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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 156 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2013
Ernten und Sterben
Hetzel, Peter M.

Ernten und Sterben


gut

Kopflos verliert man am schnellsten sein Gesicht (Hermann Lahm)

..und auch sein Leben, denn dieses tragische Los ereilte zwei noch unbekannte Männer in den Gemüsebeeten der Nachbarn Albertine von Krokow und dem Online-Buchhändler Hubertus, die eben ohne Kopf den Weg ins Jenseits antreten müssen. Dank ihres adligen Blutes weiß die rüstige Frau aber gekonnt die Contenance zu wahren und gerät aufgrund des blutigen Anblicks nicht aus der Fassung – auch nicht, als sie von der Staatsgewalt sowie den Dorfbewohner als potentielle Mörderin beschuldigt wird. Sie beginnt, mit ihren Freunden in alle Richtungen zu ermitteln; schließlich ist in einem 900 Seelen Dorf jeder verdächtig, doch ob es so klug ist, sich selbst als Lockvogel für den „dangerous man“ zu opfern, weiß man im Zweifel immer erst hinterher.

Angelockt von dem urigen Subgenre des Landkrimis war ich ganz gespannt auf Peter Hetzels Debüt als Krimiautor, der sich in der Vergangenheit als Literaturkritiker schon einen Namen gemacht hat. Allerdings hat sich dann schnell herausgestellt, dass meine Vorstellung von einem Landkrimi etwas von der Umsetzung durch den Autor abweicht und somit nicht ganz meinen Geschmack treffen konnte.
Das Dorf Klein-Büchsen mit seinen Bewohner ist nämlich ziemlich abgedreht, was sich auch sehr auf die Ermittlungsarbeit auswirkt, die eher in den Bereich von totaler Unprofessionalität fällt, sodass ein richtiger Spannungsbogen wie bei einem klassischen Krimi nicht aufkommen kann – was vom Autor aber so gewollt ist (was ich leider erst während der Lektüre erfahren habe).

Das Buch ist für meinen Geschmack leider zu überladen mit skurrilen Charakteren, von denen mir nur Hubertus und Clementine sympathisch wurden und gespickt mit allerlei Wortwitz aus allen erdenklich Sparten, zu denen ich nicht immer einen Zugang finden konnte, weil ich evenutell zu jung bin?

An einigen Stellen blitzten aber auch Landkrimi typische Elemente auf, wie ein beruhigendes Gespräch während der Gartenarbeit in den Gemüsebeeten oder die legendäre Kuh-Olympiade, welche gerne noch über mehrere Etappen im Mittelpunkt hätte stehen dürfen und den Charme von echter Landidylle und Nachbarschaftsharmonie aufleben ließ. Auch die kulinarische Ausflüge haben mir Spaß gemacht und zum Beispiel großen Appetit auf Hubsis Schmorgurkenpfanne gemacht – doch leider sind sie eher Nebenerscheinungen und werden vom Chaos der Komik überrollt.

Humor ist wie immer Geschmackssache und Peter Hetzel ein sympathischer Autor, der aber beim nächsten Teil die „Kirche im Dorf“ lassen und keine hochnäsigen Großstadtcharaktere auf friedliche Bauern loslassen sollte, denn weniger ist zwischen Radieschen und Möhren manchmal mehr.

Bewertung vom 17.08.2013
Gib mir deine Seele
Krock, Jeanine

Gib mir deine Seele


sehr gut

Von der Muse geküsst

Pauline führt ein ganz normales Leben als durchschnittliche Sängerin in London, die sich von einem Auftritt zum nächsten angelt und dabei auf den großen Durchbruch hofft.
Als sie in Venedig vor einem aufdringlichen Verehrer völlig erschöpft in den herbstlichen Regen flüchtet, wird sie von dem erfolgreichen Kunstmäzen Constantin DuMont aufgelesen und in seiner luxuriöse Hotelsuite gepflegt.
Schon bald ist Pauline von dem Charme des edlen Gönners völlig verzaubert und aus dem anfänglich distanzierten Verhältnis wird eine feurige Beziehung mit ihrer Rolle als die ihm unterworfene Geliebte, was sich auch positiv auf ihre Singstimme auswirkt, doch die Kehrseite ihres neu gewonnenen Erfolgs verbirgt ein düsteres Geheimnis.

