Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Blubie
Wohnort: 
Schönau

Bewertungen

Insgesamt 178 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2023
Samuels Buch
Finzi, Samuel

Samuels Buch


ausgezeichnet

Ich muss ehrlich zugeben, bis zu diesem Buch kannte ich Samuel Finzi nicht, ich habe sogar extra bei IMDB nachgesehen... keinen einzigen seiner Filme habe ich je gesehen.
Und dennoch war es eine sehr erhellende Lektüre, die mir nicht nur den Schauspieler selbst und seine Familie, sondern auch das kommunistische Bulgarien näher gebracht hat.
Eigentlich ist es kein herkömmlicher Roman, es sind kurze Kapitel mit Anekdoten aus der Kindheit und Teenagerzeit Finzis, die uns - chronologisch aneinander gereiht - mit subtilem Humor durch das Buch navigieren.
Trotz des leichten und teils heiteren Erzählstils, ist aber auch immer wieder klar, dass wir uns zeitlich in einer Diktatur befinden, auch wenn Finzis Familie priviligiert scheint, sind Einschnitte im Leben spürbar. Samuel Finzi entstammt einer jüdischen Künstlerfamilie und trifft schon früh auf mehr oder weniger prominente Bulgaren. Es ist nicht von Kindesbeinen klar, dass er in die Fußstapfen seines schauspielernden Vaters treten wird, das kristallisiert sich erst später heraus.
Ich mochte die Art des Erzählens sehr und habe das Buch in einem Rutsch durch gehabt, ich mochte vor allem die Kindheitserinnerungen ans Meer (ich hatte da auch schon einen Urlaub verbracht). Aber ich konnte auch viel Neues für mich mitnehmen... denn mal ehrlich, was wusste ich vorher über Bulgarien? So gut wie gar nichts!
Eine wunderbare und interessante Autobiografie, die mir einen Künstler näher gebracht hat, den ich vorher gar nicht wahrgenommen hatte.

Bewertung vom 09.06.2023
Es war einmal in Brooklyn
Atlas, Syd

Es war einmal in Brooklyn


ausgezeichnet

Manchmal braucht es gar nicht viel, um mich als Leserin glücklich zu machen: Ein gutes Setting, ein guter Plot, gut erzählt - das ist es, was für mich ein gutes Buch ausmacht. Und dieses erfüllt alle drei Kriterien.
Erzählungen, die in New York angesiedelt sind, gehen sowieso bei mir immer, diese hier spielt in Brooklyn Ende der 70er Jahre und diese Zeit ist atmosphärisch gut dargestellt. Wahre Ereignisse werden in die Story eingestreut und das macht die Zeit gut fühlbar.
Es ist ein Entwicklungsroman: Juliette Darling 17 Jahre alt und Kind jüdischer Eltern, wächst auf wie ein normaler Teenager. Der Nachbarsjunge David ist von frühester Kindheit an ihr bester Freund, sie sind unzertrennlich. Und doch gehen ihre Lebenswege im Teenageralter auseinander. David ist schwer krank und liebt Juliette, Juliette ist gesund und entdeckt gerade das Leben - und Rico, den Pizzajungen.

Eine einfühlsame Geschichte über Freundschaft, Verliebtheit, Familienbande, Ehe und Trauer. Ein Buch das man kaum aus der Hand legen kann, das mich sprachlich wie inhaltlich vollkommen abholen konnte. Kein Charakter in diesem Buch ist vollkommen, es gibt kein schwarz oder weiss, die Leute menscheln und das hat für mich die Geschichte authentisch gemacht.
Wunderbar übersetzt von Silke Jellinghaus.

