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Alais

Bewertungen

Insgesamt 186 Bewertungen
Bewertung vom 28.01.2020
Im Netz des Lemming / Lemming Bd.6
Slupetzky, Stefan

Im Netz des Lemming / Lemming Bd.6


ausgezeichnet

Ein schönes Leseerlebnis – unterhaltsam und klug!
Dieser Kriminalroman mit österreichischem Lokalkolorit hat mich mit seinem Facettenreichtum und einem gelungenen Balanceakt zwischen Leichtigkeit und Tiefgründigkeit tief beeindruckt. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut es Slupetzky gelingt, einen feinen Humor mit einem scharfen Blick auf gesellschaftliche Phänomene und politische Entwicklungen sowie der traurigen Geschichte eines kleinen Jungen, der in den Tod getrieben wird, zu kombinieren, ohne dass diese Kombination an irgendeiner Stelle unpassend erscheint. Der ganze Roman ist von einer tiefen Menschlichkeit geprägt.
Durch die Thematik von Cybermobbing, Hasspostings und Meinungsbildung im Internet werden bedrohliche gesellschaftliche Phänomene angesprochen. Zum Nachdenken über mein eigenes Verhalten brachten mich vor allem die wichtigen Themen der Leichtgläubigkeit vieler Internetnutzer und der mangelnden Streitkultur – und ich liebe es, wenn ein Buch es schafft, dass ich mich selbst kritisch betrachte! Dass auch gewisse politische Entwicklungen in Österreich den Autor inspirierten, ist offensichtlich ...
Dennoch ist dies kein politisches oder rein gesellschaftskritisches Buch, das mit erhobenen Zeigefingern wedelt oder zu belehren versucht, sondern ein einfühlsam geschriebener Roman, in dem es um eine Reihe persönlicher Schicksale geht. Dabei präsentiert Slupetzky viele interessante Charaktere, auch Nebenfiguren hinterlassen trotz der Kürze ihres Auftritts einen starken Eindruck. Und immer wieder kreieren wenige Zeilen Wow-Momente.
Ich kann diesen Roman nur mit ganz vielen positiven Adjektiven überschütten – der Autor schreibt wortgewandt, weise, warmherzig, berührend, unterhaltsam, tiefgründig … Sein Schreibstil ist voller Leichtigkeit verfasst und gleichzeitig ist die Geschichte stark verdichtet, sodass es sich lohnt, genauer hinzuschauen, und sich viele Entdeckungen bieten.
Für mich ein ganz großes Lese-Highlight!

Bewertung vom 27.01.2020
Der unschuldige Mörder
Edvardsson, Mattias

Der unschuldige Mörder


sehr gut

Dieser Roman ist weit von einer oberflächlichen, bluttriefenden Thrillerwelt entfernt und überrascht mit einer einfühlsam geschilderten Erzählung und spannenden Einblicken in die Kunst des Schreibens. Ein ansprechender Schreibstil trifft bei diesem Hörbuch auf einen hervorragenden Erzähler, Torben Kessler, dessen Stimme mich ganz in den Bann der Geschichte zog.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Zack, der aufgrund des Zeitungssterbens seinen Job verloren hat und nun versucht, im kreativen Bereich Zuflucht zu finden. Seine Idee, ein Buch über den Fall eines verschwundenen und vermutlich ermordeten Schriftstellers Leo Stark, der sich während seiner Studienzeit ereignet hatte, zu schreiben, weckt die Geister der Vergangenheit …
Zack war mir aufgrund seiner Gradlinigkeit sehr sympathisch. Dass die Hörer die beiden Handlungsebenen, die Vergangenheit und die Gegenwart, zum größten Teil aus seiner subjektiven Sicht erleben, ist allerdings nicht ganz unproblematisch, was auch vom Autor auf geschickte Weise thematisiert wird, beispielsweise merkt Zack selbst, dass er sich lange Zeit ein völlig falsches Bild von seiner Tante gemacht hat. Vielleicht liegt es also an der Tatsache, dass auf Zacks Einschätzung nicht unbedingt Verlass ist, dass der große gefeierte Autor Leo Stark, das mutmaßliche Opfer, auf mich so extrem eindimensional und abstoßend wirkt. Leo Stark benutzt und verachtet andere Menschen nur und die Faszination, die er auf sein Umfeld ausübt, wird so nur schwer nachvollziehbar.
Auch Zacks Mutter ist (aus Zacks Sicht erlebt) etwas übertrieben karikaturistisch dargestellt. Allerdings schenkt dies den Szenen mit Zack und seiner Mutter eine erfrischend lustige Note, was der ansonsten eher traurigen Erzählung guttat.
Durch den literarischen Kurs, den Zack und seine Freunde während ihrer Studienzeit belegt hatten und der sie auch mit Leo Stark in Kontakt brachte, bietet dieses Hörbuch auch eine Fülle von Thesen und Überlegungen zur Kunst des Schreibens, die ich als Bücherwurm unglaublich interessant fand, auch wenn mich das enge und elitäre Bild, das Zacks Dozentin und Leo Stark zeichnen, eher abstößt.
Ein Thriller der etwas anderen Art – hat mir gut gefallen!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2020
Das Geheimnis von Wishtide Manor / Laetitia Rodd Bd.1
Saunders, Kate

