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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 16.02.2021
Wut (eBook, ePUB)
Martenstein, Harald

Wut (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Psychogramm einer zerstörten Kindheit
„Komm raus, Drecksau, verkriech dich nicht, du Stück Scheiße“, das waren die Worte der Mutter zu ihrem zwölfjährigen Jungen, der sich aus Angst vor ihr unter dem Bett verkrochen hatte. An diese Worte in seiner Kindheit erinnert sich Frank, während er die Wohnung seiner Mutter ausräumt. Maria lebt jetzt im Pflegeheim, ist dement und versteht nicht mehr, was um sie herum geschieht. Sie war eine kluge starke Frau, konnte aber nie zeigen was in ihr steckte, was sie gegen alles was ihr im Wege stand wütend machte. Und diese Wut richtete sich sehr oft gegen den Schwächsten, ihren kleinen Sohn. Ihn konnte sie prügeln, ‚bis ihr die Arme müde wurden‘. In ihrem Tun spiegelt sich auch ihre eigene Kindheit und Jugend wieder: von der Mutter früh verlassen, von einer Tante im Bordell aufgezogen, den Krieg erlebt, in einer Klosterschule Zucht und Ordnung kennen gelernt und aus Verzweiflung früh geheiratet. Auch Frank hat mit der Wut und den Folgen der Schläge sein Leben lang zu kämpfen. Als er siebzehn Jahre alt ist eskaliert ein Streit, er springt aus dem Fenster und kehrt nie wieder zurück – und als Erwachsener wird er nie richtig beziehungsfähig sein …
Der Autor Harald Martenstein ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller, der 1953 in Mainz geboren wurde. Nach dem Abitur studierte er Geschichte und Romanistik an der Universität in Freiburg. Danach war er Redakteur bei einigen namhaften Tageszeitungen, bevor er 2002 begann, Kolumnen und Essays für verschiedene Magazine zu schreiben. Seither erscheint in jeder Sonntagsausgabe des Tagesspiegels eine Kolumne von ihm. Seinen ersten Roman „Heimweg“ schrieb Martenstein 2007, der, wie auch „Wut“, in der Nachkriegszeit spielt. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Egon-Erwin-Kisch, dem Henri-Nannen und dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Der Autor lebt in Gerswalde (Uckermark) und in Berlin. Er ist in zweiter Ehe mit der Kulturmanagerin Petra Martenstein verheiratet. Gemeinsam haben sie einen Sohn, außerdem hat er noch einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe.
In seinem Vorwort bemerkt der Autor ausdrücklich, dass es sich bei „Wut“ um einen Roman und nicht um eine Biografie handelt. Dieser Eindruck könnte entstehen, da die Geschichte in Ich-Form geschrieben ist. Der Name des Erzählers ist Frank, der Junge der Anfang der 1950er Jahre von seiner psychisch labilen Mutter sowohl körperlich, als auch seelisch gepeinigt wird. Dabei drängen sich die Fragen auf, wie die Mutter zu einem solchen Menschen werden konnte und wie sich diese Misshandlungen auf das spätere Leben des Jungen auswirken. Dabei fällt auf, dass Frank als Erwachsener vieles in anderem Licht sieht und er sich zeitweise sogar liebevoll an die Mutter erinnert.
Der Erzählstil ist mitreißend und, trotz schonungsloser Schilderung von Schmerz und seelischem Leid, packend und in gewisser Weise sogar unterhaltend. Das Buch berührt, wühlt auf und stimmt dennoch versöhnlich, denn die psychische Verfassung der beiden Protagonisten wird hier einleuchtend geschildert. Man kann Marias Wut verstehen, aber nicht, dass sie diese an ihrem hilflosen Kind auslässt und man hat Mitleid mit Frank, auf den sich diese Wut allmählich überträgt und der als Erwachsener noch mit seiner Vergangenheit kämpfen muss. Dies zeigt sich besonders gegen Ende, als er offenbar wirr im Kopf ist und sich bei ihm Realität und Illusion vermischen. Auch als Leser ist man verwirrt und kann nicht mehr zwischen Wahrheit und Phantasie unterscheiden. Hier hätte es wohl einer besseren Erklärung bedurft!
Fazit: Meine Empfehlung, lesen!

