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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Desiree
Wohnort: 
Wanne-Eickel

Bewertungen

Insgesamt 116 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2023
Macht
Furre, Heidi

Macht


sehr gut

Liv führt scheinbar das perfekte Leben. Sie ist Pflegerin und hat zwei Kinder, um die sie sich gemeinsam mit ihrem Partner kümmert. Sie lebt in einem schönen Haus und kennt keine Geldsorgen. Doch da ist die Tat, die in Livs Vergangenheit liegt. Lange will sie es sich nicht eingestehen, obwohl sie in einer Notfallambulanz war. Sie will auch das Wort nicht aussprechen: Vergewaltigung. Sie will ihm keinen Raum geben, nur gelingt es nicht. Immer wieder wird sie darauf gestoßen. Sie ist Eine von Zehn. Sie kann die Gedanken, die immerzu darum kreisen, nicht abstellen.
Als ein Mann, der der Vergewaltigung beschuldigt wurde, in ihr Berufsleben tritt, bricht die so sorgfältig fabrizierte und gepflegte Fassade auf und Liv gerät ins Trudeln. Sie stellt sich dem Verbrechen, das an ihr verübt wurde und das ihr ganzes Leben prägt.
„Macht“ von Heidi Furre handelt von einem Thema, das oft unter den Teppich gekehrt wird. Sie zeigt auf, wie sehr und vor allem unterbewusst eine solche Tat das Opfer beeinflusst und über lange Zeit mürbe machen kann. Es ist ein wichtiges Thema und so empfinde ich auch solche Bücher als enorm wichtig, trotzdem bin ich mit dem Roman und der Aufarbeitung nicht warm geworden. Als ich endlich dachte, ich hätte einen Zugang zu Liv gefunden, hab ich ihn auch schon wieder verloren. Manches war mir zu wirr und es kreiste ausschließlich darum, dass sie kein Opfer sein will, worüber sie sich aber zu definieren schien. Es wurde zusehends anstrengender und ich habe viele ihrer Handlungen nicht nachvollziehen können - sie waren mir zu widersprüchlich.
Natürlich weiß ich, dass Menschen, die Opfer wurden, unterschiedlich reagieren und verarbeiten, aber als Protagonistin hat Liv für mich zu wenig Substanz, was ich sehr schade finde, denn wie gesagt, finde ich das Thema außerordentlich wichtig und die Sicht der Opfer wird zu oft hinten an gestellt. Sprachlich war es gut, aber das hat nicht ausgereicht, um mich langfristig zu fesseln. Ich habe leider mehr erwartet.

Bewertung vom 26.01.2023
Frankie
Köhlmeier, Michael

Frankie


weniger gut

Frank, der keinesfalls Frankie genannt werde will, ist fast 14 als sein Opa nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Franks Mutter kümmert sich anfangs um den Opa, der schnell in eine eigene Wohnung zieht. Sie hat Angst vor ihm, verrät Frank aber nicht, was der Opa getan hat. Eigentlich will Frank auch gar nichts mit ihm zu tun haben, denn der Opa bezeichnet sich selbst als ‚Arschloch‘ und verhält sich auch so. Das färbt, gewollt oder ungewollt, auf Frank ab. Als der Opa weg will, schließt sich Frank kurzerhand und unüberlegt an.
Bei Michael Köhlmeiers „Frankie“ habe ich mit einem Opa-Enkel-Roadtrip gerechnet, aber weit gefehlt, denn der Trip geht nur bis zur übernächsten Raststätte. Auch sonst hat mich der Roman enttäuscht. Ich fand nicht nur keinen Zugang zu Michael Köhlmeiers Sprache, die für meinen Geschmack etwas zu dialektbehaftet ist, vor allem fand ich keinen Zugang zu Frank. Ich mochte ihn nicht. Normalerweise stört mich das nicht, aber ich war zusehends von diesem Rotzbengel genervt, der einerseits Gedankengänge hatte, die eher einem Kind entsprachen als einem Vierzehnjährigen, andererseits die eines Erwachsenen, was für mich einfach nicht stimmig war. Auch die Rollen der Männer in Franks Leben sind für mich schwierig: dem Großvater folgt er trotz allem; dem Vater, der ihn verlassen hat, als er noch klein war, rennt er plötzlich hinterher; den neuen Freund der Mutter mag er, dann aber wieder nicht. Doch die Mutter, die sich kümmert, ist die Böse, aber er weiß sie auch irgendwie zu schätzen. Da ist immer eine Ambivalenz, die ich nicht nachvollziehen kann, Pubertät hin und her. Ich verstehe Frank einfach nicht, genauso wenig wie das Ende.
Es wirkt alles irgendwie gewollt und nicht gekonnt. Es sollte aus der Sicht eines Vierzehnjährigen erzählt werden, jugendlich, hipp, aber es war nicht stimmig. Es sollte eine spannende Geschichte erzählt werden, mit einem Knast-Opa und einer Pistole, wirkte aber zu bemüht. Ich habe von einem Bestseller-Autor wirklich mehr erwartet.

