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Lilis Lesemomente
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Garbsen

Bewertungen

Insgesamt 114 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2021
Die Damen vom Pariser Platz
Weng, Joan

Die Damen vom Pariser Platz


ausgezeichnet

Mit Die Damen vom Pariser Platz entführt mich die Autorin Joan Weng ins Jahr 1926 nach Berlin. Schon der erste Satz, die erste Frage, sind eine reine Liebeserklärung und machen Lust auf die Geschichte. Ein großartiges Kompliment - zwar nicht an mich persönlich gerichtet, aber beim Lesen fühlt es sich genau so an.



"Sie sehen bezaubernd aus! Wann sehen wir uns wieder?" - Seite 9





Eine Antwort auf die Frage habe ich gleich parat: immer. Denn, wann immer ich ein Buch, eine Geschichte von Joan Weng lese, fühlt es sich an wie die Umarmung einer lieben Freundin. Der Schreibstil ist so warmherzig, so fröhlich und lebensbejahend, wie die Autorin selbst. Woher ich das weiß? - Ich bin ihr bereits begegnet.



Gerade weil der Schreibstil so warmherzig und fröhlich ist, vermute ich nie, dass die Charaktere auch weniger warmherzige Wesenszüge haben können. Da werde ich so manches Mal überrascht und vorgeführt.

Die Protagonistin in diesem historischen Roman ist Gretchen Keun. Dank ihrer Jugendfreundin Henni hat sie einen Job als Tippfräulein in Berlin in Aussicht gestellt bekommen. Mit einem bangen Gefühl und zu großen Schuhen ist Gretchen auf dem Weg aus der Provinz in die ihr noch unbekannte Großstadt. Einen Arbeitsvertrag hat Gretchen allerdings noch nicht und so steht sie zunächst mit einem mulmigen Gefühl im Magen vor verschlossener Tür.



"Immerhin war das hier Berlin. Hier galt Wahnsinn als modern, oder zumindest als liebenswürdiger Charakterzug." - Seite 43



Gretchen ist mir gleich ans Herz gewachsen. Auf der einen Seite ist sie so mutig und setzt sich der Gefahr, dem Neuen aus. Auf der anderen Seite ist sie zurückhaltend und klug und hört auf die Zwischentöne bei ihren Mitmenschen. Diese Empathie lässt sie dann auch mal ihre Angst vergessen.

So passt die quirlige junge Frau bereits nach kürzester Zeit perfekt ins Berliner Leben und ich tauche mit ihr in das trubelige Geschehen ein.



Die weiteren Charaktere haben ebensoviel Tiefe und verfügen über so manch besondere Eigenschaft und Denkweise. Es bereitet mir unendlich viel Freude mich mit ihnen im Künstlermilieu zu bewegen. Hennis Verlobter Frédéric George ist einer der Künstler, der lieber hungrig schlafen geht, als sich zu verbiegen. So aus der Ferne ist das toll mitzuerleben. Henni hat da eine ganz eigene Meinung zu.

Bei den verschiedenen Charakteren ist immer etwas los. Doch manchmal sitze ich auch nur mit ihnen am Tisch und lausche ihren Gesprächen bei einem Stück Erdbeerkuchen. Die Vorstellung ist verlockend und die Gespräche immer spannend. Hochkonzentriert war ich vor allem, wenn die Gespräche ins berlinerisch wechselten, was durchaus mal vorgekommen ist.

Gern habe ich mich in das Jahr 1926 nach Berlin entführen lassen. Und zum Schluss musste ich Schmunzeln, als ich am Ende des Buches das Glossar entdeckte. Joan Weng benennt in Die Damen vom Pariser Platz die Dinge aus der Zeit bei ihrem zeitgemäßen Namen.



"Und wie elegant die Freundin war, ganz in Gehwolf und Seidenrock, auf den ersten Blick hatte Gretchen sie gar nicht erkannt."- Seite 28



Fazit
Wer Freude an historischen Romanen hat und sich ins Berlin von 1926 entführen lassen möchte, ist mit Die Damen vom Pariser Platz bestens beraten. Der Roman unterhält ohne zu belehren und wartet mit dem mal mehr, mal weniger glamourösen Leben aus dieser Zeit auf.