Das Geheimnis von Wishtide Manor / Laetitia Rodd Bd.1


gut

Eigentlich liebe ich es, lesend in andere Zeiten einzutauchen, und daher habe ich mich auch sehr über das historische Setting und passende Vergleiche wie „gefühlsdusseliges altes Dampfkesselchen“ (S. 16) gefreut. Doch der Standesdünkel und die Grausamkeit der gesellschaftlichen Regeln brachten mich, auch wenn sie der Erzählung natürlich einen authentischen Anstrich verliehen, immer wieder zum Augenrollen und so war ich von dieser literarischen Zeitreise leider eher genervt als fasziniert.
Dafür fand ich die Hauptfigur Laetitia Rodd gut dargestellt, gerade weil sie ein paar Ecken und Kanten hat. Sie ist zwar sehr schnell darin, andere in Schubladen zu stecken, ist aber auch bereit, ihre Meinung zu ändern. Sie besitzt ein großes Herz und ist als nicht gerade vermögende Witwe, die sich in diesen Zeiten behaupten muss, bewundernswert tapfer.
Der Untertitel „Laetitia Rodds erster Fall“ ist im Übrigen irreführend, denn es wird immer wieder auf frühere Fälle verwiesen, in denen sie ermittelt hat, es handelt sich also lediglich um den ersten Roman zu einem ihrer Fälle. Zum Fall selber: Er hat eine romantisch-tragische Note, die mich etwas an die Brontë-Romane erinnerte, auch wenn ich diese wesentlich beeindruckender als dieses Buch fand. Die begangenen Verbrechen hingegen können mit ihrer Grausamkeit durchaus mit den Bluttaten moderner Thriller mithalten ...
So fand ich die Erzählung zwar spannend und fühlte mich unterhalten, war aber auch etwas enttäuscht. Auch der Schreibstil wagte leider keine größeren Höhenflüge, sondern blieb im annehmbaren Durchschnitt.

Bewertung vom 02.01.2020
Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein, Jetzt sitzt du in der Falle.
Strobel, Arno

Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein, Jetzt sitzt du in der Falle.


ausgezeichnet

Für dieses Buch ließ ich trotz Weihnachtsstress alles stehen und liegen, denn es wollte unbedingt an einem Tag gelesen werden – eine nervenzerfetzend spannende Geschichte mit einer Fülle interessanter Charaktere.
Großartig gewählt fand ich schon den Handlungsort: ein abgelegener, leerstehender Hotelkomplex in den Bergen, in dem eine Gruppe Digital-Detox-Erholungssuchender zusammen mit zwei Hausmeistern durch einen Schneesturm von der Außenwelt und somit jeglicher Hilfe von außen abgeschnitten ist – und in dem ein offenbar schwer gestörter Mensch grausame Taten begeht ... Die schiere Größe und Unüberschaubarkeit mit abgesperrten, noch nicht renovierten Bereichen tragen zum Aufbau der Spannung bei.
Aus diesen Anklängen an die genialen Handlungskonstruktionen von Agatha Christie und mit der Stephen-King-würdigen Location hat Strobel seinen ganz eigenen, unglaublich spannenden Thriller aufgebaut, in dem es in vielerlei Weise um das "Offline"-gehen geht ... Eine Stimmigkeit der Thematik, deren grauenvollem Charakter Strobel sehr einfühlsame Schilderungen der Gefühle der Opfer entgegenstellt. Hier hebt er sich auf wohltuende Weise von vielen Thrillerautoren, die sich allein auf die ach-so-faszinierenden Psychopathen konzentrieren, ab.
Ein großartiger Pageturner für spannende Lesestunden!

