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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 357 Bewertungen
Bewertung vom 05.10.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


gut

Amerikanische Werte über alles
Die USA in nicht allzu ferner Zukunft: die Nationalisten haben endgültig das Ruder übernommen. Wichtigstes Gesetz im Land ist PACT, Preserving American Culture and Traditions, mit dem der hohe Stellenwert amerikanischer Werte und Traditionen über alles gestellt wird. Xenophobie gehört zur Tagesordnung, vor allem Chinesen und chinesischstämmige Amerikaner sind die Hassobjekte der Bevölkerung. Einen Chinesen auf offener Straße ohne Anlass zu verprügeln, gehört zur Tagesordnung und wird nicht geahndet. Wie konnte es so weit kommen? Vor Jahren wurden die USA von einer heftigen Krise gebeutelt. Die Menschen verloren ihre Arbeitsplätze und konnten sich Miete und Lebensmittel nicht mehr leisten. Als Grund dafür wurde die florierende Wirtschaft Chinas ausgemacht, die die amerikanische Wirtschaft zerstörte. Unamerikanische Einflüsse sollten ausgemerzt werden, unter anderem durch die Verbannung von Büchern. Familien, in denen nach Ansicht der Behörden die Kinder einem unamerikanischen Einfluss ausgesetzt sind, werden die Kinder weggenommen und in Pflegefamilien gesteckt.
Auch der 9jährige Bird läuft Gefahr, aus seiner Familie weggeholt zu werden. Seine chinesischstämmige Mutter hat vor Jahren einen Gedichtband veröffentlicht, aus dem eine Zeile zum Slogan der PACT-Gegnern wurde. Margaret Miu, die sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen, gilt fortan als Rebellin. Um ihren Sohn nicht in Gefahr zu bringen, verlässt Margaret die Familie und lebt im Untergrund, wo sie nach allem, was ihr passiert ist, tatsächlich damit beginnt, gegen PACT zu kämpfen.
Nach Jahren ohne seine Mutter erhält Bird ein Lebenszeichen von ihr und beschließt, sie zu suchen.
Bis zu diesem Punkt im Buch fand ich die Geschichte spannend und nachvollziehbar. Doch dann folgt ein fürchterlich zäher, mit Metaphern überfrachteter Mittelteil, in der in äußerst poetischer Sprache, die oft schon die Schwelle zum Kitsch überschreitet, zwar die Zusammenhänge klarer werden, jedoch nicht sehr viel passiert. Ohne zu viel von der Handlung preiszugeben, kann ich nur sagen, dass das Ende des Buchs für mich keinen Sinn ergibt. So kann zum Beispiel eine Person in diesem Land, in dem jeder jeden bespitzelt, unbehelligt und unbeobachtet in einer auffälligen Limousine durch die Gegend fahren, ohne von irgendwelchen Verkehrsüberwachungskameras erfasst zu werden.
Die Idee für dieses Buch gefällt mir gut, zumal es ja genügend Beispiele auf der ganzen Welt gibt, in denen Kinder aus religiösen oder ideologischen Gründen ihren Familien weggenommen wurden. Doch die Umsetzung lässt meiner Meinung nach zu wünschen übrig. Die ersten beiden Bücher der Autorin haben mich begeistert und meine Erwartungshaltung war dementsprechend hoch. Leider fand ich dieses Buch jedoch ziemlich enttäuschend.

Bewertung vom 23.09.2022
Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?
Strobel, Arno

Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?


