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Benutzername: 
Diamondgirl
Wohnort: 
Stolberg
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 124 Bewertungen
Bewertung vom 11.01.2018
Der gefährlichste Ort der Welt
Johnson, Lindsey Lee

Der gefährlichste Ort der Welt


sehr gut

Es ist nicht einfach, erwachsen zu werden!

Das Buch führt uns in die Welt des Städtchens Mill Valley in der Nähe von San Francisco. Eine Stadt für die Besserverdienenden, die dort in großzügigen Villen leben. Ein beschaulicher Ort, in dem sich eigentlich ruhig und sicher leben ließe. Wenn da nicht der für Jugendliche offenbar gefährlichste Ort der Welt wäre: die Schule...
Das Buch wird mit einem Aufsatz Tristan Blochs über Mill Valley eingeleitet. Es folgen 3 Teile, die von unterschiedlichen Schuljahren handeln: 8., 11. und 12. Schuljahr. Tristan ist ein sensibler Junge, der aus dem üblichen Rahmen fällt. Er scheint auch etwas "besonders" zu sein. Jedenfalls verhält er sich nicht wie das Gros der Schüler, ist ausgesprochen uncool und schon von der Erscheinung her auffallend. Dann verliebt er sich auch noch in Cally und begeht den Fehler, ihr einen Liebesbrief zu schreiben.
Cally ist einerseits geschockt, andererseits überfordert und lässt sich von ihrer besten Freundin überreden, den Brief ihrem Ex zu zeigen, damit der "etwas unternimmt". Es kommt was kommen muss: Ein Shitstorm ergießt sich über Tristan in den SocialMedias und dieser ist dem auf Dauer nicht gewachsen und nimmt sich nach wenigen Wochen das Leben.
Danach beginnt der 2. und folgend der 3. Teil des Buches. Nach und nach erfährt der Leser mehr über Tristans Mitschüler. Der Storyverlauf ist äußerst geschickt angelegt. Beginnend mit einem Kapitel über Callys ehemals beste Freundin Abigail entwickelt sich eine fortlaufende Geschichte. In jedem Kapitel wird einem der/die entsprechende Jugendliche näher gebracht, bis es jeweils auf einen für diesen Protagonisten wichtigen Endpunkt hinausläuft. An diesem Punkt startet das Kapitel des nächsten Protagonisten und so fort. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen, da die einzelnen persönlichen Geschichten sich so zwar immer wieder überkreuzten - in Rückblicken - jedoch insgesamt ausschließlich nur am jeweils Betroffenen orientiert waren. Alles wurde in der dritten Person absolut sachlich geschildert, sodass keine Wertungen vorgenommen wurden. Trotzdem erfuhr man auch die Gefühle und Gedanken desjenigen, weshalb irgendwann klar war, dass es eigentlich keinen Guten oder Bösen gab in dieser Story. Selbst die erst unsympathischen Protagonisten wurden so menschlicher und man konnte irgendwann zumindest verstehen, warum sie auf die schiefe Bahn gerieten oder zu dem Ekel wurden, das sie waren.
Eigentlich getrauert oder zumindest nachhaltig berührt von Tristans Selbstmord waren offenbar lediglich Cally, die sich daraufhin auch gänzlich in ihrem Verhalten und Auftreten änderte, sowie Dave, der seit der Einschulung einst Tristans bester Freund war. Der offensichtliche Bösewicht Ryan hatte ihn allerdings auch nicht vergessen und schien sogar von seiner Macht, die er ausgeübt hatte, betroffen. Ansonsten lebten eigentlich alle weiter vor sich hin und versuchten, irgendwie zu überleben und heil aus der Schule ins "richtige Leben" zu geraten - was nicht jedem gelang.
Insgesamt hat mir das Buch wirklich gut gefallen, auch wenn ich ihm nicht die volle Punktzahl geben kann. Eine Stelle störte mich massiv, denn war m. E. ein Logikfehler. Außerdem hatte das Buch mittig einige Längen. Trotzdem war es sehr gut zu lesen gerade die fließenden Übergänge zu den nächsten Kapiteln haben mir sehr gut gefallen. Berührt hat mich das letzte Kapitel über Cally, die irgendwie ja Auslöser des ganzen Desasters um Tristan war, auch wenn sie eigentlich keine wirkliche Schuld traf.
Johnson hat für mich einen sehr guten Ton getroffen, nicht rührselig aber trotzdem berührend zu schreiben. Auch wenn ich mit der Wortwahl so manches Mal haderte. Etliche Worte hätte ich nachschlagen müssen, weil sich mir der Jugendslang nicht erschließt. Das deutsche Cover finde ich sehr unglücklich gewählt.
Fazit:
Ein sehr intensives Buch über die Hölle der Pubertät und die tlw. unerfüllbaren Ansprüche, die Eltern, Schule und vor allem soziales Umfeld an Jugendliche stellen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.01.2018
Der Wortschatz
Vorpahl, Elias

