussbäume soweit das Auge reicht und einen herzerwärmenden Lesestoff direkt nach Hause ins Lesestübchen.

Vor dieser herrlichen Kulisse begleitet man Liam bei seiner Arbeit als Autor und erfährt dabei eine ganze Menge darüber, wie aufwändig es ist ein Buch zu schreiben und welche Höhen und Tiefen der Schreiballtag mit sich bringt.

Genau wie Liam genoss ich die Zeit auf dieser heimeligen Farm, nahm am Familienleben mit all seinen Schwierigkeiten teil, spürte das zarte Pflänzchen der Liebe zwischen ihm und Victoria wachsen und erfuhr eine Menge Interessantes über die Walnuss und deren Ernte. Wie immer gibt es am Ende des Buches dazu leckere Rezepte und so habe ich mittlerweile schon eine richtige Sammlung von wohlschmeckenden Kreationen mit Erdbeeren, Vanille, Orangen, Mandeln und jetzt auch Walnüssen.

Manuela Inusa hat es auch diesmal wieder mit ihrem angenehmen, lockeren Erzählstil und ihren mit viel Herzblut ausgearbeiteten Figuren geschafft, mich bereits auf den ersten Seiten in ihren Bann zu ziehen und bestens zu unterhalten. Auch im fünften Band der Kalifornische Träume -Reihe hat sie sich wieder mit ernsten Themen, wie etwa Gewalt gegen Frauen, auseinandergesetzt und in die Geschichte mit einfließen lassen. Gerade das schätze ich an ihren Büchern besonders, dass sie Dinge anspricht und damit zum Nachdenken anregt, die im Alltag leicht unter den Teppich gekehrt werden.

Bewertung vom 25.12.2021
Die Schönheit von Baltschik ist keine heitere
Bontscheva, Antonia

Die Schönheit von Baltschik ist keine heitere


sehr gut

Antonia Bontscheva hat mit ihrem ersten Roman ein absolut lesenswertes Debüt vorgelegt. Für mich ist dabei das Besondere an dieser Geschichte die erfrischende Lebendigkeit, die sich durch alle Seiten zieht. Die Autorin schreibt so locker und ehrlich, direkt und mitten ins Herz des Lesers treffend. Sie nimmt überhaupt kein Blatt vor den Mund und erzählt von einem Leben zwischen zwei Kulturen, von den Schwierigkeiten in Deutschland Fuß zu fassen und einer Kindheit und Jugend im sozialistischen Bulgarien.

Je länger man dabei die im Grunde unglückliche, mit ihrer Lebenssituation hadernden Protagonistin begleitet, desto mehr wird begreiflich, wie wenig ihr Leben selbst bestimmt ist und warum es ihr so schwer fällt, diesen tief verwurzelten Panzer aufzubrechen und ihre eigenen Wünsche zu verwirklichen. Genau, dieser Weg den sie mit zarten Schritten vorangeht, ist so einfühlsam und warmherzig, gleichzeitig aber auch kraftvoll und an vielen Stellen unglaublich witzig erzählt. Bei all dieser Aufarbeitung der Vergangenheit kommen erschreckende, drastische menschliche Schicksale im kommunistischen Bulgarien zur Sprache, die an die Nieren gehen.

„Die Schönheit von Baltschik ist keine heitere“ ist eine intensive, vielschichtige, unglaublich gut geschriebene Familiengeschichte mit Tiefgang, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 25.12.2021
Blau-Auge
Mittler, Jasna

Blau-Auge


sehr gut

Mit einem funkelnden Edelstein, dem spektakulären Blau-Auge, eine Reise hin zu historischen Ereignissen und gleichzeitig eine Art von Ahnenforschung der Familie der Protagonistin Hanna zu betreiben, war schon ein besonderes Leseerlebnis.

