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Pharo72
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Zittau
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Büchersüchtige, introvertierte Leseratte!

Bewertungen

Insgesamt 464 Bewertungen
Bewertung vom 19.05.2021
Kaltes Land
Tsokos, Michael

Kaltes Land


ausgezeichnet

Täglich ihrer Arbeit im Sektionssaal nachzugehen, ist für Rechtsmedizinerin Sabine Yao etwas anderes, als plötzlich persönlich betroffen zu sein. Denn in der Nähe von Kiel wird die Wasserleiche ihrer Tante geborgen. Offenbar liegt ein Verbrechen vor und Sabine beginnt zu ermitteln.

Meine Meinung:

Wer die Fred-Abel-Reihe von Michael Tsokos kennt, ist mit Sabine Yao bereits in Berührung gekommen und darf sich freuen, etwas tiefer in ihre Gefühlswelt einzutauchen. Der vorliegende Kurzthriller kann jedoch auch ohne jede Vorkenntnis gelesen werden.

Ich konnte mich gut in die Rechtsmedizinerin hineinversetzen, die abseits ihrer Arbeitsroutine plötzlich verarbeiten muss, einen Angehörigen vor sich auf dem Sektionstisch zu sehen. Mit Unterstützung von mehreren Seiten gelingt es ihr, dem Täter schnell auf die Spur zu kommen.

Das muss es auch, denn der ca. 100 Seiten lange Kurzroman bietet keine Gelegenheit für Ausschweifungen. Das quasi offene Ende deutet auf eine Fortsetzung hin, die hier aber wenig Sinn macht, weshalb ich es unnötig fand. Inhaltlich und vom knackigen Schreibstil her gibt es nichts zu meckern. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sollte jedoch vom Verlag überdacht werden. Für die vorliegende Menge wären 5 Euro durchaus angebrachter, wenn die Kurzthriller, von denen es bisher noch fünf weitere gibt, viele Leser finden sollen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2021
Blutkristalle
Poznanski, Ursula

Blutkristalle


ausgezeichnet

Für Wolfram ist Ella die Eine – und das wird auch sie noch einsehen. Ihrem Happy End steht eigentlich nur einer im Weg, ihr Freund Paul. Als beide eine Winterwanderung planen, ist das für Wolfram die Chance. Hier muss sich doch einfach eine Möglichkeit bieten, den unliebsamen Nebenbuhler loszuwerden.

Meine Meinung:

Hauptrolle in diesem eisigen Kurzthriller von Bestsellerautorin Ursula Poznanski spielt der durchgeknallte Stalker Wolfram, der mit allen Mitteln seine „Liebste“ für sich zu gewinnen sucht. Die leider viel zu kurze Geschichte hat mich sehr gut unterhalten. Langeweile kommt auf jeden Fall zu keiner Zeit auf und man kann sie mit ca. 75 Seiten auch gut in einem Rutsch durchlesen.

Wolfram stellt sich nicht eben klug an und wirkt dabei manches Mal unfreiwillig komisch, aber wer hat behauptet, dass Psychopathen auch immer mit großer Intelligenz gesegnet sein müssen? Amüsant fand ich die zusätzliche Stimme in seinem Kopf, deren Bewandtnis sich erst zum Ende aufklärt. Dieses wartet dann auch mit einer kleinen Überraschung auf.

Als Kritik könnte man höchstens anbringen, dass die Investition für den Umfang eines Groschenromans doch relativ happig ausfällt. Das Lesevergnügen schmälert es hingegen keineswegs. Wer Geschmack an diesem Thriller-Häppchen gefunden hat, sollte sich auch die anderen in gleicher Edition herausgegebenen Kurzthriller von namhaften Autoren wie Michael Tsokos, Veit Etzold, S. K. Tremayne, Lisa Jackson und Daniel Holbe nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 09.05.2021
Robert Kochs Affe
Lichtwarck-Aschoff, Michael

Robert Kochs Affe


gut

Der Nobelpreisträger Robert Koch war ohne Frage eine Koryphäe auf seinem Gebiet und ging als Lichtgestalt in die Medizingeschichte ein. Doch es gibt auch Schatten auf seiner weißen Weste. Michael Lichtwarck-Aschoff beleuchtet diese und bringt dem Leser den Bakterienforscher und seine Beweggründe näher.

