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Benutzername: 
Sabine
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Köln
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https://buchmomente.blogspot.com
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 404 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2015
Totenmädchen
Hooper, Mary

Totenmädchen


ausgezeichnet

Das Buch beruht auf einer wahren Begebenheit, denn Anne Green hat es tatsächlich gegeben. Die 16-jährige wurde im Jahr 1650 zu Unrecht zum Tod durch den Strang verurteilt und sollte danach auch noch seziert werden. Doch als sich die namhaften Mediziner versammelt haben und mit dem ersten Schnitt beginnen wollten, flattern die Augenlider der gerade erst Gehängten.

Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven – zum einen ist es Anne, die in Gedanken noch mal Revue passieren lässt, was eigentlich geschehen ist und wie es zu dem schrecklichen Urteil gekommen ist. Sie tritt als Ich-Erzählerin auf, so dass ich mich sehr gut in sie und ihre Lage hineinversetzen konnte.

Immer wieder gibt es dann aber auch Abschnitte, in denen ein allwissender Erzähler den Medizinern über die Schultern schaut, die sich zunächst nicht schlüssig sind, was sie mit Anne machen sollen – sie sterben lassen oder ihre Lebensgeister wecken. Auch diese Abschnitte fand ich sehr interessant, da sie Einblick in die damals gültigen medizinischen Vorstellungen gegeben haben.

Vor allem aber hat mich Annes Geschichte gefesselt, wie ihr Unrecht getan wird und wie sie verzweifelt versucht, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Dabei habe ich richtig mit ihr gelitten, weil Anne einfach ein liebenswerter Mensch ist. Von Beginn an habe ich sie ins Herz geschlossen, weil sie grundehrlich ist und niemandem etwas Böses antun könnte. Manches Mal wirkt sie vielleicht ein bisschen naiv, dies aber würde ich sowohl der Zeit als auch ihrer Unerfahrenheit zuordnen.

Und auch die anderen Figuren sind alle sehr gut gezeichnet, klar – es gibt Gute und Böse, und manche sind auch etwas klischeehaft geraten, dennoch aber hat das meine Lesefreude in keinster Weise getrübt. Etwas überzogen fand ich die Nebengeschichte um den Medizin-Studenten Robert, in der geht es nämlich um das Stottern des sympathischen jungen Mannes – diese Geschichte aber hätte das Buch gar nicht gebraucht, um in sich schlüssig zu sein.

Der Schreibstil ist toll und entführt in die Mitte des 17. Jahrhunderts. Er ist angenehm zu lesen und vermittelt trotzdem ein historisches Gefühl, denn Mary Hooper schafft es, diese ganz besondere Atmosphäre einzufangen, die sowohl im Seziersaal, als auch in der damaligen Zeit herrschte. Es gibt Beschreibungen, wo sie notwendig sind, aber zu keinem Zeitpunkt werden sie langweilig oder langatmig. Das Buch fesselt von der ersten Seite an und kann diese Spannung auch bis zum Schluss halten.

Mir hat Totenmädchen sehr gut gefallen – und ich würde es nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen empfehlen. Manche Stellen fand ich aber sehr düster und brutal, da sollte man – egal ob als Erwachsener oder als Kind – nicht zu zart besaitet sein. Dafür aber gibt das Buch auch gut recherchierte historische Gegebenheiten wieder.



Mein Fazit

Ein tolles Buch, das auf einer wahren Begebenheit beruht. Spannend von der ersten Seite an, wollte ich unbedingt wissen, wieso die sympathische Protagonistin mir ihren grad mal 16 Jahren zum Tode verurteilt wurde. Der Schreibstil ist wunderbar und schafft eine tolle Atmosphäre, die mich in die Mitte des 17. Jahrhunderts entführt hat. Und weil die Geschichte spannend bis zum Schluss gewesen ist, habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Einen halben Stern ziehe ich nur ab, weil ich die Nebengeschichte um den Studenten Robert überflüssig und ich einige Szenen doch sehr brutal fand – da sollte man weder als Kind noch als Erwachsener zart besaitet sein. Ansonsten aber würde ich das Buch auf jeden Fall empfehlen – gerade auch für Einsteiger in das Genre „historischer Roman“, denn es ist angenehm zu lesen und die Seitenzahl überschaubar. Ich gebe „Totenmädchen“ 4,5/5 Sternen.

