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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3488 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2024
Alle meine Katzen
Kaminer, Olga

Alle meine Katzen


ausgezeichnet

Katzen sind eine Persönlichkeit, die ihren eigenen Charakter hat. Sie kann scheu sein oder sehr anhänglich, verschmust oder sehr frech. Die russische Autorin Olga Kaminer berichtet in „Alle meine Katzen“ von solchen Katzen-Persönlichkeiten, denen sie zwischen Leningrad/St. Petersburg und Berlin begegnet ist. Dabei erzählt sie jeweils aus der Perspektive der „Mieze“.

In der ersten Geschichte begegnet uns Clarens, ein sibirischer Kater, der bei den Katzen im Bezirk sehr beliebt und von anderen Katern gefürchtet war. Python, ein etwas ungewöhnlicher Katzenname, war dagegen ein konservativer Kater, der der Liebling in einem Studentenwohnheim war. Die Katze Murotschka hatte ihren Auftritt einem Hund, dem Spitz Piff, zu verdanken, der Murotschka gewissermaßen zu seiner Besitzerin mitgeschleppt hat. Masja war ein schwarzer Kater mit weißen Flecken auf den Pfoten, der wahrscheinlich einer türkischen Familie entflohen war, da türkische Lebensmittel sein Lieblingsfutter war. In der letzten von vierzehn Geschichten lernen wir Wassilissa kennen, quasi ein Pariser Souvenir.

Neben den Straßen- und Stubentigern erzählt Olga Kaminer auch viel über ihre Besitzer, ihre Lebensverhältnisse, ihren eigenen Alltag sowie über die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in den Jahren des Umbruchs. Ergänzt wird die Neuerscheinung durch ein Vorwort ihres Mannes, den bekannten Schriftsteller Wladimir Kaminer.

Bewertung vom 18.01.2024
Der Schatz der Sierra Madre
Traven, B.

Der Schatz der Sierra Madre


ausgezeichnet

Der Roman „Der Schatz der Sierra Madre“ des deutschen Schriftstellers B. Traven (Pseudonym) erschien 1927. Fasziniert von Goldgräbergeschichten setzen die beiden heruntergekommenen Amerikaner Dobbs und Curtin ihr letztes Geld auf eine Karte und begeben sich gemeinsam mit dem alten Goldsucher Howard selbst auf die Suche nach Gold in der Sierra Madre. Sie werden schnell fündig – doch schon bald vergiftet der neue Reichtum während der entbehrungsreichen Monate im Gebirge die Beziehungen der drei Goldschürfer. Habgier, Misstrauen und Zwietracht führen zur Katastrophe. B. Traven versteht es, die kaltblütigen Praktiken des big business und das erbarmungslose Ringen der drei Männer bildhaft darzustellen.

„Der Schatz in der Sierra Madre“ ist nicht einfach irgendeine abenteuerliche Geschichte; neben Schilderungen der Korrumpierbarkeit des Menschen durch Gold äußerte Traven auch antikapitalistische Gesellschaftskritik. Als Motto seines Anliegens stellte er die folgenden Zeilen an den Anfang seines Romans:
Der Schatz, den zu finden du die Mühen
einer Reise nicht für wert hältst,
das ist der echte Schatz, den zu suchen
dir dein Leben zu kurz erscheint.
Der funkelnde Schatz, den du meinst,
der liegt auf der andern Seite.
Darüber porträtiert Traven auch die mexikanischen Wildnis und die rauen Sitten der einfachen Arbeiter. Den Leser erwartet bei aller gesellschaftlichen Kritik eine ordentliche Abenteuergeschichte.

Bewertung vom 18.01.2024
Die Brücke im Dschungel
Traven, B.

Die Brücke im Dschungel


ausgezeichnet

„Die Brücke im Dschungel“ ist ein Roman des deutschen Schriftstellers B. Traven (Pseudonym), der 1929 erschien. Auf der Jagd nach Alligatoren gerät der amerikanische Abenteurer Gerard Gale in eine indigene Siedlung mitten im mexikanischen Urwald. Sie liegt an einem Fluss mit einer maroden Brücke, die zwei Welten verbindet. Während eines Tanzfestes in dem kleinen Dorf fällt ein kleiner Junge unbemerkt von allen von der geländerlosen Brücke und ertrinkt. Als bei der Suche nach dem Kind alle Hoffnungen geschwunden sind, entsinnen sich die Dorfbewohner eines uralten Beschwörungsritus, dem der europäisch erzogene Gale staunend zuschaut. Allen seinen Erfahrungen zum Trotz gelingt es, den leblosen Körper des Jungen zu finden.