Bewertung vom 21.08.2021
Blutroter Schatten
Walter, Patricia

Blutroter Schatten


sehr gut

Thomas Rohde, Strafverteidiger, beherrscht, intelligent, liebevoller Familienvater, kontrollierter Serienmörder. Eskaliert schon mal vor lauter Wut während seiner Straftaten.

Seit Jahren sitzt er hinter Schloss und Riegel, isoliert im Hochsicherheitstrakt. Dennoch gibt es neue Opfer. Opfer, bestialisch ermordet und mit einer Karte am Fundort, auf der steht: "Mit den besten Empfehlungen von Thomas Rohde". - Doch dieser hat den Platz in seiner Zelle bestimmt nicht verlassen.





Was kann er über die Morde, über den Täter wissen? Die Polizei steht vor einem Rätsel und erhofft sich von Thomas Rohde Informationen. Thomas Rohde jedoch hat Zeit. Einzig mit seiner Tochter Sam wäre er bereit zu sprechen. Und wenn man den laufenden Ermittlungen nach dem Muster von Thomas Rohde folgt, steht auch Sam auf der Liste der nächsten Opfer.



Samantha Davis ist 10 Jahre nach der Verhaftung ihres Vaters immer noch traumatisiert. Ihr Vater hatte sich stets liebevoll um sie gekümmert. Mit der Tatsache, dass er ein Serienmörder ist, fühlt sie sich immer noch konfrontiert. Diese Zerissenheit - das Eine, was sie für ihn empfunden hat und empfinden möchte - und das Andere, was sie empfinden sollte aber nicht will -, diesen Kampf nehme ich ihr ab. In ihrem Handeln ist sie authentisch und die Entwicklung, die sie während des Verlaufs erlebt, ist immens und nachvollziehbar.

Die weiteren Charaktere im Freundes- und Bekanntenkreis, die Akteure der ermittelnden Beamten und die sonstigen Charaktere sind greifbar und im Rahmen ihrer Aktionen im Geschehen sichtbar. Mir gefällt besonders die Herangehensweise des Ermittlerteams Nadine Herfurth und Frank Krüger. Ein bisschen Privatleben, nichts aufregendes. Keine Superkräfte. Das gefällt mir.

Patricia Walter überlässt in ihrem Thriller nichts dem Zufall. Alles ist klug vorbereitet. Eine große Überraschung gibt es für mich am Ende nicht, alles ist nachvollziehbar und schlüssig. Dennoch ist die Geschichte sehr spannend und ich staune, wie flüssig die Auflösung des Geschehens vorangeht. Alles greift ineinander über und ist in sich stimmig.

Faszinierend fand ich die zuweilen sehr liebevolle Ausdrucksweise. Die Hingabe ist nahezu spürbar.



"In den letzten Monaten hatte er Leonie noch öfter gemalt - mal mit einem Kissen über dem Gesicht, mal, wie er sie erwürgte, bevorzugt jedoch mit einem Messer in Brust, Rücken oder Hals -, und die "Galerie der Träume", wie er sie nannte, war auf einen beträchtlichen Umfang angewachsen." - Seite 84



An dieser Stelle wünschte ich mir, die Werke tatsächlich sehen zu können.



Fazit
Ein Thriller für alle Fans der psychologischen Spielchen von Hannibal Lecter. Mit Blutroter Schatten fühlte ich mich sehr gut unterhalten.

Bewertung vom 16.08.2021
Zeit des Wandels / Die Alster-Schule Bd.1
Kröhn, Julia

Zeit des Wandels / Die Alster-Schule Bd.1


ausgezeichnet

Die Alster-Schule - Zeit des Wandels ist der erste Band der Dilogie um die Reform der Pädagogik und spielt in Hamburg. Julia Kröhn verwebt in ihrer Dilogie die wahre Geschichte mit einer fiktiven Erzählung. Die Alster-Schule - Zeit des Wandels spielt in der Zeit um 1930 bis 1938. Besonders spannend für mich sind die realen Nebenfiguren der Geschichte, die den geschichtlichen Hintergrund noch einmal klar hervorheben.







Wir können uns auf Begegnungen mit Felix Jud und Erna Stahl freuen. Und darauf, einen kleinen geschichtlichen Einblick über diese realen Personen zu erhaschen.