Bewertung vom 15.01.2023
Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?
Weber, Sara

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?


ausgezeichnet

„Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ - ein provokanter Titel, den Sara Weber für ihr Buch gewählt hat und eine Frage, die sich bestimmt schon jede*r gestellt hat, der*die sich mit dem Weltgeschehen und der Klimakrise beschäftigt hat und vor allem unter den herrschenden Arbeitsbedingungen leidet. Natürlich könnte es auch schlimmer sein, schlimmer geht immer, aber es könnte auch sehr viel besser sein.
Sara Weber hält die Lupe auf die Arbeitswelt und beschreibt ganz konkret, was falsch läuft und was man besser machen könnte. Sie hat viel recherchiert, mit Menschen besprochen und hat nicht zuletzt selbst unter ihrer Arbeit gelitten und die Reißleine gezogen. Sie zeigt auf, wie sehr sich die Arbeitswelt bereits durch die Pandemie geändert hat, was Remote Work bedeutet und wie eine gerechtere, diversere und inkludierendere Arbeitswelt aussehen könnte. Sie nennt aktuelle Beispiele, aber auch Lösungsvorschläge und drückt den Finger auf die Wunde.
Es ist viel zu tun, wenn wir die Arbeitswelt revolutionieren wollen, aber es gibt keine bessere Zeit als jetzt. Wir stehen vor einem Wendepunkt und eine Veränderung ist unablässig, wenn wir diese Welt und die Menschen, die sie bevölkern, nicht zu Grunde richten wollen. Viele Menschen und gerade die jüngeren Generationen haben begriffen, dass es nicht immer nur höher, schneller, weiter gehen kann und auch nicht braucht. Arbeit ist ein Teil unseres Lebens, ein großer Teil, ein wichtiger Teil, aber eben nur ein Teil. Nur noch zu Arbeiten macht krank. Nicht abschalten zu können, weil die Arbeit einen zu sehr stresst, habe ich selbst schon erlebt. Ich habe zum Glück eine Lösung gefunden, aber diese steht nicht jedem offen. „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ bietet systematische Lösungen an, die einen zum Nachdenken bringen und mehr als wünschenswert sind. Sie beschreiben eine mögliche Utopie, wenn wir endlich anfangen gemeinsam Veränderungen anzustreben.

