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Ingrid von buchsichten.de
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Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 313 Bewertungen
Bewertung vom 05.01.2023
Die Köchinnen von Fenley
Ryan, Jennifer

Die Köchinnen von Fenley


ausgezeichnet

Audrey, Gwendoline, Nell und Zelda sind Konkurrentinnen im Kampf um eine Anstellung als Co-Moderatorin der BBC-Kochsendung im Radio „The Kitchen Front“. Sie sind die Protagonistinnen im Roman „Die Köchinnen von Fenley“ der in England geborenen Jennifer Ryan. Es ist das Jahr 1942 und mit dem Fortschreiten des Weltkriegs werden die Lebensmittel immer weniger. Von den vier Frauen wird daher nicht nur Kreativität bei der Rezeptwahl erwartet, sondern auch die Auswahl aus dem Angebot immer seltener werdender noch erhältlichen Lebensmitteln, damit die Gerichte ohne Probleme nachgekocht werden können

Audrey ist Kriegerwitwe, hat drei Söhne und bewohnt ein marodes Haus mit großem Garten. Mit dem Backen und dem Verkauf von Pies verdient sie ihren Lebensunterhalt. Lady Gwendoline ist ihre Schwester, die als Kind oft eifersüchtig darauf war, dass Audrey die Gunst der Mutter viel häufiger als sie erhalten hat. Inzwischen hat sie einen betuchten Mann und lebt in einem Herrenhaus. Die junge Nell ist bei ihr angestellt. Sie ist lernwillig und stellt sich an der Seite der Köchin bei der Zubereitung von Mahlzeiten geschickt an. Die vierte im Bunde der Frauen, die sich für den Wettbewerb angemeldet haben, ist Zelda, eine ausgebildete Köchin aus London. Derzeit ist sie Küchenchefin einer Betriebskantine in Fenley. Dort hat man noch nicht bemerkt, dass sie schwanger ist. Für jede der Frauen würde der Gewinn eine gute Chance sein, ihr Leben zu verbessern.

Zu Beginn ist die Konkurrenz unter den Frauen deutlich zu spüren. Sie halten Abstand voneinander und versuchen, durch ihre eigene Leistung aufzufallen. Vor allem Gwendoline nutzt ihre Stellung aus und versucht die anderen Bewerberinnen auszubremsen. Im Laufe der Geschichte zeigen die Frauen charakterliche Wandlungsfähigkeit

Es wird in drei Runden gekocht. Dabei vergeht einige Zeit, während der Alltag der vier Frauen für jede von ihnen neue Überraschungen bringt, meist unangenehme. Mit und mit stellt Jennifer Ryan die positiven Seiten der Konkurrentinnen dar. Sie zeigt, dass der anhaltende Krieg zwar ernüchternd ist, aber die Menschen dadurch immer mehr zusammenrücken. Jede der vier Frauen ist eigenwillig und energisch im Handeln, aber sie entdecken, dass sie gemeinsam noch mehr erreichen können, wenn sie ihre Stärken vereinen. Dadurch erhält die Geschichte eine wohltuende Wirkung.

Für ihren Roman hat Jennifer Egan die Versorgung der Bevölkerung Englands im Jahr 1942 sehr gut recherchiert. Während die Kapitel zwischen den Frauen als jeweilige Protagonistin wechseln, finden sich dazwischen immer wieder Rezepte, die original aus dieser Zeit erhalten geblieben sind. Ich fand es interessant zu erfahren, mit welchen Lebensmitteln, im Austausch zu den gewöhnlicherweise genutzten Zutaten, ein schmackhaftes Gericht zubereitet werden konnte.

In ihrem Roman „Die Köchinnen von Fenley“ beschreibt Jennifer Ryan, die vier Frauen, die in einer kleinen Stadt in der Nähe von London leben, im Jahr 1942 in einem Kochwettbewerb zunächst zu Konkurrentinnen werden und sich durch ihre Schicksale immer mehr annähern. Die Geschichte wirkt realistisch, ist berührend und bietet einige, ganz verschiedene Rezepte aus der damaligen Zeit. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und daher empfehle ich es gerne weiter.

Bewertung vom 02.01.2023
Auf den ersten Sprung verliebt / Zimt Bd.5
Bach, Dagmar

Auf den ersten Sprung verliebt / Zimt Bd.5


ausgezeichnet

Das erste Buch der zweiten Staffel war für mich der perfekte Einstieg in die „Zimt“-Reihe von Dagmar Bach. Das besondere an den Geschichten der Serie ist die Fähigkeit der Protagonistin Vicky, zwischen Parallelwelten zu springen. Leider hat sie selbst keine Kontrolle darüber, denn wenn ein Zimtduft sie umweht, findet sie sich in der folgenden Minute in einer anderen Welt wieder. Das Buch ist in der ersten Auflage mit einem traumhaften Farbschnitt versehen, auf dem ebenso wie im ganzen Roman Illustrationen von Inka Vigh zu sehen sind.