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Wunderbares Wörter-Märchen

Ein Buch für Erwachsene als sie noch Kinder waren...
So steht es auf dem Einband und im Buch zu lesen - und genau das bewahrheitete sich auch!
Es handelt sich hier um einen Roman-Erstling, nicht nur des Autors sondern auch der Illustratorin und der Designerin. Man merkt es nicht! Das Buch ist rundum gelungen - hier stimmt und passt alles für den ersten Auftritt. Angefangen bei der Papierfarbe und -haptik - die durchaus etwas altertümlich daher kommt, was jedoch hervorragend zur Geschichte harmoniert - über die einfallsreichen Illustrationen um die Initiale des jeweils beginnenden Kapitels, die sich hier über die komplette gegenüberliegende Seite erstreckt bis hin zum ganz zauberhaft gestalteten Einband. Perfekt! So können die Drei ruhig weitermachen!
Jetzt zur Geschichte selbst:
Es handelt sich um ein Märchen, in dem ein Wort die Hauptrolle übernimmt. Das Wort ist noch recht jung - pubertär vielleicht, denn es streitet nach Herzens Lust mit seinem Vater über den Sinn seines Lebens. Während eines ausführlichen Gesprächs mit seinem taubstummen Wort-Freund Zeig werden er und sämtliche Bedienstete Zeigs (allesamt ebenfalls Wörter) durch zwei bedrohliche Stimmbänder geradewegs in einen Menschen hinein gesogen und von diesem ausgesprochen - was für ein Wort nahe an den Tod heran kommt. Als es wieder zu sich kommt, kann es sich an kaum etwas erinnern, nicht einmal an seinen Sinn, seine Bedeutung. Also macht es sich auf die Suche.
Elias Vorpahl entführt uns in die märchenhafte Welt der Wörter. Und das macht er so vortrefflich, dass ich schon auf Seite 2 der Geschichte wissen wollte, wie der Protagonist - das Wort - denn wohl heißen mag. Wörter bekamen plötzlich vor meinem geistigen Auge Gestalt und Wesen. Und ich tatsächlich fast ein schlechtes Gewissen, weil ich sie tagtäglich unbedarft ausspreche. Irgendwann fand ich mich dann sogar selbst in dieser Geschichte wieder.

Man muss sich darauf einlassen können. Man muss eine latente Schwäche für das Märchenhafte haben und genügend Phantasie, um mit dem Wort durch dieses Buch zu streifen und lauter kleine Geschichten zu erleben. Es ist z. T. eine paradoxe Geschichte, jedoch im besten Sinne des Wortes. Es ist auch eine gewisse Vorliebe für Wortspiele förderlich, um dieses Buch richtig genießen zu können.
Ich habe es definitiv genossen, auch wenn die ein oder andere Stelle kleinere Längen aufwies. Die Story ist auch durchaus spannend, denn man tappt doch lange Zeit im Dunkeln, wie denn das Wort wohl heißt.
Kein Buch, das man eben mal so runter reißt. Eher eines für den ruhigen Leseabend mit Kakao und Plätzchen am Kaminofen. Ein echtes Wohlfühlbuch.

Fazit: Ein Buch für Erwachsene die sich kindliche Neugier bewahrt haben!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.12.2017
Der Fall Kallmann
Nesser, Hakan

Der Fall Kallmann


ausgezeichnet

Es hört sich am Anfang nach einen Krimi an...