Es ist noch nicht lange her, da hat E. L. James mit ihrer "Shades of Grey" Trilogie für reichlich Wirbel gesorgt und nach dem fast 800 Seiten starken Wälzer von Jeanine Krock könnte man schon fast sagen, dass wir in Deutschland nun auch ein Pendant dazu haben, was als natürlich als Kompliment zu verstehen ist.
Ich muss gestehen, dass ich dem Hype, um das britische Skandalbuch widerstehen konnte und "Gib mir deine Seele" nun die erste literarische Annäherung an das heikle Thema der BDSM Praktiken war, die mich durch das teilweise sehr dominante Verhalten der Protagonisten schockiert haben, aber auch neugierig werden ließen auf Frauen und Männer, die sich in solch einer Verbindung vollkommen fallen lassen.
Die Autorin hat dabei eine gute Balance zwischen Erotik und Opernalltag gefunden, sodass ich zu keinen Zeitpunkt das Gefühl hatte, dass hier krampfhaft über Sex gesprochen werden musste.

Der Schreibstil ließ sich sehr flüssig lesen und durch zahlreiche Reisen zu verschiedenen Opernhäusern oder auch romantischen Liebesausflügen in ferne Länder kommt eine gute Abwechslung in die Geschichte und keine Langeweile auf.
Schon allein durch die beiden Hauptcharaktere, die am Anfang wie Löwe und Hase agieren und im Laufe der Handlung ebenbürtiger werden und Pauline zu einer starken Schönheit mit Engelsstimme reift, ist es spannend ihr Zusammenspiel als Leser hautnah mitzuverfolgen.
Leider bleiben die Gefühle des Liebespaares für mich zu oberflächlich und entwickeln sich nicht zu einer tiefgründigen Partnerschaft, wodurch ich bei manchen Verhaltensweisen der Charaktere (wie z.B. tagelange Funkstille) nur den Kopf schütteln kann, was aber mit der Rollenverteilung erklärbar, aber lange nicht verständlich wird.

Als Kritikpunkt möchte ich die fehlende bzw. sehr magere Verknüpfung zur griechischen Mythologie ansprechen, da die Antriebskraft für Paulines Erfolg und somit auch gewissermaßen für ihre Erfahrungen mit den speziellen Vorlieben in einer Wette der Göttergeschwister Apollo und Artemis begründet sind. Mehr Hinweise in diese Richtung hätten dem Roman noch die gewisse Mystik verliehen, die in Ansätzen schon vorhanden war, aber für meinen Geschmack noch mehr Potenzial hergegeben hätte. Schließlich ist Constantin nicht nur der aufregende und unersättliche Liebhaber, sondern auch himmlischer Helfer, aber noch lange kein harmloser Engel. ;-)

Bewertung vom 06.08.2013
Der Narr
Papp, Stefan

Der Narr


sehr gut

Die große Stärke der Narren ist es, dass sie keine Angst haben, Dummheiten zu sagen.
(Jean Cocteau)

.. oder Dummheiten zu machen, wie in Sams Fall.
Der Protagonist aus "Der Narr" wacht nach einer durchzechten Nacht mit einem blutverschmierten T-Shirt auf und kann sich dank des Filmrisses allerdings an keine Details der feucht-fröhlichen Mittelalterparty erinnern, auf die es ihn verschlagen hat. Als er dann in den Nachrichten erfährt, dass die Leiche der Bankierstochter Alice Heisenstein auf jener Burg gefunden wurde, nimmt die Panik von ihm Besitz, denn die Indizien sprechen eindeutig gegen Sam. Er will aber nicht für eine Tat ins Gefängnis, die komplett in seinem Gedächtnis fehlt und beginnt auf eigene Faust nach Beweisen für seine Unschuld zu suchen. Dabei macht er sich nicht nur redensartlich zum Narren, sondern wird von einer selbst ernannten Hexe in genau so ein Kostüm gesteckt.