Inzwischen ist Vicky 15 Jahre alt und auch ihr ein Jahr älterer Freund Konstantin ist seit einiger Zeit ein Springer. Nur die beste Freundin und Konstantins bester Freund sowie Vickys Tante wissen von dem Weltenwandeln. Umso wichtiger ist es, dass die Sache auch weiterhin geheim bleibt, aber in „Auf den ersten Sprung verliebt“ begegnet das junge Paar in einer der anderen Welten einem Widersacher. Die beiden fragen sich, woher er von ihren Sprüngen weiß.


Danach steigt die Spannung kontinuierlich an, denn sie müssen sich gegen sein Vorhaben wehren, was zwischen den Welten nicht so einfach ist. Außerdem fällt das Benehmen von Vickys und Konstantins jeweils anderem Ich, die bei den Sprüngen deren Plätze in unserer Zeit einnehmen, aus dem Rahmen. Die beiden haben nach jeder Rückkunft einiges zu tun, das auffällige Verhalten bei den Eltern, Verwandten und Bekannten zu erklären.


Die Geschichte spart nicht an aufregenden Wendungen und amüsanten Entwicklungen. Die Figuren sind liebevoll, ein wenig kauzig und besonders gestaltet. Dagmar Bach erzählt von den Höhen und Tiefen im Alltag der Teenager. Dazu gehört die kritische Auseinandersetzung mit den Ansichten von Freunden, die Ansprüche der Lehrer und Eltern, aber auch die Freude am Beisammensein mit dem Partner oder der Partnerin. Zunehmend begreift das junge Paar, dass es nicht immer einfach ist, Wahrheit und Betrug zu erkennen.


Der Roman ist nicht nur für Jugendliche geeignet, sondern auch für Erwachsene. Der Handlung konnte ich auch ohne Kenntnis der Bände der ersten Buchstaffel problemlos folgen. Der Reiz der Geschichte liegt in dem Mix von Spannung, Witz, dem Fantasyelement und einer Spur Romantik. Der Cliffhanger am Ende weckt den Wunsch auf den zweiten Teil der zweiten Staffel. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 30.12.2022
Café Leben
Leevers, Jo

Café Leben


ausgezeichnet

Zwei unterschiedliche Frauen mit bewegter Vergangenheit sind die Protagonistinnen im Roman „Café Leben“ der englischen Autorin Jo Leevers. Jeder Mensch blickt auf verschiedene Begebenheiten in seinem bisherigen Leben zurück. Das (fiktive) „Projekt Lebensbuch“ in London möchte diese Geschichten erfassen. Vor allem bei schwerkranken Menschen eilt manches Mal die Zeit, um die Momente auf Papier oder im aufgenommenen Wort festzuhalten.

Eine dramatische Erinnerung aus ihrer Kindheit begleitet die 32-jährige Henrietta, die sich beim Projekt dafür bewirbt, die Erzählungen der Kunden niederzuschreiben und entsprechend dem Konzept daraus ein Buch zu erstellen. Die Krebspatientin Annie, Mitte 60, ist die erste, die ihr aus ihrem Leben erzählt. Deren ein Jahr jüngere Schwester verschwand als Jugendliche in einer regnerischen Nacht unauffindbar. Für Henrietta ist es unverständlich, dass Annie und ihre Eltern sich damit abgefunden haben. Doch Annie weicht ihren diesbezüglichen Nachfragen aus, so dass sie selbst zu den damaligen Geschehnissen zu recherchieren beginnt.

Jo Leevers hat mit Henrietta und Annie zwei interessante Figuren geschaffen, bei denen von Beginn an zu spüren ist, dass sie mit den erlittenen Schicksalsschlägen zwar verschieden umgehen, aber beide die Gedanken an das Vergangene auf ihre je eigene Weise verdrängt haben. Als Leserin war ich gespannt darauf, was beide zu verbergen wollen, was für eine gewisse Hintergrundspannung und einen Lesesog sorgte. Während Henrietta ihre eigenen Prinzipien hat und diese penibel verfolgt, auch wenn sie von höherer Stelle nicht erwünscht sind, fühlt Annie sich seit dem Tod ihres Ehemanns frei und ungebunden. Bereits durch ihre Kleidung ist sie auffällig, während Henrietta versucht, unscheinbar zu wirken. Für das, was sie liebt, setzt sie sich dennoch tatkräftig ein.