Bewertung vom 02.01.2020
Grappa und die Toten vom See / Maria Grappa Bd.23
Wollenhaupt, Gabriella

Grappa und die Toten vom See / Maria Grappa Bd.23


ausgezeichnet

Von der Grappa-Krimireihe von Gabriella Wollenhaupt fühle ich mich immer gut unterhalten und gleichzeitig zum Nachdenken gebracht. Deshalb freute ich mich sehr, für meine Lago-Maggiore-Reise eine passende Urlaubslektüre von dieser Autorin einpacken zu können. Auch dieser Band ist locker-leicht geschrieben und wird doch den beklemmenden und leider immer noch aktuellen Themen Rechtsradikalismus und Rassismus gerecht.
Handlungsort ist dieses Mal nicht nur Grappas Bierstadt (eine fiktive Stadt, von der gemunkelt wird, dass sich die Autorin dabei stark von Dortmund inspirieren ließ ...), sondern wie schon angedeutet auch die idyllische Kulisse vom Lago Maggiore, wo in diesem Roman eine Bierstädter Familie ermordet aufgefunden wird und wo während der Nazizeit schon einmal ein schreckliches Verbrechen stattgefunden hatte ... Letzteres beruht leider auf einer wahren Begebenheit: 1943 begingen deutsche SS-Mitglieder am Lago Maggiore ein Massaker an Juden …
Die Journalistin Grappa, die auch in diesem Band wieder ermittelt, ist zum Leidwesen einiger ihrer Mitmenschen eine ausgeprägte Freidenkerin, die bei mir mit ihrer Schlagfertigkeit immer wieder für gute Laune beim Lesen sorgte.
Nur zwei unwichtige Kleinigkeiten gefielen mir nicht so gut: der Falschgebrauch der Bezeichnung „Übersetzerin“ für „Dolmetscherin“ – das sind zwei verschiedene Berufe, die unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften erfordern und somit manchmal auch von sehr unterschiedlichen Menschen ausgeübt werden. Und: Nur Futter hinstellen für Kater Horsti, während sein Mensch im Krankenhaus ist, finde ich nicht toll, sondern das Mindeste und sogar viel zu wenig Engagement angesichts der Tatsache, dass sich noch Katzenhasser in der Umgebung aufhalten … Dafür hatte ich in diesem Band wieder große Freude an den gewählten Namen - Grappa, Bierstadt und vor allem der Name Horsti für einen Kater brachten mich immer wieder zum Lächeln. Ein bisschen positive Energie benötigte ich als Leserin aber auch, angesichts des traurigen und leider gerade wieder so schrecklich aktuellen Themas ... Die Autorin beweist, dass es möglich ist, auf die in Thrillern üblichen voyeuristisch-detaillierten Beschreibungen blutiger Gräueltaten zu verzichten und dennoch deren Grausamkeit zu verdeutlichen. So flossen dieses Mal bei mir auch einmal Tränen beim Lesen ...
Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass „Grappa und die Toten vom See“ eine sehr schöne Mischung aus einer kräftigen Prise Gesellschaftskritik, humorvollen Dialoge und immerhin einer Katze (Kater Horsti) bietet!

Bewertung vom 21.11.2019
Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2
Garcia Saenz, Eva

Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Keltische Kultur, Baskenland und Kantabrien, das ist für mich bereits eine spannende Mischung und weitgehend Neuland. In diesem Thriller gesellen sich noch eine gruselige Mordserie und ein Ermittlerteam hinzu, das so ganz anders, viel einfühlsamer und taktvoller als die Ermittler in den meisten anderen Thrillern, ist. Und die Autorin möchte darüber hinaus, wie sie in ihrer Danksagung im hinteren Teil des Buches erläutert, mit ihrer Erzählung auch eine Botschaft vermitteln, zu der ich mich aber jetzt nicht weiter äußern möchte, um nicht zu viel zu verraten. Kurzum: Dieser Roman ist sehr viel mehr als „nur“ ein Thriller!
Mir gefielen besonders die klare, vereinzelt bildhafte Sprache und die so einfühlsam geschilderten Charaktere. Auch vermeidet die Autorin in ihrer Erzählung weitgehend Klischees und lässt ihre Figuren gerne mal ganz agieren als erwartet.
Zwei kleine Kritikpunkte habe ich trotz meiner allgemeinen Begeisterung gesammelt, die sich aber schnell relativieren lassen: So fand ich die Nutzung von WhatsApp durch die Polizei haarsträubend naiv und daher unglaubwürdig, vor allem auf so unbedarfte Weise … Da muss man doch nicht erst wie ich einmal einen Hacker gekannt haben, um zu wissen, dass sensible Daten (oder überhaupt irgendwelche Informationen) nicht WhatsApp anvertraut werden dürfen! Aber ich habe gerade etwas gegoogelt und zu meinem Erstaunen erfahren, dass die dienstliche Nutzung von WhatsApp für Polizisten zumindest in Deutschland verboten wurde. WhatsApp-nutzende Polizisten gibt bzw. gab es also tatsächlich – nicht zu fassen ... Ferner ließ meiner Meinung nach die Qualität der Übersetzung zum Schluss hin etwas nach (beispielsweise auf S. 512: „Päckchen, dass“). Das jedoch ist Jammern auf hohem Niveau, denn gerade den Schreibstil fand ich im Allgemeinen sehr ansprechend.
Besonderes Lob und Anerkennung verdienen im Übrigen auch die Zusammenstellung und Gestaltung des Buches: Vorne enthält das Buch einen Ausschnitt aus einem Stadtplan von Vitoria, hinten eine Karte mit der Lage der wichtigsten Städte – damit kann man mich immer begeistern, das schenkt einer Erzählung einen so herrlichen Anstrich von Authentizität! Wieder einmal viel zu spät entdeckt habe ich das praktische Glossar im Anhang, dem auch ein Personenregister vorangestellt ist. Und schließlich beeindruckte mich, dass trotz manchmal großer Beanspruchungen der Buchrücken wie durch Zauberei das Lesen ohne eine einzige Buchrille überstanden hat.
Ein ungewöhnlicher Thriller in hochwertiger Gestaltung, facettenreich und sensibel erzählt – sehr lesenswert!

Bewertung vom 13.11.2019
Wir alle sind Sternenstaub
Klein, Stefan

Wir alle sind Sternenstaub


ausgezeichnet

„Sämtliche Elemente entstanden in den Sternen durch Kernfusion aus Wasserstoff und Helium. Wenn Sie weniger romantisch veranlagt sind, können Sie die Menschen auch als stellaren Atommüll bezeichnen.“ (Martin Rees (Kosmologe), S. 38)
Dann doch lieber Sternenstaub! Für mich ein unglaublich spannendes, im Plauderton gehaltenes Buch, bei dem mich unter anderem die Themenvielfalt und die Vielfalt der Wissenschaftszweige, aus denen die interviewten Wissenschaftler stammen, begeisterten: Roald Hoffmann (Chemiker und Dichter), Martin Rees (Kosmologe, Hofastronom des britischen Königshauses), Hannah Monyer (Neurobiologin), Leonardo da Vinci (Künstler, Erfinder und überhaupt ein Universalgenie – hier wurde das „Gespräch“ aus naheliegenden Gründen nicht persönlich geführt, sondern aus Originalzitaten zusammengebastelt), Raghavendra Gadagkar (Verhaltensforscher), Ernst Fehr (Ökonom), Craig Venter (Biochemiker), Vittorio Gallese (Neurowissenschaftler), Walter Zieglgänsberger (Neuropharmokologe), Sarah Hrdy (Anthropologin), V. S. Ramachandran (Hirnforscher), Jared Diamond (Physiologe und Geograph) und Steven Weinberg (Physiker).
Ich staune immer wieder, wie viel Wissen und wie viele neue offene Fragen hinzugekommen sind, seit ich zur Schule ging. Auch dieses Buch ist jetzt schon nicht mehr taufrisch, aber ich konnte viel daraus lernen und fühlte mich gleichzeitig prächtig unterhalten. Natürlich werden in den Gesprächen die einzelnen Themen nur oberflächlich angerissen, aber so bleibt es für Laien wie mich verständlich. Darüber hinaus mochte ich den philosophischen Touch, der all diese Gespräche prägt.
Erzählt wird unter anderem von liebevoll beobachteten Wespen und kaltherzig gequälten Mäusen und Affen (nein, ich gehöre nicht zu den Menschen, die glauben, dass ein Zweck alle Mittel heiligt, und ja, ich würde eher sterben, als zuzulassen, dass ein Tier für mich stirbt!!). Das Buch bietet interessante Erkenntnisse zum Thema Schmerz und machte mich manchmal sprachlos –angesichts des unglaublich übersteigerten Selbstwertgefühls eines Biochemikers, der zum Teil erschreckenden Ansichten von Leonardo da Vinci (der zugleich tief beeindruckt, weil er seinen Zeitgenossen um Jahrhunderte voraus war – was muss er für ein einsamer, von den Menschen in seiner Umgebung unverstandener Mensch gewesen sein ...), vor allem aber immer wieder aufgrund erstaunlicher Erkenntnisse und Einblicke, die zeigen, in was für einer wunderbaren Welt wir leben, die für uns wohl noch unendlich viele Überraschungen zu bieten hat.
Mein Lieblingsabschnitt ist das Gespräch mit der Anthropologin Hrdy, die mein Menschenbild deutlich verbesserte und mich etwas optimistischer in die Zukunft blicken lässt.
Ein wunderbares Buch, das sich leicht liest und seinen Lesern sehr viel schenkt!