Leon Berger tritt im Jahre 1995 in der Kleinstadt K. die Nachfolge des unter rätselhaften Umständen ums Leben gekommenen Lehrers Eugen Kallmann an. Für Leon ist es ein kompletter Neuanfang nachdem er Frau und Tochter bei einem Schiffsunglück verloren hat. Vermittelt wird er durch seine ehemalige Studienkollegin Ludmilla, die aktuell an dieser Schule unterrichtet. Er entdeckt beim Aufräumen des Schreibtischs die Tagebücher seines Vorgängers, wodurch er und zwei weitere Kollegen zu Nachforschungen auf eigenen Faust ermuntert werden. Im weiteren Verlauf geschieht noch ein Mord an einem Schüler, der bei den örtlichen Neonazis wohl eine recht bedeutende Rolle gespielt hat. Auch Drohbriefe mit rassistischem Inhalt tauchen an der Schule auf. Besteht hier ein Zusammenhang?

Was nach einem soliden Krimi klingt ist keiner. Die „Krimihandlung“ dient nur als Rahmen für das Bild, das Hakan Nesser von der Gesellschaft zeichnet, kombiniert mit seinen gewohnt philosophischen Betrachtungen über Menschen, deren Verhalten und Einstellungen zum Leben. Dadurch, dass er die Geschichte aus immer wechselnden Perspektiven in der Ich-Form erzählt, kommt am Anfang etwas Verwirrung auf, bis man die ganzen Personen eingeordnet hat. Aber es ist dadurch auch der Blick aus der Sicht von mehreren Generationen, was dem ganzen einen zusätzlichen Reiz verleiht.
Die Auflösung geschieht erst nach Jahren und ist meiner Meinung nach sehr schlüssig und rundet das Gesamtbild ab.
Alles in allem ein Buch mit dem an sich Zeit lassen sollte um sich drauf einzulassen, weit weg vom manchen Krimis bei denen Action die mangelnde Handlung übertüncht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2017
Verschieben Sie die Deutscharbeit, mein Sohn hat Geburtstag! / Helikopter-Eltern Bd.1
Greiner, Lena;Padtberg-Kruse, Carola

Verschieben Sie die Deutscharbeit, mein Sohn hat Geburtstag! / Helikopter-Eltern Bd.1


sehr gut

Eine neue Spezies...

...die Helikopter-Eltern
Lena Greiner und Carola Padtberg führen sie nach Strich und Faden schonungslos vor, indem sie eine Sammlung eingesandter Beiträge an die Spiegel-Online-Redaktion veröffentlichen. Realsatire in Vollendung!
Sicher - nach einer insgesamt 21jährigen Schulzeit mit unseren Kindern waren wir schon einiges gewohnt und erinnerten uns bald an diese Zeit. Die auf dem Gehweg unmittelbar vor dem Grundschulhof-Zugang parkenden SUV-Mütter, die ausschließlich das Wohl ihrer eigenen Kinder interessierte. Oder die Mütter, die ihren Kindern das vergessene Pausenbrot oder auch den Turnbeutel hinterher trugen. Auch noch im 4. Schuljahr (und wahrscheinlich noch länger).
Diese Auswüchse jedoch, die es in vielen im Buch enthaltenen Schilderungen annimmt, waren mir total fremd! Eltern, die mit auf Klassenfahrten wollen und den Lehrer den Unterricht diktieren möchten, die gab es zu unserer Zeit noch nicht. Gott sei Dank!
Das Buch ist in unterschiedliche Kapitel aufgeteilt - von der Schwangerschaft bis hin zum Erwachsenenalter mit Uni bzw. Ausbildung. Manchmal kann man nur ungläubig mit dem Kopf schütteln, was sich Mama und Papa so erdreisten. Manches ist durchaus amüsant - wirklich gelacht habe ich bei diesem Buch jedoch nie. Ganz im Gegensatz zu ihren bisherigen Büchern, bei denen mir teils wirklich die Tränen vor lachen liefen. Insofern war ich ein ganz klein wenig enttäuscht.
Gut fand ich, dass zum Schluss hin noch die Eltern selbst zu Wort kamen, auch wenn die Reaktion einer Mutter haarsträubend war und mindestens so unverständlich wie der überwiegende Teil der bisherigen Schilderungen.
Die Schreibweise ist unkompliziert und flott. Hier kommt es mehr auf den Inhalt als auf großartigen Stil an.
Fazit: Durchaus empfehlenswert wenn man kurze Strecken leichter Lektüre genießen möchte (Klobuch). Für die Lektüre am Stück eignet es sich weniger.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.10.2017
Die Wurzel alles Guten
Nousiainen, Miika