Bewertung vom 18.07.2015
Das Haus ihrer Kindheit
Maybach, Katja

Das Haus ihrer Kindheit


sehr gut

Liest man den Klappentext, könnte man meinen, es handelt es sich bei diesem Roman um eine reine Liebesgeschichte – doch weit gefehlt, das ist es nicht. Dieses Buch ist viel tiefgründiger und viele Themen werden angeschnitten - es geht um Liebe und Hasss, um die Macht der Familie – im Guten wie im Bösen -, um Freundschaft und Loyalität.
Katja Maybach versteht es, Geschichten auf mehreren Zeitebenen zu spinnen und diese geschickt miteinander zu verknüpfen – und so ist es auch bei dieser. Weiß man zunächst nicht, wie die Fäden der verschiedenen Erzählstränge zusammenlaufen sollen, entwirren sich nach und nach die Fäden und geben am Schluss ein großes Ganzes.
Im Jahr 2001 ist Georgia die Protagonistin – sie erbt ein altes Bild, über das sie Nachforschungen anstellt und dabei an den Kunsthändler Alistair Flythe gerät. Dieser kann ihr zu dem angebotenen Bild eine lange Geschichte erzählen – in den 40er Jahren nämlich hat sich die junge Isla mit eben diesem Bild an ihn gewandt. Ihr Ehemann ist verschollen und hat sie mit einem Berg Schulden und wütenden Gläubigern zurückgelassen. Doch der Verkauf des Bildes löst nicht ihr Problem.
Vor allem die Geschichte um Isla hat mir sehr gut gefallen – sie ist zunächst zwar keine Figur, die ich ins Herz schließen würde, aber sie hat sie im Verlauf ganz schön gemausert zu einer Frau mit Willensstärke, Mut und Entschlossenheit – und diese Züge habe ich an ihr sehr geschätzt. Sie kämpft sich durch eine schwere Zeit und muss dabei leider einiges einstecken – und trotzdem gibt sie nicht auf. Letztlich ist sie ein Opfer der Umstände und der Kriegszeit geworden, was die ganze Geschichte nochmal tragischer macht, und ich habe mit ihr gelitten und gefiebert. Dagegen wirkt Georgia in der Gegenwart deutlich blasser und viele ihrer Handlungen konnte ich nicht verstehen. Zwar ist sie mir nicht unsympathisch, aber sie wirkte oft so unentschlossen, dass ich sie manchmal gerne an die Hand genommen hätte – dabei ist sie ja eine erwachsene Frau, die mitten im Leben steht.
Das Buch ist nicht spannend von der ersten Seite an, doch je mehr man sich in die Geschichte rein liest, umso mehr fesselt sie und man fragt sich, wie die Fäden zusammenlaufen werden. Das eine oder andere habe ich geahnt, vieles aber war überraschend und genau diese Wendungen haben das Buch dann spannend gemacht. Der angenehme und flüssig zu lesende Schreibstil haben die Seiten dann nur so dahinfliegen lassen – dabei ist er klar und präzise und hält sich nicht mit vielen Beschreibungen auf, schafft es aber dennoch, die verzweifelte Stimmung und die Atmosphäre der Kriegsjahre einzufangen - und damit hatte ich stets Bilder vor Augen und war in der Geschichte gefangen.
Wer andere Bücher der Autorin kennt, den wird auch dieses nicht enttäuschen – wer aber noch nichts von Katja Maybach gelesen hat und Bücher mag, in denen mehrere Erzählstränge zu verschiedenen Zeiten nach und nach zusammenlaufen, der sollte sich dieses Buch unbedingt mal anschauen.

