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Wedma

Bewertungen

Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 19.10.2021
Es kann nur eine geben (MP3-Download)
Kebekus, Carolin; Tripke, Mariella

Es kann nur eine geben (MP3-Download)


ausgezeichnet

Carolin Kebekus war mir noch aus der heute-show im Zweiten bekannt. Klar wollte ich ihr Buch kennenlernen. Und am besten als Hörbuch, denn die Gelegenheit, sie zu hören, wie sie ihr eigenes Werk vorträgt, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Das Cover ist ebenso ein Hingucker, kongenial wie der Inhalt. Ernst und Humor Hand in Hand.
Das Hörbuch wurde ein voller Erfolg. Carolin Kebekus hat Ihr Werk großartig vorgetragen. Mehrmals musste ich schmunzeln, und hin und wieder auflachen. Es gab aber genug ernstere Dinge, die gesagt werden MUSSTEN. Und dies hat Carolin Kebekus wunderbar getan.
Sie spricht viele akute Themen mit dem Schwerpunkt Frauen an, für Details sehe Inhaltsverzeichnis im Buch, von der Erziehung der Mädchen, die vom Anfang an, durch entsprechendes Spielzeug und gängige Märchen eine untergeordnete Rolle eines Dummchens für ihr späteres Leben antrainiert bekommen.
Im Kapitel 4 hört man über die Rivalität unter Frauen, die oft auf einem primitiven Niveau verläuft und sich eigentlich eher kontraproduktiv erweist. Da musste ich denken „Teile und herrsche“ ist seit Jahrhunderten ein Erfolgsrezept für den Machterhalt der Männer. Was auch dazu führt, dass Frauen bis heute für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden, was in vielen Fällen zur Altersarmut führt, weniger oft in Schlüsselpositionen in größeren Unternehmen wiederzufinden sind, weniger Chancen auf interessante und lukrative Jobs haben uvm.
Im Endeffekt plädiert sie für Frauensolidarität (Kapitel 11 und 12). Was ich auch für goldrichtig halte. Es gibt Männerbunde, es sollten auch mächtige Frauenbunde geben. Auch Mentorinnen sollte es öfter geben, die jüngeren Frauen etwas beibringen, was ihnen im Leben weiterhilft.
Im Grunde, klar, nicht viel Neues, aber frau kann nicht oft genug diese Probleme thematisieren. Bis sie gelöst sind. Und wie Carolin Kebekus dies getan hat, mit guter Portion Ernst und Humor, das verdient ungeteilte Aufmerksamkeit.
Als Hörbuch kann man sich das Ganze wunderbar nebenbei anhören. Genug Stoff zum Diskutieren im Freundes- und Familienkreis liefert das Buch auf jeden Fall.
Von mir gibt es 5 Sterne und eine klare Hörempfehlung.