ausgezeichnet

Arno Strobel hat einen neuen Fan
Patrick Dostert lebt ein glückliches und zufriedenes Leben, bis von einem Tag zum nächsten alles zusammenbricht. Er wird beschuldigt, eine Frau, Yvonne Voigt, entführt zu haben. Belastet wird er von Jana, Yvonnes bester Freundin. Angeblich hat er die verschwundene Frau gestalkt und misshandelt. Allerdings hat Patrick sich am Abend des Verschwindens des angeblichen Stalkingopfers mit einem Geschäftskunden getroffen, der sein Alibi bestätigen kann. Das Problem: der Zeuge ist nicht auffindbar. Als dann auch noch ein belastendes Handyvideo auftaucht, das ganz klar Patrick zeigt, weiß er nicht mehr ein noch aus. Weitere Beweise gegen Patrick tauchen auf und schließlich wird auch noch eine Leiche gefunden.
Patricks Frau Julia hält zunächst zu ihm. Immerhin kennt sie ihren Mann und weiß, dass er niemals einer Frau Gewalt antun würde.
Wir erfahren die Geschichte aus der Sicht von Patrick Dostert, der inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. Patrick ist verzweifelt, denn die Person in den Videos ist er, doch kennt er die Frauen nicht und weiß nicht, wie er seine Unschuld beweisen soll. Durch eine glückliche Fügung nimmt sich ein bekannter Strafverteidiger seines Falls an, ein Hoffnungsschimmer am Horizont!
Für mich war dies das erste Buch von Arno Strobel und ich fand es ungeheuer spannend. Einerseits ist da Patrick, der seine Unschuld beteuert, andererseits sprechen alle Fakten gegen ihn. Ich habe dieses Buch, das die Bezeichnung Psychothriller wahrhaft verdient, bis zur letzten Seite und dem überraschenden Ende verschlungen!

Bewertung vom 19.09.2022
Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Pulley, Natasha

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit


gut

Verwirrend
Die Geschichte beginnt im Jahre 1898. Joe Tournier steigt aus einem aus Glasgow kommenden Zug aus. Er befindet sich in London, doch seltsamerweise wird dort Französisch statt Englisch gesprochen und der Bahnhof heißt Gare du Roi. Joe hat sein Gedächtnis verloren, alles erscheint ihm falsch. Ein wohlmeinender Mitreisender bringt ihn in eine psychiatrische Einrichtung, wo bei Joe Epilepsie diagnostiziert wird. Angeblich ist diese oft mit Gedächtnisverlust verbunden und tritt zu dieser Zeit recht häufig auf. Nach einiger Zeit meldet sich ein Mann in der Einrichtung, bei dem Joe angeblich seit langer Zeit als Leibeigener lebt. Mit dabei ist Alice, Joes Ehefrau, an die er sich jedoch ebenfalls nicht erinnert.
Dieser Einstieg in die Geschichte ist sehr spannend und mysteriös. Ganz rätselhaft wird es, als Joe eine Postkarte erhält, die vor 90 Jahren an ihn abgeschickt wurde und einen Leuchtturm in Schottland zeigt. Der Text fordert Joe auf, nach Hause zurückzukehren, wenn er sich erinnert. Daraufhin setzt Joe alles daran, zu diesem Leuchtturm zu gelangen. Wer weiß, vielleicht erinnert er sich dort an sein früheres Leben?
Die Idee zu dieser Geschichte gefällt mir sehr gut. Allerdings war die Umsetzung ausgesprochen verwirrend. Die ständigen Zeitsprünge und Schauplatzwechsel - London 1898, Southampton 1997, Edinburgh 1807, Cadiz 1777 usw. – machen das Lesen schwierig und ich hatte große Mühe, den Faden nicht zu verlieren. Manchmal wusste ich nicht mehr, was ist historisch belegt und was Fantasie. Durch Zeitreisen reisten manche Protagonisten in der Zeit hin und her, wobei sie in jeder Zeit einen anderen Namen und ein völlig anderes Leben hatten. Ich kann nicht behaupten, dass mir die Auflösung schlüssig erschien, manche Ereignisse wurden für meine Begriffe nur unzureichend erklärt und ich hatte keine Ahnung, welche Bedeutung sie für die Geschichte hatten. Trotz des spannenden Beginns war ich am Schluss einfach nur froh, als ich das Buch fertiggelesen hatte.
Positiv hervorheben möchte ich allerdings noch die wunderschöne Covergestaltung und die hervorragende Übersetzung.

Bewertung vom 28.08.2022
Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2
Turner, A. K.

Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Was geschah damals wirklich?
Cassie Raven ist Sektionsassistentin mit Leib und Seele. Schon als Kind war sie vom menschlichen Körper und seinem Innenleben fasziniert. Während andere Kinder mit Puppen spielten, schnitt sie diese auf, um zu sehen, was sich in ihrem Inneren verbarg.
Im Gegensatz zu ihren Kollegen pflegt Cassie einen sehr respektvollen Umgang mit ihren „Gästen“, wie sie die Leichen auf dem Sektionstisch nennt. Sie spricht mit ihnen, und manchmal scheint es, als ob diese auch mit ihr kommunizieren.
Vor kurzem erfuhr Cassie, die bei ihrer Großmutter aufwuchs, dass ihre Eltern keineswegs vor Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, wie ihr die Großmutter erzählte, sondern dass ihre Mutter ermordet und ihr Vater für den Mord ins Gefängnis gesteckt wurde. Nachdem sie den anfänglichen Schock überwunden hat, beginnt Cassie, sich mit dem Mord an ihrer Mutter zu beschäftigen. Zu diesem Zeitpunkt tritt Callum, ihr Vater, an sie heran. Er hat seine Strafe abgesessen und versichert seiner Tochter, dass er unschuldig verurteilt wurde. Die Polizei hatte ihn von Anfang an im Visier und machte sich nicht die Mühe, nach weiteren möglichen Tätern zu suchen. Cassie beginnt eigene Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, was damals wirklich passiert ist.
„Wer mit den Toten spricht“ ist ein ausgesprochen gut geschriebener Krimi mit einer ungewöhnlichen Protagonistin. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen. Nur gegen Ende war ich ein wenig enttäuscht, als ein doch sehr offensichtlicher Hinweis gegeben wird, den die sonst so aufgeweckte Cassie zunächst übersieht.
Ein spannender, vielschichtiger Krimi. Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 23.08.2022
Die Rückkehr der Kraniche
Fölck, Romy

Die Rückkehr der Kraniche


ausgezeichnet

Wie gut kennt man seine Familie?
Die 50jährige Grete hat ihr Elternhaus in der Elbmarsch nie verlassen. Als junger Mensch träumte sie davon, zu studieren und zu reisen, doch eine ungeplante Schwangerschaft setzte diesen Träumen ein Ende. Tochter Anne ist längst aus dem Haus, nun lebt Grete allein mit der wortkargen Mutter Wilhelmine unter einem Dach, die es nach dem frühen Tod des Ehemanns nie geschafft hat, den Töchtern ihre Zuneigung zu zeigen.
Als Wilhelmine einen Schwächeanfall erleidet und ins Krankenhaus muss, informiert Grete ihre jüngere Schwester Freya, die in Berlin ein erfolgreiches Startup-Unternehmen leitet, sowie Anne, die sehr an der Großmutter hängt. Beide Frauen kommen in die Heimat, um Wilhelmine nahe zu sein.
Für Freya ist es gleichzeitig eine Flucht. In der Firma gibt es Probleme und ihr langjähriger Partner, mit dem sie eine Familie gründen wollte, hat sie verlassen. Auch Anne, die mittlerweile in Bremen studiert, hat Liebeskummer.
Das Verhältnis der Frauen untereinander ist nicht einfach. Jede verschweigt den anderen etwas. Alte Wunden brechen auf und unweigerlich kommt es zu Konflikten. Nach und nach nähern sie sich jedoch einander an und alte Geheimnisse kommen ans Licht.
„Die Rückkehr der Kraniche“ ist ein leiser und melancholischer Familienroman, der zugleich die Natur der Elbmarsch detailreich beschreibt. Das wunderschön gestaltete Cover gibt einen Eindruck der unberührten Natur der Elbmarsch mit ihren vielen geschützten Vogelarten.
Ich konnte mich sehr gut in die Frauen mit ihren Problemen und Ängsten hineinversetzen. Romy Fölck beweist mit diesem Roman, dass sie nicht nur gute Krimis schreibt.
Mir hat das Buch ein schönes, entspanntes Lesewochenende geschenkt.

