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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1971 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2024
Die Welt zwischen den Nachrichten
Kuckart, Judith

Die Welt zwischen den Nachrichten


ausgezeichnet

Am Ende gilt doch nur das Erzählen

Die 1959 geborene Judith Kuckart schreibt an den Stationen ihres Lebens entlang, gekennzeichnet durch die gesellschaftspolitischen Ereignisse der Zeit.
Natürlich auch verbunden mit dem Familiären. Die Eltern wie Freundinnen ihrer Kindheit sind prägend.
Ihr Stil dabei ist geprägt von dem, was sie ausmacht: Sprache, Theater, Tanz.
Dem Stil und dem geschilderten wird dadurch eine spielerisch wirkende Leichtigkeit verliehen.
Ein faszinierendes Buch.

Bewertung vom 06.08.2024
Die einsame Buchhändlerin von Tokio
Hanada, Nanako

Die einsame Buchhändlerin von Tokio


gut

Neuanfang

Die einsame Buchhändlerin von Tokio ist sicher kein schlechtes Buch, und doch hat es mich irgendwie enttäuscht.
Literarisch ist es schlicht. Die Protagonistin steht an einem Wendepunkt im Leben Sie hat sich von ihrem Mann getrennt und beruflich sucht sie eine Neuorientierung. Sie muss sich auch über sich selbst klarwerden. Ist sie die Abenteuerlustige oder die Zurückgezogene.
Ihre Idee für einen Neustart ist das Kennenlernen von Männern auf einer Dating-App und dem geben von auf diese Leute abgestimmte Literaturtipps.
Leider sind diese Begegnungen teilweise eher langweilig geschrieben und die Buchberatung erscheint mir mehr wie ein willkürliches Namedropping. Zum Ende hin wird das etwas besser, erfüllt aber meine Erwartungen dennoch nicht.

Bewertung vom 03.08.2024
Schlaglicht
Bullwinkel, Rita

Schlaglicht


sehr gut

Porträts junger Boxerinnen

Der auf der Longlist des Booker-Award stehende Roman Schlaglicht von Rita Bullwinkel ist in erster Linie ein Porträt junger Frauen in den USA. Gemeinsam haben sie nur den Boxsport, denn sie treten bei einem Turnier, dem Daughters of America-Cup gegeneinander an. Oft geht es dabei brutal und gnadenlos zu.
Ein allwissender Erzähler zeigt ihre Lebensentwürfe und was in ihren Köpfen vorgeht. Dabei werden ihre Perspektiven, Hoffnungen und Chancen abgewogen. Das ist schon gut gemacht, wenn auch Geschmackssache. Es bleiben auch gemischte Gefühle.
Das Buch ist für Freunde zeitgenössischer US-Amerikanischer Literatur zu empfehlen.

Bewertung vom 29.07.2024
Malibu Orange
Haidacher, Ulrike

Malibu Orange


sehr gut

Ein sprachlich flotter, geschickt gemachter Roman

Anja war Krankenpflegerin im Krankenhaus, gab den Beruf nach einem Hörsturz aber auf. Sie zieht wieder zu ihren Eltern und trifft ihre beste Freundin Magda wieder. Doch die scheint verändert. Sie hat einen neuen Freund, der anscheinend nicht ganz einfach ist und viel Einfluß auf sie ausübt. Möglicherweise eine toxische Beziehung.
Da ausschließlich aus Anjas Perspektive erzählt wird, weiß man als Leser nicht genau, wie weit man den trauen kann. Schließlich ist Anja selbst momentan wegen ihrer Situation nicht ganz stabil. Diesen Moment des Zweifels hat die Autorin Ulrike Haidacher geschickt hergestellt.
Doch Anja ist die Einzige, die sich wirklich um Magda sorgt und die Warnzeichen deuten tatsächlich auf einen Missstand hin. Magda scheint weniger fröhlich, trifft sich nicht mehr mit ihren alten Freundin, hat ihren Job gekündigt und setzt auch ihr Studium nicht fort.

Man ist dicht dran an der Protagonistin Anja und folgt dem Text gespannt.

Bewertung vom 24.07.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


ausgezeichnet

Die Leiden des Ben Oppenheim

Sobald wir angekommen sind ist ein Roman eines Filmemachers und der nutzt auch filmische Elemente. Die Dialoge sind ausgezeichnet. Das Buch wirkt locker wie eine deutsche Filmkomödie, wenn auch mit tragischkomischen Momenten.
Ben Oppenheim ist ein Schweizer Jude, der als Schriftsteller und Drehbuchautor mehr von früheren Ruhm zehrt. Von seiner Frau Marina ist er geschieden, aber da die Situation mit 2 Kindern nicht einfach ist, leben sie noch zusammen. Ben hat aber mit Julia eine neue Freundin.
Beunruhigt vom Krieg in Osteuropa fliehen Ben und Marina mit den Kindern panikartig nach Brasilien, wie es einst Stefan Zweig tat, über den Ben recherchiert und schreibt.
Immer wieder gibt es Annäherungen von Ben zu Martina, dann wieder driften sie gefühlsmäßig auseinander. Ben ist eigentlich ständig in Selbstzweifeln. Mal ist sein Selbstbewusstsein angekratzt, dann wieder wirkt er überheblich.
Es gibt viele komische, sogar witzige Episoden. Das Buch ist sehr unterhaltend und geradezu ein Meisterwerk der Ironie.