Bewertung vom 19.10.2021
Die Herrschaft der extremen Mitte
Deneault, Alain

Die Herrschaft der extremen Mitte


ausgezeichnet

Es ist ein sehr starkes, aufschlussreiches Werk, das man unbedingt kennenlernen sollte.
Klappentext beschreibt den Inhalt recht gut.
So oft ich in den letzten Wochen gedanklich an die Thesen von Alain Deneault zurückgedacht habe, wie oft ich ihn in meinem Freundes-/Bekanntenkreis weiterempfohlen habe! Er ist einmalig. Seine Sicht der Dinge, so klar und kritisch, seine messerscharfen Analysen so just auf den Punkt, sollte man kennen. Genug Diskussionsstoff bietet dieses Buch allemal.
Ein wenig erinnert er an den früheren Noam Chomsky. Aber er geht viel weiter. Und spricht einem oft genug aus der Seele. Was man sich so im Stillen dachte, bringt er in aller Klarheit in diesem Buch zur Sprache.
Es sind 3 Kapitel, die 3 Bereiche beleuchten: „Das ‚Wissen‘ und die Expertise“. Hier wird man u.a. eine gute Erklärung bekommen, warum die Wissenschaft und Forschung, das Studium und Promotion in dem Zustand heute sind, wie sie eben sind. Eine gute Entscheidungshilfe für all diejenigen, die sich evtl. für so einen Lebensweg entscheiden wollen. Deneault geht aber viel weiter. DA folgen noch viele klare Worte zum Zustand des heutigen Lebens der nicht-elitären Bevölkerung und warum das so ist, wie es ist.
In weiteren Kapiteln „Die Wirtschaft und Finanzen“ und „“Kultur und Zivilisation“ geht es ähnlich zu. Kritisch Status Quo betrachtet und darauf hingewiesen, dass es durchaus anders, besser für die meisten Menschen hätte laufen können uvm.
Ich gehe nicht weiter ins Detail. Original ist immer besser als eine zusammenfassende Nacherzählung. Schauen Sie in die Leseprobe, z.B. auf der Webseite des Verlages. Inhaltsverzeichnis und die ersten Seiten geben einen adäquaten Eindruck der Inhalte.
Eine sehr gute Idee ist jedenfalls: Selbst lesen.
Deneault zu lesen war für mich, als ob ich nach langer Durststrecke eine sprudelnde Quelle reinen Wassers entdeckt habe. Unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen. Es ist ein Augenöffner im besten Sinne. Auch wenn ich schon einiges von Kritikern des herrschenden Systems kennengelernt habe.
Solange es solche Autoren gibt, die so klar und kritisch denken und sich entsprechend mitzuteilen wissen, und die Verlage, die den Mut haben, diese Werke herauszubringen, ist vllt noch nicht alles endgültig verloren…? Bleibt zu hoffen.
Klar kann man sagen, hier und dort hätte es gern auch tiefer gehen können, z.B. beim Thema Kultur.
Man muss auch längst nicht mit allem einverstanden sein.
Aber diese Sicht der Dinge kennenlernen, das sollte man. Unbedingt.

Bewertung vom 17.10.2021
Die militante Madonna
Dische, Irene

Die militante Madonna


sehr gut

Den Roman habe ich sehr gern gelesen. Er ließ mich in die Zeit von Louis XV. eintauchen, diese Atmosphäre am Hof, voller Intrigen und Intrigant*innen, in die Zeit, in der es gang und gäbe war, dass die Geliebten des Königs die Personalentscheidungen trafen, die fachliche Eignung war dabei Nebensache.
Der Roman ließ mich bemerkenswerte Persönlichkeiten kennenlernen, die mir lange im Gedächtnis bleiben werden. Er hat mich wunderbar unterhalten und schöne Lesestunden geschenkt. Was will man mehr?
Klappentext beschreibt das Thema sehr gut. Die Versprechung wurde im Laufe der Geschichte voll eingelöst.
Eigentlich wollte ich nur kurz reinschauen, bin aber hängengeblieben, und nach paar Seiten war es unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen.
Die Hauptfigur ist eine spannende, blitzgescheite, vielschichtige Persönlichkeit, die sich auch zu präsentieren weiß. Da war klar, dass ihre Geschichte zu Ende gelesen gehört.
Sehr schön erzählt. Mit einer Prise Humor und Ironie, mit viel Menschenkenntnis, wie man es vom Vorgänger aus der Feder von Irene Dische kennt.
Viele Sätze habe ich markiert, die viel Wahres aussagen, und damals wie heute ihre Gültigkeit haben.
Parallelen zur heutigen Zeit ließen sich problemlos ziehen. Und sehe da, manche Dinge haben sich nicht geändert, unabhängig davon, ob ein Monarch oder einer der heutigen Auserwählten an der Macht steht.
Das Thema Unterdrückung der Frauen wurde wunderbar plastisch zum Ausdruck gebracht. Schon allein die Kleiderordnung, die Enge der Korsette, die kaum das normale Atmen zuließen, die Schuhe, die nicht zum Laufen geeignet waren, die Perücken, alles war da, um die Frauen einzuengen und sie möglichst klein zu halten.
Etwas schade fand ich, dass das Rückgrat der Geschichte um die Beziehung zwischen der Hauptfigur und Pierre de Beaumarchais aufgebaut wurde. Dies trat zu sehr in den Vordergrund. Man hätte es besser lösen können.
Aber sonst war alles top. Mehrmals musste ich schmunzeln, zustimmend nicken. Und der letzte Satz brachte es wohl auf den Punkt.
Sehr gern gelesen.