Bewertung vom 18.08.2022
Fast bis zum Nordkap
Pinnow, Judith

Fast bis zum Nordkap


ausgezeichnet

Der Weg ist das Ziel
Bea, erfolgreiche Mitarbeiterin einer Hamburger Werbeagentur, leidet an Burnout-Symptomen. Sobald sie die Agentur betritt, wird ihr schwindlig. Ihre beste Freundin rät ihr dazu, eine Auszeit zu nehmen und in sich zu gehen, um herauszufinden, was sie schon immer tun wollte. Daraufhin kauft sich die sonst so durchgetaktete, karriereorientierte Bea einen alten VW-Bus, mit dem sie zum Nordkap fahren will. Sechs Monate soll die Reise dauern. Weder ihr Freund Marco noch der Chef der Agentur sind von ihrem Plan begeistert, aber Bea hat sich entschieden.
Leider gibt ihr Oldtimer-Bulli in Schweden, in the middle of nowhere, den Geist auf: Motorschaden. Sie findet zwar einen Mechaniker, der ihr einen neuen Motor beschaffen und einbauen will, doch das dauert. So verbringt sie wohl oder übel einige Zeit in dem Dorf Sjöhyttan, wo sie im einzigen Café des Orts ein Zimmer mieten kann. Bald lernt sie einige Bewohner des Dorfs kennen, unter anderem Per, der sich seinen Lebensunterhalt durch den Bau von Tiny Houses verdient. Die beiden sind sich auf Anhieb sympathisch, doch Per ist alleinerziehender Vater zweier Töchter und will sich keineswegs in eine Frau verlieben, die sowieso bald wieder weg ist, und Bea hat ihren Freund und ihren Lebensmittelpunkt in Hamburg. Doch nicht immer siegt der Verstand.
„Fast bis zum Nordkap“ ist eine richtig schöne Feelgood-Lektüre. Ich konnte mich sehr gut in Bea hineinversetzen, vieles könnte sich tatsächlich genauso zutragen. Die Dialoge sind witzig, und die Geschichte ist nicht so überfrachtet mit künstlichen Dramen wie es bei romantischen Romanen manchmal der Fall ist.
Mein einziger Kritikpunkt ist Beas Blauäugigkeit, was ihren Freund Marco anbelangt. Meinen Lesegenuss hat dies allerdings nur geringfügig geschmälert. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der eine amüsante Sommerlektüre sucht, die aber trotzdem weder seicht noch trivial ist.

Bewertung vom 16.08.2022
Kein Sommer ohne dich
Henry, Emily

Kein Sommer ohne dich


gut

Viel Lärm um nichts
Poppy und Alex lernen sich im College kennen. Obwohl sie vollkommen unterschiedliche Charaktere sind – Poppy verrückt, extrovertiert, witzig, Alex sehr korrekt und eher ein ernster Typ – fühlen sie sich wohl in der Gegenwart des anderen und beschließen, zusammen Urlaub zu machen. Daraus entwickelt sich eine Tradition. Jedes Jahr fahren die beiden miteinander in Urlaub. Hilfreich ist dabei, dass Poppy einen Job bei einem Reisemagazin ergattert und die Urlaube als Recherche für Artikel bezahlt kriegt.
Der Roman spielt einerseits in der Jetztzeit, andererseits gibt es Rückblicke auf die Urlaube der vergangenen zehn Jahre. Gleich zu Beginn erfährt man, dass vor zwei Jahren, während eines Kroatienurlaubs, etwas passiert ist, was zu einer zweijährigen Funkstille zwischen den beiden führte. Leider muss man als Leser mehr als 300 Seiten hinter sich bringen, bis man endlich erfährt, was damals vorgefallen ist. Der Grund stellt sich dann allerdings als so eine Lappalie heraus, dass es mir schwer fällt zu glauben, dass zwei erwachsene Menschen daraufhin jahrelang den Kontakt zueinander meiden!
Poppy vermisst Alex sehr und nimmt nach zwei langen Jahren Kontakt zu ihm auf. Sie will erneut mit ihm in Urlaub fahren, allerdings einen Urlaub wie in den Anfangsjahren verbringen: Low Budget anstatt Luxusresorts.
Der Anfang dieses Buchs hat mir gut gefallen. Es gibt jede Menge witzige Situationen und Dialoge, die mich zum Lachen gebracht haben. Doch nach einem Drittel des Buchs fing ich an, mich zu langweilen. Wenn Alex zum zehnten Mal seinen „trauriger Welpe Blick“ aufsetzt und sich Poppy „quietschend vor Lachen“ auf dem Boden rollt, nervt es nur noch. Im übrigen lässt die Übersetzung auch des öfteren zu wünschen übrig, so manches wäre im englischen Original wahrscheinlich sehr viel witziger.
Die vielen Rückblicke auf vergangene Urlaube sind auch nicht wirklich hilfreich. Man erfährt zwar, wie sich die Beziehung der beiden entwickelt (als Leserin sieht man übrigens von Anfang an, dass die beiden total gut zueinander passen und da mehr als Freundschaft ist, die einzigen, die das nicht kapieren, sind Poppy und Alex selbst), aber eigentlich ist es völlig egal, wann und in welchem Land sie gerade sind, mich hätte vielmehr interessiert, wie es in der Jetztzeit mit dem beiden weitergeht. Bis es so weit ist, braucht man allerdings viel Geduld. Das Buch ist unendlich in die Länge gezogen, am Schluss kommt es noch zu einem künstlich aufgebauschten und völlig überflüssigen Drama. Es ist für mich schwer nachzuvollziehen, dass dieses Buch ein Nr. 1 New York Times Bestseller sein soll. Es ist eine locker-leichte Urlaubslektüre mit vielen Längen. Ich vergebe 3 Sterne, weil mich der Anfang noch gut unterhalten hat.