Die Protagonistin ist ein fiktiver Charakter. Es handelt sich um die ehrgeizige Felicitas Marquardt. Felicitas kann es kaum erwarten ihre neue Stelle als Lehrerin an einer Hamburger Schule anzutreten und mit jugendlichem Elan neuen Schwung in die Klassenzimmer zu bringen. Keine Strafen, kein Rohrstock sondern Freude beim und am Lernen mit fächerübergreifenden Themen - das ist ihr Plan. Doch nicht alle Lehrer sind derart engagiert und heißen die Reformpädagogik gut.

Politik spielt in dem Buch eine große Rolle - zur Zeit des Nationalsozialismus bleibt das unumgänglich. Unter Einsatz der Hitlerjugend war an einen normalen Schulalltag schon bald nicht mehr zu denken. Die Reformpädagogik war schnell überholt. Zusätzlich wurde der Unterrichtsinhalt vorgegeben und kontrolliert. Somit fanden die ehrgeizigen Pläne von Felicitas ein jähes Ende.



"Die nationale Revolution gibt der deutschen Schule und ihrer Erziehungsaufgabe ein neues Gesetz: Die deutsche Schule hat den politischen Menschen zu bilden, der in allem Denken und Handeln dienend und opfernd in seinem Volk wurzelt." - Seite 249



Mit klugem Humor erzählt Julia Kröhn die Geschichte der Reformpädagogik und die Schwierigkeiten der Umsetzung durch den Rückschritt der geschichtlichen, politischen Ereignisse. Dabei wird sie durch die realen Gegner des Nationalsozialismus unterstützt, die sich - trotz großer Gefahren - nicht haben verbiegen lassen.



"Als im April alle Buchhändler den Befehl bekamen, am Führergeburtstag ein Bild ins Fenster zu stellen, habe ich einen Reisebericht über die Südseeinseln gewählt. Die Vorderseite des Buches zeigt eine dunkelhäutige Frau mit Blumen im Haar, tiefem Ausschnitt und weitem Rock, sie sitzt auf einer schief gewachsenen Palme, und der Titel lautet: Heitere Tage mit braunen Menschen." - Seite 265



Der lebendige, bildhafte Erzählstil gefällt mir sehr. Die gut recherchierten politischen Hintergründe runden die Geschichte zu einer spannenden Erzählung ab. Die Charaktere sind vielschichtig und bleiben in ihrem Handeln stets authentisch. Sie durchlaufen ihre Entwicklung und zeigen - je nach Wesenszug - die Gesinnung und den Werdelauf dorthin.

Das eigene Interesse an der politischen Geschichte - insbesondere unseres Bildungswegs - sorgt dafür, dass ich das Buch zu jedem Zeitpunkt spannend finde. Die Charaktere werden mit ihren Gefühlen und ihren Gedanken zwischen den Seiten zum Leben erweckt und ich fiebere mit, wenn es um entscheidende Momente geht. Die Entwicklung der Charaktere und deren Beziehungen zu Freunden, Kollegen und der Familie verfolge ich mit wachsendem Interesse und wachem Auge. Und am Ende des Buches bin ich froh, dass es einen zweiten Band geben wird.



Fazit
Die Alster-Schule - Zeit des Wandels ist für alle, die interessiert an der Pädagogikreform und den Anfangsschwierigkeiten aufgrund politischer Hintergründe sind. Eine bildhaft erzählte fiktive Geschichte mit realen Nebencharakteren und wahren Geschehnissen.

Bewertung vom 13.08.2021
Die Gottesmaschine
Kleindl, Reinhard

Die Gottesmaschine


ausgezeichnet

Die Gottesmaschine ist ein atemberaubender Thriller, der in seiner Geschichte Wissenschaft und Religion verbunden wissen will. Die Charaktere reagieren auf diesen überbordenden Wunsch unterschiedlich - auch wenn sie gegen die Bestimmungen durch den Abt nie ihre Stimme erheben würden. In der Abtei L´Archange Michel arbeiten nicht nur Mönche, auch Wissenschaftler aus aller Welt beschäftigen sich mit dem leistungsfähigen Supercomputer, der in dem abgelegenen Kloster steht und dazu einlädt, neue Entdeckungen zu machen.





"Oder wie Einstein es ausgedrückt hat: Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind." - Seite 22



Pater Sébastien Mandet ist einer der Gläubigen, der den wissenschaftlichen Erforschungen überaus zugetan ist und sich mehr und mehr in seine Arbeit zurückzieht. Das geht so weit, dass er sich selbst seinem Ziehvater Alessandro Badalamenti entzieht. Da dieser sich langsam um Sébastien Sorgen macht, bemüht er seinen Freund Stefano Lombardi in das entlegene Montblanc-Gebiet.



