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Helena

Bewertungen

Insgesamt 128 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2019
Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello
Greiner, Lena;Padtberg-Kruse, Carola

Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello


sehr gut

„Könnten wir nicht alle so schreiben, wie wir wollten? Mitnichten. Es würden so viele lustige Schülerantworten ihre Grundlage verlieren.“

„Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello“ ist bereits der dritte Band mit Anekdoten aus dem Lehrer-Schüler-Alltag. Hier sind die neuesten Stilblüten der Schüler, die besten Ausreden für‘s Zuspätkommen, Lehrergeständnisse sowie Berichte über skurrile Lehrer versammelt. Falls Ihre Schulzeit nun etwas länger zurückliegt, können Sie Ihr Wissen dank diesem Band wieder neu auffrischen (bist du dagegen noch Schüler, kannst du sicher umso herzhafter über die hier versammelten Geschichten lachen).

So erfahren wir, dass sich der Koalabär von den Blättern des Apokalypsusbaums ernährt – und haben es vermutlich somit diesem nützlichen lieben Tier zu verdanken, dass die Apokalypse noch nicht über uns hereingebrochen ist;) Wir werden darüber informiert, dass ein junges Mädchen, das zu lange ohne Licht und Luft lebt, zunächst die Bazillen kriegt und dann keinen Mann mehr. Dass die Pubertät eine schwierige Phase darstellt, in der die Haut mehr Teig produziert und Barthaare unter den Achseln wachsen. In Vergessenheit geratenes Wissen wird wieder aufgefrischt, sodass wir daran erinnert werden, dass das besitzanzeigende Fürwort „Prositutions-Pronomen“ genannt wird, dass Rom von Alfa und Romeo gegründet wurde und dass Mose auf dem Berg Senai die zehn Angebote von Gott erhielt. Aber dass Jahresringe durch die Wechseljahre entstehen, Kolumbus Kolumbien entdeckte und Vollmilch von Vollblütlern stammt, wussten Sie doch hoffentlich? Vielleicht wird Sie nach der Lektüre die Stadt Leipzig als Reiseziel viel weniger reizen, nachdem Sie erfahren haben, dass dort viele Komponisten gelebt und gewürgt haben, doch werden Sie nun ganz bestimmt nie mehr das Einfallsreichtum der Schüler in Zweifel ziehen.

These: Es gibt hier definitiv viel zu lachen. Antithese: Manchmal überkommt Sie auch ein eisiger Schauer angesichts der Ignoranz und Unwissenheit der Schülerschaft. Synthese – entschuldigen Sie vielmals, ich meinte natürlich Prothese: Das Buch unbedingt lesen!

„Sie haben geheiratet. Und wenn sie leben, dann sterben sie morgen.“

Bewertung vom 06.09.2019
Der Sprung
Lappert, Simone

Der Sprung


ausgezeichnet

Das kleine Städtchen Thalbach bei Freiburg ist „ein Umsteigebahnhof, eine Durchgangstation“, hier leben all die „Hängengebliebenen, Abwartenden oder Festsitzenden“. Eines schönen Sommertages passiert gerade hier jedoch etwas, dass die ganze Stadt in Aufruhr versetzt: Auf dem Dach eines Wohnhauses tobt eine junge Frau, die sich weigert herunterzukommen. Hast sie etwa vor zu springen?