Bewertung vom 11.02.2021
Sprich mit mir
Boyle, T. C.

Sprich mit mir


sehr gut

Affenliebe
Als die Studentin Aimee zufällig im Fernsehen eine Sendung sieht, bei der Professor Guy Schermerhorn mit seinem Schimpansen Sam, dem er das Kommunizieren mittels Gebärdensprache beigebracht hat, auftritt, ist es um sie geschehen. Sie möchte Sam unbedingt kennenlernen und bewirbt sich bei Schermerhorn um die Stelle einer studentischen Hilfskraft. Bereits bei ihrem ersten Besuch im Hause des Professors springt der zweijährige Sam in Aimees Arme und lässt sie nicht mehr los. Sie ist hingerissen von dem kleinen lebhaften Kerl und ist von nun an für sein Wohlergehen verantwortlich. Sie zieht ihn wie ein Kind auf, lernt selbst die Gebärdensprache und unterhält sich mit ihm, verliebt sich in ihn - und wird auch bald die Geliebte des Professors. Doch nach einigen Jahren werden die Fördermittel des Verhaltensforschungs-Programms gestrichen und Guy muss Sam seinem ehemaligen Besitzer zurückgeben, der ihn für Laborversuche zur Verfügung stellen will. Aimee kann es nicht fassen, für sie bricht eine Welt zusammen und so beschließt sie gegen alle Vernunft, den Kampf um Sam aufzunehmen …
Der US-amerikanische Schriftsteller T. C. Boyle wurde 1948 in Peekskill, New York, geboren. Er studierte Englisch und Geschichte an der New York State University und erwarb den Doktortitel in englischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Von Ende der 1970er Jahre bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles. Er ist bekannt für seine gründlich recherchierten Romane, die oft auf realen Ereignissen basieren, und die in vielen Sprachen übersetzt wurden. Heute lebt der Autor gemeinsam mit Frau und Kindern in Montecito, Kalifornien.
„Sprich mit mir“ ist ein bitterböser Roman, der mit brutaler Offenheit aufzeigt was geschehen kann, wenn Menschen versuchen Tiere zu vermenschlichen. Ein Tier in Kleidung zu stecken, am Tisch mitessen zu lassen und mit ihm im selben Bett zu schlafen ist weder für den Menschen, noch für das Tier gut. Die Beziehung zwischen Aimee und Sam mag während seiner Kindheit noch tolerierbar sein, nach seiner Geschlechtsreife jedoch unnatürlich und äußerst gefährlich, da ein ausgewachsener Schimpanse Kräfte entwickeln kann, die nicht mehr beherrschbar sind. Gleichzeitig ist der Roman auch eine massive Kritik an Tierversuchen und Experimenten an Tieren, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft und Forschung vorgenommen werden.
Neben der interessanten Handlung ist auch der Schreibstil bemerkenswert. Boyle wechselt in der Geschichte die Perspektiven zwischen Aimee, Sam und dem Professor und unterstreicht so die Dreierbeziehung, indem er den Leser jeweils in ihre Gefühle und Gedanken hinein versetzt. Ja, auch Tiere haben Gefühle (wie jeder Tierbesitzer weiß), und besonders die von Sam wühlen auf, schockieren und stimmen sehr nachdenklich. Man ist irritiert von seiner menschlichen Seite und bestürzt, wenn plötzlich das wilde Tier in ihm durchbricht. Hat der Mensch wirklich das Recht, wilde Tiere zu vermenschlichen, in Käfige zu stecken und sie für seine Zwecke zu missbrauchen?
Fazit: Ein außergewöhnlich einfühlsamer Roman über Tierliebe, über die Vermenschlichung von Tieren und über deren Missbrauch – sehr lesenswert.

Bewertung vom 20.01.2021
Vati
Helfer, Monika

Vati


ausgezeichnet

Erinnerung an den Vater!