Mit seinem Schreibstil hat mich Reinhard Kleindl gleich für sich eingenommen. Einmal mit dem Lesen begonnen, wollte ich das Buch schon nicht mehr aus der Hand legen. Die Cliffhanger am Ende der kurzen Kapitel waren gar nicht nötig, um mich zu fesseln. Dafür haben sie mich ab und an zum Schmunzeln gebracht, weil es gar zu spannend war die Szene weiterverfolgen zu wollen.

Auch die Charaktere haben mich schnell fasziniert. Sie zu begleiten war sozusagen das Salz in der Suppe, da sie - trotz ihrer gemeinsamen Gesinnung - sehr unterschiedlich und dabei authentisch waren.

Die Wissenschaftlerin Samira Amirpour hätte ich mir - genau wie Lombardi - auch als Wegbegleiterin gewünscht. Es ist schön, wenn ein Charakter eine Äußerung trifft, bei der ich sofort d´accord - sprich, einer Meinung - bin.



"Ein Mensch mit meinen Ansprüchen und meinen bescheidenen Mitteln ist immer auf etwas Glück angewiesen, wenn es um Wein geht." - Seite 36



Dabei liebe ich diesen feinen, unterschwelligen Humor, der mein Leseerlebnis zu etwas Besonderem macht.



Fazit
Dieser Thriller hatte auf mich dieselbe anziehende Wirkung wie die Thriller von Dan Brown. Ein absolut spannendes Leseerlebnis.

Bewertung vom 12.08.2021
Die 100 tödlichsten Dinge der Welt
Claybourne, Anna

Die 100 tödlichsten Dinge der Welt


ausgezeichnet

Die 100 tödlichsten Dinge der Welt soll die Box von arsEdition zeigen. Und wenn ich mir die 50 Karten und die darauf abgebildeten 100 Motive allein anschaue, glaube ich das sofort.



Die Box mit den inhaltlich großen, handlichen Karten wird ab 9 Jahren empfohlen.







Die in Worte gefassten Informationen sind detailreich, dabei aber auf das Wesentliche beschränkt. Die Themenkarte hat jeweils eine Farbaufnahme, die kein Schmusetierchen zeigt. Sondern eher den Tiger mit seinen Reißzähnen oder den Löwen, wenn er gerade am Beute verspeisen ist.

Für eine naturwissenschaftliche, spielerische Lernweise ist diese Box also bestens geeignet - aber nichts für schwache Nerven. Der Titel spielt ja auch schon auf die 100 tödlichsten Dinge der Welt an.

Total klasse finde ich die markante Darstellung des Tödlichkeitsgrades. Dieser liegt beispielsweise beim Tiger bei drei von fünf Totenköpfen, welche in einem gelb-schwarz gehaltenen Kästchen mit Kurzinfo genannt werden.

Als begeisterter Krimi- und Thrillerleser kam mir gleich der Gedanke: hier kann sich doch sicher auch ein Autor über eine tödliche Folge für sein nächstes Buchprojekt inspirieren lassen. Und sei es nur, um den Leser in die Irre zu führen und die Spannung zu steigern.

Ganz erstaunt war ich, dass auch ein Adler bei den 100 tödlichsten Dingen der Welt genannt wird - glücklicherweise aber nur mit einem einzigen Totenkopf.

Nun habe ich mich bisher bei der Nennung der Tiere aufgehalten, die für mich sehr spannend nachzuvollziehen sind und waren.

Es gibt aber noch die Kategorien Pflanzen, Viren, extreme Wetterbedingungen und Naturkatastrophen. Dabei denke ich beispielsweise an Hitzeperioden und den Eisberg aus Titanic - und lasse mich gern aufklären über den Tödlichkeitsgrad und weitere spannende Details.



Fazit
Diese Box - mit den 100 tödlichsten Dingen der Welt - ist für alle, die wissbegierig sind und sich nicht leicht einschüchtern lassen, sondern wissen wollen, woran sie bei Begegnungen tatsächlich sind.

Bewertung vom 11.08.2021
Weltraum / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.4
Kessel, Carola von

Weltraum / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.4


sehr gut

Das Buch Erstleser Weltraum ist so spannend aufgemacht, dass es beim ersten Anblick gleich auf die Wunschliste geraten ist. - Und dort blieb es nicht lange.