Schnell sammelt sich eine wahre Menschenmasse auf dem Platz vor dem Wohnhaus zusammen. Sie filmen mit, machen Fotos, sonnen sich, veranstalten ein Picknick. Für die meisten wird der Tag nur als derjenige im Gedächtnis bleiben, der die Alltagsroutine für einige Stunden durchbrochen hat. Nicht mehr und nicht weniger. Für einige wenige bedeutet dieser Tag jedoch Veränderung, Wandel. Und genau diese Menschen lernen wir kennen. Abwechselnd tauchen wir in die verschiedenen Perspektiven ein – in diejenige der jungen Manu auf dem Dach, bei der sich allerdings die Innensicht auf den Sprung allein reduziert. Wir lernen Felix, den jungen Polizisten kennen, der der Frau gut zuzureden versucht; dabei hat er mit eigenen Ängsten und Reminiszenzen zu kämpfen. Finn, den Fahrradkurier, der Manus Freund ist. Winnie, die gemobbte Schülerin, der der Voyeurismus der Menschen auf dem Platz zuwider ist. Astrid, Manus ältere Schwester, die doch unbedingt Bürgermeisterin werden möchte und nun setzt diese Geschichte die ganze Stadt in Aufruhr und sie in ein schlechtes Licht. Edna, die die Frau auf dem Dach zuerst erblickt und die Polizei informiert. Theres, die mit ihrem Mann einen kleinen Laden führt, der kurz vor Konkurs steht, an besagtem Tag aber überrannt wird. Maren, die die Wohnung bewohnt, deren Dach Manu nun Stück für Stück abreißt. Egon, der früher Hüte hergestellt hat, aber seinen Laden schließen musste; ganz unerwartet kommt aber eine Wendung, die womöglich ein Comeback einleuchtet. Und Henry, den Obdachlosen, der den Menschen Lebensfragen verkauft. „Wenn Sie einen Tag aus Ihrem bisherigen Leben wiederholen könnten, für welchen würden Sie sich entscheiden und warum?“

Simone Lappert ist mit einem wunderbaren Schreibstil gesegnet. Sie kann sich mühelos und fehlerfrei in jede Figur einfühlen – die Spannbreite erstreckt sich von einem pubertierenden Mädchen bis hin zu einem älteren Mann, der dem Leben nichts mehr abgewinnen kann. Genauso mühelos taucht der Leser in die einzelnen Geschichten ein und findet sich in jeder Figur ein Stück weit wieder. Nicht eher kann man sich von den einzelnen Schicksalen losreißen, als bis das Buch beendet ist. Einiges bleibt offen, sodass die Geschichten individuell weitergesponnen werden können. Und auch mit einigen Fragen bleibt der Leser zurück. Wie hättest du dich in dieser Situation verhalten? Und eine Aufforderung an uns schwingt deutlich mit: Genauer hinzuschauen – in unserer eigenen Stadt, unserer eigenen Umgebung, unserem eigenen Leben.

Bewertung vom 02.09.2019
Tagebuch eines Buchhändlers
Bythell, Shaun

Tagebuch eines Buchhändlers


ausgezeichnet

„Wenn ich ein Haus betrete, um dort Bücher zu sichten, empfinde ich eine Vorfreude wie bei nichts sonst. Es fühlt sich an, als würde ich ein Netz auswerfen und nie wissen, was sich darin verfangen hat, wenn ich es wieder einziehe. […] Bei einer Verhandlung um den Preis einer Privatsammlung mit dem Verkäufer werden die Bücher, um die es geht, zu einer schillernden Beute. Ab dem Moment jedoch, in dem man sich auf einen Preis geeinigt hat, Hände geschüttelt wurden und der Scheck meine Hand verlässt, verwandeln sich die Bücher in eine schwere Last, die ich in Kisten packen, ins Auto einladen, zu Hause ausladen, später durchsehen, online auflisten, auspreisen und in die Regale räumen muss, ehe ich auch nur einen Penny meiner Investition wiedersehe.“

Shaun Bythell ist seit 2001 Besitzer einer Buchhandlung – dem bekannten „The Book Shop“ in Wigtown, Schottland. Am 5. Februar 2014 beginnt er mit seinen Aufzeichnungen zu dem „Tagebuch eines Buchhändlers“ und beendet es am 4. Februar 2015 – es umfasst somit genau ein Jahr seines Lebens. Jedem neuangefangenen Monat setzt er einen Auszug aus George Orwells „Erinnerungen an eine Buchhandlung“ voran und setzt sich mit diesem auseinander.