Die Kapitel wechseln zwischen den beiden Protagonistinnen. Obwohl es zunächst danach aussieht, als ob Henrietta und Annie nicht harmonieren, lernen sie, bestimmte Eigenschaften der jeweils anderen zu schätzen. Sie begegnen sich mit Respekt, der dafür sorgt, dass sie immer vertrauter werden und sich füreinander öffnen. Durch die Akzeptanz der weniger geschätzten Eigenschaften der jeweils anderen, gelingt es ihnen, sich auf dieselbe Gesprächsebene zu begeben und dabei Besorgnis auszudrücken und Verständnis und Wärme zu vermitteln.

Die Autorin schreibt einfühlsam über das Sterben, weil es zum Leben dazugehört, aber ohne es in den Vordergrund zu stellen und dem Roman dadurch die Leichtigkeit der Unterhaltung zu nehmen. Sie zeigt, dass bedrückende Ereignisse in jedem Lebensalter emotional verarbeitet werden sollten, denn man kann sie nicht ungeschehen machen.

Figuren, die sich in ihrem Leben weiterentwickeln oder weiterentwickelt haben, verborgene Geschichten in der Vergangenheit, die aufgedeckt werden wollen und ein berührendes gegenwärtiges Setting sind die Zutaten des feinsinnig geschriebenen, herzbewegenden Romans „Café Leben“ von Jo Leevers, den ich sehr gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 20.12.2022
Ein ganzes Herz voll Weihnachten

Ein ganzes Herz voll Weihnachten


ausgezeichnet

Vierzehn Autorinnen, darunter zwölf deutsche, tragen mit ihren Geschichten im Buch „Ein ganzes Herz voll Weihnachten“ dazu bei, ihre Leser und Leserinnen in eine festliche Stimmung zu bringen. Ausgewählt und zusammengestellt wurden die Erzählungen von Lea Daume. Für mich ging es in der ersten davon mit Julie Caplin nach London, um dann in der nächsten zweihundert Jahre in die Vergangenheit nach Hamburg zu reisen. Weitere Stationen sind beispielsweise Nebraska, Schottland, Island, Österreich und die Nordseeküste.
Einige Geschichte spielen im Umfeld der Welt, die die jeweilige Autorin für ihre Figuren geschaffen und bereits ein Buch oder mehrere Bücher darin veröffentlicht hat. Dadurch lernte ich nicht nur die verschiedenen Schreibstile kennen, sondern konnte auch in verschiedene Buchuniversen hineinschnuppern wie zum Beispiel in Thielemanns Backhus mit Rebekka Eder, in den Reichstag mit Micaela A. Gabriel und ins Inselkrankenhaus auf Sylt mit Liv Holland. Mit Katharina Herzog freute ich mich, wieder nach Swinton-On-Sea zurückzukehren und den schon bekannten fiktiven Personen zu begegnen. Für das Verständnis der Erzählungen muss man die bereits erschienenen Romane der Autorinnen nicht kennen.
Zum Ende jeder Erzählung gibt es ein Rezept mit einem leckeren Gericht, Gebäck oder Getränk, das zur Advents- und Weihnachtszeit passt. Entsprechend des Fests der Liebe beherbergt jede Geschichte zwar eine gewisse Dramatik, endet aber wohlwollend. Mir haben die Auswahl und die Zusammenstellung der Erzählstücke sehr gut gefallen. Ich habe das Buch in der Adventszeit gelesen und mir haben sie die Freude aufs Weihnachtsfest vermittelt. Gerne empfehle ich es weiter.

Bewertung vom 19.12.2022
Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte
Mackesy, Charlie

Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte


ausgezeichnet

Eine Antwort auf die Frage „Zuhause ist nicht immer ein Ort, oder?“ ist der Antrieb des kleinen Jungen im Buch „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ sich auf die Suche danach zu begeben, was ein Zuhause wirklich ausmacht. Die Geschichte wurde von dem Briten Charlie Mackesy erdacht und illustriert. Weil das Buch bei den Lesenden und Betrachtenden so gut ankam, hat der Autor und ein Produktionsteam dazu einen Film erstellt. Das nun vorliegende Buch trägt den Untertitel „Eine bewegte Geschichte“ wodurch es Bezug auf den Film nimmt. Die Formen in den Zeichnungen sind gegenüber der ersten Fassung noch weicher, runder und detaillierter, was ich als noch bewegender empfunden habe.
Es ist kalt und es schneit. Ein Junge hat sich verlaufen und findet den Weg nach Hause nicht mehr. Er trifft auf einen Maulwurf, der sich ein Loch an die Oberfläche gegraben hat. Jetzt ist der Junge nicht mehr einsam, denn gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach einer Möglichkeit, sein Zuhause zu finden. Doch zuerst befreien sie einen Fuchs und begegnen einem Pferd. Durch gemeinsame Erlebnisse kommen sie sich näher und entwickeln Verständnis füreinander.
Die zwischen den Freunden gesprochenen Sätze sind einfühlsam, manchmal poetisch und zum Nachdenken auffordernd. Dunklere Bilder und Gedanken wechseln zu hellen Illustrationen, die Hoffnung widerspiegeln. Die Farbgestaltung ist überwiegend in Blau- und Beigetönen sowie Weiß. Es macht Freude, die Zeichnungen zu betrachten. Beispielsweise gibt es beeindruckende Schneelandschaften, einen Sonnenuntergang oder den nächtlichen Himmel, die man auf sich wirken lassen sollte.
Die Freunde machen einander Mut und geben sich gegenseitig Kraft. Sie erleben Angst und teilen Freude miteinander. Dabei verschwinden alle Unterschiede zwischen ihnen und es kommt nur darauf an, dass sie füreinander Zuneigung empfinden. Das Verlangen des Maulwurfs nach Kuchen bringt Humor in die Erzählung. Die Suche führt den Jungen zu der Erkenntnis, dass ein Zuhause nicht an einen Ort gebunden sein muss, sondern auch durch Gefühle gebildet werden kann.
Am Beginn und am Ende des Buchs finden sich Noten einer „Hymn to the Robin“, die von Charlie Mackesy und Isobel Waller-Bridge komponiert wurde. Sie drückt die Stimmungslage des Jungen in den verschiedenen Situationen musikalisch aus.
Diese ergreifende und herzerhellende Geschichte der vier Freunde empfehle ich gerne weiter sowohl an ältere Leser und Leserinnen wie auch an jüngere, die das Buch gemeinsam mit Erwachsenen erkunden sollten.

Bewertung vom 15.12.2022
Totenwinter / Edith - Eine Frau geht ihren Weg Bd.2
Hofmann, Sabine

Totenwinter / Edith - Eine Frau geht ihren Weg Bd.2


sehr gut

Zwischen November 1946 und März 1947 erlebte Deutschland einen der kältesten Winter des letzten Jahrhunderts. Mitten in dieser Zeit spielt die Handlung des Romans „Totenwinter“ von Sabine Hofmann. Wie im ersten Band der Reihe „Edith – Eine Frau geht ihren Weg“ ist die aus Ostpreussen stammende, jetzt in Bochum lebende Edith Marheinecke die Protagonistin der Geschichte. Das Buch kann jedoch ohne Vorkenntnisse des Vorgängers gelesen werden.
Nach einem trockenen Sommer sind die Ernteerträge gering und die früh beginnende Kälte, scheint nicht mehr aufzuhören. Ein wirtschaftlicher Aufschwung ist kaum zu bemerken. Edith ist beim Tausch auf dem Schwarzmarkt von Rechtsanwalt Pollmann angesprochen worden, dem ihre Englischkenntnisse aufgefallen sind. Er hat ihr ein Arbeitsangebot gemacht, das sie angenommen hat. Als die Leiche eines Arbeitsführers der Stahlwerke in Bochum in einem Eisenbahnwaggon erschossen aufgefunden wird, sieht Edith einen Zusammenhang mit den Aktivitäten des Chauffeurs von Pollmann. Doch die Kripo hat ganz andere Verdächtige für den Mord. Sie vermuten Missgunst unter den Kollegen und prüfen, ob die Vorgesetzten des Ermordeten die Tat veranlasst haben. Außerdem bekommen sie einen Tipp, dass das Opfer in Schwarzmarktgeschäfte verwickelt war.
Die Kriminalpolizei kämpft auch eineinhalb Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in der Britischen Zone immer noch mit der politischen Gesinnung und der Loyalität einiger Mitarbeiter. Hunger und Kälte lassen manchen von ihnen danach streben, sich Vorteile zu verschaffen. Hella, die Tochter von Ediths Quartiergeberin, begibt sich erneut in Gefahr, um Heizmaterial zu stehlen, sehr zum Missmut ihrer Mutter. Zu Recht macht sie sich große Sorgen. Obwohl die Entlohnung auf ihrer neuen Stelle gut ist, missfällt Edith manches Mal das Vorgehen ihres Chefs, um neue Mandate zu erhalten. In der Kanzlei lernt sie jemanden kennen, dem sie sich bald zugeneigt fühlt. Für sie wird die Frage immer wichtiger, wem sie überhaupt noch Vertrauen schenken kann.
Sabine Hofmann beschreibt verständlich die politischen Zusammenhänge zwischen der Befehlsgewalt der britischen Besatzung, den Fabrikherren und den Arbeitern der damaligen Zeit. Sie stellt die Kälte, den Hunger und die Ängste der Bochumer einfühlsam dar. Die Spannung stieg mit der steigenden Anzahl der Verdächtigten allmählich an. Die Autorin begründet die Handlungen ihrer Figuren vorstellbar und lässt sie in einem wirklichkeitsnahen Umfeld agieren. Zum Schluss hin zieht sie das Tempo nochmals an und bringt Edith in eine schwierige Situation.
Im zweiten Band der Reihe „Edith – Eine Frau geht ihren Weg“ mit dem Titel „Totenwinter“ von Sabine Hofmann, der in Bochum des bitterkalten Jahres 1946/47 spielt, führt ein Mord mit einer zunehmenden Zahl Tatverdächtiger, eine Protagonistin, die an der Integrität ihres Chefs zweifelt sowie dem lebensnah geschilderten täglichen Kampf um Lebensmittel und Brennstoff zu einer lesenswerten Geschichte, die nicht nur bewegend sondern auch spannungsvoll ist. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende von historischen Romanen weiter.