Meine Meinung:

Näheres über den berühmten Bakteriologen, dessen Name gerade heutzutage ständig zu hören ist, zu erfahren, fand mein Interesse. Mit dem Buch „Robert Kochs Affe“ habe ich mich jedoch schwergetan und kam nur schleppend voran.

Es ist in drei Abschnitte eingeteilt. Zuerst erfährt man über die Lebens- und Arbeitsweise Kochs im Berlin von 1903, in der ein Affe in Husarenuniform eine tragende Rolle spielt. Die Sinnhaftigkeit hat sich mir nicht wirklich erschlossen.

Dann, den größten Teil des Buches einnehmend, erfahren wir über Kochs Expedition ins „Schutzgebiet“ Deutsch-Ostafrika, wo er versucht, der Schlafkrankheit, die von der Tsetsefliege übertragen wird, Herr zu werden. Hier erfährt der Leser mittels eines Überlebenden der Expedition von unmenschlich anmutenden Versuchen an den Eingeborenen, um auf Teufel komm raus die Kolonisierten zu schützen. In seinem Wahn, dass der menschliche Körper ein absolut reines Gefäß sein muss, überschreitet er viele Grenzen und führt einen skrupellosen wie erfolglosen Kampf. Seiner Meinung nach müssten ganze Landstriche vernichtet, die Infizierten in Lagern separiert werden. Vieles wiederholt sich in diesem Abschnitt und es wird zwischendurch ziemlich langweilig, wobei die vorgenommenen Untersuchungen bzw. Heilungsversuche echtes Entsetzen auslösen.

Im dritten für mich eigentlich interessantesten Teil schließlich geht es um „Typhoid Mary“ in New York. Die aus Irland eingewanderte Mary Mallon war ein sogenannter „gesunder Träger“ von Typhusbazillen. Selbst nie erkrankt, steckte sie zahllose Menschen, in deren Häusern sie als Köchin arbeitete, unbewusst an. Drei starben, viele überlebten nur knapp. Sie wurde daraufhin zeit ihres Lebens, an die 26 Jahre, in Quarantäne weggesperrt. Koch, 1908 auf Amerikareise, will ihr helfen, erkrankt jedoch selbst schwer und muss sich über Monate einiger Prozeduren unterziehen, die er unbekümmert über Jahre seinen Probanden zumutete. Möglicherweise hat ihn das ein wenig zum Umdenken gebracht.

Der Schreibstil des Autors weiß in großen Teilen zu überzeugen, ist mitunter dennoch schwer verdaulich. Streckenweise ein wirklich zähes Lesevergnügen. Wissenschaftlich Interessierte könnten dennoch Gefallen daran finden, Robert Koch bei seinen Versuchen, die Welt von Erregern zu befreien, über die Schulter zu schauen.

Bewertung vom 28.04.2021
Die Wahrheit der Dinge
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge


sehr gut

Strafrichter Frank Petersen ist von sich und vor allem seiner Unfehlbarkeit als Richter überzeugt. Doch es häufen sich Zweifel an seiner Integrität, Urteile von ihm werden in höherer Instanz widerrufen. Aufgrund einer Entscheidung, die er aus Befangenheit hätte nicht treffen sollen, wendet sich sogar seine Familie von ihm ab, wirft ihm Vorurteile, gar Fremdenhass vor. Schließlich löst die Haftentlassung von Corinna Maier, die einst in seinem Gerichtssaal vor Urteilsverkündung den Mörder ihres Sohnes erschoss, alte Wunden auf. Petersen muss sich fragen, ob er seinem eigenen Urteil noch trauen darf.

Meine Meinung:

Unter Einbeziehung zweier wahrer Rechtsfälle – dem Fall Marianne Bachmeier, die 1981 den Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschoss, und dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, der 1990 in Eberswalde Opfer rechtsradikaler Gewalt wurde – legt Markus Thiele nach „Echo des Schweigens“ hier erneut einen klugen Roman über die Unfehlbarkeit des Rechts und die Grenzen von Schuld und Gerechtigkeit vor.