Der Autor, von seiner damaligen Teilzeitkraft Nicky als „großes, rothaariges Rätsel“ betitelt, erzählt uns in seinem Tagebuch von seinem Arbeitstag als Buchhändler, von seinen Freunden, Familienangehörigen, Bekannten und – last but not least – seinen Kunden. Er erzählt von den Herausforderungen seines Berufs, von ganz besonderen Funden, von Veranstaltungen, die Farbe in den Alltag bringen, aber auch von enttäuschenden und tristen Tagen. Als Experte in seinem Gebiet klärt Shaun Bythell uns über die Auswirkungen von Amazon und dem Internet im Allgemeinen auf physische Buchhandlungen wie seine auf. Auch von seinen Lektüren erzählt er uns, sodass man sich die ein oder andere Inspiration holen kann.

Mit herrlich britischem Humor kommentiert er seine Kunden, Mitarbeiter und sich selbst, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sehr selten passiert mir, dass ich beim Lesen eines Buches laut lachen muss – bei Bythells „Tagebuch eines Buchhändlers“ war das dauernd der Fall. Ich habe es wirklich sehr genossen und kann es jedem nur wärmstens ans Herz legen. Und die zweite Botschaft an euch, wie „The Indepentent“ bereits richtig bemerkt hat: Unterstützt euren Buchhändler vor Ort! Ich werde es ganz bestimmt tun. Was ich mir nun aber ganz besonders wünsche: Ich möchte sobald wie möglich nach Schottland reisen, um „The Book Shop“ einen Besuch abzustatten!

Bewertung vom 01.09.2019
Mittwoch also
Elstad, Lotta

Mittwoch also


ausgezeichnet

Hedda, Journalistin in Oslo, ist 33 Jahre alt, als ihre ganze Welt plötzlich auf dem Kopf steht: Ihre Langzeitaffäre und heimliche große Liebe Lukas macht Schluss mit ihr und sie verliert zudem ihren Job. Daraufhin bricht sie zu einer Irrfahrt quer durch Europa auf, die mit einem Beinah-Flugzeugabsturz über Sarajewo beginnt und mit einem One-Night-Stand mit dem Aussteiger Milo in Berlin endet. Zurück in Oslo stellt Hedda fest, dass sie ungewollt schwanger ist, woraufhin sie schnellstmöglich abtreiben möchte. Doch das norwegische Gesundheitssystem sieht eine mehrtägige Bedenkzeit vor. Doch Heddas Entschluss steht fest. Oder etwa nicht?

Von der ersten Seite an wird die Leserin in die Welt der Protagonistin hineingerissen. Zu identifizieren braucht sie sich nicht mit ihr. Große Literatur bedarf solcher ‚Tricks‘ nicht. Die Leserin soll nur in ihre Welt eintauchen und sich mit ihr auseinandersetzen. Es ist eine Welt, in die einzutauchen es sich lohnt. Man wird in Heddas Bewusstseinsstrom hineingezogen und kommt nicht eher los, bis man die letzte Seite gelesen und das Buch zugeklappt hat. Zynisch, ironisch, selbstkritisch, wortgewandt, feministisch, hinterfragend, bissig. Die eigenwillige und selbstbestimmte Hedda spiegelt die 80er-Jahre-Generation, die Xennials wider – eine Generation, die wie keine andere zwischen der alten und der neuen Welt steht und sich auf ganz individuelle Art orientieren muss. „Ich trage das Schicksal meiner Art in mir, einen Keim, einen absoluten Anfang, eine imaginäre Größe, ein Versprechen, ein Potenzial, eine Vorstellung, eine Zukunft.“