Bewertung vom 09.12.2022
Hoffnung / Das Tor zur Welt Bd.2
Georg, Miriam

Hoffnung / Das Tor zur Welt Bd.2


sehr gut

Im zweiten Band der Dilogie „Das Tor zur Welt“ von Miriam Georg kehrt Claire, die bei ihrer Flucht nach Amerika erkrankt ist, wieder nach Hamburg zurück. Sie ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans. Im ersten Teil der Serie hat sie ihrer besten Freundin Ava die Chance auf ein besseres Leben in der Neuen Welt genommen. Mit ihrer Rückkehr und besten Vorsätzen für die Zukunft will sie ihr die Hoffnung zurückgeben, kämpft gleichzeitig mit ihrer Schuld und wünscht sich, dass auch sie selbst einen geeigneten Platz im Leben finden wird.
Ava, die zweite Protagonistin der Geschichte, hat während der abenteuerlichen Reise von Claire, eine neue Bleibe in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in den Auswanderungshallen, der sogenannten BallinStadt, gefunden. Sie hat sich inzwischen Claires Mutter angenähert, die sich verzweifelt wünscht, ihre Tochter wiederzufinden. Für Ava geht der Alltag weiter. Obwohl ihr Traum in weite Ferne gerückt ist, gibt sie nicht auf. Sie ist freundlich und hilfsbereit und in ihrer Liebe zu einem verheirateten Mann gefangen.
Für den weiteren Verlauf der Erzählung ist die Kenntnis des ersten Bands sinnvoll. Die offengebliebenen Hintergründe zu mehreren Figuren aus dem ersten Teil deckt die Autorin im vorliegenden Roman schrittweise auf. Immer wieder ist ein Kapitel eingeschoben, dass mehrere Jahre vorher spielt. Darin sind die Figuren nicht immer benannt. Zum Ende hin lassen sich die Einzelschicksale jedoch in den Kontext einfügen.
Das große Können von Miriam Georg liegt in ihrem mitreißenden Schreibstil. Sie schreibt auch diesmal wieder vorstellbar und mit Liebe zum Detail. Einfühlsam stellt sie das harte kärgliche Dasein in einigen Gegenden Europas dar ebenso wie den Kampf der Frauen um mehr Rechte. Dadurch, dass Claire ihre gehobene Stellung als Tochter betuchter Eltern verloren hat, hebt die Autorin diesen Aspekt der Geschichte besonders hervor. Für einen raschen Lesefluss sorgt nicht nur die Frage, ob Claire Einfluss auf die Beziehung ihrer Mutter zu deren Arzt nehmen kann, sondern auch die spannende Schilderung von Möglichkeiten die Auswanderungswilligen zu betrügen. Außerdem lernt Claire, dass es verschiedene Auffassungen zum Thema Liebe gibt.
Die Ereignisse aus dem Jahr 1912 werden umrahmt von Begebenheiten aus dem Jahr 1963, bei denen ich von einer der Protagonistinnen lesen konnte, die das Alte Land aufsucht. Insgesamt hat mir der erste Teil noch etwas besser gefallen, weil ich die Handlung etwas agiler fand.
Mit „Das Tor zur Welt – Hoffnung“ findet die Dilogie von Miriam Georg eine lesenswerte Fortsetzung, die dem ersten Band kaum nachsteht. Wieder kommt es zu überraschenden Wendungen bis zu einem unerwarteten Ende. Der Freundschaft der beiden Protagonistinnen kann der Weg über viele Höhen und Tiefen nichts anhaben, auch wenn sie einige Strecken davon allein gehen müssen. Das Buch empfehle ich gerne weiter, für die Lesenden des ersten Teils ist es ein Muss.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.12.2022
Der Pfirsichgarten
Fu, Melissa