Die Wurzel alles Guten


sehr gut

Pekka Kirnuvaara lebt in Helsinki und arbeitet für eine Werbeagentur. Eines Tages plagen ihn Zahnschmerzen und er sucht einen Zahnarzt mit gleichem Namen (der wohl in Finnland ausgesprochen selten ist) auf. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass ZA Esko und Pekka Halbbrüder sind. Über Pekkas Mutter erfahren sie, wo sie mehr über ihren Vater, der beide Familien verlassen hat, erfahren können. Sie machen sich gemeinsam auf den weiten Weg der Wurzelsuche, nämlich auf die Suche nach ihrem Vater. Auf diesem Weg lernen sie nicht nur die Welt etwas besser kennen, sie stellen ebenfalls erstaunt fest, dass ihre Verwandschaft schneller wächst als erwartet.

Ich habe eine Schwäche für humorvolle finnische Autoren. Ich mag die teils abstrusen Ideen, die sie in ihre Literatur einbringen. In dieser Hinsicht war dieses Buch nicht gerade ein Volltreffer. Die Idee ist durchaus witzig, aber der Schreibstil doch halbwegs "normal" zu nennen. Er schreibt gefällig und auf angenehm straffe Art ohne allzu komplizierte Verschachtelungen oder sperrigen Satzbau.
Die Haupt-Charaktere sind ordentlich heraus gearbeitet, sodass man bald die einzelnen Protagonisten recht gut einschätzen kann. Das Buch ist in Kapitel gegliedert, die den Stadien einer Überkronung eines wurzelbehandelten Zahns entsprechen. Diese Stadien lassen sich problemlos auf den Verlauf der Geschichte übertragen. Eine wirklich nette Idee!
Die Kapitel sind unterteilt in Abschnitte, die entweder aus Pekkas oder Eskos Sicht die Ereignisse und Gedanken schildern. Ebenfalls ein nettes Schmankerl, das die Story nochmals auflockert und vor allem den Leser auch nicht im Unklaren lässt, ob der Erzähler tatsächlich mit seinen Vermutungen hinsichtlich seines Bruders richtig liegt oder eben nicht.
Insgesamt handelt es sich um ein Buch, das man hervorragend zur Unterhaltung lesen kann. Es ist einfach leichte Lektüre, die gut zu unterhalten versteht. Mehr leider nicht, aber diesen Zweck erfüllt es hinreichend. Selbstredend findet sich genügend Küchenphilosophie darin wieder, die einen hin und wieder genauer hinhorchen lässt.
Fazit:
Ein gelungener Unterhaltungsroman mit wirklich liebenswerten Protagonisten

Bewertung vom 25.09.2017
Ermordung des Glücks / Jakob Franck Bd.2
Ani, Friedrich

Ermordung des Glücks / Jakob Franck Bd.2


ausgezeichnet

Wenig Krimi, viel Inhalt!

Der 11-jährige Lennard wird Opfer eines Gewaltverbrechens und erst 34 Tage später gefunden. Die Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbringt Ex-Kommisar Franck. Eine Aufgabe, die er während seiner aktiven Dienstzeit auch immer ausgeübt hat.

Wie auch in dem Buch "Der namenlose Tag" ist die Krimihandlung hier eher zweitrangig. Daher ist auch dieses Buch zu Recht als Roman klassifiziert. Ermordet wird das Glück in diesem düsteren Roman gleich mehrmals. Vor allen Dingen natürlich das Glück der Eltern und im Verlauf des Buchs auch noch das von mehreren anderen Menschen. Dramatisch wird es auf den letzten Seiten und wenn überhaupt kommt dann so etwas wie Krimispannung auf.

