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urmeli

Bewertungen

Insgesamt 498 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2023
Elternhaus
Mank, Ute

Elternhaus


sehr gut

Die drei, schon längst erwachsenen, Schwestern Sanne, Petra und Gitti haben schöne Erinnerungen an ihr Elternhaus. Ein kleines Häuschen in einem Bauerngarten, Obst und Gemüse wurde dort angepflanzt, geerntet und in Gläsern eingekocht im Keller gelagert. Wenn sie ihre Eltern besuchten, saßen sie an einem alten Küchentisch, sorgsam gehegt und gepflegt, damit auch alles lange hält. Die Eltern haben immer schwer gearbeitet, als Putzfrau und als Handwerker und auch das Haus wurde mit eigenen Händen errichtet.
Nun sind die Eltern alt geworden, die Treppen, das enge Bad, der Garten nicht mehr das Richtige für sie. Das hat die Älteste, Sanne, beschlossen, den Eltern eine altersgerechte Wohnung besorgt. Die Versorgung blieb an ihr hängen, die neben dem eigenen Haus mit ihren Mann Uwe und den flügge werdenden Kindern genug zu tun hatte.
In diesem Roman geht es um das Loslassen, um Veränderungen und neue Bindungen im Leben. Die unstete Petra, die alle paar Jahre etwas Neues um sich braucht, Sanne, die mit den Veränderungen nicht klar kommt, den alten Eltern, die nicht nur ihr Haus sondern vor allem ihr Umfeld vermissen und sich einsam fühlen. Aus vielerlei Hinsicht ein interessanter Roman der aus Sicht der jeweiligen Protagonisten erzählt wird.

Bewertung vom 24.07.2023
Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3
Seeburg, Uta

Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3


ausgezeichnet

Freiherr Wilhelm von Gryszinski soll im München des Jahres 1896 als Sonderermittler den Verbleib des französischen Diplomaten Henri Fouqué aufklären. Fouqué stand in Verbindung mit einem deutschen Erfinder, der Pläne für die Umsetzung von telegrafischen Falschmeldungen meistbietend verkaufen wollte. Dieser Erfinder wird ermordet, die Pläne sind nicht auffindbar. Ins Visier gerät auch ein russisches Gaunerpaar, die Gespräche belauscht haben und ebenso schnell verschwunden sind. Den Auftrag seines Vorgesetzten, in Paris auf die Spur des Diplomaten zu stoßen nimmt Gryszinski in Begleitung seiner als Schriftstellerin tätigen Ehefrau, gerne an. Neben den Ermittlungen treffen sie in der Künstlerszene so manche inzwischen bekannte Größen.
20 Jahre später kämpft Fritz, sein einziger Sohn, im Schützengraben von Verdun. Von seinem General wird er zu seiner besonderen Mission mit wichtigen Papieren von Paris nach Petrograd entsandt, wo er wieder auf den ungeklärten Fall seines Vaters trifft.
Das Leben der Familie von Gryszinski wird sehr emotional erzählt, man sieht sie direkt vor sich. Die Ermittlungsarbeit vor der Jahrhundertwende war eine andere als zur Jetztzeit, diese wird sehr anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Dazu die packende Handlung mit vielen verzwickten Spuren. Sehr lesenswert.

Bewertung vom 23.06.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


ausgezeichnet

Der Forscher und Mitarbeiter der Firma Leitz tüftelt schon länger an einer Kamera, jetzt hat er es geschafft. Das kleine, handliche Modell macht hervorragende Aufnahmen, die Menschen werden unverkrampft in Alltagssituationen aufgenommen. Der Firmenchef Ernst Leitz und sein Sohn Ernst, nur der Zweite genannt, haben gerade erfolgreich ein Mikroskop auf den Markt gebracht, nun werden sie führend in der Herstellung von Kleinbildkameras. Doch schwierige Zeiten stehen bevor, der erste Weltkrieg, die Inflation der 20er Jahre und der aufkommende Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg belasten das Unternehmen wie auch die demokratisch und sozial eingestellte Familie. Der Zweite, inzwischen auch seine Söhne, halten das Werk am Laufen, während der Juristin Elfie nur die Mutter- und Ehefraurolle bleibt. Im kleinen versucht sie das Leben der Zwangsarbeiterinnen besser zu gestalten und hilft Juden zur Flucht. Sie erinnert sich noch gut an den Laden der Familie Gabriel, das Haus der Präsente, an Dana und Milan Gabriel, die im Nazideutschland unterschiedliche Wege gingen. Die Liebe und das Können als Fotograf und Entwickler bestimmten ihre Wege.
Der Roman erzählt die Firmengeschichte Leitz und die Entwicklung der Leica, immer wieder mit Informationen zur Kamera, den besten Einstellungen und Entwicklung der Fotos versehen. Die Familie Leitz gehört zwar zu den Privilegierten, aber auch sie haben unter den Nazis zu leiden, sie haben Streitigkeiten und die hochintelligente Elfie hat als Frau wenig zu sagen.
Der Roman ist nicht nur für Fotografen hochinteressant.