Bewertung vom 07.01.2023
Nenn mich einfach Igel
Thör, Jacqueline

Nenn mich einfach Igel


ausgezeichnet

„Nenn mich einfach Igel“ von Jacqueline Thör ist ein beeindruckender Debütroman, der bereits 2019 erschienen ist. Igel lebt im Schloß, einer Einrichtung für junge, hilfsbedürftige Menschen, weil die Mutter mal wieder im Entzug ist und fühlt sich dort sehr wohl. Als Sascha einzieht, stellt das Igels Leben, das bis dahin aus Lesen, Arbeiten und sich im Bett verkriechen bestand, auf den Kopf. Sascha, androgyn und nicht willens sich einem Geschlecht zuzuordnen, bricht Igels Schale auf. Sascha nimmt Igel mit eine Welt zu der Igel sich dazugehörig fühlen kann.
So harmlos wie sich die obere Inhaltsangabe anhört, ist es aber nicht. Auf der Lovelybooks-Seite fallen die zurecht ausgewählten Triggerwarnungen: Missbrauch, Selbstverletzung, Gewalt und Alkoholsucht auf. Alles ist enthalten und das Lesen schmerzt sehr, oft. Aber den Roman darauf zu reduzieren wäre falsch, denn ein wichtiges Thema ist sexuelle Identität und wie Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können, diskriminiert werden. Er zeigt auch, wie Radikalisierung funktioniert und was sexuelle Gewalt anrichtet.
„Nenn mich einfach Igel“ entwickelt eine ganz eigene Sogwirkung, ein wenig wie bei einem Autounfall, bei dem man nicht wegschauen kann. Manchmal habe ich mich wie eine Voyeurin gefühlt. Die bildhafte, lyrische Sprache von Jacqueline Thör entschädigt oft für die Grausamkeiten. Ihre Verweise auf das Märchen „Hans mein Igel“, klassische Literatur, sowie auf Filme sind wunderbar eingeflochten und haben dazu beigetragen, dass ich mich noch besser in Igels Lebenswelt einfühlen konnte, was allerdings Igels Schicksal noch schmerzhafter werden ließ.
Eigentlich sollte dieser Roman viel mehr Aufmerksamkeit bekomme, gerade jetzt, wo ein Buch, wie „Das Blutbuch“ den deutschen Buchpreis gewonnen hat. Wir müssen endlich anfangen über geschlechtliche Identität nachzudenken, zu reden und vor allem zu inkludieren. Dazu trägt auch „Nenn mich einfach Igel“ bei.

Bewertung vom 03.01.2023
Rote Sirenen
Belim, Victoria

Rote Sirenen


ausgezeichnet

„Rote Sirenen“ ist ein besonderes Buch. Victoria Belim schildert darin die Suche nach ihrer Vergangenheit auf literarische Art. 2014 kehrt sie in ihre Heimat, die Ukraine zurück. Schon damals herrschte dort Krieg. Eingebetet in ihre eigene Biographie vermittelt sie viel geschichtliches Wissen über die Sowjetunion, Russland und die Ukraine und zwar nicht mit erhobenem Finger, sondern zwischen den Zeilen.
Der Ausgang des Buches ist die Recherche um ihren 1937 verschwunden Urgroßonkel und die Aufarbeitung des Todes ihres Vaters. Ihre Großmutter Valentina und ihr Kirschgarten sind der Fixpunkt ihrer Suche und obwohl sie einige Rückschläge hinnehmen und viele Hürden überwinden muss, findet sie Antworten auf ihre Fragen.
Nicht nur die ukrainische Geschichte und Kultur, mit der ich mich bis jetzt wenig befasst habe, sind interessant und machen das Buch bereits zu einer lesenswerten Lektüre, sondern vor allem die Menschen, die es bevölkern; allen voran Valentina. Die Herzlichkeit des ukrainischen Volkes, die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, trotz oder vielleicht gerade wegen der schlimmen Zeiten, die sie durchstehen mussten, sind verblüffend und herzerwärmend. Man kommt nicht umhin, mitzufiebern, was im Hahnenhaus passiert ist. Aufgrund der ausgezeichneten, prosaischen Erzählweise vergisst man schnell, dass es sich dabei nicht um Fiktion handelt, aber es ist ein Tatsachenbericht, es ist die Geschichte von Victoria Belim und ihrer Familie. Sie haben Schreckliches durchgestanden, weil eine Regierung korrupt und die Bevölkerung diesem Regime ausgeliefert war. Es sollte uns eine Lehre sein, es bei uns nicht so weit kommen zu lassen, aber auch in unserem Europa gegenseitig für uns einzustehen, denn sonst passiert genau das, was jetzt in der Ukraine geschieht.
„Rote Sirenen“ ist ein stilles, ein bedachtes Buch und dadurch umso stärker.
Wer einen besonderen Einblick in die Ukraine und dessen Geschichte bekommen möchte, sollte es lesen.