Der Pfirsichgarten


ausgezeichnet

Im Roman „Der Pfirsichgarten“ erzählt die heute in England lebende, in den USA aufgewachsene Melissa Fu die berührende Geschichte von Dao Renshu, einer fiktiven Figur, den das Leben von Changsha in der chinesischen Provinz Hunan in den 1930er Jahren mit einigen Zwischenstationen ab 1968 nach Los Alamos in New Mexico/USA führt. Das wunderschön gestaltete Cover fordert dazu auf, das Buch in die Hand zu nehmen und in die Geschichte einzutauchen. Der Titel erschließt sich erst im Laufe des Lesens; er nimmt Bezug auf eine alte chinesische Sage in der ein Fischer durch Zufall einen üppig blühenden Garten voller Pfirsichbäumen und mit glücklichen und zufriedenen Bewohnern betritt. Meilin, die Mutter des Protagonisten, erzählt ihrem kleinen Sohn die Geschichte mit einem erfreulicheren, von ihr erfundenen Ende, was er aber erst als Erwachsener bemerkt.
Dao Renshu ist der einzige Sohn des Sohns eines Petroleumhändlers. Er trägt den Namen der Familie weiter und ist daher besonders schutzwürdig. Sein Vater kehrt aus dem Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg nicht nach Hause zurück. Gemeinsam mit seiner Mutter flieht er vor der drohenden Besatzung. Immer wieder müssen sie vor Angriffen fliehen, bis sie es auf die Insel Taiwan schaffen. Verluste begleiten sie auf ihrem Weg, aber Meilin gelingt es mit ihrem Einfallsreichtum und zahlreichen Einschränkungen, den Lebensunterhalt zu sichern. In ihrem Gepäck trägt sie fortwährend eine kostbare Schriftrolle mit alten Märchen, die sie von ihrem Mann erhalten hat. Für sie geht ein Traum in Erfüllung, als ihr Sohn ein Stipendium für ein Studium in den Vereinigten Staaten erhält. Dort nennt Renshu sich Henry. Seine Tochter Lily wächst nach seinem Wunsch weitgehend ohne Kontakt zur chinesischen Kultur auf, bis sie sich als Studentin auf die Reise in die Vergangenheit ihres Vaters begibt.
Melissa Fus Vater ist ebenso wie Renshu ein Einwanderer aus Taiwan. Ihr Roman wurde von seiner Lebensgeschichte inspiriert. Meilin ist in einer weltoffenen Familie groß geworden, die aber die Traditionen nicht verleugneten. Sie war die einzige Frau ihres Manns und hat außer Renshu keine weiteren Kinder. Obwohl jeder Anfang an einem neuen Ort schwierig ist, verfolgt sie unnachgiebig zwei feste Ziele. Einerseits wünscht sie sich für ihren Sohn eine schönere Zukunft als ihre eigene und andererseits möchte sie sich nicht mehr fest an Jemanden binden. Die Sagen ihrer Vorfahren, die sie schon ihr Leben lang begleiten, bieten ihre eine Rückzugsmöglichkeit, auch wenn diese nur in ihrer Gedankenwelt existiert.
Renshu wächst trotz der Ortswechsel wohlbehütet durch seine Mutter heran. Einige Entscheidungen von ihr kann er als Junge noch nicht nachvollziehen, später lernt er, diese zu akzeptieren. Er nimmt wahr, dass Bildung sehr nützlich ist und Anerkennung bringt. In der Schule entwickelt er den Ehrgeiz, zu den Besten zu gehören. Bereits als Student versteht er sehr bald, dass seine Kenntnisse auch für politische Systeme von Interesse sind, die diese ungern einem anderen Land zugestehen. Renshus/Henrys Tochter Lily begreift zunächst nicht, warum ihr Vater sich über seine Vergangenheit ausschweigt. Sie muss erst ihre eigenen Werte entdecken und Unabhängigkeit erreichen, bevor sie die Zusammenhänge sieht, ihre eigenen Schlüsse daraus zieht und dadurch zu sich selbst findet. Geschichten werden auch für sie zu einem Schatz, aus dem sie Erfahrungen gewinnt, durch die sie getröstet wird und durch die sie sich mit ihrer Großmutter in der Ferne verbunden fühlt.
Der Roman „Der Pfirsichgarten“ ist ein großartiger Roman von Melissa Fu. Zwar geschieht einiges Leid, das aber auch Neuanfänge hervorbringt mit der Hoffnung auf eine verheißungsvollere Zukunft. Als Leserin tauchte ich eine in eine mir noch weitgehend unbekannte ostasiatische Welt in den späten 1930er und 1940er Jahren und erlebte abwechslungsreiche Figuren, die sich je nach Lebenslage neu ausrichteten. Das Buch war mir ein durchgehendes Lesevergnügen und darum empfehle ich ihn gerne weiter.