Nach dem Erfolg ihre Buches „Die Bagage“ schrieb Monika Helfer nun ein weiteres Erinnerungsbuch, diesmal über ihren Vater, Josef. „Vati“ sollten ihn seine Kinder nennen, dies würde modern klingen, meinte er, und dies ist auch der Titel des Buches. In einem angenehmen plaudernden Erzählstil, so als würde man bei einer Tasse Kaffee zusammen sitzen, berichtet die Autorin über ihr Leben, ihre Kindheit und natürlich über den Vater, diesen ganz besonderen Mann, der im Krieg ein Bein verlor und im Lazarett Grete, eines der vielen Kinder der „Bagage“, kennen lernte. Sie war seine große Liebe, wurde seine Frau und die Mutter von vier seiner sechs Kinder. Seit seiner Kindheit liebte er Bücher, wollte sie besitzen und träumte von einer eigenen Bibliothek. Sein Traum erfüllte sich, als er Verwalter des Kriegsopfer-Erholungsheimes in den Bergen wurde. Dort, inmitten der herrlichen Natur, wuchsen Monika Helfer und ihre drei Geschwister auf. Doch dieses Glück währte nicht ewig, irgendwann schlug das Schicksal erbarmungslos zu. Hier weiter zu erzählen würde m.E. zu viel der Geschichte vorweg nehmen. Nur so viel sei gesagt, dass das Leben des Vaters und der ganzen Familie in völlig anderer Richtung weiter verlief …

So schweigsam wie ihr Vater war, so verhalten berichtet die Autorin von dessen Leben. Sie geht dabei nicht chronologisch vor, sondern erzählt einzelne Episoden, wie sie gerade aus der Erinnerung auftauchen. Auch die ganze Verwandtschaft, Brüder und Schwestern der Großeltern, Onkel und Tanten der Autorin und ihrer Geschwister, sind in die Geschichte involviert und steuern mit teils kuriosen Ereignissen und Begebenheiten zum guten Gelingen des Buches bei. Dabei entsteht eine Stimmung, die tief berührt und beeindruckt und gelegentlich an die eigene Kindheit erinnert, an Erlebnisse, die man längst vergessen glaubte. Monika Helfer erzählt viel von sich selbst, von ihrem teils zwiespältigen, teils innigen Verhältnis zum Vater, was diese Biografie sehr persönlich macht. Das Buch gibt dem Leser einen tiefen Einblick in die Verhältnisse der Nachkriegszeit und ist gleichzeitig die Würdigung eines Mannes, dessen Leben und dessen Psyche vom Krieg geprägt wurden.

Fazit: Schonungslos ehrlich und sehr persönlich, ein wunderbares Buch, das ich gerne weiter empfehle.

Bewertung vom 09.01.2021
Wiedersehen im Land der Weihnachtssterne / Weihnachtsstern-Saga Bd.2
Thannbach, Lea

Wiedersehen im Land der Weihnachtssterne / Weihnachtsstern-Saga Bd.2


gut

Die Familiensaga geht weiter …

Stella ist zurück in Deutschland und wohnt nun in der alten Villa ihrer Mutter bei der Gärtnerei. Sie kann sich nicht entschließen ihr Leben in München aufzugeben und für immer nach Kalifornien zu ziehen, weiß aber auch keinen Rat wie es nun weiter gehen soll. Das Haus müsste renoviert werden und in der Gärtnerei ist ein Gewächshaus eingestürzt, doch ihr fehlt das Geld. Da erscheint plötzlich als Retter in der Not ein Mann, der behauptet der verschollene Onkel Max zu sein. Er bietet Stella an, die Finanzierung zu übernehmen falls es ihr gelingt, ihn mit seinen Geschwistern wieder zu versöhnen. Die beiden fliegen nach Kalifornien, wo Stella von Adam und Lizzy wieder herzlich empfangen wird. Nach und nach erfährt sie, wie es seinerzeit zum Streit mit Max kam. Aber wird es Stella auch gelingen, die Familie wieder zusammen bringen?