Bewertung vom 23.06.2023
Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki


gut

Nachdem die 25-jährige Takako schon seit längerem mit ihrem Freund und Arbeitskollegen zusammen ist, verkündet dieser, dass er bald heiraten wird. Sie wundert sich über diesen seltsamen Heiratsantrag bis sie merkt, das nicht sie die Auserwählte ist. Für Takako bricht eine Welt zusammen, sie kündigt in der Firma und verbringt ihre Tage nur noch in ihrer Wohnung. So kann es nicht weitergehen findet ihre Mutter und vermittelt eine Unterkunft in dem Antiquariat Morisaki. Ihr Onkel wurde vor vielen Jahren von ihrer Tante verlassen und benötigt Hilfe in der Buchhandlung. So langsam geht es mit Takako wieder bergauf, sie entdeckt das Lesen als Balsam für die Seele, bis aus heiterem Himmel die Tante wieder auftaucht, ohne eine Erklärung für ihr Fortbleiben.
Die Handlung des Romans plätschert so dahin, es passiert nicht viel. Die Protagonisten trauern ihren verflossenen Lieben hinterher und verkriechen sich hinter Büchern, statt am Leben teil zu nehmen. Der Schreibstil ist sehr gut, die Handlung langatmig und ereignislos.

Bewertung vom 23.06.2023
Die Affäre Alaska Sanders
Dicker, Joël

Die Affäre Alaska Sanders


ausgezeichnet

Aus der Sicht des Schriftstellers Marcus Goldman wird die Tragödie um die Ermordung Alaska Sanders erzählt. In ihrer Heimatstadt Salem wurde die junge Frau zur Schönheitskönigin gewählt, dieses sollte zu einem Sprungbrett für ihre Schauspielkarriere werden. Ganz überraschend zieht sie in die Kleinstadt Mount Pleasant zu ihrem Freund Walter um dort in einer Tankstelle zu jobben. Am Abend nach ihrer Kündigung wird sie ermordet. Alle Indizien weisen auf Walter als Täter, der in der Vernehmung seinen Freund Eric mit hinein zieht. Walter erschießt sich und Eric wird zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Das alles geschah im Jahr 1999, nun 11 Jahre später, nimmt sich Sergeant Gahalowood den Fall noch einmal vor und entdeckt viele Unstimmigkeiten. Er bittet den erfolgreichen Schriftsteller, der bereits durch die Aufdeckung eines anderen Falles Berühmtheit erlangte, um Hilfe.
Der Thriller ist sehr vielschichtig aufgebaut, viele Hintergründe und Rückblenden werden so geschickt eingebunden, dass man nie den Faden verliert und der Handlung problemlos folgen kann. Auch wenn sich Teile auf die Vorgängerbände beziehen ist die Kenntnis nicht Voraussetzung. Der Thriller ist durch immer neue Erkenntnisse der Ermittler sehr spannend und schriftstellerisch auf einem sehr hohen Niveau. Die Charaktere der Protagonisten sind extrem gut herausgearbeitet.