Nachdem uns mit Arthur Schnitzlers „Leutnant Gustl“ erstmals eine Erzählung durchgehend im inneren Monolog geschrieben vorlag und im 20. Jahrhundert nur noch durch James Joyce‘ Bewusstseinsstrom-Roman „Ulysses“ übertroffen werden konnte, haben wir hier mit „Mittwoch also“ nun ein ebenso geniales Werk dieses Genres vorliegen, das bedenkenlos in die Reihe der Bewusstseinsstrom-Romane eingegliedert werden kann. Du suchst nach origineller Gegenwartsliteratur, die viele Aussagen unterschiedlichster Natur in den Raum stellt und noch viel mehr Fragen aufwirft? „Mittwoch also“ ist der ideale Roman für dich!

Bewertung vom 20.08.2019
Warum wir schlafen
Vorster, Albrecht

Warum wir schlafen


ausgezeichnet

Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht, aber ich interessiere mich brennend für das Thema „Schlaf“ – was während dieses Vorgangs tatsächlich passiert und warum er so wichtig ist. Auf Albrecht Vorsters Sachbuch „Warum wir schlafen“ habe ich mich somit direkt gestürzt und konnte es kaum aus der Hand legen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein dermaßen interessantes, humorvolles und zugleich für den Laien leicht verständliches Buch zu einem wissenschaftlichen Thema gelesen zu haben.

Albrecht Vorster beschäftigt sich mit Meeresschnecken, anhand derer er den Schlaf erforscht. Warum gerade mit Schnecken mögen Sie sich fragen. Das liegt daran, dass Schnecken von allen Lebewesen die wenigsten Nervenzellen besitzen und deshalb leicht zu untersuchen sind. Im ersten Kapitel erfahren wir somit unter anderem wie der Autor mit Dunkelkammerbeleuchtung und Radio die Nacht mit den Schnecken durchmacht und welche Schlüsse er aus seinen Beobachtungen am darauffolgenden Tag in Bezug auf den Menschen zieht.

Der Autor erklärt äußerst anschaulich, was während des Schlafes alles passiert. Wie und wo die Wahrnehmungen des Tages während der Nacht verarbeitet werden und wie Gelerntes während des Schlafzustandes verarbeitet wird. Er erklärt die wesentlichen Unterschiede der Arbeit des Immunsystems während des Tages und der Nacht. Und weshalb es in diesem Zusammenhang ratsam ist, während einer Krankheit oder nach einer Impfung unbedingt viel zu schlafen. Vorster stellt uns vor Augen, welche Auswirkungen künstliches Licht auf die Schlafqualität haben und warum Schichtarbeit auf Dauer krank macht. Warum die alljährliche Zeitumstellung in Sommer- und Winterzeit eine Schnapsidee ist und weshalb eine Festsetzung auf die Winterzeit die bessere Wahl gegenüber ständiger Sommerzeit wäre. Dass es sich bei Träumen nicht um abstrakte Gedanken, sondern um „echte“ Wahrnehmungen in einer imaginären Traumwelt handelt. Welche Rolle der Schlaf in einer Beziehung spielt. Was es mit dem Symptom „Restless legs“ auf sich hat und was bei einem Jetleg wirklich hilft.

Dies sind nur einige der Themen, die Albrecht Vorster in seinem Sachbuch zum Thema Schlaf behandelt. In verschiedener Gewichtung sind alle Informationen, die der Autor uns liefert, für jeden relevant, in machen Fällen können sie geradezu lebensverändernd sein. Albrecht Vorster versteht es den Leser für das Thema Schlaf zu begeistern. Wer vielleicht früher der Ansicht war, Schlaf wäre nur Zeitverschwendung, der wird nach der Lektüre von „Warum wir schlafen“ diametral entgegengesetzter Meinung sein. Ich kann nur eins sagen: Unbedingt lesen!