Die Autorin Lea Thannbach wurde 1991 geboren und wuchs in der Nähe von München auf. Sie studierte Journalistik an der Universität Eichstätt, war Mitglied der Drehbuchwerkstatt „Toptalente“ und wurde für das „First Movie Plus"-Programm des Filmzentrums Bayern ausgewählt. Neben dem Schreiben gilt ihre Leidenschaft dem Reisen in ferne Länder, wo sie oft Inspirationen für neue Geschichten findet. (Quelle Thalia)

Dieser 2. Teil der Familiensaga schließt nahtlos an den 1. Teil an. In Kalifornien erfährt Stella aus Gesprächen mehr über die Familie Licht, über ihre Farm und die Züchtung von Weihnachtssternen. 1940 haben Lizzy, David und Max, die Kinder von Feli und Philipp, die Farm übernommen und sind erfolgreich im Geschäft. Auf den Feldern leuchtet in sattem Rot die Poinsettia, die schönste aller Winterblumen, bis plötzlich ein großer Brand ausbricht. Jetzt droht die Familie alles zu verlieren, die Brüder zerstreiten sich und Lizzy verliebt sich in ihren Jugendfreund Miguel …

Die Geschichte gliedert sich in mehrere Zeitebenen, die wechselweise in relativ kurzen Kapiteln behandelt werden. Es kommen immer mehr Familienmitglieder und andere Personen hinzu, so dass man schon mal die Übersicht verlieren kann. Dadurch lässt es sich nicht mehr so flüssig lesen, obwohl der Schreibstil immer noch von angenehmer Struktur ist. Es wird viel von Liebe, Verwicklungen und Geheimnissen berichtet, über die weitere Entwicklung und weltweite Verbreitung der Weihnachtssterne erfährt man hingegen nur wenig. Durch die verschiedenen Familiengeheimnisse, die bereits im 1. Teil aufgetaucht sind, wird die Spannung durchgehend bis zum Schluss, als es sich endlich alles auflöst, aufrecht erhalten.

Fazit: Ein Buch das nett zu lesen ist und sich besonders für gemütliche Abende während der Weihnachts- und Winterzeit eignet.

Bewertung vom 06.01.2021
Im Land der Weihnachtssterne / Weihnachtsstern-Saga Bd.1
Thannbach, Lea

Im Land der Weihnachtssterne / Weihnachtsstern-Saga Bd.1


sehr gut

Wie der Weihnachtsstern die Welt eroberte
Nach dem Tod ihrer Mutter findet Stella in ihren Unterlagen eine Einladung zum Poinsettia-Ball, der alljährlich am 12. Dezember im kalifornischen Laguna Beach stattfindet. Sie erfährt, dass sie dort eine Familie hat, von der sie bisher nichts ahnte und beschließt, die Einladung anzunehmen. In Kalifornien erfährt Stella dann nach und nach die Geschichte ihrer Familie: wie 1910 Felizitas Eltern von München auswanderten, wie Felizitas den Farmerssohn Philipp kennen und lieben lernt und wie sie gemeinsam eine unbekannte wilde Pflanze entdecken und beschließen, diese anzubauen. Noch ahnen sie nicht, dass sie bald die prachtvollste Weihnachtspflanze der Welt züchten werden …
Die Autorin Lea Thannbach wurde 1991 geboren und wuchs in der Nähe von München auf. Sie studierte Journalistik an der Universität Eichstätt, war Mitglied der Drehbuchwerkstatt „Toptalente“ und wurde für das „First Movie Plus"-Programm des Filmzentrums Bayern ausgewählt. Neben dem Schreiben gilt ihre Leidenschaft dem Reisen in ferne Länder, wo sie oft Inspirationen für neue Geschichten findet. (Quelle Thalia)
Der Roman „Im Land der Weihnachtssterne“ beruht auf der wahren Geschichte einer deutschen Familie, die Anfang des 20. Jahrhunderts auswanderte, um sich in Kalifornien ein neues Leben aufzubauen. Wir begleiten Felizitas, die Tochter der Familie, von 1910 bis etwa 1918 und sind mit Stella im Jahre 2005 auf den Spuren ihrer Urgroßmutter und deren Nachkommen - und erfahren dabei auf unterhaltsame Weise wie die beliebte Pflanze, die heute zur Weihnachtszeit in jedem Wohnzimmer steht, einst entdeckt und kultiviert wurde.
Der Schreibstil ist leicht und flüssig, sehr angenehm zu lesen und gut dem Genre angepasst. Liebevoll recherchierte Details und großartige Landschaftsbeschreibungen machen das Lesen zum Vergnügen. Die Figuren sind gut ausgearbeitet, wirken sehr lebensecht und ihre Handlungen sind meist nachvollziehbar. Das Geschehen wechselt kapitelweise zwischen früher und heute. Als Leser bekommt man einen umfassenden Eindruck von den Schwierigkeiten, mit denen die Auswanderer damals zu kämpfen hatten. Unerwartete Wendungen, zu Herzen gehende Liebesbeziehungen und schwierige Zeiten wechseln in rascher Folge mit heiteren und fröhlichen Begebenheiten, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet und die Spannung hoch hält.
Sehr schön ist im Anschluss an den Roman der Weihnachtsgruß der Autorin, in dem sie u. A. erklärt, durch welche Umstände sie zum Schreiben dieser Geschichte angeregt wurde, sowie eine Leseprobe zum nachfolgenden Buch „Wiedersehen im Land der Weihnachtssterne“.
Fazit: Ein netter, kurzweiliger Roman mit gutem geschichtlichen Hintergrund, der besonders für gemütliche Lesestunden während der Weihnachts- bzw. Winterzeit geeignet ist.