Angereichert mit Stickern und Leserätseln ist das Buch wie geschaffen zum Mitmachen und spornt zum Lernen an.







In anschaulichen Kapiteln gehe ich den Fragen nach dem Weltraum und dem Sonnensystem nach und beschäftige mich anschließend damit, wie die Menschen ins Weltall gelangen und wie der Weltraum erforscht wird. Hilfreich sind dabei die vielen tollen Illustrationen und Bildausschnitte.

Am Ende des Buches erwartet den Leser noch ein toll gestaltetes Leselotto bestehend aus 24 Karten. Diese müssen selbst ausgeschnitten werden. Auf den jeweiligen Kärtchen ist dann einmal die Zeichnung mit dem Namen des Gegenstandes abgebildet. Auf dem Gegenstück steht die Beschreibung.

Das Buch enthält die wesentlichen Grundbegriffe und zeigt sehr anschaulich, worum es sich im Detail handelt. Wo der Unterschied zwischen einem Meteor und einem Meteorit liegt und warum Pluto nun nicht mehr zu unseren Planeten zählt wird in einfachen Worten und klar verständlich vermittelt.

Erstleser Weltraum ist ein wunderbarer Einstieg in den Weltraum und seine Besonderheiten.



Fazit
Ein Buch für alle, die spielerisch lesen und lernen wollen.

Bewertung vom 10.08.2021
Der tote Journalist
Paulsen, Hanna

Der tote Journalist


sehr gut

Gesa Jansen ist Polizeireporterin. Ihr Traumberuf ist das nicht, und doch arrangiert sie sich gut damit. Als ihr Kollege Uwe Stolter vergiftet aufgefunden wird, ist sie plötzlich erste Polizeireporterin und sie kann sich die Beiträge, die sie schreibt, selbst aussuchen. Zu dumm, dass ihr ausgerechnet Björn Dalmann als Aushilfe zur Seite gestellt wird. Der "kann nämlich nicht wirklich arbeiten" und war bislang für den Kulturbereich zuständig.

Gesa Jansen ist mir mit ihrer zunächst etwas spröden Art auf Anhieb sympathisch. Uns eint derselbe Wunsch aus Kindertagen: Polizistin zu werden. Zu ermitteln, unbequeme Fragen zu stellen, den Finger in die Wunde zu legen - alles Eigenschaften, die ich auch an mir zu schätzen weiß.

All diese kommen ihr bei ihrer Ermittlungsarbeit als Polizeireporterin zugute. Und genau diese sorgen dafür, dass die Ermittlungen um den Fall Stolter bei der Polizei stetig vorangehen.

Uwe Stolter war eher der "einsame Wolf", wenn es um seine Kontakte ging. Selbst sein Notizbuch gibt auf Anhieb kaum Informationen preis.

"Natürlich nicht." Uwe machte es ihnen wirklich nicht leicht, den Mord an ihm aufzuklären." - Seite 83

Hanna Paulsen versteht es, mich als Leser mitzunehmen. Dass es sich bei Der tote Journalist um ihr Krimidebüt handelt, fällt zu keiner Zeit auf. Die Geschichte ist eher unaufgeregt erzählt, verfügt über ausreichend Hintergrundinformationen ohne Längen entstehen zu lassen und wartet mit einem aktuellen politischen Thema auf.

So werde ich immer tiefer in die menschlichen Abgründe der Charaktere hineingezogen. Dabei machen mir ein wenig die ausgewählten Namen zu schaffen: sie grenzen sich wenig voneinander ab. Mir fehlt ein klarer Bezug zu ihrem persönlichen Charakter. Die Charaktere an sich haben dagegen hohen Wiedererkennungswert.

Am liebsten hätte ich das Buch nicht mehr aus der Hand gelegt, so spannend waren die Handlung und die Verwicklungen. Die fein gesponnenen Fäden zogen sich langsam zu und ich war sehr gespannt, ob der ins Visier genommene Täter tatsächlich überführt werden konnte. Ein sehr spannendes und mitreissendes Leseerlebnis.

Ich freue mich bereits jetzt auf eine Fortsetzung von Die Polizeireporterin und bin bei den nächsten Ermittlungen unbedingt dabei.