Bewertung vom 07.06.2023
Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
George, Nina

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu


sehr gut

Jean Perdu lebt nunmehr seit vier Jahren in der Provence, er ist glücklich mit der Bildhauerin Catherine und seinen Freunden. Bis er durch besondere Umstände sein Bücherschiff zurückerhält. Soll er wirklich sein Leben wieder ändern, wieder zurückschippern nach Paris? Max will ihn begleiten, er ist überfordert von der Nachricht, dass er Vater wird und er braucht Zeit zum Nachdenken. Während die Beiden die Wasserwege und Schleusen bereisen kümmert sich Max um social media, um Interneteinträge, Themen, die für Jean Perdu fremd sind. Durch den zunehmenden Bekanntheitsgrad kommen alte Bekannte und auch neue Menschen zu ihnen, zum Bücher kaufen und um ihre Probleme zu besprechen. Denn auf dem Bücherschiff gibt es nicht einfach Bücher zu kaufen, für Perdu sind Bücher Medizin, daher führt er eine Pharmacie, eine literarische Apotheke. Er spricht mit den Besuchern und sucht danach das richtige Buch für sie heraus.
Ein weiterer großer Passus in dem emotional geschriebenen Roman ist die große Enzyklopädie der kleinen Gefühle, mit denen sich Perdu durch die Beobachtungen die er macht, beschäftigt. Die Handlung wird langsam erzählt, es geht mehr um persönliche Befindlichkeiten als um Aktionen und man muss sich darauf einlassen, sonst wird es schnell langweilig. Einiges ist sehr fantasievoll, manches unrealistisch, manches gleicht einem Wunder, es ist auch ein wenig Märchen, natürlich mit einem Wohlfühlende. Manchmal ein wenig zu dick aufgetragen.

Bewertung vom 07.06.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


sehr gut

Nach dem ersten Band der Trilogie ist Danny Ryan auf der Flucht. Der Mafiakrieg zwischen der irischen und der italienischen Familie hat viele Opfer gefordert. Nachdem seine Frau Terri dem Krebs erlegen ist, hält ihn nichts mehr an der Ostküste der USA, er reist mit einpaar seiner treuen Freunde, seinem alten und dementen Vater Marty und dem 18-monatigen Sohn Ian nach San Diego, dem Sehnsuchtsort seines Vaters. Mit seinem noch vorhandenem Vermögen möchte er ein ehrbares Leben führen. Verstecken kann er sich nicht, neben einem Drogenboss und der italienischen Mafia ist auch das FBI hinter ihm her. Bei seiner Mutter Madeleine, die ihn früh verlassen hat, es zu Reichtum und Einflussnahme bei wichtigen Personen aus der Wirtschaft und Politik gebracht hat, findet er kurzzeitig Unterschlupf und Hilfe. Bis er von der Verfilmung des Mafiakrieges erfährt, Einfluss auf den Film nehmen will und sich in die Schauspielerin Diane verliebt, die den Part von Pam spielt, der Frau, die für den Konflikt der Familien verantwortlich war.
Bevor Pam auf der Bildfläche erschien war für die Mafiosi alles in bester Ordnung. Die Geschäfte waren gerecht verteilt, man war befreundet. Danach gab es nur noch Missgunst und Tote, Verlierer auf allen Seiten, das ganze Gefüge geriet außer Kontrolle.
Der Roman schildert mehr die Seelenzustände der Protagonisten, die alle in schwierigen Situationen sind. Als Mafiosi kann man sich nicht zur Ruhe setzen, überall gibt es Kontakte, Neider und Erpressungen. Von allen gejagt zu werden heißt auch, wieder töten zu müssen und erneut Rache auf sich zu ziehen. Ich bin gespannt ob Danny im dritten und letzten Teil der Reihe ein anständiges Leben mit seinem Sohn gelingt. Spannend, wenn auch mit manchmal etwas unglaubwürdig.

Bewertung vom 07.06.2023
Die Revanche des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.2
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Die Revanche des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.2