Durch Stefan Papps Erstlingswerk fließt ein stetiger Strom von Sarkasmus und schwarzem Humor, an den ich mich erst einmal gewöhnen musste. Erschwerend kam hinzu, dass in den ersten beiden Kapiteln der deutsche Leser von den österreichischen Unterhaltungen doch irgendwie überrannt wurde, sodass kein angenehmer Lesefluss entstehen konnte und ich immer abbremsen musste, um wenigstens den Grundgedanken des Gesagten zu begreifen. Im weiteren Verlauf war der Autor aber gnädig zu uns und lässt seine Charaktere hochdeutsch sprechen, womit dann auch der Lesespaß wuchs.

Vom Luzifer-Verlag wird das Buch als "Mystik-Thriller" angepriesen, was es auch definitiv ist, denn neben dem eigentlichen Fall gerät Sam immer mehr in die Tiefen einer keltischen Gruppe, die so altertümlich wie nur möglich am Rande einer Kultstädte campen möchte. Zudem fiebern alle Teilnehmer auf ihr persönliches Fruchtbarkeitsfest an Beltane hin, der auch den Showdown im Mordfall darstellen soll. Die Mischung aus okkulten Hintergründen und Spannungsaufbau ist für meinen Geschmack optimal gelungen, da ich sehr gerne in antike Stämme eintauche und ihre Nachahmer auch eine faszinierende Seite haben.

Chefinspetor Remmel dagegen repräsentiert den irdischen Koloss eines Mannes, den so schnell nichts umhaut. Er ist hoffnungslos den Süßigkeiten verfallen und seine vom Hunger abhängigen Launen machen ihn nicht gerade zu einem Traummann, zumal er definitiv eher der gemütliche bzw. faule Typ ist – speziell im Job. Gemeinsam mit seiner Assistentin Hanni sind sie aber perfekte Gegenspieler zu den skurrilen Personen im Mittelalterkostüm und dem Mörder immer einem Fleischpflanzerl hinterher.

Wären die zahlreiche Star Trek Anspielungen vom nerdigen Sam nicht gewesen, die sich mir schlichtweg nicht erschlossen haben, hätte ich mich vielleicht sogar zur vollen Punktzahl verleiten lassen, doch so gab es zwei/drei Kritikpunkte, die zum erstklassigen Genuss fehlten.

Bewertung vom 31.07.2013
Hasenpfeffer
Waiblinger, Ralf

Hasenpfeffer


sehr gut

Hunde sind die besseren Menschen, aber sind sie auch die besseren Kommissare?

Ralf Waiblinger stellt sich dieser Frage in seinem Krimi-Debüt und vertraut die Rolle seines Protagonisten im Kampf gegen das Böse einer Fellschnauze an.
Spekulantius Bösenschreck, der als Sohn einer sehr samtpfotigen Bäckerfamilie geboren wurde, muss einer Verbrecherbande das Handwerk legen, welche die ganze Region mit billigen Immitaten von Uhren, Zigarren etc. versorgt und damit den Unmut der Bevölkerung auf sich zieht. Die Kriminellen sind flink wie die Hasen und fordern die gesamte Energie des Kommissars, sodass er sich ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden bedienen muss und die Staatsanwaltschaft ganz schön Nerven abverlangt.