Mein Fazit
Zwei Erzählstränge, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, die dann aber nach und nach geschickt miteinander verknüpft werden und ein ansprechender, präziser Schreibstil, der trotz fehlender ausführlicher Beschreibungen die Atmosphäre der Kriegsjahre wunderbar einfängt, machen dieses Buch zu einer unterhaltsamen und auch fesselnden Lektüre. Mir hat „Das Haus ihrer Kindheit“ sehr gut gefallen und ich gebe gerne 4,5/5 Sternen.

Bewertung vom 16.07.2015
Spiel der Zeit / Clifton-Saga Bd.1
Archer, Jeffrey

Spiel der Zeit / Clifton-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Dies ist der erste Band der Clifton-Saga, die im Original 5 Bücher umfasst, die nun nach und nach in Deutschland erscheinen werden. Und ich muss sagen, dass ich begeistert bin - von der Idee der Saga, dem Schreibstil und einfach der Art, wie der Autor die Geschichte erzählt!

Schon nach wenigen Seiten war ich gefesselt von der Geschichte und fühlte mich mitten im Geschehen. Jeffrey Archer hat eine ganz eigene Art zu erzählen und den Leser in eine andere Welt und Zeit zu entführen. Die Geschichte spielt in England und beginnt in den 30er Jahren. Im Mittelpunkt steht Harry Clifton, der in den Hafendocks von Bristol aufwächst und sich mit seiner Mutter durchs Leben schlägt, nachdem sein Vater im Krieg gefallen ist. Harry ahnt jedoch nicht, dass sich um das Verschwinden seines Vaters ein großes Geheimnis rankt und sein Schicksal bald von einigen ganz Großen bestimmt wird.

Das über 20 Jahre spielende Buch ist in 7 größere Abschnitte aufgeteilt, in denen aus Sicht verschiedener Personen die Geschichte erzählt wird. Immer voran gestellt ist, aus wessen Perspektive erzählt wird, mal ist es Harry selber, dann aus Sicht seiner Freunde Giles oder Old Jack oder aber auch aus der Perspektive seines Rivalen. Und obwohl es immer um die gleiche Zeit geht, wird es doch nie langweilig. Zwar überlappen sich die Abschnitte an einigen Stellen, doch hat der Autor die verschiedenen Sichtweisen so geschickt miteinander verwoben, dass man nie das Gefühl hat, alles schon zu wissen oder kennen. Es ist eher so, dass nach und nach alle Fäden zusammenlaufen und alle Fragen geklärt werden, bis sich ein großes Gesamtbild ergeben hat. Und obwohl man von Anfang an als Leser ahnt, wie sich die Geschichte entwickeln wird, gibt es doch einige Überraschungen und Wendungen, die das Buch spannend machen und es mich in einem Rutsch haben zu Ende lesen lassen.

Der Schreibstil ist fantastisch – er ist zwar einfach und damit sehr leicht lesbar, dennoch aber bildreich und schafft so eine ganz eigene Atmosphäre, die wunderbar die Lebensweise der damaligen Zeit wiederspiegelt. Obwohl es nicht viele Beschreibungen gibt und dadurch die Geschichte auch nie überladen wirkt, hatte ich stets Bilder im Kopf und genaue Vorstellungen von allen Orten, so dass ich mich als Teil der Geschichte gefühlt und mich gedanklich in England wiedergefunden habe.

Auch die Figuren sind alle wunderbar gezeichnet. Allen voran natürlich Harry, den ich von Anfang an in mein Herz geschlossen habe. Ich mag seine Art, die Dinge anzupacken, sich für seine Freunde einzusetzen und einfach nicht aufzugeben. Seine Entwicklung von einem kleinen Jungen zu einem angesehenen jungen Mann zu begleiten, hat einfach Spaß gemacht. Begeistert war ich aber auch von Old Jack, dem väterlichen Freund Harrys, der zwar zunächst als grummeliger Kauz dargestellt wird, das Herz aber am rechten Fleck trägt und genau weiß, wie er seinem Freund helfen kann. Aber auch andere Figuren, wie Maisie, die Mutter Harrys oder Giles, sein bester Freund, sind wunderbar ausgearbeitet. Keine Figur wirkt stereotyp, jeder hat Ecken und Kanten und wirkt sehr authentisch. Auch von den Figuren hatte ich stets Bilder vor Augen, sie wurden durch ihre Handlungen und Gedanken einfach lebendig und fassbar.