Mit Petersen, wie er im Buch auch fast ausschließlich bezeichnet wird, ist es nicht leicht, warm zu werden. Eigentlich ist er tatsächlich der selbstherrliche, von sich überzeugte Mensch, den seine Frau in ihm sieht und der schlussendlich während seiner Reise zu sich selbst auch von außen nur Bestätigung und Rechtfertigung seiner Handlungsweise sucht. Dass er dabei Fehler einräumt und zur Selbsterkenntnis kommt, kann man ihm aber positiv anrechnen.

Die auf zweiter Handlungsebene erzählte Geschichte der Corinna Maier, die erst ihre große Liebe und dann auch noch ihren Sohn durch rechte Gewalt verliert, hat mich dagegen wesentlich mehr berührt. Was für ein Schicksal und für mich durchaus nachvollziehbarer Grund ihrer Kurzschlusshandlung. Die Lebenswege beider kreuzen sich nach dem Mord im Gerichtssaal und Verbüßen der Haftstrafe erneut und bedeuten nach anfänglichem Unverständnis doch so etwas wie Heilung.

Es handelt sich hier wahrlich nicht um einen Justizthriller, vielmehr um eine tiefgründige Betrachtung des Justizsystems mit all seinen Grauzonen und Tücken. Und um die ausführliche Charakterstudie eines Mannes des Gesetzes, der willens ist, sein Bestes zu geben und doch immer wieder an seine Grenzen gerät. Der Roman regt definitiv zum Nachdenken an und zeigt einmal mehr, dass es ein reines Richtig oder Falsch nicht gibt.

Bewertung vom 11.04.2021
Einer muss doch anfangen!
Milstein, Werner

Einer muss doch anfangen!


sehr gut

Anlässlich des im Mai 2021 anstehenden 100. Geburtstages der Widerstandskämpferin Sophie Scholl nimmt sich der Theologe Werner Milstein des leider viel zu kurzen Lebens dieser beeindruckenden jungen Frau an, deren Mut und Standhaftigkeit gerade in der heutigen Zeit noch immer beispielhaft sind. Zahlreiche Fotos, private Texte und Querverweise veranschaulichen ihren Werdegang und zeigen dabei auch die eher unbekannten Seiten der Sophie Scholl.

Meine Meinung:

Kaum einem wird der Name Sophie Scholl unbekannt sein, gehörte sie, gemeinsam mit ihrem Bruder Hans, doch fest zum Unterrichtsstoff an deutschen Schulen, und ich vermute mal in Ost wie West. Ihr tragisches Ende aufgrund ihres Einsatzes bei der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, wo sie sich mit großem Engagement gegen den Nationalsozialismus wendete – ebenfalls bekannte Tatsache. Aber da dürfte bei den meisten der Wissensstand auch enden.

Ich wollte mehr über Sophie erfahren und Werner Milsteins biografisches Sachbuch kam mir da gerade recht. So war ich sowohl überrascht von ihrer großen Religiosität als auch ihrer anfänglichen Begeisterung für das Regime, welches sie später so sehr verachtete, dass sie nicht zögerte, ihr Leben dafür aufs Spiel zu setzen. Die Nationalsozialisten waren geschickt darin, den Freiheitswillen der jungen Menschen in der Pubertät auszunutzen, um sie fest in ihren Reihen zu integrieren und quasi einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Wer nicht mitzog, war ein Außenseiter (siehe auch „Die Welle“).

Aber Sophie hat die Taktik schnell durchschaut und war entsetzt über die Verbrechen dieser Diktatur, erst recht als der Weltkrieg losbrach. Sie selbst schien lange auf der Suche, zwiegespalten, aber immer unangepasst. Mit der Entscheidung, endlich aktiv etwas zu tun, fand sie ihren Sinn im Leben, betrachtete sich als kleines Rädchen, aber doch wichtigen Anstoß auf dem Weg in eine Welt der Freiheit auf allen Ebenen.