Anders als bei Tierkrimis üblich hat sich der Autor hier nicht auf eine Tierart spezialisiert, sondern überrascht uns Leser mit vielen unterschiedlichen Gesellen, wie z.B. der Gans Zuzi, die als Prostituierte schon manches Männerherz zum Schmelzen brachte oder dem Waschbär Geldermann, der in seinem Pfandhaus nicht nur Haushaltsartikel zum Tausch anbietet.
Alle Charaktere haben ihr eigenes Bündel mit düsteren Geheimnissen zu tragen und Bösenschreck ist (in meinen Augen) der schlimmste von allen, weil er mit zahlreichen Negativ-Beispielen die Tugenden eines Hüters des Gesetzes in keinster Weise widerspiegelt und am Schluss sogar als richtiger Schmarotzer endet. Seine Verfehlungen wären bei einem menschlichen Fahnder nicht zu entschuldigen und sind es dementsprechend auch nicht bei dem Vierbeiner. Der schnoddrige Köter zeigt in kaum einer Szene ein weiches Herz, sodass Bösenschreck für mich einen Anti-Helden verkörpert. Leser, die also mal wieder so richtig über den Protagonisten den Kopf schütteln wollen und sich keinen sympathischen Fiffi mit besten Manieren erhoffen, kommen bei „Hasenpfeffer“ voll auf ihre Kosten.

Noch mehr als die interessante Handlung - dank durchaus spannenden Verfolgungsjagden - haben mich die Illustrationen beeindruckt. Mit über zwanzig Zeichnungen, die das soeben Passierte in Bildform lebendig machen, wird der Hundekrimi zu etwas richtig Besonderem, wie es in der Form auch perfekt zu dem Gmeiner Verlag mit seinen immer sehr kreativen Covern passt. Zugunsten von einigen Kürzungen bei beispielsweise wiederkehrenden Verhandlungen oder Verhören, die für meinen Geschmack das Geschehen manchmal stagnieren ließen, wären mehr Portraits aufregender und aussagekräftiger gewesen.

Viele Wortwitze, wie das wiehernde Lachen der Chefin des Kriminallabors (ein Pferd) oder ein lispelnder Hase mit Namen Scharte und seine Kollegen Blume und Rammler zeigen wie viel Herzblut der Autor in sein Debüt gesteckt hat und für einen Krimi macht dieser mächtig Laune!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.07.2013
Dumpfbacken
Klein, Kerstin

Dumpfbacken


gut

In Alice' Leben läuft es gerade richtig rund, denn ihr Beruf als Maklerin macht sie glücklich, und mit 30 Jahren kann sie endlich aus dem Elternhaus ausziehen und durchstarten. Als sie mit ihrer besten Freundin Mimi nachts in das sogenannte "Geisterhaus" einbrechen will, um letzte Handgriffe vor der morgigen Übergabe zu regeln, rutscht ihre Visa-Karte (natürlich mit Vor- und Nachnamen darauf) durch den Türschlitz und damit außer Reichweite. Die Frauen beruhigen sich, indem sie sich einreden, dass niemand Verdacht schöpfen wird und sind danach umso geschockter, als Alice Drohanrufe des neuen Eigentümers erhält und tätliche Übergriffe abschütteln muss. Was hat das zu bedeuten?

Man sollte sich normalerweise ja nicht (nur) von einem hübschen Cover zum Kauf verleiten lassen, aber bei "Dumpfbacken" hat mich der niedliche Hamster einfach angelächelt, sodass ich Alice ohne Vorkenntnisse der Romans "Vollmeise" begleiten wollte. Leider zeigt sich bei der Protagonistin schnell, dass die Redensart "Außen hui, innen pfui" wie für sie gemacht ist, denn Alice ist sehr auf ihr Aussehen und ihren Kleidungsstil bedacht, fehlt dafür aber der nötige Grips, um schwierige Situationen stilvoll zu meistern. Kein Fettnäpfchen kann sie auslassen, und als Leser muss man unweigerlich an unzählige Blondinenwitze denken, die sie zum Vorbild haben könnten. Ihre häufigen Weinattacken unterstreichen dieses Klischee nur zu deutlich und erinnern an eine verwöhnte 12-Jährige im (Hormon)rausch der Gefühle.