Bewertung vom 13.12.2022
Nicht aus der Welt
Köhler, Anne

Nicht aus der Welt


ausgezeichnet

Hempel soll den New York Marathon laufen. Das Ticket ist gebucht und alles von seiner Freundin Elfi geplant, doch Hempel will das gar nicht. Er hatte aus purer Not bei ihrem Kennenlernen gesagt, dass das sein Traum sei und das hat sich verselbstständigt. Nun steht er am Flughafen - untrainiert versteht sich.
Franziska ist Professorin, die nach einer überraschenden Schwangerschaft ein Kind hat, um das sie sich trotz Partner allein kümmern muss und ist verständlicherweise überfordert. Beide stranden auf unterschiedliche Weise in einem Hotel von dem niemand weiß und das seinen Bewohnern eine Auszeit vom Leben schenkt.
Das sind nur zwei der Charaktere des Romans „Nicht aus der Welt“ von Anne Köhler. Da sind noch Linda, Juri, Jupp und Hoteldirektor Valentin. Jede*r für sich schon erzählenswert, aber in der Symbiose mit den anderen, noch unterhaltsamer. Sie alles treffen aufeinander und es entsteht ein Chaos aus dem zwingend etwas Neues entstehen muss. Nicht nur das finde ich spannend, sondern auch das Konzept des Hotels, das darauf ausgelegt ist im Verborgenen zu bleiben und eine Zuflucht für diejenigen ist, die es benötigen; die sonst vom Leben verschlungen werden. Durch die liebevoll gezeichneten Charaktere, die jeder für sich auf besondere Weise exzentrisch sind, wird der Lesegenuss noch erhöht und ich konnte nicht umhin die ganze Zeit zu denken, dass daraus eine Verfilmung entstehen sollte, denn das bietet sich geradezu an. Sprachlich ist es zudem sehr gelungen und man spürt, dass Anne Köhler selbst Spass beim Schreiben gehabt haben muss.
Wer eine Auszeit vom eigenen Leben sucht, sollte zu diesem Roman greifen.

Bewertung vom 10.12.2022
Auf der Tonnenseite des Lebens
Leser, Antje

Auf der Tonnenseite des Lebens


ausgezeichnet

Containern, also Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkte retten, ist in Deutschland verboten. Einige machen es trotzdem - aus ganz verschiedenen Gründen. Davon handelt „Auf der Tonnenseite des Lebens“ von Antje Leser, einem Jugendroman, der nicht nur was für die jüngere Generation ist.
Joel lernt Merle kennen, die einen Nachhaltigkeitsblog hat und wird beauftragt als ‚Mann vor Ort’ für sie zu ermitteln. Joel ist froh, nach dem Corona-Lockdown wieder Kontakt zu anderen Menschen zu haben und auch fasziniert von der charismatische Merle. Also fährt er zu den Kosumverweigerinnen Sina und Steff, die ihre Lebensmittel nicht kaufen, sondern retten. Nachdem Joel die beiden begleitet hat und merkt wie viel eigentlich weggeworfen wird, beschließt er regelmäßig mitzumachen, nicht weil er darauf angewiesen ist, sondern weil er die Menschen kennenlernen und ihnen später auch helfen will. Und dann ist da ja auch noch Kira mit dabei.
Nachhaltigkeit ist ein wichtiges und vielseitiges Thema. Dazu gehört auch Lebensmittelverschwendung, nicht nur im eigenen Haushalt, sondern auch von Supermärkten, die täglich Tonnen eigentlich noch essbarer Lebensmittel wegwerfen. Das ist in einer Zeit, in der die Preise in die Höhe schießen und manche Menschen nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, in einer Zeit, in der die Welt aus dem letzten Loch pfeift aufgrund unseres Konsumverhaltens, einfach nicht mehr tragbar. Und die Menschen, die sich dagegen auflehnen, werden bestenfalls belächelt, schlimmstenfalls verteufelt und bestraft. Davon handelt „Auf der Tonnenseite des Lebens“. Covid und dessen Folgen werden auch thematisiert, drängen sich aber nicht in den Vordergrund, was ich gut umgesetzt finde.
Sprachlich ist es jugendlich. Ich bin über manche Begriffe gestolpert, aber das ist wohl eher meinem Alter geschuldet. Am Ende ist es ein gelungener Jugendroman mit guten Story, der dazu einlädt über das Thema Nachhaltigkeit nachzudenken.