Durch die vielen Fotos und Textdokumente (manche leider etwas schwer zu lesen) lernt der Leser Sophie Scholl, aber auch ihre Familie, Freunde und Weggefährten aufs Intensivste kennen. Ihre vielseitigen Talente und Interessen, vor allem im kulturellen Bereich, sowie ihr unerschütterlicher Glaube haben mich stark beeindruckt.
Ein etwas sorgfältigeres Lektorat/Korrektorat hätte dem Buch gutgetan. Einerseits sind einige Jahreszahlen und Namen falsch angegeben, andererseits weist es überdurchschnittlich viele orthografische Patzer auf. Das sollte bei Preis und Umfang des Buches nicht passieren (biete gern meine Unterstützung an).

Insgesamt kann ich Sophies Lebensgeschichte aber besonders dem biografieinteressierten jungen Leser ans Herz legen. Sie zeigt auf bewundernswerte Weise, dass Menschen selbst unter den schlimmsten Umständen für ihre Überzeugungen einstehen können und es sich immer lohnt, für Gerechtigkeit und Freiheit zu kämpfen.

Bewertung vom 05.04.2021
Das Leben ist zu kurz für irgendwann
Geraghty, Ciara

Das Leben ist zu kurz für irgendwann


ausgezeichnet

Iris leidet unter einer Form von Multipler Sklerose, die rasch voranschreitet und beschließt, ihrem Leben in der Schweiz ein Ende zu setzen. Ihre beste Freundin Terry erfährt gerade noch rechtzeitig davon und fängt sie am Hafen von Dublin ab. In dem Wunsch, ihre Freundin von dem Vorhaben abzubringen, bietet sie ihr ihre Begleitung an. Durch besondere Umstände hat sie bei der überstürzten Reise auch noch ihren demenzkranken Vater dabei und gemeinsam erleben die drei ein Abenteuer, quer durch England und Frankreich, das vor allem Terrys Leben völlig auf den Kopf stellt.

Meine Meinung:

Man könnte meinen, das Thema Suizid impliziert eine schwer verdauliche Lektüre, doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Zwar bildet es die Rahmenhandlung und ist auch immer präsent, jedoch vermag die Autorin dem Roman eine unheimliche Leichtigkeit zu geben.

Iris’ Stärke ist bewundernswert und sie genießt ihre letzten Tage in vollen Zügen. Doch es ist vor allem die Ich-Erzählerin Terry, die auf diesem Roadtrip von Irland bis in die Schweiz eine erstaunliche Wandlung durchmacht. Stets die verantwortungsvolle Mutter und Ehefrau beginnt sie ihr Leben zu überdenken, hinterfragt sich selbst und ihre Ehe und stellt fest, dass es da noch mehr geben muss.

Rührend kümmern sich beide um den demenzkranken Vater, der nicht weiß, wie er da eigentlich hineingeraten ist, aber auch immer wieder für humorvolle Höhepunkte sorgt. Die tiefe Freundschaft der beiden ist voller Herzenswärme beschrieben, man begleitet sie gern auf ihrem Abenteuer, auch wenn ständig die Angst vor dem traurigen Ende mitschwingt. Aber auch Loslassen und Akzeptanz gehören zu dieser Freundschaft und so bleibt der Leser schlussendlich mit einem guten Gefühl zurück.

Ein Roman, den ich gern weiterempfehle, weil er tiefe Emotionen weckt, zum Nachdenken anregt und trotz des schweren Themas eine gewisse Leichtigkeit versprüht.

Bewertung vom 27.03.2021
Karl und ich
Giabiconi, Baptiste

Karl und ich


sehr gut

Baptiste Giabiconi – gefragtes Model, Musiker, Lebenskünstler, aber vor allem über 10 Jahre enger Vertrauter der Modeikone Karl Lagerfeld. Er war sein Förderer, stand ihm nahe wie ein Vater und hinterließ mit seinem Tod 2019 ein großes Loch in Baptistes Leben. Über seinen Aufstieg dank Karls Hilfe, ihre enge Freundschaft sowie Ups and Downs ihrer Beziehung berichtet er in diesem Buch.