Diese spielen bei Alice nämlich auch eine entscheidene Rolle, denn ihre große Liebe Nick (Polizist im Undercover-Job) ist zur Zeit ihr Lebensmittelpunkt, der für meinen Geschmack allerdings viel zu aalglatt gezeichnet wird und Alice permanent nur mit "Süße" anspricht, was schnell zu nerven beginnt. Er bringt eine Engelsgeduld für die Schwächen seiner Freundin auf, was ihn zwar sympathisch machen könnte, aber im Endeffekt nicht glaubhaft wirkt, da kein Mann so viel Stress (neben den anderen Alltagssorgen) ertragen kann.
Von den Protagonisten wurde ich eigentlich mit niemandem richtig warm und lediglich Alice' Vater ist bodenständig bzw. ruhiger und damit ein Gegenpol zu dem Frauentheater. Er bescherte mir auch mein Highlight im Roman - genannt die "Riverdance"-Phase. :-)

Leider hat sich der Verlag dafür entschieden, keine Kapiteleinteilung vorzunehmen, was mich schon zu Beginn gestört hat, denn dadurch war das Buch ein einzig langes Stück Text - ohne Verschnaufspausen von Alice' Launen.

Wahrscheinlich kann ich als Vernunftmensch mit den zahlreichen Wendungen die teilweise ins Absurde gehen nicht viel anfangen. Ich hätte ich mir lieber einen Roman gewünscht, der sich alleine auf die chaotisch-liebenswürdige Seite von Alice konzentriert, die versucht die Hausbesichtigungen so charmant wie möglich zu meistern und nebenbei ihr Familienleben ordnen möchte. Diese Handlung ist leider etwas in den Hintergrund gerückt, obwohl sie mich mehr ansprach, als die Fänge der Prostituierten- Schlepper, wodurch unsere "Süße" in einer Woche mehr Stunden auf der Polizeiwache verbrachte, als andere in ihrem ganzen Leben, was mir schlichtweg zu abgedreht und überspitzt dargestellt wurde.

Kerstin Kleins Protagonistin erinnert mich an die Jurastudentin Elle Woods aus dem Film "Natürlich blond" nur ohne tierischen Begleiter; wer diese Komödie geliebt hat, wird auch Alice mögen! Dafür gibt es von mir drei hamstermäßige Sterne.

Bewertung vom 28.07.2013
Hühnerhölle
Beckmann, Herbert

Hühnerhölle


sehr gut

Das kleine Örtchen Vennebeck hat einen Toten zu vermelden und das ausgerechnet am Tag nach Allerheiligen. Die gute Seele des Friedhofs, Paul Lanfermann, der nach dem Feiertag noch mit reichlich Restalkohol im Blut versucht einen klaren Gedanken zu fassen, findet Wilhelm Koch, den sogenannten Hühnerbaron, auf dem Grab seiner ersten Frau. Er starb an den Verletzungen durch einen Unkrautstecher.

Die Polizei in Person des Hauptkommissars Hufeland und seinem Gehilfen, dem dicklichen Azubi Kevin ist sofort zur Stelle, allerdings finden die beiden keine trauernden Nachbarn vor, sondern eine ausgelassene Stimmung wie auf einem Gemeindefest - nur der beißende Geruch nach Hühnerurin, der in der Luft wie eine dunkle Wolke schwebt, mindert das Hochgefühl ein bisschen. Alle sind scheinbar froh, dass der "Promi des Dorfes" verstorben ist, macht sich damit ganz Vennebeck verdächtig?

Herbert Beckmann, der selbst aus Westfalen stammt, hat mit "Hühnerhölle" einen sehr kurzweiligen Provinzkrimi zu Papier gebracht, der mit viel Witz die ländlichen Eigenarten aufs Korn nimmt und dabei noch einen gut durchdachten Mordfall vor dieser eigentlich so malerischen Kulisse einfädelt, der zum Schluss sogar noch für eine kleine Überraschung gut ist.