Bewertung vom 28.12.2020
Drei Frauen im Schnee (eBook, ePUB)
Imboden, Blanca

Drei Frauen im Schnee (eBook, ePUB)


gut

„Alles wird gut“ – wirklich?
„Alles wird gut“ – ein Spruch, den Sonja sich immer wieder vorsagt, - „alles wird gut“. Eigentlich wollte sie dieses Jahr mit ihrem Mann und ihren Zwillingen Weihnachten ganz anders feiern, doch ihre im Haus lebende Schwiegermutter bestand wie immer auf die althergebrachten Rituale und lud zudem zum Fest noch ihre beste Freundin samt altem Dackel ein. Als sie dann am Weihnachtsabend, entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Eltern, den Zwillingen auch noch einen jungen Hund schenkt, gerät das Fest aus den Fugen und Sonja ergreift die Flucht. Bei ihrer nächtlichen Wanderung lernt sie zwei Frauen kennen, die einsame Bernadette und die junge Witwe Karin, mit denen sie sofort Freundschaft schließt. Als auch noch Silvester anders als erwartet verläuft, ist das Maß für Sonja voll. Gemeinsam mit Bernadette zieht sie in Karins Hotel auf dem Stoos in den verschneiten Schweizer Bergen. Dort erwarten die drei Freundinnen turbulente und aufregende Zeiten …
Die Autorin Blanca Imboden wurde 1962 im schweizerischen Ibach geboren, wo sie auch heute noch lebt. Bevor sie zu schreiben begann war sie Sängerin, arbeitete viele Jahre bei einer Zeitung als Redaktionssekretärin und wurde dann Seilbahnfahrerin an der Seilbahn von Morschach auf dem Stoos. Heute schreibt sie unterhaltsame Frauenbücher, die alle Schweizer Bestseller wurden und deren Handlung überwiegend in ihrer Heimat angesiedelt ist.
„Drei Frauen im Schnee“ ist eine Geschichte, die wunderbar in die Weihnachtszeit passt. Wer kennt nicht den Stress vor und während der Feiertage, die Besuche von Verwandten und die kleineren oder größeren Reibereien und Differenzen – Themen, die hier humorvoll und scharfsinnig aufgegriffen wurden. Mit ihrem leichten, lockeren Schreibstil gelingt es der Autorin, auch ernstere Probleme mit einem Hauch Ironie zu würzen. Sympathische Menschen, schöne Bergwelt und viel Schnee sind weitere Zutaten, um sich mit diesem knapp 200 Seiten umfassenden Buch eine kurze, unterhaltsame Auszeit während der Festvorbereitungen zu schaffen. Die Freundschaft der drei Frauen, ihr Zusammenhalt und ihre gegenseitige Unterstützung, hinterlässt beim Schmökern ein wohliges Gefühl.
Fazit: Eine locker-leichte Geschichte ohne großen Anspruch, im Idealfall in der Zeit um Weihnachten und Neujahr zu lesen.