Bewertung vom 13.08.2022
Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1
Getz, Kristine

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1


gut

Das Böse lauert überall
Die zweijährige Poppy wird von ihren Eltern gnadenlos über deren Instagrammkanal vermarktet. Vom ersten Gähnen am Morgen bis zum Zähneputzen abends, alles wird für die vielen Follower ins Netz gestellt und geteilt. Selbst den Aufenthaltsort Poppys erfahren ihre Fans, es ist wirklich erschreckend, wie naiv die Eltern Lotte und Jens sind, Hauptsache, die Kasse stimmt. So ist es eigentlich keine große Überraschung, dass Poppy eines Tages entführt wird, als sie den Tag bei ihren Großeltern verbringen sollte. Vor einem Monat gab es bereits einen anderen Entführungsfall, bei dem das kleine Mädchen glücklicherweise unbeschadet wieder auftauchte. Wird dies bei Poppy auch der Fall sein?
Als die nach einem Zusammenbruch krankgeschriebene Emer Murphy von dem Fall erfährt, will sie sich unbedingt in die Ermittlungen einbringen. Sie setzt kurzerhand ihre Psychopharmaka ab und fährt ins Präsidium, wo sie mit offenen Armen empfangen wird. Angeblich verfügt Emer über eine „Gabe“, die auch bei der Klärung des letzten Falls eine entscheidende Rolle spielte.
Obwohl das Thema hochaktuell ist, konnte mich dieser als Thriller bezeichnete Roman, der doch einige Längen hatte und für einen Thriller einfach nicht spannend genug war, nicht fesseln. „Poppy“ ist ein Buch, in dem es nur um perverse, böse und auf ihren eigenen Vorteil bedachte Menschen geht. Größtenteils bleiben die Personen blass, noch nicht mal von den Hauptpersonen und der Ermittlerin Emer kann ich mir wirklich ein Bild machen. Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist, dass Emer angeblich lila Augen und weiße Haare hat, sehr seltsam.
Das Hauptthema des Buchs, die Vermarktung von Kindern via Internet und die Gefahren, denen sie dadurch ausgesetzt sind, finde ich wichtig, aber die Umsetzung der Thematik in diesem Roman ist wenig glaubhaft. Viele Zusammenhänge sind einfach total konstruiert und too much. Ziemlich verstörend fand ich die Einblicke in die Pädophilenszene.
Mich lässt die Lektüre ziemlich frustriert zurück. Auch der Schreibstil hat mich nicht überzeugt. Den nächsten Band der Reihe werde ich sicher nicht lesen.