Die Wahl des Mordopfers mit seiner tierquälerischen Hühnermast gibt natürlich viel Raum für Kritik an der Landwirtschaft, die noch immer nur auf Profit gepolt ist und dabei weder das Leid der Tier, noch das der Menschen, die das verkeimte und mit Antibiotika verpestete Fleisch essen müssen (oder wollen) berücksichtigt. Hier hätte der Autor gerne noch mehr Salz in die Wunde streuen und härtere Worte finden dürfen, statt "nur" verstreute Protestzeichen mittels Plastikhühnern als Symbolen für die vielen verendeten Hühnerseelen, die in Kocks Hühnerhölle elendig sterben mussten. So war das Buch für mich mehr ein Krimi der Kategorie Spaß, was ich nach der Leseprobe auch erhofft hatte und somit nicht enttäuscht wurde. Über die Auswirkungen auf unsere Gesundheit und die Umwelt muss dann jeder für sich noch einmal nachdenken. ;-)

Ich musste jedenfalls häufig über die ulkigen Charaktere schmunzeln und das Polizei-Duo ist trotz anfänglicher Startschwierigkeiten am Ende wie Pech und Schwefel und so herrlich normal, dass man dem Kommissar Hafeland äääääh Hufeland beim Urologen am liebsten mitfühlend die Hand halten möchte. Wieso er dort landet, das werde ich hier nicht verraten; es lohnt sich aber definitiv es herauszufinden - halten sie sich dabei jedoch unbedingt die Nase zu, denn in Vennebeck stinkt es zum Himmel!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.07.2013
Mordsmöwen
Beerwald, Sina

Mordsmöwen


sehr gut

„Man hat jetzt eine Möwe mit einem Papagei gekreuzt: Sie kackt Ihnen zwar immer noch auf den Kopf, kann sich aber hinterher entschuldigen!“ (Horst Schroth)

Die Möwen aus Sina Beerwalds tierischem Sylt-Krimi können noch viel mehr und werden sogar zu richtigen Detektiven mit allerhand menschlichen Attitüden zum Schmunzeln.

Die Möwengang rund um den Späher Ahoi steht nämlich seit dem Verschwinden ihres „Crêpe-Dealers“ Knut vor einem riesigen Problem, denn seitdem fehlt ihnen ihre tägliche unkomplizierte Nahrungsbeschaffung, wenn sie die schmackhaft dünnen Teigröllchen den ahnungslosen Touristen aus der Hand klauen. Die anderen Snackbars in der Gegend werden leider von anderen Möwengangs bewacht und das natürliche Fischen im Meer haben die Kleinkriminellen nicht gelernt, da bleibt ihnen nur die Spur von Knut aufzunehmen, schließlich riecht die ganze Angelegenheit nach verfaultem Fisch und muss aufgeklärt werden.

Die Truppe hat allerdings ein großer Handicap, immerhin haben die gefiederten Freunde unter den Menschen nicht nur Bewunderer, was das Erkunden der Tatorte schwierig macht und innerhalb des Nonetts (neun Möwen) hat jeder der schreienen Plagegeister seine eigenen Probleme, die die Gruppe zu zerreißen drohen.

Einen breiten Spannungsbogen sollte man als Leser natürlich nicht erwarten, allerdings entschädigt uns die Autorin mit vielen lustigen Momentaufnahmen aus dem Leben der fliegenden Crew und unterhält uns Leser mit dem typischen Charme eines Tierkrimis. Durch die vielen unterschiedlichen Charaktere wird es auch nie langweilig und weil mir die Protagonisten-Möwen Ahoi in einigen Szenen wegen Herzschmerz etwas zu melancholisch war, habe ich meinen Favoriten in Alki, dem schnapssüchtigen Vogel gefunden, der für mein Empfinden der heimliche Held der Geschichte ist und in einer möglichen Fortsetzung unbedingt mehr in den Focus rücken sollte.