Bewertung vom 22.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


sehr gut

Eve in Hollywood

Amor Towles führt uns Leser in die frühe Welt Hollywoods der dreißiger Jahre. Obwohl es nicht detailliert um Filmdreharbeiten geht, bekommt man von der Atmosphäre drumherum einiges mit.
Die Protagonistin Eve ist eine Freundin von der Schauspielerin Olivia de Havilland.
So ganz glaubwürdig erscheint mir Eve nicht. Sie ist spröde, rätselhaft und distanziert. Sie ist schwer fassbar. Das hat mich aber weniger interessiert als erwartet und außerdem agiert Eve im langen Mittelteil relativ wenig.
Schwer zu sagen, wie stimmig diese Hollywood-Porträt mit den hier geschilderten Aspekten ist. Manches kommt mir glaubwürdig vor, einiges aber auch als ein aus heutiger Zeit vorgestelltes Bild. Natürlich ist das aber zulässig, sich über diese Zeit und so ganz besonderen Ort Gedanken zu machen.

Auf mich wirkt der Text mehr wie eine Erzählung als ein Roman und ich vermisse Komplexität und eine größere Relevanz. Das Ganze ist aber gut verfasst und lässt sich gut lesen, dennoch mehr ein Zwischenspiel als ein Hauptwerk.

Bewertung vom 22.07.2024
Der Morgen gehört uns
Coppo, Davide

Der Morgen gehört uns


ausgezeichnet

Ettore

Die Geschichte eines Jungen, der in Italien in rechte Kreise abrutscht, erzählt von ihm selbst.
Es sind die Jahre 2000 bis 2005. Ettore geht motiviert auf das Gymnasium, fühlt sich dort aber schnell isoliert und orientierungslos.

Davide Coppo hat einen guten Stil und er kann Ettores Gedanken vermitteln. Er versteht es auch Situationen darzustellen und viele Passagen sind eindringlich.
Zwar habe ich keine Sympathien für rechte, aber Ettore ist auch nicht direkt unsympathisch und seine Suche nach etwas Bedeutenden kann man verstehen, doch leider geht er den falschen Weg und das ist ein gesellschaftliches Problem. Man sieht auch, wie Ettore sich verändert und Gewaltbereitschaft zunimmt. Politisch fehlgeleitet radikalisiert er sich.

Ich begrüße derartig kluge, gesellschaftsrelevante Romane.

Bewertung vom 22.07.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


ausgezeichnet

Die Schwestern und der Bär

Cascadia ist ein Roman, der einige wichtige und relevante Themen behandelt, die mich sehr interessieren.
Zum Beispiel Armut in den USA.
Die Schwestern Elena und Sam kommen nur schwer über die Runden, denn ihre Mutter ist schwer krank. Krankenhauskosten und teure Medikamente treiben sie in Schulden.
Ich denke, dass das kein Ausnahmefall in den USA ist.
Im Hintergrund schwebt dann noch das Thema häusliche Gewalt. Ein ehemaliger Freund der Mutter hatte die Familie tyrannisiert und vermutlich gab es auch Gewalt.
Das hat die Schwestern eng zusammengeschweißt. Und so ist auch das Thema Schwesternschaft hier in einer Tiefe beschrieben und zeigt Verbundenheit, aber auch Grenzen.

Der Roman überzeugt durch seinen Schauplatz, der atmosphärisch stark eingesetzt wird. Eine US-amerikanische Insel, nicht weit von Kanada. Hier gibt es viel Fährbetrieb, denn die Insel ist für Touristen interessant. Sam arbeitet auch einer Fähre.
Doch als dann überraschend ein Bär auftaucht, beeinflusst dass das Leben der Schwestern. Während Sam vor dem Bär Angst hat, ist ihre ältere Schwester von ihm fasziniert und nähert sich ihm ohne Angst.
Wie es mit der Familie weitergeht und was alles passiert, darf hier noch nicht verraten werden.
Es ist ein packender Roman!

Bewertung vom 22.07.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Der Moment des Misstrauens

Jessica Linds erstes Buch hatte schon einen mysteriösen, psychologischen Ansatz. In ihrem neuen Buch ist das psychologische auch stark enthalten.
Die Protagonistin ist eine junge Mutter. Als es in der Schule zu einem Vorfall um ihren Sohn und einer Mitschülerin kommt, beginnt sie, ihrem Sohn zu misstrauen und steigert sich immer mehr hinein.
Dazu gehört auch, dass ihr eigenes Kindheitsdrama um ihre Schwestern und ihrer tragischen Trennung wieder in ihr Bewusstsein kommt.
Damals starb ihre jüngste Schwester und die andere Schwester, die adoptiert war, entfernt sich von der Familie. Diese Adoptivschwester Linda ist übrigens eine großartig gemachte, lebensechte Figur, wie man sie nicht in jedem Roman findet.
Jetzt stellt sich die Frage, ob die ganzen Erinnerungen helfen, die aktuelle Situation zu bewältigen und sich auch den alten Geschehnissen zu stellen.
Das fand ich schon sehr überzeugend, daher denke ich, dass die Autorin Jessica Lind ein großes Potential für auch kommende Bücher von Bedeutung haben wird.