Gale, der als Ich-Erzähler fungiert, berichtet über den tragischen Unfall und auch über die Aufbahrung sowie die anschließende Beerdigung des Verunglückten. Die Handlung spielt sich in nur wenigen Stunden ab und Traven versteht es meisterhaft, den Stimmungswandel von der ausgelassenen Fröhlichkeit über die Angst, den Schmerz und die Verzweiflung der Mutter bis zur gemeinsamen Traurigkeit und Anteilnahme des gesamten Dorfes zu beschreiben. Daneben treffen zwei einander diametral entgegengesetzte Lebensauffassungen aufeinander: Die westliche Kultur ist längst in das Idyll der indianischen Ureinwohner eingebrochen.

Kurt Tucholsky lobte den „ruhigen Fluss“ der Novelle, in der er das bedeutendste Werk aller bis 1930 erschienenen Traven-Bücher sah: „Diese zwölf Stunden sind mit der Zeitlupe aufgenommen – welche Augen! Wie unerbittlich läuft das ab, wie farbig, wie strömend-bewegt, und mindestens alle vier Seiten eine unvergessliche Wendung, ein Bild, eine Beobachtung … das ist ein großer Epiker.“ In dem Roman äußert B. Traven seine Bewunderung für die echte, indigene Kultur. Der Roman, den Traven den Müttern gewidmet hat, liegt jetzt in einer Diogenes-Taschenbuchausgabe vor … sehr empfehlenswert.

Bewertung vom 28.12.2023
Schön und verletzlich

Schön und verletzlich


ausgezeichnet

Wie kaum ein anderer Sammler konzentrierte sich der Kunsthistoriker Hartwig Garnerus (*1943) auf die Darstellung von Menschen in der Zeit des Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Seine Sammlung, aufgebaut über annähernd vier Jahrzehnte, zeigt das Suchen der Moderne. Die von Garnerus zusammengetragenen Werke europäischer, zumeist deutscher Künstler*innen präsentieren Kolorismus und Sensibilität. Sein Lebenswerk lässt sich als ein überaus facettenreiches Wirken für die Kunst beschreiben.

Die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne präsentierte nun unter dem Titel „Schön und verletzlich. Menschenbilder der Sammlung Garnerus“ eine Auswahl von 60 Gemälden und Skulpturen dieser Sammlung vom 16. Juni bis 3. Oktober 2023. Gezeigt wurden u.a. Werke von Helmut Kolle, Karl Hofer und Carl Lohse sowie der Bildhauer:innen Marg Moll, Emy Roeder und Gerhard Marcks.

Im Hirmer Verlag ist das umfangreiche und üppig illustrierte Begleitbuch zu dieser Ausstellung erschienen. In den Essays von renommierten Kunsthistoriker*innen wird die Sammlung Garnerus näher vorgestellt bzw. die Krise und die Neuordnung des Figurenbildes in den 1920er Jahren beleuchtet. Ein Text beschäftigt sich speziell mit den Skulpturen der Sammlung Garnerus.

Der Kunstmäzen macht seinem Ruf alle Ehre und schenkt den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen seine Sammlung. Das am Ende des Katalogs angeführte Verzeichnis erfasst daher die für die Schenkung oder das Vermächtnis vorgesehenen Gemälde und Skulpturen.

Bewertung vom 28.12.2023
How to Hitchcock
Wawrczeck, Jens

How to Hitchcock


ausgezeichnet

Hitchcock-Fans gibt es weltweit sicher sehr viele. Der Schauspieler und Synchronsprecher (eine der Stimmen von "Die drei ???") Jens Wawrczeck ist seit seiner Kindheit ein großer Fan der Filme von Alfred Hitchcock. So widmet er sich mit seinem erfolgreichen Bühnen-programm „Hitch und ich“ der Literatur, die Hitchcock zu seinen Filmen inspiriert hat.