Bewertung vom 08.11.2022
This Charming Man / The Stranger Times Bd.2
McDonnell, C. K.

This Charming Man / The Stranger Times Bd.2


ausgezeichnet

Vampire – gibt es sie wirklich? Mit dieser Frage muss sich die Redaktion der Stranger Times in Manchester im zweiten Band der schauerlichen Trilogie von C.K. McDonnell beschäftigen. Auf dem Buchumschlag wird die Geschichte angeteasert. Als Leserin schloss ich daraus, dass die Nachtgestalten existieren und unterwegs sind, ihren Blutrausch zu stillen. Jetzt war ich neugierig, was die MitarbeiterInnen der Zeitungsredaktion dazu herausfinden würden.

Die stellvertretende Chefredakteurin Hannah Willis ist seit drei Monaten bei der Stranger Times beschäftigt. Bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit hat sie feststellen müssen, dass es Dinge gibt, die mit dem Verstand nicht zu erfassen sind. Aktuell hat sich in Manchester ein junger Mann vor einen Laster geworfen. Man könnte einen Selbstmord vermuten, wenn die Leiche nicht lange Eckzähne hätte und bei der Obduktion menschliches Blut im Magen gefunden wurde. Dr. Carter, die Rechtsanwältin der Zeitung, die mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, bietet der Redaktion die Story an, behauptet aber, dass es Vampire nicht gibt. Die Kollegen stehen vor einem Rätsel. Außerdem droht einem der Angestellten eine Entführung durch einen Bautrupp, der das marode Badezimmer der Redaktion renovieren soll.

Nicht nur die Redakteure der Stranger Times und Hannah versuchen den Fall aufzuklären, sondern auch Detective Inspector Sturgess, der ebenfalls aus dem ersten Teil der Serie bekannt ist. Die Kollegen der Stranger Times sehen die Notwendigkeit ein, den seltsamen Geschehnissen, meist in Zweier-Teams, nachzugehen. Obwohl bereits auf den ersten Seiten des Buchs eine mysteriöse Begebenheit geschildert wird, kommen die Mitarbeitenden nur mühsam zu ersten Ergebnissen. Eine Antwort auf die Frage, wer dafür verantwortlich ist, liegt in weiter Ferne. Aber sie können nicht verhindern, dass die oder der Übeltäter beziehungsweise die Übeltäterin auf sie aufmerksam wird.

Chefredakteur Bancroft sieht es als seine Aufgabe an, daran zu erinnern, dass wöchentlich eine Zeitung zu erstellen ist und dafür Artikel notwendig sind. Auch diesmal trägt sein Festhalten an gewissen Prinzipien wieder zum Witz des Buchs bei. Mein Kompliment gilt dem Übersetzer André Mumot, der den trockenen britischen Humor so übersetzt, dass ebenfalls deutsche Lesende darüber schmunzeln können. Wie im ersten Buch sind wieder beispielhaft einige Artikel der fiktiven Zeitung für Unerklärtes und Unerklärliches zwischen den Kapiteln zu lesen.

Eine beachtliche Anzahl neuer Figuren wie zum Beispiel ein Wahrheitssprecher, ein redender Hund und ein Schuldentätowierer tragen mit ihrem besonderen Charakter zu einer abwechslungsreichen, spannenden Lektüre bei. Eine innovative Dating-App sorgt mit einer frischen Idee für Wirbel im Geschehen. Immer wieder gibt es unerwartete Wendungen.