Bewertung vom 28.12.2020
Miss Bensons Reise
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


ausgezeichnet

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum!
Seit ihr Vater als Kind ihr davon erzählte träumte Margery Benson davon, den bisher unentdeckten „Goldenen Käfer von Neukaledonien“ zu finden. Doch stattdessen ging sie Tag für Tag dem ungeliebten Beruf als Lehrerin nach, bis sie nach einem Vorfall in der Schule alles hinschmiss und kündigte. Nun, als bereits 46Jährige, trifft sie Vorbereitungen für eine Expedition ans andere Ende der Welt. Margery heuert die junge Enid Pretty als Begleiterin an, was sich jedoch bald als Reinfall erweisen sollte. Die beiden Frauen hatten zunächst so gar nichts gemeinsam, ja waren sich sogar unsympathisch, hielten aber in Notlagen zusammen. Ein einschneidendes Ereignis sollte dann die Wende bringen, aus der sich eine tiefe Freundschaft entwickeln wird …
Die 1962 in London geborene Autorin Rachel Joyce ist eine britische Schauspielerin und Schriftstellerin, die bereits 2012 mit „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ einen Bestseller schrieb, der für den Booker Prize nominiert war und den „New Writer oft he Year Award“ gewann. Sie studierte Englisch an der Bristol University in London und arbeitete zunächst als Schauspielerin und dann als Hörspielautorin für die BBC. Rachel Joyce ist mit dem Schauspieler Paul Venables verheiratet und hat vier Kinder.
„Miss Bensons Reise“ ist eine mitreißende Geschichte, tragisch und traurig, aufregend und spannend, auch lustig und vergnüglich – jedoch immer bewegend und faszinierend. Ein schön komponierter Schreibstil, großartige Landschaftsbeschreibungen und viele interessante Themen erwarten den Leser in dieser reizvollen Geschichte. Man ist hautnah am Geschehen beteiligt und begibt sich mit den Protagonistinnen auf eine gefahrvolle Reise ans andere Ende der Welt. Man erlebt mit ihnen spannende Abenteuer, bangt und leidet so manches Mal mit ihnen, kann aber auch mit ihnen über mannigfache Missgeschicke lachen. Dramatische Naturphänomene und gefahrvolle Bergtouren sind so eindringlich geschildert, dass man beim Lesen den Atem anhält. Tragische menschliche Schicksale lassen mitleiden und Erfolgserlebnisse mitfreuen. Dass einige Passagen etwas klischeehaft und leicht überzogen sind und manches gar etwas unrealistisch anmutet, übersieht man gerne, da es nur das Lesevergnügen steigert. Eingefügte Erlebnisse aus der Vergangenheit der Protagonisten wecken das Verständnis für manch unmotivierte Handlung und tragen so zum intensiveren Erleben bei.
Fazit: Ein wunderschönes Buch, das zahlreiche Themen des menschlichen Lebens anspricht und Mut macht, lange gehegte Träume zu verwirklichen.

Bewertung vom 19.12.2020
Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1
Blum, Antonia

Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1


sehr gut

Anfänge der Kinderheilkunde …
Nach dem Tod ihrer Mutter kamen die beiden Schwestern Marlene und Emma Lindow ins Waisenhaus, ein vermeintlicher Makel in der damaligen Zeit. Sie sind deshalb überglücklich, als sie 1911 im Alter von 20 und 18 Jahren das Waisenhaus verlassen und eine Ausbildung als Krankenschwester in der neu errichteten Kinderklinik Weißensee in Berlin beginnen dürfen. Obwohl sie bald zu den besten Lernschwestern gehören, begegnen ihnen auch dort viele Vorurteile. Sind doch ihre Mitschwestern alle aus bestem Hause, die auf die Geschwister herabsehen und selbst vor Intrigen nicht zurückschrecken. Aber auch das Verhältnis der Schwestern zueinander trübt sich zusehends. Die eher schüchterne Emma verliebt sich in einen jungen Hallodri und geht ganz in ihrem Beruf auf, während die forschere Marlene sich in einen Arzt verliebt und selbst Kinderärztin werden möchte …
Antonia Blum ist das Pseudonym eines deutschen Schwesternpaares. Gemeinsam haben sie bereits mehrere erfolgreiche historische Romane veröffentlicht. Als sie auf die faszinierende Geschichte der Kinderklinik Weißensee stießen, war ihnen sofort klar, dass sie ein Buch darüber schreiben wollten. (Quelle: Thalia)
Antonia Blum lebte längere Zeit in Berlin, ohne den Weißen See dort je gesehen zu haben. Erst Jahre später, nachdem sie die Hauptstadt längst verlassen hatte, entdeckte sie durch einen Zufall die Ruine der einstigen Kinderklinik Weißensee und kommt seitdem von dem Ort und seiner bewegten Geschichte nicht mehr los. Heute fährt Antonia Blum nicht nur zum Spazierengehen an den Weißen See, der dem Berliner Stadtteil seinen Namen gab. Sie ist überzeugt, dass dort ein Tor in die Vergangenheit existiert. (Quelle: eBook-Text)
Nun, wie auch die Vita der Autorin sein mag, im Nachwort des Buches steht, dass die Geschichte von Marlene und Emma als Elevinnen der Säuglingsklinik fiktiv ist, sie sich aber sonst an die überlieferten Fakten der Klinik gehalten habe. Dass dem Buch eine gründliche Recherche vorausgegangen ist, ist der überaus fesselnden Geschichte zu entnehmen. Man ist sofort zurückversetzt in die Zeit des Deutschen Kaiserreiches, als die Kinderheilkunde noch in den Kinderschuhen steckte und Frauen begannen, nach und nach ihre Eigenständigkeit zu entdecken. Der Schreibstil ist flüssig und ausdrucksstark, der Klinikalltag könnte sich so abgewickelt haben und sämtliche Personen wirken authentisch. Das Schicksal der beiden Schwestern wirkt überzeugend und ist gekonnt mit den medizinischen Gegebenheiten der damaligen Zeit verknüpft. Das Geschehen ist zwar stellenweise etwas klischeehaft und vorhersehbar, wie aber niemals langweilig. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.
Fazit: Gut gelungener Auftakt einer Serie, deren 2. Teil „Kinderklinik Weißensee – Jahre der Hoffnung“ am 27. September 2021 erscheinen soll.

Bewertung vom 15.11.2020
Dort, wo die Zeit entsteht
Wengenroth, Claudia

Dort, wo die Zeit entsteht


ausgezeichnet

Wenn in den Rauhnächten die Zeit stillsteht …

Um sich vom Ärger und Stress in der Klinik zu erholen, beschließt die junge Ärztin Katharina ihre Weihnachtsferien in der Berghütte der Familie zu verbringen. Sie fährt hin, ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen – sie will ihre Ruhe, will alleine sein. Kaum angekommen erscheint auch schon Irmelin, die alte Bäuerin die nach dem Rechten sieht wenn die Hütte leer steht. Irmelin ärgert sich, ausgerechnet die Rauhnächte, die zwölf Tage von Weihnachten bis Dreikönig, in denen sich Geister eine wilde Jagd liefern und die in den Bergen schon immer als besonders gefährlich galten, hat sich die Städterin ausgesucht. Sie macht einige Andeutungen und gibt Katharina den Rat, auf ihre Träume zu achten. Die junge Frau ist plötzlich verunsichert …

Claudia Wengenroth, die Autorin der Geschichte, wurde 1971 in Leipzig geboren und wuchs auch dort auf. Bevor sie Medizin studierte machte sie eine Ausbildung als Physiotherapeutin. Heute lebt und arbeitet sie als Ärztin im Weserbergland.