Fazit
Wer real anmutende Kriminalgeschichten aus der Perspektive einer Polizeireporterin mit aktuellen Bezügen mag, trifft mit Der tote Journalist die richtige Wahl.

Bewertung vom 08.08.2021
Tinte & Siegel / Die Chronik des Siegelmagiers Bd.1 (eBook, ePUB)
Hearne, Kevin

Tinte & Siegel / Die Chronik des Siegelmagiers Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

In Tinte & Siegel - Die Chronik des Siegelmagiers 1 lerne ich Aloysius MacBharrais kennen. MacBharrais ist Siegelmacher - und ein ziemlich guter noch dazu. Einzig verstörend ist, dass sein Lehrling noch während der Ausbildung verstirbt. Erstickt! Ausgerechnet an einer Rosine. Wo diese doch als "verderbenbringende Perversionen" gelten.









MacBharrais - der auch gern nur einfach Al genannt wird - steht schnell im Fokus der polizeilichen Ermittlungen. Das ist sehr unangenehm, da ja nicht alle Welt wissen muss, dass er ein begabter Siegelmagier ist. Gut, dass seine Mitarbeiterin Nadia ihm den Rücken freihält.

Nadia hat eine herzerfrischende, direkte Art. Dies wird durch ihren Kleidungsstil und ihre Ausdrucksweise gut zur Geltung gebracht.



"Dazu gehörten ein Lippenstift mit dem fröhlichen Markennamen Vaters Asche und ein Nagellack, der Satans Schwärzestes Loch hieß, wie sie mir glaubhaft versichert hatte." - Seite 23



MacBharrais konnte ich anfangs eher weniger greifen. Mal hieß Herr MacBharrais, mal Al, mal Aloysius. Auf Anhieb gefiel mir seine jugendliche Auftrittsweise - und das, obwohl er selbst Schüler ausgebildet hat. Als es später hieß, er wäre 60 Jahre alt und weißhaarig stellte das für mich ganz schön das bisher Erlebte auf den Kopf. Ich hatte ihn eher so auf 40 geschätzt.

Der Schreibstil ist eher ungewöhnlich, was aber auch an der Übersetzung und der Wortwahl liegen mag. Daher ist es ganz praktisch, dass die Sätze meist einen erklärenden Charakter haben.



"Ich schrieb meine Erwiderung. [Mein beknackter Scheiß sorgt dafür, dass sich die Leute weiter über Wirtschaft und Politik den Kopf zerbrechen statt über die Möglichkeit, irgendwelche Trolle könnten ihre Kinder zum Frühstück verspeisen, deswegen sollten wir das nicht auf die leichte Schulter nehmen.] "In Ordnung, ich mach die Schulter schwer."" - Seite 33


Die Ausdrucksweise ist zudem eher etwas unflätig, was nicht ganz so mein Stil ist. Zu den Charakteren und ihren Umgang miteinander ist es stimmig, so dass ich mich damit schnell arrangieren konnte.

Etwas ausgebremst fühlte ich mich anfangs auch durch die Entgegnungen von MacBharrais, die in den eckigen Klammern dargestellt werden. Das liegt daran, dass MacBharrais auf das gesprochene Wort verzichtet, da er sich mit dem Klang seiner Stimme bei seinem Gegenüber sonst schnell unbeliebt macht. Das war für mich sehr gewöhnungsbedürftig, passt aber prima zum Charakter.

Einen Vorteil haben Leser, die sich in dem Genre gut auskennen, den Humor teilen und die ganzen Wesen wir Clurichaun, Leprechaun und Hobgoblin kennen. Für mich waren diese Wesen zunächst unbekannt und damit ein ziemliches Abenteuer und ob der schwer lesbaren Namen eine Herausforderung.

Sobald ich diese anfänglichen Holprigkeiten gemeistert hatte, kam ich in einen zügigen Lesefluss, denn es passiert ständig etwas in der Geschichte. Seien es Unverschämtheiten, Tarnversuche oder Ermittlungen - ich hatte jede Menge Spaß.

Glücklicherweise hat mich das Cover zu einem Ausflug in diese magische Agentengeschichte gelockt. Denn das Cover ist eindeutig Schuld daran, dass ich mich für das Buch interessiert und hier zugegriffen habe. Und nun kann ich es kaum erwarten, MacBharrais in seinem nächsten Abenteuer zu begleiten.