Aber auch in diesem Buch ist die Krimihandlung nur der Rahmen, um in der ruhigen, präzisen Erzählweise von Friedrich Ani die beteiligten Personen in ihrem Leid und ihren seelischen Konflikten zu beschreiben - auch Ex-Kommissar Franck geht hier bis an seine Grenzen.
Ein sehr berührendes, tiefgehendes Buch, welches sich so wirklich keinem Genre zuordnen lässt. Es ist auf jeden Fall ein Buch für das man sich Zeit nehmen sollte, um die vom Autor fein angeschlagenen Saiten in sich nachhallen zu lassen.

Fazit:
Keine leichte Kost aber auf jeden Fall empfehlenswert, wenngleich nicht unbedingt an düsteren Herbsttagen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.09.2017
Und es schmilzt
Spit, Lize

Und es schmilzt


gut

Kalt und befremdlich

Die Erzählerin Eva wurde 1988 in einem kleinen flämischen Dorf geboren und wuchs dort mit älterem Bruder und jüngerer Schwester auf. Ihre Eltern sprechen dem Alkohol stark zu, bei ihrer Mutter kann man durchaus von Alkoholismus sprechen. Die Eltern schaffen es nur mit Mühe, einen einigermaßen geregelten Tagesablauf aufrecht zu erhalten. Beide scheinen an Depressionen zu leiden, neigen zu Suizidgedanken und interessieren sich insgesamt mehr für sich selbst als für ihre Kinder.
Der Umgang mit sämtlichen Kindern ist ausgesprochen lieblos. Wen wundert es da, dass Eva sich woanders nach Menschen umsieht, denen sie nicht so egal ist.
Zusammen mit ihren Freunden Pim und Laurens bildet sie die 3 Musketiere, die bei der Einschulung in eine 2. Klasse dazu gesetzt wurden, weil es nur 3 Kinder dieses Jahrgangs gab. Über Jahre sind sie unzertrennlich. Bis zu jenem Sommer 2002, indem ausgerechnet ihre besten Freunde zu ihren dunkelsten Dämonen werden sollten.
Als Eva erwachsen ist erhält sie eine Einladung von Pim, offenbar zum Gedenken an seinen 2001 verstorbenen Bruder. Sie macht sich auf den Weg mit einer Curverbox voll Eis.

Viel mehr darf man vom Inhalt nicht verraten, um die ständige, unterschwellige Spannung der Geschichte nicht zu nehmen. Der Roman springt immer in verschiedenen Zeiten herum. Die einzigen für den Leser sicheren Zeiten sind die des Jahres 2002, das jedes Mal mit Datum über dem Kapitel steht sowie die aktuelle Zeitebene, die mit genauer Uhrzeit angegeben ist. Alle dazwischen liegenden Kapitel darf sich der Leser erarbeiten - eine Eigenheit, die ich nicht nachvollziehen kann, auch wenn es oft durch frühzeitige zeitliche Angaben alá "Im fünften Schuljahr änderte sich alles" erleichtert wird.
Die Schreibweise ist extrem distanziert bis eiskalt. Generell mag ich das sehr gern, allerdings wirkt es auf mich hier eher verstörend, da das Buch in der ersten Person geschrieben ist. Das ist jedoch lange nicht das Verstörendste an diesem Roman.
Ich bin zugegebenermaßen nicht in einem Dorf aufgewachsen, lebe jedoch seit gut 25 Jahren in einem - also länger als diese Geschichte zurückreicht. Zugegeben auch nicht in Belgien. Wenn jedoch diese Schilderungen für pubertierende Kinder in belgischen Dörfern "normal" sein sollten, dann danke ich Gott dafür, dass ich nicht dort groß wurde! Leider kann ich hier keine Beispiele nennen, ohne zu viel vorweg zu nehmen, aber ich fand es größtenteils mehr als befremdlich, was dort so alles vorging.
Während der Lektüre stellte ich mir mehr als 1mal die Frage, was die arme Autorin in ihrer Kindheit erlebt haben muss, um ein solches Buch zu schreiben. Um es so gefühlskalt zu schreiben noch obendrein! Ich frage mich ernsthaft, was für Phantasien sie glaubte niederschreiben zu müssen und ob sie dabei sogar Vergnügen oder gar Erregung empfunden hat. Allzu viele ihrer Phantasien drehen sich um Geschlechtsteile. Auch die erniedrigenden, teils widerlichen oder auch gewaltreichen Szenen werden haarklein ausgebreitet und bis ins kleinste Detail beschrieben. In einer Art, die schon an Voyeurismus grenzt und trotzdem eiskalt ist.
Je länger ich in diesem Buch las, desto mehr Überwindung kostete es, mich wieder daran zu setzen. Andererseits war die Spannung zu groß, um es einfach abzubrechen. Ich wollte wissen, wie Jan ums Leben kam und warum Eva mit dem Eisblock unterwegs war - was sie damit vorhatte war mir schon nach ca. 130 Seiten klar, aber nicht warum. Für herausragende Literatur halte ich es eher nicht, denn der Schreibstil ist eher schlicht, einfach und gefühlsarm, wenngleich auch durchaus Spannung erzeugt wird.
Eines stimmt definitiv: Dieses Buch verlangt dem Leser einiges ab. Aber wenn ich kein Vergnügen mehr dabei empfinde es zu lesen, dann muss ich es auch infrage stellen dürfen. Ich würde es ebenso definitiv niemandem guten Gewissens empfehlen.