Meine Meinung:

Ehrlich gesagt, kann ich mit dem ganzen Modezirkus rein gar nichts anfangen. Eine Welt der Oberflächlichkeit, wie sie mir fremder nicht sein könnte. Dennoch war aber Karl Lagerfeld eine Person, von der eine Faszination ausging, der man sich nicht entziehen konnte. Mehr über sein wirkliches Leben zu erfahren, ließ mich zu „Karl und ich“ von Baptiste Giabiconi greifen.

Von ihm persönlich hatte ich nie gehört, eben weil ich mich normalerweise nicht für die Welt der Mode interessiere. So fand ich es dann auch recht spannend, ihn auf seinem Werdegang zu begleiten. Der Tag, als er Karl Lagerfeld begegnete und sein Interesse weckte … so ein Glück haben sicher nur wenige Menschen auf dieser Welt und ich bin sicher, Baptiste wird dies sein Lebtag nicht vergessen.

Ich kannte Lagerfeld bisher nur als egozentrische, unnahbare, etwas schrullige Persönlichkeit und fand keinen Zugang zu ihm. Das Buch hat mir den Menschen dahinter sehr viel näher gebracht und dafür bin ich dankbar. Baptiste beschreibt die Freundschaft, ja Liebe, der beiden zueinander sehr schön und am Ende musste ich sogar ein paar Tränen verdrücken. Es bleibt vieles an der Oberfläche, aber das ist auch gut so. Jeder hat das Recht auf ein Privatleben, erst recht nach seinem Ableben.

Es gab auch interessante Einblicke in die Welt der Mode, der High Society und einiger bekannter Namen. Dies nimmt man mit einem Schmunzeln wahr, ich für meinen Teil bin froh, keine Rolle in diesem Business spielen zu müssen.

Für alle, die Karl Lagerfeld im Nachhinein doch noch etwas besser kennenlernen möchten, ist das Buch sehr zu empfehlen, für die, die der Modewelt mit ihrem ganzen Glanz und Glamour nahestehen, ohnehin ein Muss.

Bewertung vom 17.03.2021
Zerrissen / Fred Abel Bd.4
Tsokos, Michael

Zerrissen / Fred Abel Bd.4


ausgezeichnet

Dr. Fred Abel beurteilt die Misshandlung eines Kleinkindes, nicht wissend, dass es sich um die Nichte seiner Kollegin Sabine Yao handelt, was ihre Zusammenarbeit fortan erschwert. Weitere Aufsehen erregende Fälle, unter anderem ein in einen Boxsack eingenähtes und dann zu Tode geprügeltes Opfer, bringen den libanesischen Saad-Clan ins Spiel, der ohne Rücksicht Zeugen aller Couleur aus dem Weg räumt. Als einer der Saad-Brüder tödlich verletzt wird, gerät auch Abel, dessen Gutachten zur Todesursache dem Clan nicht gefällt, ins Visier, ebenso wie seine schwangere Lebensgefährtin …

Meine Meinung:

Der neue True-Crime-Thriller der Fred-Abel-Reihe von Michael Tsokos ist mal wieder ein Volltreffer. Verschiedenste spektakuläre Mordfälle, die einen großen Bezug zur Realität haben, was sie umso brutaler erscheinen lässt, stellen den Rechtsmediziner Abel vor große Herausforderungen. Geschickt werden verschiedene Nebenschauplätze eröffnet, die letzten Endes ein komplettes Puzzle ergeben. Zwischen ihnen wird in atemberaubenden Tempo gewechselt, was mit recht kurzen Kapiteln und einem ständig erhöhtem Adrenalinspiegel einhergeht. Vielleicht ist diese Art des Schreibens nicht jedermanns Sache, aber ich liebe es, da ich oft nicht viel Zeit für längere Leseabschnitte habe. Die auf jeder Ebene vorhandene hohe Spannungskurve lässt mich dennoch am Ball bleiben. Der Showdown am Ende hat dann noch mal eine besondere Qualität.