Bewertung vom 09.08.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


ausgezeichnet

Lesenswertes Debüt
Die Endzwanzigerin Elke ist kurz davor, ihre Ausbildung zur Pastorin abzuschließen. Ihr Vater, der ebenfalls Pastor ist, erwartet selbstverständlich, dass sie eines Tages seine Gemeinde übernimmt.
Elke arbeitet ehrenamtlich in einem Pflegeheim, eine Aufgabe, die ihr sehr viel Freude macht. Selbst während des Kölner Karnevals übernimmt sie gern eine Schicht, damit die Kollegen feiern können. In dieser Nacht passiert es. Eine sterbende Frau bittet sie, mit ihr das Vaterunser zu beten, doch Elke kann sich plötzlich nicht mehr an den Text erinnern. Sie diagnostiziert sich selbst mit „Gottdemenz“. Es bleibt nicht bei dem einen Vorfall und Elke beginnt zu zweifeln, ob sie überhaupt Pastorin werden will und kann.
Ihr äußerst verständnisvoller Partner Jan beruhigt sie damit, es könne sich nur um eine Phase handeln, doch die Ursachen liegen tiefer. Vor Jahren hat Elke ein Trauma erlitten. Ihr Bruder kam ums Leben. Weder sie noch ihre Eltern haben dieses Trauma je überwunden. Als Elkes Vater schwer krank wird, fährt sie nach Hause und beginnt, sich der Vergangenheit zu stellen.
„Die Ewigkeit ist ein guter Ort“ ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugend. Elke ist zwar eine sehr eigenwillige Persönlichkeit und manche ihrer Handlungen sind so skurril, dass ich sie in keinster Weise nachvollziehen konnte, doch habe ich gerne ihre Entwicklung mitverfolgt. Der Roman behandelt ernste Themen und ist gleichzeitig stellenweise urkomisch. Ein ganz bemerkenswertes Debüt, das ich absolut empfehlen kann.

Bewertung vom 31.07.2022
Wir sehen uns zu Hause
Wünsche, Christiane

Wir sehen uns zu Hause


sehr gut

Auf den Spuren der Vergangenheit
Anne und Peter stecken in den Vorbereitungen zu einer Skandinavienreise mit ihrem Wohnmobil, als Peter überraschend stirbt. Bei der Durchsicht von Peters Sachen stößt Anne auf einen Schuhkarton mit alten Bildern und stellt fest, dass sie so gut wie nichts über die Vergangenheit ihres Mannes weiß. Peter wuchs in der DDR auf und sie lernten sich am Tag des Mauerfalls in Berlin kennen. Er wollte nie über seine Vergangenheit sprechen und sie fragte nicht nach. Jetzt wüsste sie allerdings gerne mehr über diesen Teil seines Lebens.
Da sie es in dem leeren Haus nicht aushält, beschließt Anne, die mit Peter geplante Reise allein durchzuführen. Unterwegs disponiert sie um. Anstatt nach Skandinavien zu fahren, will sie die neuen Bundesländer besuchen und dabei versuchen, mehr über die Vergangenheit ihres Mannes herauszufinden. Dabei trifft sie Menschen, die anhand der gezeigten Fotos so manches aus Peters Leben vor der Wende rekonstruieren können. Doch die größte Überraschung kommt in Form eines Briefs vom Notar. Anne stellt fest, dass Peter ihr weitaus mehr verschwiegen hat als sie je ahnte.
Die Beschreibung der neuen Bundesländer, die Anne bereist, und die Menschen, die sie auf ihrer Reise trifft, haben mir gut gefallen, auch wenn so manches Klischee bedient wird. Andererseits haben Klischees ja oft einen wahren Kern.
Auch in Annes persönliche Situation konnte ich mich gut hineinversetzen. Allerdings gibt es im Laufe der Geschichte Zufälle und glückliche Fügungen, die so wahrscheinlich nicht geschehen würden. Trotzdem hat mich „Wir sehen uns zuhause“ gut unterhalten. Es war für mich eine perfekte Urlaubslektüre.