Nun hat er ein Buch „How to Hitchcock“ über die Kultfigur Alfred Hitchcock vorgelegt, mit dem er die Leser*innen auf eine Reise durch das Hitchcock-Universum mitnimmt. Für Wawrczeck öffnet Hitchcock Türen, die wir normalerweise geschlossen halten. Er erzählt von seinem erwachenden Interesse Menschen am Kino und von seinen Lehrjahren als Schauspieler und liefert nebenbei Beschreibungen und Kurzinterpretationen der einzelnen Hitchcock-Filme. Geschickt und ausführlich geht er auf Details der Inszenierungen und die schauspielerischen Leistungen in den Filmen ein.

Im Mittelpunkt stehen natürlich Hitchcocks bekannteste Filmwerke – von „Die Vögel“ über „Marnie“ bis zu „Das Fenster zum Hof“. Im Kapitel „Im Schatten der Meisterwerke“ widmet sich der Autor auch Hitchcocks Misserfolgen, wobei selbst ein schwacher Film immer wieder gutgelungene Szenen und überraschende Momente hatte. In „Mit Hitch durch das Jahr“ schlägt Wawrczeck schließlich eine persönliche Liste von zwölf Filmen vor, wie man Monat für Monat in das Hitchcock-Universum eintauchen kann. Den Abschluss der Neuerscheinung bildet eine Filmografie, in der 53 Filme mit Kurzbeschreibung und Sternchenbewertung noch einmal vorgestellt werden. Außerdem unterstützen einige historische Abbildungen von Szenen aus den Hitchcock-Filmen die interessante Darstellung.

Bewertung vom 27.12.2023
Mrs Dalloway
Woolf, Virginia

Mrs Dalloway


ausgezeichnet

Der Roman „Mrs Dalloway“ der englischen Schriftstellerin Virginia Woolf (1882-1941) ist eines der wichtigsten Werke der literarischen Moderne. Das ganze Buch spielt sich an einem einzigen Tag im Juni des Jahres 1923 ab. Die 52-jährige Clarissa Dalloway, eine feine Dame der Londoner Gesellschaft, bereitet eine ihrer berühmten Partys vor. Die Vorbereitungen werden nur unterbrochen von dem unerwarteten Besuch von Peter Walsh, einem alten Verehrer, der gerade aus Indien zurückgekehrt war. Seit der Ablehnung seines Heiratsantrags vor mehr als 30 Jahren hatte Clarissa ihn nicht mehr gesehen. Die neuerliche Begegnung bringt Mrs Dalloway an diesem Tag dazu, ihr Leben zu reflektieren; selbst über das Altern und den Tod denkt sie nach.

Ein besonderer Tag wird es auch für den Kriegsheimkehrer Septimus Warren Smith, der von Wahnvorstellungen geplagt wird. Er ist mit seiner Ehefrau Lucrezia auf dem Weg zu dem Psychiater Sir William Bradshaw. Als Smith von seinem alten Arzt aufgesucht wird, stürzt er sich aus dem Fenster. Nachdem Mrs. Dalloway davon erfährt, missfällt es ihr, dass in ihrer Party über den Tod geredet wird, obwohl sie sich selbst mit Selbstmordgedanken trägt.

Meisterhaft und mit inneren Monologen zieht Virginia Woolf die Leser immer tiefer in die Gedanken ihrer Figuren hinein und stellt damit zugleich deren Leben in Frage. Die Ausgabe des Fischer Verlages wird durch Anmerkungen und eine Nachbemerkung ergänzt, die Hilfestellungen bei der Lektüre geben.

Bewertung vom 27.12.2023
Die Wellen
Woolf, Virginia

Die Wellen


ausgezeichnet

Der 1931 veröffentlichte Roman „Die Wellen“ ist das wohl bekannteste Werk der amerikanischen Schriftstellerin Virginia Woolf (1882-1941). In der Erzähltechnik ist es ein äußerst radikales Werk, da die Autorin hier völlig auf einen Erzähler, eine greifbare Handlung oder einen Schauplatz verzichtete.