Bewertung vom 01.12.2022
Schwerer als das Licht
Raich, Tanja

Schwerer als das Licht


ausgezeichnet

Eine Frau lebt auf einer Insel. Dort hat sie sich eine Festung gebaut, um sich vor dem Außen zu schützen, vor den Gefahren direkt vor der Tür und vor denen, die im Norden leben. Doch dann stirbt die Insel. Die Farben der Pflanzen werden schwächer, die Blätter schwarz. Die Tiere verstummen und fangen an sich gegenseitig zu fressen. Die Trommeln der Anderen umkreisen sie. Das Meer spült tote Fische und Wale an den Strand, auch das Meer stirbt. Die Sterne fallen vom Himmel; Geister streifen über die Insel. Und die Frau scheint langsam den Verstand zu verlieren.
„Schwerer als das Licht“ von Tanja Raich ist speziell. Die Handlung ist verworren, verwirrend, man kann ihr schwer folgen. Erst berichtet die Protagonistin in kurzen Absätzen selbst von ihren Eindrücken, danach folgt immer eine Erzählstimme. Beides hängt zusammen, aber ist auch verschieden. In kurzen Sätzen versteht Tanja Raich eine ganze Menge zu verpacken: Eindrücke, Gefühle, Ahnungen, Bilder, die sich zwar zu einem Ganzen erschließen, aber doch schwer fassbar sind. Der Roman ist eine Dystopie. Es geht um den Untergang der Welt, allerdings auf leisen Sohlen, bis in einem Gewaltakt die Sterne vom Himmel stürzen und alles stirbt.
Für mich ist eindeutig, was Tanja Raich mit ihrem Roman aussagen will: dass wir darauf achten sollen, wie wir mit unserer schönen Erde umgehen. Dass wir es selbst in der Hand haben, dass wir uns selbst für Brutalität entscheiden können, aber auch aufpassen müssen, dass der Hass Anderer uns nicht überrollt. So habe ich es zumindest verstanden. Denn das ist das besondere an diesem Buch: es erzählt uns eine Geschichte, die interpretiert werden kann und soll, auf völlig individueller Weise.
Keine leichte Kost, gewalttätig, brutal, aber auch sprachgewaltig und grandios, wenn man sich darauf einlässt.