Auf mich hat das Buch einen ganz merkwürdigen Sog ausgelöst – ich konnte es einfach nicht aus der Hand legen, so gefesselt war ich von der Geschichte. Und natürlich werde ich weiterlesen – und das nicht nur, weil das Buch mit einem fiesen Cliffhanger endet, sondern weil mir Harry einfach so ans Herz gewachsen ist, dass ich ihn gerne weiter begleiten möchte.

Bewertung vom 04.07.2015
Der Todeszauberer
Kliesch, Vincent

Der Todeszauberer


sehr gut

Dies ist der zweite Teil der Reihe um Julius Kern und auch wenn der Kriminalfall in sich abgeschlossen ist, würde ich empfehlen, die Bücher in der richtigen Reihenfolge, da es neben dem Fall ja auch noch um den Massenmörder Tassilo geht und sich seine Geschichte über alle drei Bände zieht.
Nachdem mich der erste Band schon gepackt hat, muss ich sagen, dass ich den zweiten noch viel besser fand. Nicht unbedingt spannender (das wäre auch kaum möglich), aber der Fall selber hat mich mehr fasziniert und auch die große Geschichte um Tassilo, die sich über die gesamte Trilogie zieht, fand ich sehr gelungen.
Erneut ist es ein Serienmörder, der in ganz Deutschland schon seit einigen Jahren sein Unwesen treibt. Als dann in Berlin eine Frauenleiche verstümmelt und mit einer Wunde an der Schläfe gefunden wird, ist klar – der Schläfenmörder hat wieder zugeschlagen.
Der Fall um diesen Schläfenmörder hat mir sehr gefallen, wieder kennt man den Mörder relativ früh und erhält Einblick in seine Gedanken und Gefühle, und auch wenn man weiß, wer der Mörder ist, entsteht doch Spannung – denn für den Ermittler Julius Kern entsteht ein Wettlauf mit der Zeit. Denn wieder hat auch Tassilo irgendwie seine Finger im Spiel – wie genau verrate ich natürlich nicht, nur so viel – ich fand diese Idee wirklich toll.
Die Charaktere finde ich diesmal gelungener als im ersten Band – da waren sie mir zu klischeehaft. Jetzt sind sie ausgefeilter und besser gezeichnet, außerdem lernt man natürlich Julius Kern und Tassilo besser kennen. Julius kann ich nicht immer verstehen – gerade wenn es um Dinge in seinem Privatleben geht - dennoch aber ist er mir sympathisch, auch wenn ich ihn manches Mal gerne schütteln würde. Tassilo ist eine kranke Seele durch und durch, mich erinnert er immer mehr an den berühmten Hannibal Lecter – und obwohl er ja ein sadistischer Massenmörder ist, hat er schon auch seine Faszination mit seiner raffinierten und unheimlichen Art.
Auch der Schreibstil hat mich diesmal mehr überzeugen können – fand ich ihn im ersten Band noch etwas platt und einfach, habe ich das in diesem nicht so empfunden. Er ist zwar immer noch einfach und gut lesbar, aber nicht so plakativ, sondern ausgefeilter. Außerdem schafft es der Autor, den Leser wirklich ab der ersten Seite zu fesseln und den Spannungsbogen zu halten, bis dann am Ende das große Finale kommt und alle Fragen geklärt werden. Vielleicht war das dann ein wenig übertrieben, ein bisschen unglaubwürdig – spannend war es aber trotzdem. Ich bin auf jeden Fall auf den dritten Band gespannt – mal sehen, wie die Geschichte um Tassilo enden wird.