Bewertung vom 17.10.2021
Wolkenkuckucksland
Doerr, Anthony

Wolkenkuckucksland


ausgezeichnet

Ein sehr lesenswertes Werk, eindeutig literarisches Lesehighlight in diesem Herbst, das mich bestens unterhalten hat. Eine klare Leseempfehlung.
Auch wenn es einem erst etwas seltsam, kompliziert, unnahbar, wie auch immer, erscheinen mag, die Bedenken beiseiteschieben und lesen! Lesen und Nachdenken. Nachdenken und mit Freunden/Familie darüber reden.
Es ist in großartiges Werk, das sich sehr angenehm lesen lässt, uns den Spiegel vors Gesicht hält, so manches aus der Vergangenheit holt und für die Zukunft voraussagt und noch vieles mehr.
Der Autor ist ein talentierter Erzähler. Mit nur wenigen Worten vermag er so viel zu erreichen! Schon auf den ersten Seiten fühlte ich mich abgeholt, das Kopfkino startete sofort und endete noch gar nicht, auch nachdem die letzten Seiten seit paar Tagen ausgelesen sind. Gedanklich kehre ich immer wieder zu diesem Werk zurück. Besonders oft ertappte ich mich bei der Botschaft aus dem Buch: Gegenüber den Sprachassistenten wie Sybil, man kennt entsprechende Äquivalente in der heutigen Welt, die gesunde Skepsis bewahren. Das damit einhergehende Hinterfragen der Richtigkeit ihrer Aussagen sollte an der Tagesordnung stehen. Das kann Leben retten. Auch, dass das Glück evtl. nicht in der Ferne liegt, uvm.
Es gibt mehrere Erzählstränge: zwei spielen in der Vergangenheit, wenn man die Geschichte um den Hirten von Diogenes als solche nimmt, einer in der Gegenwart und einer in der Zukunft. Alle sind auf eine bestimmte, feine Art miteinander verwoben, sodass das Geschehen in allen Strängen als Puzzleteilchen eines größeren Bildes erscheinen lässt.
Mit nur wenigen Griffen schaffte Anthony Doerr, mich für seine Hauptfiguren zu begeistern. Viele lebten in fernen Zeiten, sie waren mir aber vom Anfang sympathisch, ich musste wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Dabei fielen sie weder besonders hübsch noch außerordentlich klug aus. Sie hatten aber die Eigenschaften, die ihnen und ihren Lieben weiterhelfen konnten.
Es war spannend zu schauen, wie geschickt der Autor mit Parallelen und Kontrasten gearbeitet hatte.
Mehrere Themen sind in den Erzählteppich hineingewoben worden, darunter: Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen; Gesellschaftskritik bezüglich des Umgangs mit weniger gut betuchten Menschen, auch mit Menschen, die anders sind als die Norm, wer auch immer diese festgelegt hat. Die Umweltzerstörung und ihre Folgen sind sehr beeindruckend dargestellt worden. Die Zukunft schaut schon schaurig aus. Ebenso beeindruckend ist das Bild der zerstörerischen Wirkung der Kriege. Es ist ein flammendes Plädoyer gegen die Kriege aller Art, stark in Szene gesetzt. Das Werk zeigt auch sehr deutlich, wie Propaganda und Hirnwäsche wirken und was sie bewirken.
Das Wie des Erzählten ist geradezu genial: Schlicht und ergreifend, bildhaft, plastisch, alles erscheint zum Greifen nah. Man ist stets mitten im Geschehen. Und doch wird man durch regelmäßig auftauchende Wendungen gründlich überrascht. Diese überraschenden Wendungen sind wortwörtlich zu nehmen: Wie es weitergeht, kann man (meist) nicht voraussehen. Es wird also nicht langweilig. Und das Märchen im Märchen Element, das immer wieder auftaucht, ist wie ein Tüpfelchen auf dem i.
Hinzukommt noch eine Menge an guten Fragen, Sprüchen, Sätzen, gleichmäßig im Text verteilt, die uns auf bestimmte (gefährliche) Entwicklungen aufmerksam machen, viel Stoff zum Nachdenken liefern uvm.