Bewertung vom 03.11.2019
Alles außer fern
Konrad, Ksenia

Alles außer fern


ausgezeichnet

Eine Liebeserklärung an Sprachen als Schlüssel zu der Welt, in der wir leben, mit vielen klugen und inspirierenden Gedanken

„Wollen wir an einer Rose nur die Stacheln sehen, wird sie in unseren Augen zum Unkraut, das man mit aller Gewalt im Garten ausrotten muss, weil sie nur Probleme macht und den anderen Pflanzen Licht wegnehmen könnte. Aber ist das wirklich die einzige Eigenschaft einer Rose?“ (S. 169)
In einem kleinen Ort im titelinspirierenden Tiroler Außerfern lebt und wirkt die Autorin als Deutschtrainerin (die Bezeichnung „Lehrerin“ lehnt sie ab, denn sie sieht im Sprachunterricht eher eine Art Training, das sowohl den Lernenden als auch den Kursleitern ermöglicht, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln). In diesem Buch gewährt sie einen Einblick in ihre Tätigkeit als Deutschtrainerin für Menschen, die aus den verschiedensten Ländern und Kulturen nach Österreich gekommen sind.
Wer wie ich schon einmal versucht hat, anderen Menschen eine Sprache zu vermitteln, oder aber selbst gerne eine weitere Sprache erlernen möchte, kann hier einige wertvolle praxisorientierte Lernansätze finden, die dazu beitragen, das zu Erlernende an konkrete Sinneseindrücke, Emotionen und Erinnerungen zu knüpfen – der Königsweg zu einem erfolgreichen Lernen. Da ich mir manchmal Sorgen um meine Daten mache (man weiß ja nie, wie sich die politischen Verhältnisse in den nächsten Jahrzehnten ändern werden), gefiel mir nur der Einsatz von WhatsApp nicht, aber ich muss zugeben, dass die Vorteile für einen Sprachkurs, das schnelle Kommunizieren auch außerhalb der Trainingsstunden, natürlich auf der Hand liegen ...
Zwischendurch werden kurze und eingängige Erklärungen der verwendeten Grammatikbegriffe gegeben – sodass die Lektüre auch für alle, die sich schon seit längerem nicht mehr mit Grammatik auseinandergesetzt haben, kein Problem darstellt. Am Konjunktiv, Schrecken meiner Schulzeit, erkannte ich ganz neue, so sympathische wie nützliche Seiten („träumen, sich etwas wünschen, höflich streiten und für alles passende Ausreden formulieren“, S. 162). Hier zeigt sich auch der feine Humor, der in diesem Buch immer wieder aufblitzt.
Herzerwärmend fand ich, durch dieses Buch miterleben zu können, wie die Sprache den Deutschkurs-Teilnehmern einen Zugang zu ihrer neuen Heimat und weiteren Möglichkeiten der Lebensgestaltung eröffnet. Sprachen als Schlüssel zu der Welt, in der wir uns bewegen, die Beschäftigung mit Sprachen als das Nachdenken über das Leben und Sprache als Mittel, um unsere Wünsche zum Ausdruck zu bringen, und somit als erster Schritt für die Erfüllung unserer Wünsche – die Leichtigkeit, mit der die Autorin in ihrem Buch über Sprachen und das Leben philosophiert, bezauberte mich und machte es für mich zu einer bereichernden Lektüre.