Bewertung vom 29.11.2022
Ein Abend mit Marilyn
Wildner, Maxine

Ein Abend mit Marilyn


gut

Marilyn Monroe - Ikone, Sexsymbol und vor allem verkannte Schauspielerin. Inzwischen sollte wohl jede*r wissen, dass hinter Marilyn Monroe mehr steckt als der Schlafzimmerblick und das gehauchte „Happy Birthday, Mr. President“. Auch „Ein Abend mit Marilyn“ von Maxine Wilder ist ein Versuch, die Komplexität dieser Persönlichkeit zu verdeutlichen.
Marilyns 36. Geburtstag soll gefeiert werden. Einige Gäste sind schon anwesend: Marilyns Ex-Mann Joe DiMaggio, der Regisseur Billy Wilder, Schauspieler und Regisseur Lauren Bacall, Schauspiellehrerin Paula Strasberg und zu guter letzt erscheint noch Marilyns Mutter. Nur die Hauptperson lässt auf sich warten. Das nutzen die Anwesenden um von Marilyn zu erzählen. Diese Geschichten pendeln zwischen sexy Diva und hilflos Verlorener hin und her. In Rückblicken erzählen Billy Wilder und Lauren Bacall von Dreharbeiten und mit ihre Mutter tauchen wir in ihre Kindheit, die alles andere als geborgen war. Währenddessen liegt Marilyn passiv in ihrer Wohnung und lässt alles über sich ergehen.
Ich bin ein Fan von Marilyn Monroe, gerade weil sie nicht nur dieses Feme Fatale war als die sie immer dargestellt wird. Sie war interessiert, intelligent, sensibel und hochgradig verunsichert - eine gefährliche Mischung in Hollywood zur damaligen Zeit, gerade für Frauen.
Ihre Zerbrechlichkeit, sowie ihr Hang zum Extremen wird im Roman deutlich. Was mich allerdings irritiert hat, war die Auswahl der Personen, die an diesem Geburtstagstisch saßen und auch die Erzählungen waren sich sehr ähnlich bis auf die Kindheitserinnerungen. Sprachlich hat es mich nicht umgehauen, es war ok, gut und flüssig zu lesen, aber keine literarische Sensation.
Für Leute, die einen schnellen, unterhaltenden Einblick in Marilyn Monroes Leben haben möchte, könnte es was sein, aber für mich ist es nicht komplex genug gewesen, gerade weil sie so lange nur auf Sex reduziert wurde. Auch die Ansichten von Männern über sie haben wir schon zu genüge gehört.

Bewertung vom 27.11.2022
Malen macht glücklich
Runyan, Terry

Malen macht glücklich


ausgezeichnet

Bei „Malen macht glücklich“ von Terry Runyan ist der Titel Programm - bei diesem Buch mit der Kunst des Aquarellierens, doch nicht wie wir es in der Schule mit dem schnöden Wasserfarbkasten „gelernt“ haben. Aquarellfarben sind vielseitig und toll einsetzbar, dass zeigt Terry Runyan mit gezielten Projekten, die zum Ausprobieren einladen, aber nicht nur das.
Anfangs gibt sie eine kleine Produktschulung, wobei sie erklärt, worauf man achten soll, aber ohne Werbung für bestimmte Produkte zu machen. Und was noch wichtiger ist, sie erklärt, wie man mit der eigenen Kreativität umgehen sollte, was einem augenscheinlich im Weg steht (man aber getrost ignorieren kann) und wie man den inneren Kritiker leiser stellt. Einfach machen, ausprobieren und mit Pinsel, Farbe und Papier eine neue Art des Glücks kennenlernen.
Sie ist dabei weit entfernt von Schranken und Verboten oder Ratschlägen, die sich wie Regeln anfühlen. Alles ist erlaubt und es soll ausprobiert werden. Für diejenigen, die es brauchen oder schätzen, gibt es auch Schritt-für-Schritt-Erklärungen, die trotzdem genug Spielraum lassen, um seine eigene Bilder nicht absolut hässlich zu finden (wie ich es oft tue). Sie erklärt verschiedene Methoden und man möchte sich sofort selbst hinsetzen und drauflos malen. So entstehen schnell Katzen und Blumen oder gleich ein ganzes Kunstwerk ohne dass man es verbissen versucht.
Danach ist man glücklich - genau das, was Terry Runyan laut Titel bezwecken möchte mit ihrem wunderschön gestalteten Buch, das ich immer wieder zur Hand nehmen werde, während ich das 30 Tage Projekt ausprobiere.