Hervorragend recherchiert und absolut authentisch erzählt, durfte ich mit Blau-Auge eine spannende und interessante Zeitreise durch die Jahrhunderte unternehmen. Zunächst war ich mit den Brüdern Haüy unterwegs, von denen ich viel über Mineralien und der Entwicklung der Blindenschrift erfahren konnte. Mit Hannas Vorfahren durchlebte ich ein Stück weit das Napoleonische Zeitalter, die Schrecken des ersten Weltkrieges und die separatistischen Bewegungen im Rheinland - und natürlich die Geschichte des Edelsteins.

Aber nicht nur die Kapitel, die in der Vergangenheit angesiedelt sind, haben mir Spaß bereitet zu lesen, sondern die gelungene Kombination aus vergangenen Zeiten und Hannas Erlebnissen in der Gegenwart. Einfühlsam erzählt Jasna Mittler von der liebevollen, zugleich aber auch durch Konflikte geprägten Beziehung Hannas zu ihrem Vater.

Im ganzen Buch merkt man die Akribie und Sorgfalt mit der die Autorin ihre Geschichte entwickelt hat, und gerade deshalb liest sich der Roman so locker und mitreißend. Es gibt im Buch allerdings noch viel mehr zu entdecken, denn da Hannas Vater ein Bildhauer aus Leib und Seele war, liegt ein weiterer Aspekt des Buches bei dieser Kunstform. Bisher hatte ich beim Betrachten einer Skulptur nie wirklich darüber nachgedacht, wie viel Arbeit und künstlerisches Können dahintersteckt. Jetzt jedoch durch die plastische, sehr detaillierten Beschreibungen wie solch ein Kunstwerk entsteht, konnte ich die diffizile Art des Arbeitens, den Staub, die Anstrengung förmlich spüren und sehe das alles mit anderen Augen.

Nach dem Umblättern der letzten Seite blieb ich mit dem angenehmen Gefühl zurück ein unterhaltsames, kluges und informatives Buch gelesen zu habe, das mich nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch seine lebendige, poetische Sprache begeistern konnte.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.12.2021
In Zeiten des Tulpenwahns
Thomas, Susanne

In Zeiten des Tulpenwahns


ausgezeichnet

Ich bin vollkommen begeistert von diesem hervorragend recherchierten, spannenden und absolut süchtig machenden historischen Roman. Von der ersten Seite an versinkt man unmittelbar und tief hinein in längst vergangene Zeiten. Alles wirkt so herrlich authentisch, weil die Autorin es schafft in bildgewaltigen Beschreibungen und poetischer Sprache das Goldene Zeitalter wieder lebendig werden zu lassen. Immer wieder bedient sie sich dabei der Sprache alter Gemälde, und gerade dadurch entstehen Szenen im Kopf des Lesers, die eine moderne Betrachtungsweise ausschließen. Man schweift nicht ab und bleibt konstant in der Vergangenheit, nichts trübt den Lesegenuss. Sie erzählt durch all das, was ihre wunderbaren Figuren erleben und ertragen müssen, viel über die Werte und Lebensbedingungen der damalige Gesellschaft - und sie bietet atemberaubende Einblicke in die faszinierende Welt des ausufernden Tulpenhandels.

Mitreißend schildert sie die magisch anmutende Faszination von, nüchtern betrachtet, simplen Tulpenzwiebeln, man spürt die angespannte Stimmung unter den Händlern und Käufern, vergleichbar mit einem geschäftigen, summender Bienenstock. Diese Anspannung ist zum Greifen nahe, die Gier, die Freude an satten Gewinnen, ebenso die Enttäuschung und das ungläubige Begreifen, als das Kartenhaus zusammenzubrechen droht.

Eingebettet in dieses turbulente Kapitel niederländischer Handelsgeschäfte, findet man eine anrührende Vater/Tochter Beziehung und eine bittersüße Liebesgeschichte, die allen Standesunterschieden zu trotzen versucht. Dabei entwickeln sich alle fortschreitenden Handlungsstränge in solch einem rasanten, ereignisreichen Tempo, so dass man bis zum fulminanten und aus meiner Sicht heraus, einzig möglichem Ende atemlos zurückbleibt.

„In Zeiten des Tulpenwahns“ ist ein so lebendiger Roman, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Für mich mein Highlight 2021 in der Rubrik Historischer Roman!