Der gesamte Roman besteht aus den inneren und kunstvollen Monologen von sechs recht unterschiedlichen Charakteren (drei Männer und drei Frauen), die sehr sinnlich und poetisch ihr gemeinsames Leben heraufbeschwören. Im Bewusstsein von Bernard, Louis, Neville, Rhoda, Jinny und Susan spiegeln sich Erlebnisse und Erfahrungen von der frühen Kindheit bis ins reife Erwachsenalter wider. „Die Wellen“ ist also gewissermaßen ein Entwicklungsroman.

Der Entwicklungsprozess der einzelnen Personen wird in neun Phasen dargestellt, denen jeweils symbolhafte Schilderungen von Tages- und Jahreszeiten an der Meerküste gegenübergestellt werden. So entspricht die frühe Kindheit dem Frühlingsmorgen oder die Schulzeit dem Frühsommer. Eingebettet in den verlässlichen Rhythmus der Natur, kommen so in diesem experimentellen Werk viele Geschichten zusammen, wie die Wellen in einem Ozean. Es ist ein Roman, der in lyrischer Prosa daherkommt und vom Leser viel Aufmerksamkeit verlangt, dafür aber mit einer erstaunlichen Lektüre belohnt wird. Immerhin wird „Die Wellen“ heute als das Werk angesehen, in dem Virginia Woolf ihre neuartige Erzähltechnik zur Vollendung bringt.

Bewertung vom 26.12.2023
Manfred Krug. Ich sammle mein Leben zusammen
Krug, Manfred

Manfred Krug. Ich sammle mein Leben zusammen


ausgezeichnet

Als Manfred Krug (1937-2016) 1996 mit knapp sechzig Jahren anfing, ein Tagebuch zu führen, wusste er nicht, wie dramatisch die folgenden Jahre für ihn werden würden. Anfang 2022 erschien dann der erste Band „Ich sammle mein Leben zusammen“ der bis dahin geheimen Tagebücher des Schauspielers und Sängers. Das Leserinteresse ist so groß, dass jetzt bereits die 3. Auflage erschienen ist.

In den Tagebucheinträgen der Jahre 1996 bis 1998 drehte sich vieles um das Liebesver-hältnis mit einer 25 Jahre jüngeren TV-Kleindarstellerin und das verheimlichte Doppelleben. Bis schließlich der Ehebruch aufflog. Außerdem starb im März 1997 sein langjähriger Freund Jurek Becker, und drei Monate später erlitt Krug einen schweren Schlaganfall. Am Krankenbett begegneten sich Ehefrau und Geliebte samt Tochter.

Krug ist unzufrieden mit sich und der Welt. Ehrlich und schonungslos sind seine Tagebuchnotizen, so wie man gemeinhin Manfred Krug zu kennen glaubt. So übt er viel Selbstkritik und denkt viel über sich nach. Hier lernt man auch andere Seiten des Schau-spielers kennen, seine Macken und Widersprüche, seine Traurigkeit, seinen Zorn. Aber vielfach ist aus dem einstigen TV- und Film-Raufbold ein kränkelnder und grantelnder Senior geworden. Trotzdem darf man auf die Fortführung seiner Tagebücher gespannt sein: Band 2 „Ich bin zu zart für diese Welt – Tagebücher 1998-1999“ (2023) und „Ich passe nicht in diese Welt. Tagebücher 2000-2003“ (2024).

Bewertung vom 26.12.2023
Uli der Pächter
Gotthelf, Jeremias;Theisohn, Philipp

Uli der Pächter


ausgezeichnet

„Uli der Pächter“, erschienen 1849, ist die Fortsetzung von „Uli der Knecht“, eines zweiteiligen im ländlich-bäuerlichen Milieu angesiedelten Entwicklungsromans des Schweizer Schriftstellers und Pfarrers Jeremias Gotthelf (eigentlich Albert Bitzius, 1797-1854).

Uli und Vreneli übernehmen den Glunggenhof, während Joggeli mit seiner Frau in den „Stock“ übersiedelt. Uli drückt jedoch ein jährlicher Pachtzins von 800 Talern. Da darf es keine Missernte geben. Zunächst hat man jedoch mit dem Wetter Glück. Allerdings ist Uli unentwegt am Kalkulieren, stets macht er sich finanzielle Sorgen. Das wirft auch einen Schatten auf die Beziehung zu seiner Frau Vreneli. Uli entwickelt eine Sparsamkeit, die in den folgenden Jahren durch schlechte Ernten sich zu einem unverhüllten Geiz entwickelt. Zu allem Überfluss schürt Joggeli Unfrieden, indem er Misstrauen und Verärgerung zwischen die Hofleute trägt.