Mein Fazit
Spannend und fesselnd von der ersten Seite an – diesmal hat mir auch der eigentliche Fall besser gefallen, vor allem aber die große Geschichte um Tassilo, die sich über die gesamte Trilogie zieht. Daher würde ich auch unbedingt empfehlen, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Der Schreibstil ist diesmal ausgefeilter und hat mir daher besser gefallen, genauso wie die Charaktere, die nicht mehr ganz so klischeehaft und besser ausgearbeitet erscheinen. Das Finale war vielleicht ein wenig unglaubwürdig, das aber hat der Spannung keinen Abbruch getan. Ich bin auf jeden Fall auf den Abschlussband der Trilogie gespannt.

Bewertung vom 04.07.2015
Das Licht der Welt / Fleury Bd.2
Wolf, Daniel

Das Licht der Welt / Fleury Bd.2


ausgezeichnet

Es war toll, die vielen altbekannten Figuren aus dem ersten Band wiederzutreffen. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen, Michel de Fleury ist Bürgermeister der aufsteigenden Stadt Varennes-Saint-Jacques, sein Sohn Rémy hat die Kunst der Buchmalerei erlernt und hat das Ziel, eine Schule in seiner Heimatstadt zu errichten und Michel wünscht sich nichts sehnlicher als eine eigene Handelsmesse. Doch diese Ideen stoßen nicht bei allen auf Zuspruch, Unfrieden macht sich im Land breit.
Leider habe ich etwa gebraucht, um wieder richtig in die Geschichte eintauchen zu können, dabei ist der Einstieg eigentlich fesselnd und spannend – denn man wird direkt in eine Schlacht hineingeschmissen, an der auch Bürger Varennes beteiligt sind und man darf schon sich schon früh von den Verhandlungsqualitäten Michel de Fleurys überzeugen. Schon bald taucht dann auch Michels Sohn Rémy auf der Bildfläche auf, und spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte mich die Geschichte gepackt.
Im weiteren geht es eigentlich immer um das Städtchen Varennes – es ist Mittelpunkt der Geschichte und man erlebt Höhen und Tiefen der Stadt und seiner Einwohnern, zum Beispiel bei der bevorstehenden Handelsmesse, beim Bau der Schule und natürlich auch beim Kampf mit Neidern und böswilligen Gegnern – und die gab es zuhauf. Während man im ersten Band mit Michel ja auch durch die Landen zieht, fehlt dies gänzlich im zweiten Teil und man verweilt die ganze Zeit in Varennes und Umgebung – und ich muss gestehen, dass ich das Reisen und die Eindrücke andere Länder ein bisschen vermisst habe.
Daniel Wolf hat auch für diesen Roman gut recherchiert – und das merkt man beim Lesen auf jeder Seite. Auch wenn er sich nicht immer an historische Gegebenheiten gehalten hat – und darauf geht der Autor in den abschließenden Anmerkungen ein - versteht er es doch, Wahrheit und Fiktion geschickt miteinander zu verknüpfen.
Die Charaktere sind wieder einmal toll gezeichnet und es hat Spaß gemacht, ihre Entwicklung innerhalb der Geschichte zu begleiten. Dies gilt natürlich insbesondere für Michel und Isabelle, die ich aus dem ersten Band ja schon kannte und die ich beide ins Herz geschlossen habe. Zwar fand ich Michels gutmütige Art manches Mal ein wenig anstrengend, und ich hätte mir gewünscht, dass er auch mal was Unüberlegtes tut, trotzdem ist er mir durch und durch sympathisch. Gleiches gilt für Isabelle, die nicht nur schön, sondern auch klug und mutig ist und die Familie zusammenzuhalten weiß. Rémy war mich auch gleich zu Beginn sympathisch, weil er einen eigenen Kopf hat, auch schon mal mit diesem durch die Wand laufen möchte und dennoch das Herz am rechten Fleck hat. Doch er lernt im Laufe der Geschichte dazu und bleibt sich selbst dabei doch immer treu. Es gibt noch viele weitere Figuren, die toll gestaltet sind und die sich während der gut 30 Jahre, die der Roman beschreibt, entwickeln. Zwar sind die Bösen wirklich böse durch und durch und scheinen gar keine liebenswerten Seiten zu haben, doch diese angedeutete „Schwarz-Weiß-Malerei“ konnte ich gut verschmerzen.
Der Schreibstil ist wieder sehr flüssig und gut zu lesen, und obwohl er fast schon modern anmutet, hat sich bei mir rasch ein „historisches Gefühl“ und eine entsprechende Atmosphäre eingestellt. Als ich dann einmal drin war in der Geschichte, fand ich sie auch zu keinem Zeitpunkt langatmig – und das will bei knapp 1200 Seiten schon was heißen. Es ist zwar nicht immer so, dass die Handlung spannend ist, dennoch aber war ich gepackt und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht, was mit Varennes-Saint-Jacques und seinen Bewohnern noch so geschieht. Und schließlich war ich am Schluss dann sogar traurig, dass die Geschichte zu Ende ist und ich mich von den mir ans Herz gewachsenen Figuren verabschieden musste.