Bewertung vom 04.12.2021
FRAUEN LITERATUR
Seifert, Nicole

FRAUEN LITERATUR


ausgezeichnet

„Frauen Literatur“ von Nicole Seifert macht unfassbar wütend ob der patriarchalen Unterdrückung und belächelnden Missachtung des weiblichen Schreibens mitsamt der fadenscheinigen – um in ihrer männlichen Idiotie nicht zu sagen anwidernden – Argumente. Gleichzeitig versprüht es aber auch eine pulsierende Liebe für das Lesen sowie die Vielschichtigkeit und Bedeutsamkeit der Literatur weiblicher und non-binärer (wenngleich dieser Part etwas zu kurz kommt) Autor*innen und liefert neben zahlreichen Anstößen zum längst überfälligen Diskurs jede Menge glühende Literaturempfehlungen, um den eigenen Horizont zu erweitern.

Spitzfindig, präzise und äußerst wortgewandt zieht sie die seit Jahrhunderten bröckelnde Tapete der kanonischen Literatur Schicht um Schicht ab und legt die zugrundeliegende Diskreditierung von Schriftstellerinnen frei. Begonnen bei ihrer fundierten wie erschreckend zutreffenden Kritik an der patriarchalen Literaturkritik, in welcher geschätzte reliable Männer noch im auslaufenden 20. Jahrhundert behaupten Frauen könnten keine Romane schreiben, wenn überhaupt, dann sei die Lyrik ihr Metier, widmet sich Nicole Seifert nach und nach den diversen Brandherden weiblicher Unterdrückung in der Literatur, die bereits in der Schule beginnt.

Wieso wurde Gabriele Reuter mit ihrem Roman „Aus guter Familie“ beispielsweise zeitlebens in einem Atemzug mit Fontanes „Effi Briest“ genannt und ist heute nur noch einem kleinen Fachpublikum bekannt? Warum wurde Elena Ferrante unterstellt, dass sich hinter dem Pseudonym eine Gruppe Männer verbirgt? Worin liegt die geringe Sichtbarkeit weiblichen Schreibens begründet? Wie sieht der Frauenanteil in den Literaturprogrammen der Verlage aus? Auf all jede und noch viele weitere Fragen findet Nicole Seifert fundierte, mit Zitationen unterfütterte Antworten und liefert neue Gedankenansätze, um das eigene Lesen zu reflektieren.

Bewertung vom 26.11.2021
Klopf an dein Herz
Nothomb, Amélie

Klopf an dein Herz


ausgezeichnet

Mit einer feinen Sprache, die ihrer ganz eigenen Melodie folgt, hat Amélie Nothombs „Klopf an dein Herz“ begonnen, um sich darauffolgend als bissiger, cleverer und alles andere als braver Lesesnack zu enttarnen. Meisterlich gelingt es ihr ein messerscharfes Psychogramm über Mutterschaft als Wendepunkt, krankhafte Eifersucht und die Liebe mitsamt ihrer Ausprägungen zu zeichnen, das aufwühlt.

Konträr zur zärtlichen Eleganz ihrer Sprache stechen die fauligen Abgründe der menschlichen Seele zwischen übersteigerter Selbstliebe, giftigem Neid auf die eigene Tochter und grenzenlosem Narzissmus hervor. Amélie Nothomb benötigt gerade einmal 151 Seiten, um eine große Bandbreite an Emotionen in ungeahnter Intensität durchleben zu lassen. Auf traurige Einsamkeit folgt brennende Wut, angefacht durch die Gegensätzlichkeit der erdrückenden oder gar fehlenden Mutterliebe, begleitet von schier unendlicher Bewunderung für dieses kluge, weise Mädchen, das trotzdem ihren Weg geht und mit ihrem großen Herzen gleichzeitig niederträchtige Menschen anzuziehen scheint.