Fazit: Sehr, sehr lesenswert. Eindeutig ein literarisches Lesehighlight in diesem Herbst. Zum Vorlesen eignet sich der Roman auch sehr gut. Eine Fülle an Geschichten um die einfachen Menschen, ob kurz oder lang, komplex oder simpel, alle zusammen liefern sie viel Stoff zum Nachdenken und regen Meinungsaustausch.
Ich habe schöne, erfüllte Lesestunden damit verbracht, was ich Euch auch wünsche.

Bewertung vom 01.10.2021
Der Sucher (eBook, ePUB)
French, Tana

Der Sucher (eBook, ePUB)


sehr gut

Nicht der stärkste oder beste Roman der Autorin. Hat aber durchaus positive Seiten an sich und kann erfüllte Lesestunden schenken, wenn man Tana French mag. Die Einsteiger sollten lieber zu ihren früheren Werken greifen.
Diesen Roman habe ich gern gelesen. Es war mir eine willkommene Lektüre abends zur Entspannung. Dabei habe ich mich erinnert, wie gern ich Tana French auch früher gelesen habe: Ihre Art, Geschichten zu erzählen, die Figuren in Szene zu setzen, die allesamt wie dem wahren Leben entsprungen zu sein scheinen, ihre Gedanken, Emotionen, Beweggründe zu beschreiben uvm. Die Aussagen, die sich aus dem Ganzen folgern lassen, bleiben mir noch lange in Erinnerung.
Auch dieser Roman ist eher ein literarisches Werk. Doch es bleibt nicht ausschließlich beim abstrakten Beschreibenden. Es gibt ein Ziel, das der Handlung eine Richtung gibt, und am Ende gibt es eine nachvollziehbare Auflösung. Einige Elemente sorgen für latente Spannung, die bis zum Schluss bleibt.
Tana French schildert die irische Naturidylle, sehr atmosphärisch, zum Greifen nah, sodass man sich wie in einem Kurzurlaub in Irland fühlt.
Inmitten der schönen, fast unberührten Natur versucht der ehemalige Cop aus Chicago ein altes Haus, und auch sein Leben, eine Art Parallele hier, wieder ins Lot zu bringen. Doch in diesem überschaubaren Dorf tun sich die Abgründe auf.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sozialen Probleme, die erst nach und nach ans Licht kommen, sind alles andere als idyllisch. Die Perspektivlosigkeit der Jugend, die dem Drogenhandel am Ende zum Opfer fällt, die Machtlosigkeit der älteren Generation, irgendetwas daran zum Positiven zu verändern, wurden überzeugend dargestellt. Gerade am Ende, die Dinge über die Probleme der jungen Männer, die der alteingesessene Nachbar von Cal sagt, trifft es genau.
Nicht alles war allerdings so bierernst. An mehreren Stellen musste ich schmunzeln. Die eine oder andere Aussage über die Welt und die Menschen darin rief ein zustimmendes Nicken hervor. Einiges war so süß zum Ausdruck gebracht!
Die Aussagen zu den Themen: Familie, Freundschaft, Partnerschaft, Erwachsenwerden, Platz in der Welt finden erschienen mir sehr treffend und wurden kunstfertig in den Erzählteppich eingewoben.