Bewertung vom 04.07.2015
Girl on the Train
Hawkins, Paula

Girl on the Train


sehr gut

Vorweg vielleicht eins – das Buch wird oft als Thriller oder Krimi gehandelt; das ist es aus meiner Sicht nicht. Es ist ein toller Roman, der vor allem durch die (zugegebenermaßen kaputten und leider auch unsympathischen) Charaktere glänzt und der eher ein Psychodrama oder eine Charakterstudie darstellt. Und liest man das Buch aus dieser Sicht, finde ich es richtig gelungen.

Das Buch ist aus Sicht dreier verschiedener Frauen geschrieben, die jeweils als Ich-Erzählerin auftreten und ihre Sicht verschiedener Dinge schildern. Zunächst fand ich das verwirrend, doch nach und nach wird klar, wie die verschiedenen Personen miteinander verbunden sind. Jedem Kapitel ist aber vorangestellt, aus wessen Sicht gerade geschildert wird, so dass eigentlich keine Verwechslungen auftreten können, zumal auch die Erzählweisen der drei Frauen ganz unterschiedlich war. Schwierig fand ich nur die Zeitsprünge – während Rachel und Anna immer ihre Eindrücke aus aktueller Sicht schildern, liegen das, was Megan zu sagen hat, in der Vergangenheit, ein paar Monate vor den aktuellen Ereignissen.

Der Einstieg in die Geschichte ist zugegebenermaßen gemächlich und richtig spannend wird es erst nach ca. 100 Seiten. Dennoch aber hat mir auch der Anfang gefallen, weil er Möglichkeit gibt, Rachel kennenzulernen und sich auf sie einzulassen. Sie ist mir zwar nicht sympathisch, dennoch aber fand ich ihre Gedanken und Gefühle interessant und ihren Charakter einfach wunderbar ausgearbeitet. Sie treibt durchs Leben, gibt sich dem Alkohol hin, warum, erfährt man im Lauf der Geschichte, und scheitert immer wieder an der Aufgabe, endlich die Finger von ihm zu lassen. Auch ihr Handeln wird deutlich vom Alkohol bestimmt, und so konnte ich vieles einfach nicht nachvollziehen. Trotzdem aber habe ich ihre Abschnitte immer gerne gelesen, ihre Verzweiflung gespürt und letztlich auch ihren – wenn auch versteckten - Lebenswillen. Auch die anderen Charaktere sind sehr gut gezeichnet, wobei es neben den beiden anderen erzählenden Frauen Megan und Anna auch noch deren Ehemänner und eine Mitbewohnerin von Rachel gibt. Sympathisch ist mir keiner der Figuren, aber sie sind sehr lebensnah und echt, sie wirken mit ihren Problemen authentisch, und alle kann ich mir so oder ähnlich tatsächlich auch vorstellen.