Bewertung vom 19.08.2019
Leben wird aus Mut gemacht
Landsteiner, Anika

Leben wird aus Mut gemacht


ausgezeichnet

Anika Landsteiner ist Journalistin. Bekanntheit erlangte sie durch ihren literarischen Reiseblog "anidenkt" sowie die Moderation des Podcasts "ÜberFrauen". Auch ihre bisher erschienenen Bücher "Gehen, um zu bleiben" sowie "Mein italienischer Vater" erfreuen sich großer Beliebtheit. Nun ist ein drittes Buch aus ihrer Feder hinzugekommen: "Leben wird aus Mut gemacht". Darin erzählt sie von sieben Herausforderungen, die sie in Angriff genommen und gemeistert hat - inspiriert wurde sie dabei von der 84-jährigen Emma, die Anika etappenweise ihre ungewöhnliche Lebensgeschichte erzählt - und genauso gibt die Autorin diese auch an den Leser weiter.

Während man einige von Anikas persönlichen Herausforderungen mit Interesse und Anerkennung verfolgt, wie ihr Eintauchen in die Genealogie, den gelungenen Versuch eine Zeitlang fernab von Social Media zu leben, ihre Auseinandersetzung mit dem eigenen 18-jährigen Ich sowie ihre Reise mit dem emotional entfernt geglaubten Vater, lösen andere wahre Bewunderung aus: Eine Woche lang lernt Anika in einem indischen Ashram zu schweigen, setzt sich profund mit dem Thema Tod sowie der eigenen Angst um den Verlust geliebter Menschen auseinander und führt - was mich persönlich am meisten beeindruckt hat - eine Brieffreundschaft mit einem zum Tode verurteilten Häftling in Texas.

Was Emma bei Anika bewirkt hat, das gibt Anika an den Leser weiter - nämlich ganz viel Inspiration, Mut und Weisheit. In ihrer sehr authentischen, ehrlichen und tiefgründigen Art zeigt sie uns, wie wichtig es ist, sich seinen Ängsten zu stellen, im Hier und Jetzt zu leben sowie sich anderen gegenüber zu öffnen. "Leben wird aus Mut gemacht" ist ein äußerst inspirierendes Buch, das von Leben und Mut erzählt - und zwar auf eine sehr inspirierende Art und Weise. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.07.2019
Gespräche mit Freunden
Rooney, Sally

Gespräche mit Freunden


ausgezeichnet

Bobbi und Frances sind zwei blutjunge Studentinnen in Dublin. Während Bobbi Geschichte und Politik studiert, widmet sich Frances ganz der Literatur, wobei sie sich ebenfalls selbst als Schriftstellerin versucht. Beide treten oft zusammen bei Spoken-Word-Events und Open-Mic-Veranstaltungen auf. Während einer dieser Veranstaltungen lernen sie die Fotografin Melissa kennen, die die jungen Artistinnen derartig faszinierend findet, dass sie ein Portait über die beiden verfassen möchte. Spontan nimmt sie diese mit nach Hause, wo sie mit ihrem Ehemann Nick, der Schauspieler ist, wohnt. Frances fühlt sich vom ersten Augenblick an zu Nick hingezogen und es entwickelt sich mit der Zeit eine Affäre zwischen den beiden.

Frances, die als Ich-Erzählerin auftritt, unterzieht ihre beiden Liebesbeziehungen – diejenige zu Nick als auch diejenige zu Bobbi – sowie ihr eigenes Innenleben einer tiefgehenden und bewegenden Analyse. In ihren Worten und Handlungen gibt sie sich kühl, beobachtend, rational und sarkastisch, um bloß nicht zu zeigen wie verletzlich sie tatsächlich ist. Geprägt ist die Erzählhaltung von einem äußerst analytischen und selbstreflexiven Schreibstil. „Angst war nur ein chemisches Phänomen, das schlechte Gefühle hervorrief. Gefühle waren nur Gefühle, sie hatten keinen materiellen Bestand.“ Gleichzeitig ist der Schreibstil jedoch auch sehr emotional und lässt den Leser fast distanzlos am Erleben der Ich-Erzählerin teilnehmen. „Man durchlebt bestimmte Dinge, bevor man sie versteht. Man kann nicht immer die analytische Position einnehmen.“