Diesen Roman höre ich gerade. Die gekürzte Fassung. Aber trotzdem sehr schön, atmosphärisch. So manches kommt deutlicher zur Geltung.

Bewertung vom 29.09.2021
Agata und ihr fabelhaftes Dorf (MP3-Download)
Ranno, Tea

Agata und ihr fabelhaftes Dorf (MP3-Download)


sehr gut

Dieses Werk habe ich als Hörbuch geistig „verspeist“. Eine interessante, leicht humorige Geschichte mit einigen mythischen Elementen, mit der Hauptaussage: Frauen an die Machtdie ich wunderbar beim heimischen Werkeln kennenlernen konnte. Und als ich hörte, dass es Fortsetzung gibt, dann war klar, dass auch Teil 2 auf meinem Abspielgerät landet.
Klappentext beschreibt die Eckpunkte ganz gut.
Überrascht hat mich diese Geschichte auf vielerlei Art.
Dass sie so deutlich gesellschaftskritisch wird, hätte ich nicht gedacht. Am Beispiel des kleinen Dorfes wurde hier der heutigen Gesellschaft Spiegel vors Gesicht gehalten. Die skrupellosen, machtgierigen Männer zerstören das wenige noch gebliebene Gute, bloß um ihre Ansprüche zu befriedigen und ihren Status zu stipulieren, was der Gemeinschaft aber nichts nachhaltig Gutes verspricht. Dagegen gibt es eine harmlos wirkende Frau, frei von Machtgehabe und weitestgehend in politischen Dingen unerfahren, sie macht dann das Rennen und wird zum Oberhaupt des Dorfes. Was Frauenrolle angeht, mutet diese Geschichte geradezu märchenhaft an.
Die Fülle an Stellen, die mit Liebesszenen und dergleichen zu tun haben, hat mich ebenfalls überrascht. Die Bevölkerung des Dorfes hat scheinbar nichts weiter im Kopf. Gutes Essen kommt an zweiter Stelle noch dazu.
Aber insgesamt ist dies eine gute Unterhaltung. Leicht humorig, ganz nett als Nebenbei Unterhaltung. Ich bleibe auf Teil 2 gespannt und vergebe 4 Sterne.

Bewertung vom 29.09.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Als ich hörte, dass „Barbara…“ auch als Hörbuch herauskommt, war mir klar, dass ich den Roman auch hören werde.
Und ja, hat Spaß gemacht. Beim Zuhören kamen immer neuere Aspekte zutage, die mir beim Lesen nicht unbedingt in den Sinn kamen.
Der Roman glich immer mehr einem Diamanten mit seinen vielen Facetten, die man immer wieder neu beim langsamen Bewegen wahrnimmt.
Sehr gut gelesen von Thomas Anzenhofer. Seine Stimme, und seine Art vorzutragen, passen prima zu Walter und zur Geschichte insgesamt. Alle Figuren samt ihren emotionalen Zuständen kann man prima heraushören. Den Walter, mit seiner heute etwas antiquierten Art erst recht.
Es gibt Bücher, die man nach einer Pause nochmals liest und Hörbücher, die man gern nochmals hört. Dieses gehört auf jeden Fall dazu.
Gern vergebe ich 5 Sterne und eine Hörempfehlung.