Bewertung vom 02.09.2017
Dann schlaf auch du
Slimani, Leïla

Dann schlaf auch du


ausgezeichnet

Chronologie eines menschlichen Absturzes

Das Buch beginnt mit der Tötung zweier Kinder durch ihr Kindermädchen. Im weiteren Verlauf wird geschildert, wie sich das Drama entwickeln konnte.
Die Mutter der Kinder bekommt die Chance zum Wiedereinstieg in ihren Beruf als Rechtsanwältin (der Vater arbeitet als Musikproduzent) geboten und ergreift diese. Da beide Eltern berufstätig sein wollen und die Kinder noch sehr klein sind ergibt sich der Wunsch nach einem Kindermädchen. Nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen finden sie Louise. Scheinbar ein Traum - zu schön um wahr zu sein! Louise betreut nicht nur die Kinder, sondern wird so etwas wie die gute Seele des Haushalts, während die Eltern sich jeder für sich beruflich "entfalten".
Der Rest des Buchs beschreibt den Weg bis zur Eskalation. Steinchen für Steinchen wird aus der (fast) perfekten Mauer entfernt, die Louise umgibt. Beleuchtet wird dabei nicht nur das frühere Leben von Louise, sondern auch ihr Weg in die absolute Einsamkeit. Wenn man das Buch liest, sind auch im Vorfeld schon deutliche Risse erkennbar, die teils aus Bequemlichkeit, teils aus Unachtsamkeit ihrer Mitmenschen nicht zur Kenntnis genommen werden. Dadurch, dass man schon von Anfang an weiß, worauf es hinausläuft, erkennt man die Zeichen wahrscheinlich wesentlich besser.

Leila Slimani fügt in einem meiner Meinung nach sehr sensiblen und berührenden Schreibstil die einzelnen Schritte bis zu der Tötung der Kinder mosaikartig zusammen. Ein Buch das nachhaltig beeindruckt und m. E. auch so verstanden werden kann, dass mehr Aufmerksamkeit und Mitmenschlichkeit im täglichen Leben durchaus eine gute Idee sind - nicht nur, wenn es solche Taten zu verhindern gilt.
Der Schreibstil ist sehr gut zu lesen, wenn auch nicht herausragend. Aber in dieser Hinsicht bin ich zugegebenermaßen in letzter Zeit etwas verwöhnt worden.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung! Nur einen Krimi oder gar Thriller darf man hier nicht erwarten, nur weil 2 Kinder ermordet wurden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.08.2017
Underground Railroad
Whitehead, Colson

Underground Railroad


ausgezeichnet

Ein sehr beeindruckendes Werk!