Bewertung vom 02.06.2023
Der Wellenmacher
Ludewig, Tina

Der Wellenmacher


sehr gut

Der Debütroman von Tina Ludewig ist eine ruhige Ich-Erzählung über Trauer, Liebe und eine Art Meditation über die Vereinbarkeit von verschiedenen aufeinander treffenden Gefühlen.
Wir begleiten Julie, eine junge Studentin, die soeben ihren Vater verloren hat und gleichzeitig unter Liebeskummer leidet.
Der flüssige und unaufgeregte Schreibstil lässt sich gut lesen, die Orts-und Landschaftsbeschreibungen machen Lust, die Handlungsorte selbst zu besuchen, die Dialoge zwischen den Protagonisten sind erfrischend authentisch.
Man kommt nicht umhin, sich beim Lesen öfters selbst zu hinterfragen: zeige ich meiner Familie, meinen Freunden oder Partner dass ich sie liebe? Weiss ich genug über sie? Spreche ich Probleme zu selten an?
Neben Trauer und Kummer erfahren wir aber auch Hoffnung und Freude… und dass die Welt sich weiter dreht.
Für mich persönlich hätte die Erzählung gerne ein paar Kapitel mehr haben können, die eigentliche Story ist zwar auserzählt, aber den einen oder anderen Charakter hätte ich gerne noch ein wenig näher kennengelernt.
Ein schöner Debütroman, der nachdenklich stimmt.
(Das Buchcover finde ich übrigens wunderschön.)

Bewertung vom 02.06.2023
Entzwei
Gelsing, Sabine

Entzwei


ausgezeichnet

Puuuh, was für ein Buch! Ich war die letzten Stunden nicht mehr ansprechbar und völlig in dieses Buch abgetaucht. Nicht nur, dass Sabine Gelsings Schreibstil mich bereits auf den ersten Seiten komplett abgeholt hat, die Story selbst ist so unfassbar gut, aber auch extrem grausam.
Gelsings Debütroman (was kaum zu glauben ist, weil er einfach super professionell wirkt) geht unter die Haut, da er teilweise auf wahren Geschehnissen beruht.
Der Schreibstil ist schlicht und präzise und passt hervorragend zur Grundstimmung, bei traumatischen Erlebnissen verwendet sie Sprachbilder, die einen atemlos zurücklassen. Und trotzdem blitzt ab und zu subtiler Humor durch, was ich großartig fand.
Die Charaktere sind allesamt unheimlich griffig und glaubwürdig, egal welchen Alters. Ich habe dieses Buch nicht nur gelesen - ich habe es gespürt und gelebt.
Ein ganz großartiger Roman, den ich wärmstens empfehlen kann. Unbedingt auch das Nachwort lesen.
Bitte bitte mehr liebe Sabine Gelsing!

Bewertung vom 29.05.2023
Das Restaurant der verlorenen Rezepte / Die Food Detectives von Kyoto Bd.1
Kashiwai, Hisashi

Das Restaurant der verlorenen Rezepte / Die Food Detectives von Kyoto Bd.1


sehr gut

Ein süsses Büchlein für Japan Liebhaber*innen.
Dieses Buch liest sich schnell an einem Nachmittag und fühlt sich ein wenig wie eine TV-Serie mit einzelnen Episoden an... kein Wunder, dass das auch genauso verfilmt wurde und in Japan sehr beliebt ist.
Ein ehemaliger Detektiv betreibt mit seiner Tochter ein kleines verstecktes Restaurant in Kyoto, viel Werbung will er gar nicht machen, weil er keine Lust auf kritische Bewertungen auf Online-Portalen hat.
Er kocht worauf er gerade Lust hat und wer zum ersten Mal bei ihm isst, der bekommt ein eigens für ihn zusammengestelltes Menü.
Aber eigentlich verirren sich hauptsächlich Menschen in dieses Lokal, die auf der Suche nach einem Gericht aus ihrer Vergangenheit sind. Und mit viel detektivischem Spürsinn werden die Zutaten und das Rezept aufgespürt und zwei Wochen später serviert.
Wir erfahren dabei nicht nur viel über die lokalen Küchen Japans, sondern generell über japanische Esskultur und natürlich die Lebensgeschichten der Suchenden.
Wenn man der japanischen Kultur zugeneigt ist, wird man dieses Buch wirklich sehr lieben... ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, das japanischer war als dieses.
Und niemals sollte man mit leerem Magen in diesem Buch lesen, der fängt nämlich unmittelbar zu knurren an.
Übersetzt von Ekatarina Mikulich.