Da von der Autorin selbstverständlich nicht nur die Protagonistin, sondern auch Bobbi, Nick und Melissa äußerst komplex angelegt worden sind, wird der Leser regelrecht in ein Geflecht an Verstrickungen mit sich schrittweise offenbarenden persönlichen Tragiken hineingezogen. Der ständige Diskurswechsel, die etappenweise erfolgenden neuen Erkenntnisse sowie die Methoden der Täuschung und Verhüllung lassen den Leser wahrlich nicht zu Atem kommen. Man wird in einen Sog wechselhafter Gefühle und unerwarteter Bekenntnisse hineingezogen, dem man sich nicht entziehen kann. Äußerst passend finde ich den aus der Times stammenden Vergleich zu Françoise Sagans „Bonjour Tristesse“, denn in beiden Werken bestimmt die alles übergreifende reflektierende Melancholie und nachdenkliche Schwermut das Timbre der Erzählung.

„Gespräche mit Freunden“ ist ein in jedweder Hinsicht modernes Literaturdebüt voller Virtuosität und Dynamik, das es unbedingt zu lesen gilt.

Bewertung vom 09.07.2019
Sich selbst vertrauen
Pépin, Charles

Sich selbst vertrauen


ausgezeichnet

„Selbstvertrauen ist Vertrauen in das Leben.“

Charles Pépin unterrichtet Philosophie an der Universität und Schule. Ein Thema, das ihm seit jeher auf der Seele brennt, ist die Thematik des Selbstvertrauens, wie dieses entsteht und in welchem Verhältnis es zu den uns umgebenden Phänomenen steht. Auf diese Weise ist das handliche Buch mit ansprechendem Cover und Einband "Sich selbst vertrauen" entstanden - die kleine Philosophie für unterwegs!

Angefangen bei zwischenmenschlichen Beziehungen, die den Grundstein für Selbstvertrauen bilden, über die Bedeutung der Übung und Wiederholung, der Intuition, der Schönheit der Natur, des Handelns trotz oder gerade wegen Bedenken und Zweifeln bis schließlich zu der Bedeutung von Vorbildern im Aufbau von Selbstvertrauen, zeichnet der Autor den äußerst komplexen Weg zum Selbstvertrauen auf.

Sehr detailliert zeigt der Autor uns, wie Beziehungen zu anderen Menschen, die Schönheit der Natur und natürlich die Übung unser Selbstvertrauen beeinflussen und stärken. Sehr wichtig finde ich auch, dass Charles Pépin uns vor Augen führt, dass Selbstvertrauen kein Zustand ist, den man einmal erzielt hat (oder eben nicht) und damit hat es sich, sondern etwas ist, dass dem ständigen Wandel unterworfen ist, so wie unsere Identität ja auch „mannigfaltig, plural, wandelbar“ ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den der Autor anspricht, und der gerade in unserer Zeit der Social Media präsenter denn je ist, ist dasjenige des Vergleichens. Pépin zeigt uns, dass es unsinnig ist, sich mit anderen zu vergleichen: „Wir sind alle so etwas wie solitäre Diamanten. Unser Wert ist nicht relativ gegenüber dem der anderen, sondern absolut.“ Dem eigenen Begehren, der eigenen Suche und dem Streben nach Vervollkommnung im Rahmen unserer Lebensweise treu zu bleiben - darum geht es im Wesentlichen.