Bewertung vom 29.09.2021
Mitgift
Ahrens, Henning

Mitgift


gut

„Mitgift“ hat mich eher gelangweilt. Am Ende habe ich gewünscht, dieser Kelch wäre an mir vorbeigereicht.
Schon der Einstieg gestaltete sich schwierig: Über die ersten Seiten kam ich nicht hinaus. Diverse Sachbücher erschienen mir spannender.
Aber ich wollte zumindest einen Roman aus der Liste der 20 Auserwählten zum Deutschen Buchpreis lesen. Am Ende stoisch durchgehalten. Und mir gewünscht, ich hätte es sein gelassen.
Hier versammelte sich alles, ich in den belletristischen Werken nicht mag. Eine Art möchte-gern historischer Roman mit all den typischen Themen, die eher schemenhaft, wie nach einer Checkliste abgearbeitet wurden: Heirat, Kinderkriegen, Familie haben, eigene Vorstellungen hinter die Pflicht stellen etc.
Die ständigen Sprünge in der Zeit wirkten eher irritierend: mal ist man im Jahr 1962, mal im Jahr 1942, dann 1940, wieder 1962, plötzlich 1755, wieder zurück und wieder hin usw.
Dabei konnte ich mit keiner Figur durch die Geschichte gehen, zu keiner einen emotionalen Bezug aufbauen. Alle blieben auf Distanz.
Oft musste ich denken: Wieder mal zu breit erzählt. Da war doch der Sachverhalt schon in 2 Sätzen abgehandelt. Wozu denn das ganze Kapitel dahinter schalten, das diese illustriert, ohne groß etwas an Substanz hinzuzufügen?
Diese Vorgehensweise ließ an Unsicherheit eines Anfängers denken, und langweilte mich unsäglich.
Zum Schluss kristallisierte sich ein bestimmter Strang heraus. Gewisse Spannung wurde wahrnehmbar. Sie wuchs zunehmend. Und ließ mich doch zu Ende lesen. Aber am Ende musste ich zugeben: Zu deprimierend war mir das Ganze. Und der Schluss erst recht.
Klar hat man hier Abriss der geschichtlichen Ereignisse am Beispiel der Bauernfamilie in Niedersachsen geliefert bekommen. Aber sonderlich viel Neues oder unbedingt Kennenlernenwertes gab es für mich nicht.

Bestimmt kein schlechter Roman. Sprachlich sehr gut.

Ich kann hier „nur“ 3 Sterne vergeben.

Bewertung vom 29.09.2021
Flow. Das Geheimnis des Glücks (eBook, ePUB)
Csikszentmihalyi, Mihaly

Flow. Das Geheimnis des Glücks (eBook, ePUB)


sehr gut

Viel habe ich über den Autor in den anderen Büchern gehört. Noch nie von ihm selbst gelesen. Nun war es so weit.
„Flow“ war angenehm zu lesen, recht unterhaltsam. Hin und wieder musste ich schmunzeln, insgesamt behielt ich bei der Lektüre gute Laune.
Obwohl der Autor recht weit ausgeholt hat, blieb es im Großen und Ganzen beim Hauptthema. Zum Schluss gab es nach Punkten geordnete Zusammenfassung des Flow-Models und Ausführungen zum Sinn des Lebens im Allgemeinen.
Schön fand ich, dass er vieles zum Ausdruck gebracht hat, was man nicht so klar vor Augen hat. In der letzten Zeit immer weniger. „Flow-Erfahrungen, die aufgrund des Einsatzes von Fähigkeiten eintreten, führen zum Wachstum, passive Unterhaltung führt nirgendwohin. Massenfreizeit, Massenkultur und sogar die gehobene Kultur sind Parasiten des Geistes, wenn man sich nur passiv und aus äußerlichen Gründen daran beteiligt… Sie absorbieren psychische Energie, ohne dafür echt Kraft zurückzugeben.“
Seine Sicht der Freizeitindustrie konnte ich ohne weiteres begrüßen. Dabei kam mir ein bekannter Medienkritiker Neil Postman in den Sinn, der mal gesagt hat: „Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie.“
Fazit: Ein schönes, unterhaltsames und informatives Werk, das ich sehr gern als Abendlektüre geschmökert habe.