Bewertung vom 29.05.2023
Die Ewigkeit des Augenblicks
Hohn, Stefanie

Die Ewigkeit des Augenblicks


sehr gut

Da ich die Reihe „Die Liebenden von Bloomsbury“ sehr mag, habe ich mal einen älteren Roman der Autorin lesen wollen und ich wurde wieder mit ihrem angenehmen Schreibstil verwöhnt.
Die Geschichte ist ungewöhnlich, ein wenig mystisch und schnell zu lesen.
Eine vom Schicksal benachteiligte Frau befreit sich von ihren „Fesseln“ - auf zugegebenermaßen recht ungewöhnliche Art - und findet zu sich selbst und letztlich auch ihr Glück.
Da ich nicht spoilern will, kann ich nur betonen wie sehr ich dieses Mystery-Element mochte und teilweise amüsiert war beim Lesen.
Ansonsten war es schön, die gebrochene Ava gesunden und aus dem Schatten heraustreten zu sehen.
Außerdem mag ich es, dass die Autorin immer weiß wovon sie schreibt, auch für dieses Buch hat sie gründlich recherchiert.
Unterhaltsame, ungewöhnliche Lektüre, die ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 20.05.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


ausgezeichnet

Ich war damals schon von "Der Trafikant" sehr angetan und nach einer Leseprobe musste ich "Das Cafe ohne Namen" unbedingt haben.

Dieses Buch ist wie ein Kaleidoskop, durch das man schaut und sich immer wieder neue Muster bilden, je nachdem wie man es dreht. Hier steht keine Person im Vordergrund, sondern das Cafe ohne Namen, im zweiten Wiener Gemeindebezirk in der Nähe des Pratersterns und des Karmelitermarktes - damals Ende der Sechziger Jahre nicht unbedingt ein edles Pflaster.

In diesem Cafe, das der Gelegenheitsarbeiter Robert spontan eröffnet, finden sich verlorene Gestalten, gebrochen durch Kriegserlebnisse, persönliches Scheitern, desillusioniert, alkoholabhängig aber teilweise immer noch voller Träume und Hoffnung. In manchen Kapiteln schildert uns die erzählende Stimme vom Alltag in diesem Cafe, das eigentlich ein Beisl (Kneipe) ist, in manchen Kapiteln lauschen wir den skurrilen aber authentischen Dialogen zweier befreundeter Damen, die Stammgäste des Cafes sind.

Robert Seethaler hat eine wunderbare Art, den typischen Wiener einzufangen, mit seiner grantlerischen pessimistischen Art, zum anderen hat er mir meine Kindheit wieder lebendig vor Augen geführt. Ich bin im Nachbarbezirk groß geworden und habe seine Schilderungen der Gegend regelrecht gespürt... viele Spaziergänge zusammen mit meinem Papa sind vor meinem geistigen Auge wie ein Film abgelaufe... das ist das Wien das ich gut kenne.
Wir sind Beobachter dieses Cafes, vom Anfang bis zu seinem Ende nach zehn Jahren, wir sehen Gäste kommen und gehen, manche bleiben weg, neue finden den Weg an die Theke. Und ab und zu erfährt man nebenbei Zeitgeschehen, wunderbar eingeflochten in die Dialoge.
Und am Ende fühlen wir uns, als hätte ein liebgewonnenes Stammlokal für immer geschlossen und wir haben die Protagonisten genauso kennen gelernt wie das in Stammlokalen halt tatsächlich so ist: an der Oberfläche gekratzt aber nie wirklich in die Tiefe gegangen.

Ein absolut großartiges Buch, das sicher nicht jeden Leser erreicht - mich hat es berührt, in meine Kindheit versetzt und ein wenig nostalgisches Heimweh hervor gerufen.