Gekonnt kann Rechtsmediziner Tsokos sein vielfältiges Wissen während der Sektionen, aber auch nur durch Beschreibung unglaublicher Fälle mit wahrem Hintergrund zum Ausdruck bringen. Einmal mehr erschüttern mich dabei die Abgründe, in die der Autor da wohl leider allzu oft tauchen muss.

Ein paar Sachen (Stichwort: IT-Überwachung) und Eigenmächtigkeiten wirken ein wenig überzogen, aber es ist immerhin noch ein Roman. Dennoch bin ich durchaus bereit, die Gewaltbereitschaft der Clans, genauso wie sie beschrieben wird, für bare Münze zu nehmen und in diesem Zusammenhang froh, weit weg von Berlin in einer gemütlichen Kleinstadt zu leben.

Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Minute voller Spannung, dramatischer Wendungen und authentischer Szenen. Jedem True-Crime-Fan nur zu empfehlen. Ich freue mich bereits auf die Fortsetzung der Reihe, denn einen 5. Band hat Tsokos bereits angekündigt.

Bewertung vom 03.03.2021
Olympia / Kommissar Gereon Rath Bd.8
Kutscher, Volker

Olympia / Kommissar Gereon Rath Bd.8


sehr gut

Olympia 1936 – Berlin steht kopf. Ein weltoffenes Deutschland soll präsentiert werden, da sind Skandale oder sogar Sabotage der Spiele fehl am Platz. Als ein Mord im olympischen Dorf geschieht, wird Gereon Rath kurzerhand dorthin versetzt, um für Aufklärung zu sorgen, könnten doch Kommunisten dahinterstecken. Eher lustlos geht er dieser Aufgabe nach, hat er doch im privaten Umfeld größere Probleme und auch immer mehr Schwierigkeiten, sich durch seine unterweltlichen Kontakte und ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden seinen Vorgesetzten gegenüber durchzusetzen. Er ahnt nicht, dass sein Ende bereits besiegelt ist …

Meine Meinung:

Vorab sollte ich erwähnen, dass dies mein erster Roman von Volker Kutscher und damit der Rath-Reihe ist. Durch die großartige Verfilmung „Babylon Berlin“ bin ich darauf aufmerksam geworden und wollte mich einfach mal der literarischen Vorlage annähern. Vielleicht ein Fehler, nicht mit Band 1 zu beginnen, wie ich es normalerweise bevorzuge, obwohl das Buch auch durchaus ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Dennoch gibt es den einen oder anderen Rückblick auf vergangene Fälle, den man bei Unkenntnis schwer nachvollziehen kann und da der Stoff doch ein wenig von der Verfilmung abweicht, entsteht auch Irritation.

Zur Entwicklung der Reihe und eventuell absteigender Qualität kann ich daher nichts sagen und mich nur auf den vorliegenden Band beziehen. Die Beschreibung des sich im Olympia-Taumel befindenden Berlins fand ich sehr gelungen. Man fühlt sich direkt in die Zeit versetzt und spürt die drohende Gefahr durch den immer mehr erstarkenden Nationalsozialismus in jeder Zeile.

Es gibt durchaus spannende Momente, aber im Großen und Ganzen war ich nicht gerade versucht, das Buch Nägel kauend so schnell als möglich zu beenden. Dafür gibt es zu viele Längen, zu viele Zufälle und die eigentliche Ermittlungsarbeit erfolgt nicht durch Gereon, sondern meist durch seine Frau Charly, die auch viel eher erkennt, dass nur ein Verlassen des Landes einen Ausweg aus der Gefahr birgt. Das Auftreten – auch im olympischen Dorf – von Fritze und auch seine Entwicklung fand ich sehr interessant.

Das Buch endet im wahrsten Sinne des Wortes mit einem großen Knall, aber es bleibt zu hoffen, dass die Reihe fortgesetzt wird, wobei ich gespannt bin, wie der Autor das anstellen wird.

Mir lag die E-Book-Ausgabe vor und ich hoffe, das Buch wurde für das recht preisintensive Hardcover noch mal Korrektur gelesen, denn es enthält extrem viele orthografische Mängel.

Fans der Reihe werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen und ich freue mich bereits auf die nächste Babylon-Staffel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.