Bewertung vom 29.09.2021
Sortiermaschinen (eBook, ePUB)
Mau, Steffen

Sortiermaschinen (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein sehr gutes, informatives, aufschlussreiches Werk, das die Bedeutung von Grenzen heute unter die Lupe nimmt und viele Dinge offenbart, die einem Otto-Normalverbraucher nicht so deutlich vor Augen stehen. Über diese Dinge, diese Tendenzen sollte man doch lieber im Klaren sein.

Klappentexte beschreibt die Eckpunkte sehr treffend.

Es gibt viele spannende und aufschlussreiche Momente, die nicht nur informieren, Hintergründe und Zusammenhänge offenbaren, sondern auch viel Stoff zum Nachdenken geben.

An mehreren Stellen wurde der Leser auf die wachsende Ungleichheit aufmerksam gemacht. Es gibt wenige, mit genug „Kleingeld“ in der Tasche, die ihre Mobilität nach eigenem Gusto gestalten können, von der „globalen Mobilitätselite“ ist hier die Rede, von einer „Form der Kommerzialisierung von Mobilitätsproblemen- und Freizügigkeitsrechten“, was kaum von der Hand zu weisen ist. Und es gibt die Mehrheit, für die Grenzen, insb. in den Zeiten der Pandemie, aufwendigere Hürden darstellen. Die Menschen werden im zunehmenderen Maße zu gläsernen Grenzgängern, in Europa wie auch in anderen Teilen der Welt. Wohl gemerkt, unabhängig davon, ob die dort herrschende Gesellschaftsordnung offiziell als Demokratie oder Diktatur bezeichnet wird. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“, kommt dabei u.a. in den Sinn. Die Bezahlung mit eigenen Daten, z.B. für schnellere und komfortablere Abwicklung an der Grenze, ist heute zur Normalität geworden. Die Grenze fängt heute auch viel früher an, und ist zunächst vom eigentlichen „Schlagbaum“ weit entfernt.

Aufmerksam gemacht wurde man auf manche Dinge, die heute als normal erscheinen mögen, z.B. Fingerabdruck, der bei der Ausstellung des Ausweises seit einigen Jahren unerlässlich ist. Ursprünglich war er der Erfassung von Kriminellen vorbehalten.

Viele interessante Daten/Fakten zum Thema Mobilität sind auch dabei, begleitet von klaren Worten zum Thema Risiko, seine Einschätzung und wofür dies heute gern benutzt wird. Viele wahre Dinge kommen dabei zur Sprache. Ich gehe hier nicht ins Detail. Besser, man liest selbst.

Gut war auch, dass die Anglizismen von den entsprechenden deutschen Begriffen begleitet wurden.

Ein Stern Abzug für das Messen mit zweierlei Maß. So manches wurde so politisch korrekt, so weichgespült und mit seidenen Handschuhen angefasst. Und es gibt das Gegenteil: Da wurde mainstreammedialer Erzählrahmen bemüht und herzhaft eingedroschen. Bei dieser Vorgehensweise leidet die Glaubwürdigkeit im Allgemeinen, und wirft Schatten auf gesamtes ansonsten sehr gutes und lesenswertes Werk.

Beim Lesen kamen mir öfters folgende Bücher in den Sinn. Wenn noch nicht gelesen, empfiehlt es sich nachholen:
„Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ von Shoshana Zuboff,
„Kapital und Ideologie“ von Thomas Piketty,
„Mythos 9/11“ von Mathias Bröckers,
“Chronik der angekündigten Krise“ von Paul Schreyer,
„Die Herrschaft der extremen Mitte“ von Alain Deneault.

Fazit: Ein sehr lesenswertes Werk. Hier wurden viele Aspekte im Zusammenhang mit Grenzen zutage gefördert, über die man als Laie nicht in diesem Umfang nachgedacht, die man so nicht gesehen hat. Und deshalb ist diese Sicht der Dinge so bereichernd und kennenlernenswert.