Cora ist Sklavin in dritter Generation auf einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter konnte fliehen, als Cora 10 Jahre alt war - sie wurde von ihr zurück gelassen. Das Leben auf einer solchen Plantage war von täglichen Entbehrungen und Qualen begleitet. Es brauchte keine Zäune, um die Sklaven einzusperren. Täglich wurde ihnen eingebläut, dass es ihr Verderben wäre, wenn sie versuchen zu flüchten. Die Strafen der wieder Eingefangenen waren mehr als drastisch und endeten in der Regel mit dem Tod. Schon ein falscher Blick zog Schläge nach sich und der Versuch lesen zu lernen konnte mit dem Verlust beider Augen enden.
Als Cora 17 ist macht ihr ein Mitsklave das Angebot, mit ihm zusammen zu fliehen. Ihre anfängliche Weigerung ändert sich erst, nachdem sie bei einer Züchtigung halb tot geschlagen wird. Gemeinsam begeben sie sich auf die Flucht mithilfe der Underground Railroad (URR).

URR war der Deckname einer Fluchthilfebewegung, die sich über die USA erstreckte, bis in die tiefsten Südstaaten, in denen Sklaverei zum guten Ton gehörte. In dem vorliegenden Roman, der immerhin den Pulitzerpreis 2017 erhielt, wurde aus diesem Netzwerk eine wirkliche Untergrundbahn, die sich durch Tunnelsysteme von Station zu Station fortbewegte und ihre verzweifelte Fracht in Sicherheit bringen sollte.
So reist Cora durch mehrere US-Staaten um in Freiheit zu leben. Leider ist dies ein steiniger Weg, der sie so manches Mal an die Grenzen ihrer Existenz bringt.
Wer sich auf dieses Buch einlässt, der muss einiges miterleben. Grausamkeiten, wie ich sie mir wirklich nicht vorstellen konnte. Manchmal stockte mir der Atem, was Menschen sich alles einfallen lassen, wenn sie von Hass erfüllt sind und vor allem: die entsprechende Macht und Legitimation besitzen. Besonders erschreckte mich, was ganz "normale" Menschen für einen Spaß haben können, wenn andere gequält und getötet werden. Das Wort Gnade oder Mitgefühl scheint für viele Menschen ein Fremdwort zu sein. Denn eines steht fest: Auch wenn es sich hier um eine fiktive Geschichte, eben einen Roman, handelt, so sind die dort beschriebenen Lebensumstände und Gräueltaten definitiv der Historie entnommen, also wirklich passiert und erduldet - nur an einem womöglich anderen Ort und zu einer abweichenden Zeit sowie anderen Personen. Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass sein Buch keinerlei Anspruch auf historische Genauigkeit erhebt.
Erschreckend deutlich wird im Verlaufe des Buches, dass es zu jener Zeit eigentlich keinen wirklich sicheren Raum für Farbige in den USA gab. Es handelte sich immer nur um eine Verschnaufpause auf Zeit und leider zeigte sich mehr als einmal, wie trügerisch die scheinbar erlangte Freiheit war.

Dieser Roman hat mich wirklich gefesselt und auch tief bewegt. Colson Whitehead bietet eine Geschichte in einem mitreißenden Schreibstil, die ich kaum aus der Hand legen konnte. Der Roman ist gegliedert in längere Kapitel unter den jeweiligen US-Staaten-Namen und in dazwischen liegende kürzere Kapitel, in denen er den Leser etwas über andere wichtige Personen des Buches erfahren lässt. Sie machen einen Blick außerhalb von Coras Blickfeld möglich und schaffen vor allem die Möglichkeit, auch nicht unmittelbar mit ihrem Schicksal verbundene und dennoch für den Autor wichtige Begebenheiten einfließen zu lassen. Ein für mich perfekter Aufbau!

Underground Railroad bietet dem Leser die Möglichkeit, ein wichtiges und dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte zu erlesen. Dazu gehören natürlich nicht nur die Sklavenhalter und -treiber, sondern auch die Menschen, die ein Netzwerk wie URR erst möglich machten. Sie riskierten für jeden Flüchtling ihr Leben - auch das ihrer Familie. Unwillkürlich hofft man, dass solche Menschen doch bitte heute in der Überzahl sein mögen.