Eine mystische Geschichte, auf die man sich ganz einlassen muss. Ich bin froh, sie nicht während der Rauhnächte, der unwirtlichen Zeit zwischen den Jahren, der Zeit der langen Nächte und der Stürme mit Schneetreiben in den Bergen, gelesen zu haben. Denn kaum ist Katharina alleine, beginnen sich bei ihr Traum und Wirklichkeit zu vermischen. Angst macht sich in ihr breit, sie befindet sich in einem magischen Zustand und kann plötzlich Tiere sprechen hören. Jetzt sind nur noch die Kräfte der Natur bedeutsam, Stress, Hektik und Zeit sind unwichtig. Jetzt gilt es, Ängste zu überwinden und zu sich selbst zu finden.

Der Schreibstil der Autorin ist nicht einfach zu lesen, man muss sich darauf einlassen und sich in den Bann der Geschichte ziehen lassen. Dann ist alles ist sehr poetisch, mystisch, magisch und geheimnisvoll spannend. Ist man am Ende wieder zurück in der realen Welt muss man sich erst einmal besinnen und über das Erlebte nachdenken. Man kann viel hinein interpretieren, doch jeder Leser wird es wohl anders empfinden und anders erleben.

Fazit: Eine märchenhafte Geschichte voller Magie, auf die man sich ganz einlassen sollte – nur dann wird das Gelesene wirklich zum Erlebnis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.11.2020
Der stumme Zeuge (eBook, ePUB)
Silvestre, Edney

Der stumme Zeuge (eBook, ePUB)


gut

Sao Paulo/Brasilien: Olavo Bettencourt hat alles im Leben erreicht - er ist Inhaber einer bedeutenden Werbeagentur, hat eine bildhübsche Frau und einen Sohn, der einmal seine Nachfolge antreten soll, und er ist mit allen bekannten Persönlichkeiten von Politik und Wirtschaft befreundet, für die er ihre dunklen Geschäfte abwickelt und dafür lukrative Aufträge erhält. Doch dann erscheint plötzlich ein Inspektor der Bundespolizei mit der Nachricht, seine Limousine wäre überfallen, der Chauffeur erschossen und sein Sohn entführt worden. Aber es war nicht sein Sohn, es war der taubstumme Junge seiner Hausangestellten Irene, der sich im Wagen befand. Während Bettencourts Frau Mara entsetzt und fassungslos reagiert, will er diesen Umstand für seine Zwecke ausnutzen und fasst einen perfiden Plan …

Der Autor Edney Silvestre wurde 1950 in Brasilien geboren und ist in seinem Heimatland ein bekannter Journalist und Fernsehmoderator. Nach mehreren Jahren als Korrespondent in New York lebt er heute wieder in Brasilien. „Der stumme Zeuge“, 2011 im Original erschienen, ist sein zweiter Roman.

Wer einen klassischen Kriminalroman erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Die Entführung eines Kindes ist hier der Aufhänger, um die korrupten Machenschaften von Politik, Finanzwelt und Polizei in Brasilien gegen Ende der 1980er Jahre aufzuzeigen. Es gibt keine Ermittlungen, und die wahren Verbrecher sind eher die Herren der Elite als die kleinen Gangster. Was uns der Autor bietet ist eine unterhaltsame Analyse der Klüngelwirtschaft zwischen den einzelnen Interessengruppen und eine interessante psychologische Studie menschlichen Verhaltens in Stresssituationen. Das Geschehen spielt sich innerhalb zwei Tagen ab, unterbrochen von gelegentlichen Rückblenden, wechselt rasch zwischen den verschiedenen Protagonisten und Schauplätzen und zeichnet somit eine Momentaufnahme im Leben verschiedener Gesellschaftsschichten. Da der kriminalistische Teil leider nur als Nebenstory mitläuft, hat die Geschichte auch kein richtiges Ende. Für einige Personen war es ein Wendepunkt im Leben, andere haben Veränderungen zu erwarten – ansonsten bleibt alles offen.

Fazit: Unterhaltsame Story über die korrupten Verhältnisse in Brasilien Ende der 1980er Jahre. Die Bezeichnung „Kriminalroman“ fand ich irreführend, daher von mir Punktabzug.