Sylt und seine traumhafte Landschaft mit den rauschenden Wellen, die speziell in der diesjährigen Sommerhitze schon beim Lesen abkühlt, machen Laune auf einen schönen Urlaub am Meer und ich bin mir sicher, dass man nach den „Mordsmöwen“ die „Tauben der Küste“ mit anderen Augen sieht und vielleicht nun etwas sympatischer findet, selbst wenn sie zum Teil ziemlich aufdringlich werden, aber vielleicht sind sie nur wieder auf geheimer Mission und brauchen etwas Stärkung. :-)

Bewertung vom 12.07.2013
Bob, der Streuner Bd.1
Bowen, James

Bob, der Streuner Bd.1


sehr gut

In „Bob, der Streuner“ geht es, wie es der Titel und das Cover vermuten lassen, um einen Kater, der ausgehungert und völlig zerzaust ein neues Zuhause sucht.
Sein Ziel ist dabei der Straßenmusiker James Bowen, ein typischer junger Mann von der Straße, der gerade mit aller Kraft versucht, von den zerstörerischen Drogen loszukommen, um mit Hilfe der Ersatzdroge Methadon wieder ein geregeltes Leben zu starten; dennoch gelingt es ihm ohne ein festes Einkommen nur einigermaßen, für sich selbst zu sorgen - da kann ein Haustier regelrecht ein ziemlich großes Loch in die Haushaltskasse fressen.
Schnell wird allerdings klar, dass die rote Samtpfote das Herz seines „Wunschdosenöffners“ erobert hat und keiner mehr ohne den anderen leben möchte.
James pflegt das kluge Fellknäuel und übernimmt damit wohl das erste Mal in seinem chaotischen Leben Verantwortung für sich und sein Umfeld.
Bob begleitet sein Herrschen sogar mit auf die Arbeit in der Londoner Innenstadt, wo er den Tag mit Dösen im kuscheligen Gitarrenkasten verbringt oder auf der Schulter von James, wo er sich geborgen fühlt. Den sonst so mürrisch blickenden Passanten zaubert Bob damit ein Lächeln auf die Lippen und gleichzeitig viele Münzen in die Sammelbox, wodurch sich das Duo bald als gut verdienende Symbiose etabliert, aber auch von den Neidern angefeindet wird.
In dem Roman werden viele Alltagssituationen des ungewöhnlichen Paares genau beschrieben und nicht nur die Glanzstunden, sondern ebenfalls die gefährlichen Passagen nicht ausgespart, sodass wir Leser uns ein erschreckendes Bild vom Leben eines ehemaligen Drogensüchtigen, der noch nicht wieder in die Gesellschaft zurück gefunden hat, machen können und mit Bob in den einem Kapitel herzhaft lachen und auf der nächsten Seite ängstlich bangen.

Der Katzenhalter auf Umwegen hat für die Umsetzung der Geschichte einen Co-Autor zur Seite gestellt bekommen, der das Erzählte in Schriftform umsetzte und einen gelungenen Ton getroffen hat, um die Lebensweise der Protagonistin realistisch darzustellen und sich sogleich flüssig lesen lässt. Der treue Mäusefänger ist mir durch die Lektüre richtig ans Herz gewachsen und auch für James muss man einfach Respekt zollen, denn einen Drogenentzug darf man nicht unterschätzen. Allerdings habe ich in manchen Momenten auch gespürt, dass James ein Eigenbrötler ist und viele Jahre keine Rücksicht auf seine Mitmenschen nehmen musste, da er alleine in der Suchtwelt lebte, wodurch er mit in einigen Szenen leider unsympathisch und beinahe arrogant in seinem Gesagten wirkte und Hilfe nur schwer annehmen kann.