Ich kann dieses Buch nur wärmstens jedem empfehlen, der sich an etwas anspruchsvollerer Literatur versuchen mag.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.08.2017
Eine von uns
Cummings, Harriet

Eine von uns


weniger gut

So ganz anders...

Es hat ein bisschen gedauert, bis ich dieses Buch beenden konnte. Und das lag nicht an mangelnder Gelegenheit sondern eindeutig am Buch.
Ein Dorf in England Mitte der 80er Jahre. Nahezu jeder kennt jeden und es wohnen Menschen unterschiedlichster Prägung auf engem Raum. Seit kurzer Zeit häufen sich Einbrüche, bei denen aber so gut wie nicht gestohlen wird, sondern höchstens wertlose Dinge entwendet werden. Oft wird nur etwas verändert, sodass der Bewohner weiß, dass jemand im Haus war. In Anbetracht dieser "Bedrohung" werden die Dorfbewohner aufgerüttelt und verunsichert. Man versucht sich mit Waffen einzudecken oder stellt Fallen für den unbekannten Besucher, den inzwischen alle Fox nennen. Eines Tages verschwindet Anna, eine junge Frau, die nach dem Tod der strengen Mutter alleine in einem kleinen Haus wohnt. Schnell fällt der Verdacht auf den Fox und die gegenseitigen Verdächtigungen nehmen ihren Lauf.

Die Story wird nacheinander aus 4 unterschiedlichen Perspektiven in getrennten Kapiteln geschildert, wobei alles in der 3. Person geschrieben ist. Das bringt einerseits ein wenig Bewegung und Verständnis in die Geschichte, andererseits nimmt es jedoch auch Spannung, da diese 4 Personen als Täter demnach nicht infrage kommen.
Da kommen wir auch schon auf den Punkt: die Spannung. Die fehlt mir hier bis auf die letzten vielleicht 30 Seiten komplett! Langatmig wird alles breitgetreten und durchgekaut, was gar nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun hat. Gut - es tauchen nach und nach "Geheimnisse" auf über einzelne Dorfbewohner, doch sind die m. E. eigentlich alle nicht so spektakulär, dass es dafür einer vielseitigen Schilderung bedurft hätte. Man kann sowas machen, aber dann muss der Schreibstil so hervorragend sein, dass man alleine von ihm gefesselt wird, egal was beschrieben wird.
Und da liegt m. E. ein beachtliches Manko. Der Schreibstil schaffte es leider überhaupt nicht, mich auf Dauer an die Geschichte zu binden. Leider - denn die Idee an sich war ja wirklich gut. Nur die Ausführung ließ auf weiten Strecken zu wünschen übrig.
Teils musste man sich selbst denken, wer da gerade redet in der Story. Es gab Szenen, bei denen auch nach 2 Absätzen nicht eindeutig feststand, wer da jetzt zu wem gesprochen hatte. Auch die Rückblicke werden tlw. einfach in die Gedankengänge der Protagonisten rein geschubst, dass man erst 2 oder 3 Sätze später erkennt, dass es sich um Rückblicke handelt.
Ich gebe zu, dass meine Erwartungen hoch gesteckt waren durch die Reklame, die für dieses Buch gemacht wurde. Alfred Hitchcock... da muss Harriet Cummings aber noch viel üben!
Das Preisausschreiben, das bereits am 10.06. endete, als von dem Leseexemplar noch keine Spur zu sehen war, passte irgendwie genau zum Buch! Auch der ein oder andere Fehler - nicht nur Schreibfehler - spricht für sich. Ein ganz grober Logik- (oder Rechen-) Schnitzer ist wirklich unverzeihlich!

Interessant fand ich die Erläuterungen nach Ende des Romans zum tatsächlichen Fox, der 1984 sein Unwesen trieb. Ich kann gut nachvollziehen, dass eine solche Story zum Weiterspinnen reizt.
Fazit: Ein Roman, der mit Krimi wirklich nicht viel gemein hat in einem Schreibstil, der m. E. nicht sonderlich viel zu bieten hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.