Fazit
Ein Buch für alle, die magische Agentengeschichten mit fluchenden Feenwesen und derbem Humor mögen.

Bewertung vom 19.07.2021
Kaputte Herzen kann man kleben
Günak, Kristina

Kaputte Herzen kann man kleben


gut

Kaputte Herzen kann man kleben klingt für mich nach einer lockerleichten Geschichte und nach Herzschmerz. Mit dieser Geschichte entführt mich die Autorin Kristina Günak nach St. Peter Ording und in das heimelige Zuhause von Tante Mimi. Dort findet die Protagonistin Luisa mit ihrer Tochter Amelie Unterschlupf, nachdem sie erschöpft durch ihre Arbeit als Hebamme und als alleinerziehende Mutter dringend eine Auszeit benötigt.







Luisa ist sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Seele leidet, der Rücken schmerzt und sie ist froh, dass sie zunächst einmal Verantwortung abgeben kann.



"Einen klitzekleinen Moment lang spürte ich einen sonderbaren Frieden nach mir greifen. Für einen Augenblick hielt mein Kopf die Klappe." - Seite 31



Auf dem Hof von Tante Mimi muss sie sich weder um ihre Tochter Amelie, noch um das Essen oder um irgendwelche Aufgaben auf dem Hof kümmern. Im Hinblick auf ihre Tochter Amelie fällt es ihr sichtlich schwer die "Zügel" auch mal locker zu lassen. Dazu kommt dieses ständig schlechte Gewissen, das sich einstellt, wenn sie sich um sich selbst kümmert. Das kann ich gut nachvollziehen. Obendrauf noch der Zeitmangel und der Leistungsdruck - heutzutage auch im Beruf einer Hebamme Realität.



Amelie fühlt sich in ihrer neuen Umgebung wohl. Auf dem Hof von Tante Mimi geht es sehr lebhaft zu. Der oft etwas mürrische Fiete ist in Amelies Gegenwart aufgeschlossen und freundlich und auch mit dem großen schwarzen Hund, der auf den Namen Frau Ahorn hört, kommt Amelie gut aus.

Die Charaktere sind sehr komplex und haben einen hohen Wiedererkennungswert. Ich lerne nach und nach den Ort kennen. Den Mädelsclub, der sich am Freitag am Strand trifft, die Physiotherapiepraxis von Tom Bredenhof, Suse´s Café - und schon bald kann ich es kaum erwarten, mit ihnen meine Freizeit zu verbringen, weil sie mir so ans Herz gewachsen sind. Die Charaktere haben Tiefe. Sie wirken jederzeit durch ihre besonderen Eigenarten und Lebensumstände authentisch. Es bereitet mir riesigen Spaß sie bei ihrem Leben und Wirken zu begleiten.

Der Schreibstil von Kristina Günak ist sehr lebendig und lebensnah. Er ist mal umgangssprachlich mal bildungssprachlich und bietet damit ein Wortgefüge, in dem ich mich sehr wohl fühle. Es wird geschimpft, gelebt, geliebt - wobei mir die Liebe in diesem Roman etwas auf der Strecke bleibt.

Ich mag das Knistern beim ersten Date, die verstohlenen Blicke, das flache verschämte Atmen. In Kaputte Herzen kann man kleben kommen diese Gefühle nur oberflächlich zutage. Dafür ist die Freundschaft der Frauen spürbar. Die Hilfe, die die Bewohner des Ortes sich untereinander zukommen lassen ist greifbar. Die Arbeitssituation einer Hebamme wird nachvollziehbar und anschaulich dargestellt. Die besonderen Herausforderungen, wenn man sich um alles allein zu Hause kümmern muss. Ich kann Luisa verstehen und ihr Leiden nachvollziehen. Was ich nicht verstehen kann, ist ihre mangelnde Bereitschaft ihr Leben zu verändern. Es steht zwar in der Geschichte geschrieben, das Gefühl stellt sich bei mir allerdings nicht ein. Für mich fühlt es sich an, als hätte Kristina Günak selbst stellenweise keine Nähe zu Luisa und Tom.

Nähe entwickelt sich dafür zu der Gemeinschaft im Ort und den Menschen in ihnen. Das ist Kristina Günak in Kaputte Herzen kann man kleben ganz großartig gelungen. Ein Ort, an dem ich mich auch zu Hause fühlen würde.