Toll fand ich vor allem, dass die Geschichte gar nicht mehr Personen braucht, um trotzdem zu fesseln. Es ist eher eine subtile, untergründige Spannung, die mich gepackt hat und mich das Buch hat in kurzer Zeit verschlingen lassen, und auch wenn das Ende vielleicht vorhersehbar war, fand ich es doch schlüssig und glaubhaft. An der einen oder anderen Stelle war mir die Geschichte etwas zu lang gezogen, denn Rachels Gedanken wiederholen sich, dadurch aber wird ihre Not noch mal deutlicher und trotz dieser Längen hatte die Geschichte auf mich eine Sogwirkung. Vielleicht aber auch, weil mich der Schreibstil total überzeugt hat – ich fand ihn nicht nur angenehm zu lesen, sondern sehr eindringlich und den Punkt genau treffend. Er hat eine düstere Atmosphäre geschaffen und die verzweifelte Grundstimmung aller Beteiligten wunderbar transportiert – kurz gesagt: mich hat er gefangen genommen und richtig in die Geschichte gezogen.

Mein Fazit
Wer einen Thriller oder einen Krimi erwartet, der wird wahrscheinlich enttäuscht sein von dieser Geschichte, denn der Roman gleicht eher einem Psychodrama oder einer Charakterstudie. Und als solches ist er wirklich gelungen. Die Charaktere sind fantastisch gestaltet, sehr authentisch und glaubhaft, die Geschichte ist eher untergründig spannend und der Schreibstil durch seine Eindringlichkeit sehr fesselnd. Mir hat das Buch sehr gut gefallen – einen Stern ziehe ich nur ab, da es durch einige Gedankenwiederholungen doch zu wenigen Längen gekommen ist. Trotzdem hat mich „Girl on the train“ sehr gut unterhalten und verdient von mir 4/5 Sternen.

Bewertung vom 19.06.2015
Alle Nähe fern
Herzberg, André

Alle Nähe fern


weniger gut

Das Cover des Buches hat mich sehr angesprochen, und es vermittelt eine Atmosphäre, die wunderbar zur Geschichte passt. Und auch der Klappentext hat mir gefallen, da ich Familiengeschichten gerne lese.
In diesem Buch konnte mich aber leider die Umsetzung nicht überzeugen. Die drei Generationen übergreifende Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie wird in kurzen, zum Teil nur 2 Seiten langen Kapiteln erzählt und bedient sich eines ganz eigenen Erzählstils. Zunächst aus Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, wechselt die Sichtweise etwa in der Mitte des Buches und Jakob, der Sohn der letzten Generation, tritt als Ich-Erzähler auf. Dabei ist der Schreibstil sehr eigen: die kurzen, oft abgehackte Sätze, die sehr einfach konstruiert sind, und die im Präsens geschriebenen Kapitel haben meinen Lesefluss sehr gestört. Manche mögen diesen Schreibstil als eindringlich bezeichnen, ich fand ihn leider nicht ansprechend. Es entsteht eine ganz merkwürdige Atmosphäre, hoffnungslos und verbittert, kalt und mutlos, und leider habe ich diese auch das ganze Buch über so verspürt.
Es gibt nicht viele Beschreibungen, die bei mir haben Bilder im Kopf entstehen lassen, vieles wird nur beiläufig erwähnt, so dass man konzentriert lesen muss, um die Geschichte wirklich zu verstehen. Gelungen finde ich aber die Darstellung der Zerrissenheit der Familie, die verschiedenen Weisen, mit dem Schicksal umzugehen, sich ihm entgegenzustellen oder es anzunehmen. Durch den besonderen Schreibstil aber wirkt das Buch eher wie ein Bericht, so dass mir die einzelnen Charaktere fremd geblieben sind. Zu keinem habe ich eine Beziehung aufbauen können, auch sind sie kaum ausgearbeitet, wirken nur durch ihre Handlungen, weniger durch Gespräche oder Gedanken.
Ich habe mich beim Lesen leider nicht wohlgefühlt und konnte in die Geschichte leider nicht eintauchen. Obwohl ich die Idee des Buches wirklich gut finde, hat mir die Umsetzung leider gar nicht zugesagt. Vielleicht aber waren es auch falsche Erwartungen oder der falsche Zeitpunkt für das Buch – so aber hat es mich leider nicht unterhalten können.