Schließlich vernichtet ein schweres Hagelunwetter, in dem Uli ein göttliches Strafgericht sieht, die gesamte Ernte. Er verfällt in ein lebensgefährliches Nervenfieber, das er nur durch Vrenelis selbstlose Hilfe übersteht. Die Krankheit heilt ihn jedoch von seiner Raffgier. Mit neuer Kraft nimmt er seine Arbeit wieder auf. Doch dann droht neues Ungemach und der Glunggenhof soll versteigert werden, doch Uli wird erneut als Pächter eingesetzt. Der Übergang vom Pächter zum Hofbesitzer wird für ihn eine neue Prüfung sein, die er jedoch mit Unterstützung von Vreneli meistern wird.

Mit seinem Bildungsroman versuchte Gotthelf seine Leser zu überzeugen, dass soziale Missstände durch verantwortungsbewusstes Handeln verändert werden können. Die gediegene Diogenes-Ausgabe wird ergänzt durch ein Nachwort der österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer, die sich vorstellt, Uli würde mit Vreneli in unserer Zeit leben, die in einem Skigebiet ein Hotel übernehmen. Doch mit dem Erfolg werden sie immer geschäftlicher. Das stolze Hotel, muss versteigert werden? Die ganze Anstrengung – wofür? Editorische Notizen des Herausgebers Philipp Theisohn und ein Glossar geben weitere Lektürehilfen.

Bewertung vom 26.12.2023
Uli der Knecht
Gotthelf, Jeremias;Theisohn, Philipp

Uli der Knecht


ausgezeichnet

Der Schweizer Schriftsteller und Pfarrer Jeremias Gotthelf (eigentlich Albert Bitzius, 1797-1854) ist vor allem durch seine beiden bäuerlichen Bildungsromane „Uli der Knecht“ und „Uli der Pächter“ bekannt geworden. Der erste Band „Uli der Knecht“ erschien 1841 und erzählt die Geschichte desgroßen und schönen Stallburschen Uli, der als Knecht bei einem Bodenbauer dient. Als Säufer und Frauenheld vernachlässigt er häufig seine Pflichten.

Unter Schwierigkeiten, gelegentlichen Entmutigungen und mancherlei Versuchungen entwickelt sich der zwanzigjährige Uli jedoch schrittweise zu einem vorbildlichen Knecht, der zu einer großen Hilfe des Bauern wird. Da trifft Uli seinen alten Vetter, den Bauern Joggeli, der sein großes Anwesen, den Glunggenhof, nicht mehr allein besorgen kann. Uli wird von ihm für 60 Kronen Jahreslohn als Meisterknecht in Dienst genommen. Er bringt den völlig verwahrlosten Hof wieder in Ordnung, dabei findet er Unterstützung durch die Bäuerin und Vreneli, einer armen Verwandten, die auf dem Hof groß geworden ist. Sie ist der gute Geist des Hauses. Doch Uli hat eine Zeit lang ein Auge auf Joggelis verwöhnte und reiche Tochter Elisi geworfen.

Der Glunggenbauer Joggeli schmiedet aber immer wieder Intrigen gegen Uli, um ihn auf die Probe zu stellen. Uli hat bald genug davon und will den Hof verlassen, doch Vreneli und die Meistersfrau fordern ihn zum Bleiben auf. Schließlich entscheidet er sich für die tatkräftige Vreneli. Am Schluss gibt Gotthelf einen kleinen Ausblick auf die Ehe, die eine glückliche zu werden scheint.

Die gediegene Diogenes-Ausgabe wird durch ein Nachwort des Schweizer Schriftstellers Peter von Matt ergänzt, der in Vreneli die weibliche Schlüsselfigur des Romans sieht. Die junge Frau erscheint beim Lesen zunehmend eindrücklich. Gotthelf zeigt hier eine frei fühlende, selbstverantwortliche Frau. Editorische Notizen des Herausgebers Philipp Theisohn und ein Glossar geben weitere Lektürehilfen.