„Bob, der Streuner“ ist jedenfalls nicht nur ein Roman für Katzenliebhaber, sondern auch für welche, die es werden wollen.
Wenn man zum Beispiel das Kapitel überspringt, in dem James über 48 Stunden seine Qualen beim Absetzen des Methadons in allen Details erklärt, wäre es auch ein schönes Kinderbuch mit Happy End Charakter oder mit dem genannten Kapitel eingeschlossen für den Unterricht wertvoll, um vor der Sucht eindrucksvoll zu warnen.
Ein Stubentiger zeigt uns wie viel eine tiefe Freundschaft bedeuten kann und öffnet uns die Augen für das harte Leben der Menschen im Untergrund. Ein dreifaches Miau auf Bob und die Katzen der Welt. :-)

10 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.07.2013
Frostiges Paradies / Soul Beach Bd.1
Harrison, Kate

Frostiges Paradies / Soul Beach Bd.1


sehr gut

Seit dem Tod ihrer großen Schwester Megan lebt Alice wie umhüllt von einer großen, schwarzen Wolke, die sie jeden Tag ein Stückchen mehr in den Abgrund zieht und nicht mehr loslassen will.
Megan wurde getötet und ihr Mörder wurde auch sechs Monate nach der Tat noch nicht gefasst, auch wenn die Presse und die verzweifelte Mutter am Ex-Freund der Getöteten als Täter festhalten, obwohl es keinerlei Beweise gibt und nur Zeugenberichte über einen Streit in der verhängnisvollen Nacht.
Am Tag der Beerdigung geschieht dann etwas Unfassbares, denn Alice bekommt eine E-Mail von Megan und kurz darauf eine Einladung zu einem virtuellen Strand, der sie beide angeblich in Kontakt treten lässt. Darf Alice sich in der Hoffnung verlieren noch einmal mit der Toten zu sprechen oder ist das alles ein geschmackloser Scherz von einem irren Stalker? Sie loggt sich ein und wird geblendet von der unsagbaren Schönheit des „Soul Beach“ und alle Trauer ist vergessen.

Da es sich hierbei um den ersten Teil einer Trilogie handelt, war es beinahe klar, dass wir Leser nur mit den nötigsten Informationen versorgt werden, um gespannt auf den Folgeband zu warten und sprichwörtlich Blut zu lecken. Wenn dies der Plan der Autorin war, dann ist ihr das auch gut gelungen. „Soul Beach – Frostiges Paradies 01“ ist der erste Roman für Jugendliche von Kate Harrison, der einer kreativen Idee einen mystischem Rahmen verpasst und damit auch die Spannung nicht zu kurz kommen lässt, aber gleichzeitig auch die Fantasie anregt, denn für mich war es am Anfang schwer zu begreifen, wie sich die Protagonistin regelrecht in der virtuellen Welt verliert und selbst den Sand unter den Füßen zu spüren vermag.

Neben den zahlreichen Ausflügen an den Traumstrand mit Tücken geschieht auch in der Realität einige Dinge, die noch weitreichende Folgen für die rastlosen Seelen haben werden, die in der schönen Scheinwelt zum Verweilen gezwungen werden. Dabei präsentiert uns die Autorin viele Charaktere, die Megan begleitet haben und damit als potentielle Verdächtige gelten, schließlich war die hübsche, junge Frau ein gefeierter Star der Castingshow „Sing for your Supper“ und hatte mindestens genauso viele Neider, wie Verehrer/innen, die alle ein Stück vom Ruhm haben wollten. In manchen Einschüben erfahren wir auch die Gedanken unseres anonymen Mörders, der noch immer eine Gefahr darstellt, weil er in Alice mittlerweile eine reizvollere Ausgabe der „Nachtigall“ sieht, wie Megan von den Fans genannt wird.

Der erste Teil war ein gelungener Einstieg mit kleinen Schwächen im Mittelteil, bei dem das Tempo etwas gedrosselt wurde und sich eine gewöhnungsbedürftige Liebelei in den Mittelpunkt drängte, wodurch das eigentliche Problem und damit auch Megan in Vergessenheit geraten ist – dafür gibt es einen Punkt Abzug. Die Neugierde auf den nächsten Strandausflug (voraussichtlich im März 2014) ist aber ungetrübt und wird auf jeden Fall notiert.