Abgeleitet von Alfred de Mussets Aussage „Klopf an dein Herz, denn dort sitzt das Genie“ seziert Amélie Nothomb den pulsierenden Kern unserer Existenz, indem sie die eigene Rhythmik des Lebens, das ab und zu aus dem Takt geraten kann, psychologisch raffiniert wie anwidernd abstoßend in eine charmante wie scharfzüngige Erzählung verpackt.

12 von 24 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.11.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


ausgezeichnet

Diesen außergewöhnlichen Kriminalroman zu lesen war für mich zunächst einmal wie ein wunderschöner, entspannender, interessanter und erfrischender Spaziergang durch das München meiner Jugend und im Jetzt. Dabei konnte ich aus jedem Satz die Liebe der Autorin für diese Weltstadt mit Herz und für ihre Figuren spüren. Sicherlich hat dies auch mit ihrem so speziellen Schreibstil zu tun. Alle ihre Sätze klingen münchnerisch, obwohl sie nicht im Dialekt geschrieben sind. Das finde ich einfach großartig, weil sie damit eine authentische Atmosphäre schafft und dadurch das ganz charakteristische München auf den Buchseiten zum Leuchten bringt. Diese Art der Erzählweise ließ mich sofort an so großartige Serien wie etwa Kir Royal oder Monaco Franze denken, die diesen besonderen Charme ebenfalls versprühten.

Neben diesem grandiosen Setting bietet„Betongold“ dabei gerade durch seine Vielschichtigkeit soviel mehr als einen gut durchdachten, spannenden Kriminalfall. Es ist auch ein Porträt einer Stadt im Wandel, im gestern und heute. Gleichzeitig ist es aber auch eine Milieustudie mit liebenswerten, weil so echt wirkenden Figuren, deren Leben glückliche, aber auch zu viele traurige Momente aufweist. Es ist ebenso ein Manifest für Zusammenhalt und Freundschaft auf der einen Seite, beleuchtet aber auch die Tatsache, dass man, obwohl sich die drei Freunde schon fast ihr ganzes Leben lang kennen, letztendlich niemanden bis in die Tiefe seiner Seele richtig kennenlernen kann.

Tanja Weber hat mit diesem Buch einen absolut lesenswerten Krimi erschaffen, der nicht nur spannend geschrieben ist, sondern auch durch seine leisen, melancholischen Töne vollkommen überzeugen konnte. Einen großen Anteil, daran haben sicherlich Smokey, Moni und Schani, die drei Hauptfiguren im Roman. Sie sind „echte“ Typen mit Ecken und Kanten und so glaubwürdig dargestellt, dass ich mich mit ihnen gefreut, mich über sie geärgert und mit ihnen mitgelitten habe.

Bewertung vom 24.11.2021
Weil wir Schwestern sind
Astner, Lucy

Weil wir Schwestern sind


sehr gut

„Weil wir Schwestern sind“ ist ein kurzweiliger, fesselnder und lesenswerter Familienroman über vier Schwestern, die immer noch damit zu kämpfen haben, dass sie von ihrer Mutter als kleine Mädchen von einem Tag auf den anderen zurückgelassen wurden. Einfach so, ohne jede Erklärung. Jede der Vier hat andere Verletzungen der Seele davongetragen, was die Autorin einfühlsam und mit viel Fingerspitzengefühl beschreibt.

Es ist absolut mitreißend zu lesen, wie es den Schwestern gelingt ihre Probleme Stück für Stück immer kleiner werden zu lassen, um dann ohne Ballast neu zu starten. Auf den ersten Blick klingt das nach einer schweren Lektüre, ist es aber nicht, denn all das ist flott und lebendig geschrieben mit gut durchdachten, witzigen Dialogen, die die Geschichte wunderbar auflockern. Auch durch die unerwarteten Wendungen und den fulminanten, äußerst rasanten Showdown, der mich stellenweise den Atem anhalten ließ, bleibt das Buch bis zum Ende spannend und sehr unterhaltsam.

Einen großen Anteil daran, dass die Handlung so gut funktioniert, haben auch die super skizzierten Charaktere. Sie sind alle so herrlich aus dem Leben gegriffen, sie wirken einfach erfrischend authentisch und dadurch umwerfend echt.