Der zweite Band der voraussichtlichen Trilogie über die Mitarbeitenden der Stranger Times überzeugt erneut durch den schwarzen Humor, den mystischen Elementen und den ungewöhnlichen Figuren. An mehreren Stellen bleiben offene Fragen. Ungeduldig erwarte ich die Fortsetzung in der Hoffnung, dass sich darin Stellas Geheimnis lüftet und ich mehr über Bancrofts Frau erfahren werde. Gerne empfehle ich den Roman an Lesende weiter, die einen Sinn für übernatürliche Ereignisse mitbringen

Bewertung vom 01.11.2022
Wünsche werden wahr / Wunderfrauen-Trilogie Bd.4
Schuster, Stephanie

Wünsche werden wahr / Wunderfrauen-Trilogie Bd.4


ausgezeichnet

Es ist der Heilige Abend im Jahr 1991 zu dem Stephanie Schuster mich als Leserin ihres Romans „Die Wunderfrauen – Wünsche werden wahr“ auf eine Reise in die Vergangenheit mitnimmt. Die älteste der vier Freundinnen Luise, Marie, Helga und Annabel, die bereits in den vorigen drei Büchern der Serie als Wunderfrauen im Mittelpunkt standen, ist inzwischen Anfang 70. Jede von ihnen kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Im wohlverdienten Ruhestand ist noch keine von ihnen.

Im Prolog offenbart ein Dieb sein Ansinnen, doch es dauert fast bis zum Ende der Geschichte, bis er geschnappt wird. Dabei konnte ich Annabel mit ihrem kriminalistischen Gespür in ihrem Element erleben. Die Erzählung erhält ebenfalls eine hintergründige Spannung durch die hochschwangere Josie, der Tochter von Luise, die sich mit ihrer Familie auf den Weg von Starnberg aus nach Berlin zum Vater ihres Ehemanns macht, um dort das Weihnachtsfest zu feiern. Unliebsame Überraschungen bereiten der Familie auf ihrer Fahrt einiges an Unbill. Noch dazu hat Josie sich vorher mit ihrer Mutter gestritten und ihre Gedanken kreisen um das, was Luise ihr vorgeworfen hat. Währenddessen versuchen die Wunderfrauen ihre Vorbereitungen für Weihnachten fertig zu stellen, damit sie das Fest wie verabredet gemeinsam verbringen können.

Obwohl die Geschichte nur an einem einzigen Tag spielt, erleben die Wunderfrauen erneut Höhen und Tiefen, auch im Rückblick auf vergangene Ereignisse. Als Leserin erfuhr ich, was seit den Begebenheiten in den 1970er, die im vorigen dritten Band der Serie geschildert wurden, geschehen ist. Im höheren Alter steht jede der Freundinnen mitten im Leben und gibt gerne seine Erfahrungen an die jüngere Generation weiter. Darum kam es auch zum Streit zwischen Luise und ihrer Tochter, bei der es um die verschiedenen Auffassungen der beiden zur Rolle der Frau in der Ehe geht. Luise ist zwar immer noch beruflich äußerst engagiert, jedoch sucht sie sich Freiräume und schätzt zunehmend jeden schönen Moment.

Alle Kinder der Wunderfrauen haben sich inzwischen für einen Beruf entschieden und entwickeln sich darin weiter oder nutzen ihre Kenntnisse, um diese in anderen Gebieten anzuwenden. Ihre Mütter sind stolz auf sie, jedoch auch ängstlich über deren Wohlergehen beispielsweise, wenn sie sich auf einer Reise im Ausland ohne festes Ziel befinden. Keine von ihnen fürchtet sich davor, im Alten allein zu sein, sondern sie erkennen, dass die Liebe nicht aufhört und ein Partner an ihrer Seite ihnen angenehme Momente schenken kann. Außerdem ist ihnen ihre Freundschaft viel Wert und sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.

Zwar führt Luise kein Ladenkundebuch mehr, aber sie schreibt weiterhin alles für sie Interessante auf und daher finden sich im Buch auch diesmal wieder zeitgeschichtliche Informationen, Anleitungen und Tipps aus ihrem Notizheft als Einschübe zwischen den Kapiteln. Nebenbei lässt die Autorin aktuelle Musik, Spiele, Markenartikel und anderes in ihre Geschichte einfließen, die zu einem passenden Stimmungsbild beitragen.

In ihrem Roman „Die Wunderfrauen – Wünsche werden wahr“ erzählt Stephanie Schuster ein letztes Mal von den vier Freundinnen aus Starnberg, die für den Heiligen Abend im Jahr 1991 eine gemeinsame Feier geplant haben. Sie blicken voller Hoffnung und in ruhiger Erwartung auf ihre Zukunft. Gerne vergebe ich auch diesmal eine Leseempfehlung.