Bewertung vom 19.05.2023
Wiener Todesmelodie
Albich, Mina

Wiener Todesmelodie


ausgezeichnet

Ja ja ja! Als ich vor etwa einem Jahr „Mexikoplatz“ gelesen habe, war ich so begeistert und hoffte, dass es eine Krimireihe gibt.
Tadaaaa! Dies ist also Grohsmanns zweiter Fall.
Das Wiedersehen mit Joe, Nicky, Grohsmann und Sally war einfach wunderbar und ich habe dieses Buch in wenigen Stunden durchgesuchtet.
Für mich - gebürtige Wienerin in Deutschland lebend - waren ja schon die Straßennamen eine wahre Freude. Und dass alle Protagonisten in authentischem Wiener Akzent sprechen, hat mich wieder vollends in meine Heimatstadt versetzt. Aber keine Angst, ihr lieben deutschen LeserInnen, auch als Nicht-WienerIn kann man alles gut verstehen.
Der Fall war spannend und knifflig mit vielen möglichen Tätern, und auf das Ende wäre ich nicht gekommen. Viel über klassische Musik habe ich auch gelernt und zwar auf unterhaltsame und nicht trockene Art und Weise.
Liebe Mina Albich, der zweite Fall ist außerordentlich gut gelungen, Du konntest das Niveau nicht nur halten, sondern noch steigern.
Und jetzt? Jetzt hoffe ich einfach auf einen baldigen dritten Fall… und ich akzeptiere kein Nein!
Vielen Dank und G‘schamsterdiener, Pfiati Baba, woa echt leiwand

Bewertung vom 12.05.2023
Die Saat von gestern
Heider, Stefan K.

Die Saat von gestern


ausgezeichnet

Ich mochte Ferdinand Lässe - den Lässe Ferl - ja schon im Vorgängerband "Bauernschädel" sehr, aber jetzt bin ich eingefleischter Fan dieses sympathischen Antiheldens.
Während Ferl unter den Nachfolgen seiner Taten aus dem ersten Band leidet und sich kaum noch zu irgendwas motivieren kann, was nicht mit Alkohol, Tabak oder Zocken zu tun hat, begeht sein Cousin Kurt Selbstmord.
Zur Traueraufarbeitung zieht es Ferl in sein Heimatdorf und er setzt sich mit seiner Vergangenheit und seiner Familie auseinander. Wie kann es anders sein... bald befindet er sich wieder mitten in einem Krimi.
In der ersten Hälfte des Buches geht es eher ruhiger zu, man erfährt mehr über das Leben und die Gedanken Ferls. Stefan K.Heider lässt sich angenehm Zeit, um seinen Charakter - der zwar wieder mit viel Humor, aber weitaus düsterer daherkommt - auszuformen. Ferl wird viel griffiger in diesem Band. Auch die Stimmung im Dorf und die beteiligten Bewohner, kommen gut rüber. Ab der Mitte nimmt das Tempo allerdings gehörig an Fahrt auf und das Buch entwickelt sich zum spannenden Pageturner mit etlichen Wendungen und Überraschungen.
Das Ende ist schlüssig und lässt eine kleine Hoffnung zu, dass eventuell ein dritter Band kommen möge.
An manchen Stellen musste ich wieder laut lachen, ich liebe den sarkastischen Humor und die dezent gestreuten lokalen Ausdrücke (man muss kein Österreicher sein, um sie zu verstehen). Aber auch die nachdenklichen Passagen gingen mir oft unter die Haut.
Diese Reihe braucht definitiv mehr Aufmerksamkeit und ist auch sehr empfehlenswert für Nicht-Krimi-LeserInnen.

Bewertung vom 08.05.2023
Kathmandu & ich
Jähnel, Sven

Kathmandu & ich


schlecht

Ich habe mich durch ein 99 Cent ebook Angebot locken lassen, aber selbst das war es - für mich - nicht wert.
Ein Haufen Protagonisten um die 30, die gemeinsam eine Reise nach Nepal planen und sich dabei benehmen, dass man sich als Leser einfach nur noch fremdschämt. Wie eine Ansammlung pubertierender Teenager, Dialoge bei denen ich nur noch die Augen gerollt habe und eine Liebesgeschichte, die mich weder mitreissen konnte, noch nachempfinden. Wenn Dreissigjährige bei jeder zufälligen Berührung einen Herz-Kreislauf-Zusammenbruch fürchten... Keiner der Protagonisten konnte mir auch nur ein kleines Stückchen Sympathie abringen.
Ich weiss noch nicht einmal, ob mich das Buch als reiner Reisebericht - also ohne Freundes- und Liebesgedöns - begeistert hätte. Auf der einen Seite hätte es interessant sein können, Nepal immerhin! Ich glaube gerne, dass der Autor dieses Land schon mal bereist hat, keine Frage - aber seine Schilderungen konnten mir auch das nicht näher bringen.
Nein, dieses Buch und ich sind in diesem Leben keine Freunde, das kitschig-kindische Cover hätte mir aber schon Warnung genug sein müssen.