Fazit
Kaputte Herzen kann man kleben ist für alle, die einen tiefsinnigen Roman über Freundschaft und Mut in der wunderbaren Kulisse von St. Peter Ording lesen wollen.

Bewertung vom 09.07.2021
Bluteiche
Motte, Anders de la

Bluteiche


sehr gut

Das Geschehen in dem Kriminalroman Bluteiche spielt in der Provinz Schonen im Süden von Schweden.

Protagonistin ist Dr. Thea Lind, die mit ihrem Mann David Nordin in seine Heimatstadt Tornaby zieht. Bei einem Spaziergang mit Emee, dem Hund ihrer Freundin Margaux, findet Thea eine alte Blechdose mit rätselhaftem Inhalt. Das inneliegende Foto zieht Thea in ihren Bann und kaum, dass sie es sich versieht, ermittelt sie in einem alten Mordfall aus dem Jahr 1986.





Frühlingsopfer wird sie genannt. In der Walpurgnisnacht 1986 findet die 16jährige Elita Svart den Tod. Die Umstände deuten auf die Tat des Grünen Mannes hin - oder auf einen Mord. Doch egal, wen Thea in der Gemeinde Tornaby anspricht, niemand will ihr zu dem damaligen Geschehen Auskunft geben.



"In der Walpurgnisnacht ist der Grat zwischen Leben und Tod am schmalsten. Alles ist in Bewegung, die Natur ist hungrig, und der Grüne Mann reitet durch die Wälder." - Seite 11



Anfangs verwirrte mich der Erzählstil von Anders de la Motte. Die Kapitel berichten abwechselnd von dem Geschehen 1986 und der Jetzt-Zeit, mehr als 30 Jahre später. Die Kapitel um 1986 werden eingeleitet von Evita Svart und die Kapitel in der Gegenwart von Worten, die Thea an Margaux richtet. In welcher Form diese Worte an Margaux gerichtet werden, erschließt sich mir nach mehr als 100 Seiten noch immer nicht - und das ist ziemlich frustrierend.

Der Fall von 1986 nimmt dagegen immer mehr Form an, so dass der Gedanke an Margaux zu einer Akzeptanz des nicht einordnen könnens weicht. Es ist mir nicht egal, aber es wurmt mich auch nicht mehr. Es wird sich schon noch auflösen. Wichtig ist nur noch die Aufklärung des Geschehens um Elita Svart. Was verheimlichen die Bewohner in Tornaby? Was will Elita in ihrem letzten Brief mitteilen? Wie soll Thea die Reaktionen der Bewohner einordnen? Die Frage, wie ich das alles zu einem Ganzen zusammenfügen kann, wird immer drängender. - Doch ich kann nicht schneller lesen. Die Handlung nimmt ab etwa der Mitte des Buches drastisch an Fahrt auf und es ärgert mich, dass ich die kommenden 200 Seiten nicht in einem Rutsch durchlesen kann.

Einige Schmunzelfehler in Form von Vertippern und vermutlich mangelhafter Übersetzung bremsen meinen Lesefluss. Ich lese die Deutsche Erstausgabe, so dass diese in der nächsten Ausgabe wohl nicht mehr enthalten sein werden.

Die Übersetzung aus dem Schwedischen von Marie-Sophie Kasten liest sich - bis auf diese wenigen Ausnahmen - rund.

Anders de la Motte gelingt es aufgrund der Handlung und seines flüssigen Erzählstils mich gleich wieder in den Bann zu ziehen und lässt mich - genauso wie Thea - süchtig werden nach der Aufklärung des Geschehens zur Walpurgisnacht im Jahr 1986.

Die Charaktere nehmen im Verlauf der Geschichte immer mehr Form an und die einzelnen Charakterzüge stellen sich dar. Das verfolge ich mit Spannung und ich bin bemüht, aus dem Verhalten und den Worten die richtigen Schlüsse zu ziehen - genau wie Thea.

Die Fäden gleichen zarten Seidenbändern, die die einzelnen Charaktere am Ende in der Geschichte zusammenführt. Und zum Schluss bin ich überrascht und zufrieden mit der Auflösung des Geschehens und meine Wunschliste ist um drei weitere Titel von Anders de la Motte reicher: Sommernachtstod, Spätsommermord und Winterfeuernacht.



Fazit
Wer komplexe undurchsichtige Handlungen in alten Kriminalfällen liebt, greift mit Bluteiche zum richtigen Buch.