Vorbilder im Leben sind wiederum sehr förderlich: „Bewundern bedeutet nicht verehren; auch nicht, sich selbst in der Betrachtung des Talents eines anderen zu verlieren. Wer bewundert, der nährt sich. Der nimmt sich ein Vorbild an denen, die den Mut hatten, ihrem Stern zu folgen, und begibt sich auf die Suche nach dem eigenen Stern.“

Wer bei „Sich selbst vertrauen“ nun viel Theorie erwartet, den möchte ich an dieser Stelle beruhigen: Der Autor lockert die theoretischen Erklärungen mit vielen Erzählungen aus dem Leben großer Künstler, Schriftsteller und Philosophen auf. Er erzählt uns auch sehr viel aus seinem eigenen Leben den Erfahrungen mit seinen Schülern und Studenten. „Sich selbst vertrauen“ ist alles in allem aber ein sehr gelungenes Philosophiebüchlein, zu dem man immer wieder greifen kann und sollte - denn es spendet viel Mut und Zuversicht!

„Dem Leben vertrauen bedeutet, auf die Zukunft zu setzen, an die schöpferische Kraft des Handelns zu glauben, das Ungewisse zu lieben, statt es zu fürchten. Dem Leben vertrauen bedeutet zu denken, dass das Leben etwas Gutes ist.“

Bewertung vom 03.07.2019
Fernweh im Herzen
Sedano, Nina

Fernweh im Herzen


ausgezeichnet

„Schöne Erlebnisse machen mich reich.“

Nina Sedano, die meistgereiste Frau Deutschlands, hat endlich wieder einen zweiten Erinnerungsband zu ihren Reiseerfahrungen herausgebracht! Diesmal nimmt sie uns mit nach Grönland, Hawaii, Kolumbien, Venezuela, Kasachstan, Jordanien, Kongo, Madagaskar und viele Orte mehr.

In ihrem Buch „Fernweh im Herzen“ lässt sie uns viel mehr an ihrem persönlichen Leben teilhaben, als sie es in ihrem ersten Erinnerungsband getan hat. So zeichnet sie ihren Werdegang zur „Ländersammlerin“ auf, in dem sie uns von ihren ersten Reisen berichtet. Im Alter von zwölf Jahren unternimmt sie ihre erste Reise mit ihrer Mutter in die DDR. Drei Jahre später fliegt sie im Rahmen eines Sprachkurses nach England und als Neunzehnjährige soll sie zum ersten Mal die Stadt der Liebe – Paris – kennenlernen. Ihre wahre Leidenschaft für‘s Reisen entdeckt sie allerdings erst, als sie bereits berufstätig ist und nach vielen Jahren einen äußerst wagemutigen Beschluss fasst – sie kündigt ihren Job, um sich ganz auf‘s Reisen zu konzentrieren!

Ob man nun ebenfalls ein wahrer Reisefanatiker oder im Gegenteil ein Reisemuffel ist – mit Nina Sedano kann man auf Reisen gehen, zusammen mit ihr über die Wunder der Natur staunen, ihren Geschichten und Anekdoten aus aller Welt lauschen und natürlich auch ihre Ängste, Betrübnisse, Sehnsüchte und Sorgen teilen.

So dürfen wir zusammen mit der Autorin das Bonobo-Reservat in der Demokratischen Republik Kongo betreten, voller Ehrfurcht und Bewunderung auf den Spuren Albert Schweitzers in Gabun wandeln, auf Martinique einem Pferd das Leben retten, auf Grönland die einmaligen Eisformationen bewundern und vieles mehr. Es ist ein wahres Erlebnis dieser sympathischen, warmherzigen Autorin bei ihrem Erleben über die Schulter schauen zu dürfen. Wer jedoch ein Buch vom Typ Reiseführer erwartet, der ist mit diesem Band nicht richtig beraten. Man sollte nicht zu viele Insider- und Geheimtipps erwarten, sondern sich vielmehr auf ein Erinnerungsbuch mit vielen besonderen individuellen Erlebnissen einstellen, die einen nur darin bekräftigen können, wie sehr reisen tatsächlich bildet! In dem Sinne viel Freude an „Fernweh im Herzen“!