Mein Fazit
Die Idee des Buches, die drei Generationen übergreifende Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie, finde ich sehr gut, die Umsetzung hat mich persönlich jedoch nicht angesprochen. Der Schreibstil ist eigenwillig mit kurzen Sätzen, die Stimmung im Buch fast durchweg getrübt und hoffnungslos, Beschreibungen gibt es nur wenig und die Geschichte wirkt eher wie ein Bericht als wie ein Roman. Ich würde empfehlen, erst eine Leseprobe anzuschauen – wenn einem dieser Stil gefällt, dann kann das Buch durchaus begeistern. Mich dagegen hat es leider nicht überzeugt.

Bewertung vom 19.06.2015
Fortunas Rache
Peter, Maria W.

Fortunas Rache


gut

Man wird direkt rein geschmissen ins Geschehen und in den Alltag eines Sklaven im Trier des 3. Jahrhunderts. Ein Sklave ist nichts wert, zählt nicht mal als Mensch und genauso wird er auch behandelt. Die Protagonistin Invita muss dies täglich am eigenen Leib spüren – denn ungeschickt und tollpatschig wie sie ist, gerät sie von einem Schlamassel in den nächsten. Als dann auch noch ein Mitsklave verschwindet, wird sie natürlich als erste verdächtigt.
Die Sklavin Invita habe ich sofort in mein Herz geschlossen, auch wenn sie sich mit ihrer neugierigen Art immer wieder in Schwierigkeiten bringt – zudem ist sie wirklich ungeschickt und will irgendwie immer mit dem Kopf durch die Wand. Und trotz – oder gerade wegen – ihrer tollpatschigen Art ist sie mir einfach sympathisch. Das Verschwinden Modestus lässt ihr natürlich keine Ruhe und sie spioniert im ganzen Haus herum. Und hier ist einiges im Argen, vieles Merkwürdige fällt Invita auf und jeder scheint ein Geheimnis mit sich zu tragen – leider nur schafft sie junge Sklavin es nicht, die vielen verschiedenen Hinweise zusammenzubringen, um das Verschwinden Modestus aufzuklären. Erst ganz zum Schluss laufen alle Fäden zusammen, und alle Fragen werden geklärt.
Die Geschichte liest sich sehr flüssig. Zwar ist es nicht durchweg spannend, weil Invita immer wieder in Gedanken verfällt und diese sich dann oft wiederholen, dennoch aber war ich von der Geschichte gepackt und gefesselt und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Gefallen haben mir auch die Einblicke in das Leben eines Sklaven, doch hätte ich mir mehr Beschreibungen des antiken Triers gewünscht.
Geschrieben ist das Buch aus Sicht Invitas, die als Ich-Erzählerin auftritt. Dadurch konnte ich mich gut in sie hineinversetzen – nur manches Mal hätte ich sie gerne geschüttelt, vor allem dann, wenn sie sich immer wieder in Gefahr begibt, obwohl sie es eigentlich besser wissen müsste, oder wenn sie Offensichtliches einfach nicht richtig wahrnimmt.
Der Schreibstil hat mir aber leider gar nicht gefallen – ihn fand ich zu modern, der Zeit nicht angepasst. Er war jugendlich und frisch, mit modernen Floskeln und Wörtern, so dass er zwar leicht und locker lesbar war, aber nicht zum Szenario des 3. Jahrhunderts passte.
Trotzdem hat mich die Geschichte gut unterhalten, vor allem auch wegen der zwar ungeschickten, aber dennoch sehr sympathischen Protagonistin Invita, so dass ich mich auf den zweiten Teil freue.

Mein Fazit
Eine unterhaltsame Kriminalgeschichte, die im 3. Jahrhundert in Rom spielt und vor allem durch die sehr sympathische Protagonistin gewinnt, die neugierig und gewitzt versucht, das Verschwinden ihres Mitsklaven aufzuklären, sich mit ihrer Tollpatschigkeit aber auch immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Der Schreibstil ist mir zu modern für den Plot, dafür ist er gut lesbar und lässt die Seiten nur so dahinfliegen. Mir hat das Buch schöne Lesestunden geschenkt - ich freue mich auf den nächsten Teil.