ausgezeichnet

Das einst so beschauliche Hafenstädtchen Port Grimaud an der französischen Mittelmeerküste erlebt unruhige Tage. Seitdem die Familie Vicomte die dokumentierte Herrschaft über den Ort innehaben möchte sie eine mondäne und exklusive Stadt daraus machen. So erhält der Wassertaxifahrer Karim Petitbon keine Arbeitserlaubnis mehr und Delphine hat ihren Handyladen zu räumen. Guillaume Lipaire ist in Geldnöten und musste sich schweren Herzen von seinem Oldtimer trennen. Aus der Gruppe der Unverbesserlichen scheint es nur Paul gut getroffen zu haben, der in eine Gärtnerei investiert. Als die Schikanen und Schwierigkeiten für die einfache Bevölkerung überhand nehmen muss etwas geschehen. Sogar die in New York Schauspiel studierende Tochter des Bürgermeisters, Jacky, fliegt wieder zurück. Gemeinsam werden nun Pläne geschmiedet und sehr dilettantisch ausgeführt, was beim Lesen immer wieder für Heiterkeit sorgt. Der plötzliche Tod des alten Pudels von Lizzy Schindler und das Einfärben eines ähnlich aussehenden Hundes sorgen für betriebsame Hektik in der Gruppe. Ein Phantom, das sehr genau über die Pläne der Unverbesserlichen Bescheid weiß und per Handy Tipps und Informationen weitergibt, bringt die Gruppe immer wieder auf neue Ideen. Schließlich müssen sie die Herrschaft der Vicomtes, welche durch ihr gefundenes Dokument erst ermöglicht wurde, verhindern.
Sehr humorvoll und kurzweilig werden die Lebensumstände der Hafenstadtbewohner und deren tollpatschigen, naiven Gaunereien beschrieben. Es ist nicht zwingend nötig, den ersten Teil der Serie gelesen zu haben. Ich gehe von einer Serie aus, denn am Ende gibt es einen Cliffhanger, der auf eine Fortsetzung deuten.

Bewertung vom 07.06.2023
Dalee
Gastmann, Dennis

Dalee


sehr gut

Indien hat gerade seine Unabhängigkeit erlangt, die Arbeitsbedingungen für die einfache Bevölkerung haben sich seitdem verschlechtert. Als ein Investor Elefanten und deren Mahuts, den Elefantenführern, für das Abholzen auf einer Andamaneninsel benötigt, entschließt sich Bellinis Vater mit dem schon betagten Dalee und der Familie umzusiedeln. Das Verladen der Elefanten ist bereits eine Herausforderung und die Überfahrt fordert Verluste bei Mensch und Tier. Die Bedingungen auf der ehemaligen Sträflingsinsel Mayabunder sind hart, für Mensch und Tier. Die Arbeitselefanten leiden unter Gewalt und Ausnutzung, andererseits sind sie auch das Kapital der Mahuts und werden gehegt und gepflegt, gefürchtet und geliebt. Der Druck der Arbeitsleistung wird immer höher und bei Dalee bemerkt man eine zunehmende Vergesslichkeit, was zur Gefahr für alle werden kann.
Das, für uns exotische, Leben der indischen Bevölkerung und das der Arbeitselefanten wird bildhaft und emotional beschrieben. Man kann mit ihnen in den Dschungel eintauchen und mitfühlen. Der Konflikt zwischen den verschiedenen Lebensmodellen und Glaubensrichtungen der Europäer und der aus vielen Gruppierungen bestehenden indischen Bevölkerung wird ein wenig beleuchtet, wenn ich mir auch ein mehr an politische Informationen gewünscht hätte.

Bewertung vom 15.05.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


ausgezeichnet

Der Krieg ist bereits seit einigen Jahren zu Ende, die Spuren davon sieht man noch an allen Ecken und Kanten in Wien. Der junge, bei den barmherzigen Schwestern aufgewachsene, Robert Simon sucht nach einem Weg für sein Leben. Ein Zimmer bei einer Kriegerwitwe ist der Anfang und als er dann eine leerstehende Kneipe sieht, ist seine Zukunft klar. Hier will er ein Cafe eröffnen. Seine ganze Energie steckt er hinein und bald kommen ältere Frauen, Marktbesucher und Arbeiter in der Mittagspause und zum Feierabend. Er stellt das Bauernmädchen Mila ein, es gibt Rückschläge und gute Seiten und einen Unfall, der auch tödlich hätte ausgehen können. Es wird geliebt und gehasst, es gibt Schlägereien und Versöhnungen, man hilft sich untereinander. In den 10 Jahren, in denen das Cafe existierte, veränderte sich auch Wien, es wurde aufgebaut und neu gebaut und es wurde lauter.
Von dem Leben und den Charakteren dieser Menschen berichtet Robert Seethaler mit so viel Herzenswärme, Ereignisse werden beschrieben ohne sie zu werten. Ein wunderschöner Roman.