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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 03.06.2015
Stadt der Ertrinkenden
Atkins, Ben

Stadt der Ertrinkenden


sehr gut

Der erste Thriller von Ben Atkins „Stadt der Ertrinkenden“ sorgt für einiges Aufsehen, ist der Autor bei Veröffentlichung doch gerade einmal zwanzig Jahre jung. Orientiert hat er sich an den Großen des Genres, Chandler und Hammett – aber wenn man sich diesen Erstling genauer anschaut, sind im weitesten Sinne auch Anleihen bei James Joyce‘ Jahrhundertroman „Ulysses“ zu erkennen. Hier wie dort erstreckt sich der Handlungszeitraum über einen Tag/eine Nacht, in der der Protagonist seinen Streifzug durch die Stadt unternimmt.

1932, das Ende der Prohibition ist mit der Wahl von Franklin D. Roosevelt zum US-Präsidenten eingeläutet. Diejenigen, die in den zurückliegenden Jahren mit dem Schmuggel und Verkauf des verbotenen Alkohols gute Geschäfte gemacht haben, tun gut daran, die Erträge zusammenzuhalten und sich rechtzeitig nach neuen Einnahmequellen umzusehen.

Die Wirtschaft liegt am Boden, und nicht nur die Leute aus dem Milieu, sondern auch Polizisten und Politiker freuen sich über das Zubrot, das sie durch Bestechungsgelder aus diesen illegalen Transaktionen erhalten. Nur allzu gierig sollte niemand werden.
Über Massimo Fontanas Geschäft hält der Mafioso Saverino schützend die Hand. Umso mehr verwundert es Fontana, als er erfährt, dass ein Transport überfallen wurde. Wer wagt es, sich nicht nur mit ihm, sondern auch mit der Mafia anzulegen?

Fontana hat eine Nacht Zeit, um diese Frage zu beantworten, denn sonst geht es ihm ans Leder. Und so begibt er sich auf die Suche nach den Drahtziehern, die ihn zwangsläufig auch in die Unterwelt führt. Für ihn nicht der sicherste Ort, denn er ist zwar ein Krimineller, aber sehr moralisch im altmodischen Sinn. Einer, der zu seinem Wort steht, rohe Gewalt verabscheut und niemals einen Freund verraten würde. Ein ehrenhafter Ganove, der sich am Ende dieser Nacht von einigen Idealen verabschieden muss?

Die Erwartungen, die ich an diesen Thriller hatte, waren hoch, gerade weil er allenthalben gelobt wurde – und teilweise wurden sie erfüllt. Die atmosphärischen Schilderungen scheinen gelungen, denn genauso stellt man sich eine amerikanische Großstadt in den dreißiger Jahren vor. Aber sind diese Vorstellungen nicht geprägt durch die Bilder, die man aus diversen Filmen, die in dieser Zeit spielen, parat hat? Die Beschreibungen bieten zumindest nichts Neues, nichts Überraschendes.

Interessant ist die Verdichtung der Handlung auf eine einzige Nacht. Solange im Verlauf eine Vorwärtsbewegung festzustellen ist, ist dem Autor das Interesse des Lesers sicher. Problematisch wird es in der Tat, wenn er à la Joyce versucht, den „stream of consciousness“ einzusetzen und sich in die Gedankenwelt seines Protagonisten begibt. Wenn Atkins dessen Gedanken, Reflexionen und Assoziationen auf Papier bringt, bremst es zum einen die Handlung aus, zum anderen fordert es geradezu zum Überblättern auf.

Ben Atkins Debüt „Stadt der Ertrinkenden“ ist kein Meisterwerk, zeigt aber gute Ansätze, die durchaus ausbaufähig sind – der Autor ist ja noch jung. Man darf gespannt sein!

Bewertung vom 02.06.2015
China Girl / Neal Carey Bd.2
Winslow, Don

China Girl / Neal Carey Bd.2


sehr gut

Die fünfbändige Reihe mit Privatdetektiv Neal Carey gehört zum Frühwerk des amerikanischen Autors Don Winslow, der spätestens seit seinem Monumentalwerk „Tage der Toten“ jedem Thriller-Leser ein Begriff sein müsste. „China Girl“, Anfang der neunziger Jahre bereits unter dem Titel „Das Licht in Buddhas Spiegel“ erschienen, wurde nun von Conny Lösch neu übersetzt (übrigens, ganz hervorragend!) und von Suhrkamp neu aufgelegt.

Der Biochemiker Robert Pendelton erforscht die Lizenz zum Gelddrucken, die aber auch, wenn sie in die falschen Hände gerät, über Leben und Sterben entscheiden kann. Es handelt sich um einen Wunderdünger, an dessen Entwicklung er arbeitet. Das Geld für diesen Forschungsauftrag stammt zwar von der „Bank“, aber an dem Ergebnis sind neben CIA und der chinesischen Regierung auch andere dubiose Organisationen interessiert.

Auf einer Konferenz in San Francisco lernt Pendelton die geheimnisvolle Chinesin Li Lan kennen und lieben – und verschwindet kurz danach ohne eine Spur zu hinterlassen. Und jetzt kommt Neal Carey auf Geheiß der „Bank“ ins Spiel, der sich auf dessen Fersen heftet, um ihn wieder zurück ins Labor zu bringen. Die Reise geht von Chinatown über Hongkong ins tiefste China bis zu einem mysteriösen See, und Carey gerät immer stärker ins Visier der Triaden…

„China Girl“ ist kein typischer Winslow-Thriller, was mit Sicherheit auch an der exotischen Kulisse liegt. Der Spannungsbogen steigt kontinuierlich und die Geschichte nimmt zunehmend an Fahrt auf, wobei insbesondere Neal Careys Recherchen in Asien ihren besonderen Reiz haben, da ihn seine Recherchen in wunderbar geschilderte, atemberaubende Landschaften führen.

Zusätzlich streut der Autor immer wieder wohldosiert Informationen zu historischen Ereignissen und politischen Zuständen im Reich der Mitte ein, die das aktuelle Verhältnis zwischen China und den USA beeinflussen. Zwar führt dies dann und wann zu leichten Tempoverlusten, die aber angesichts der Thematik durchaus zu verschmerzen sind. Und zusätzlich runden unerwartete Wendungen die spannende Geschichte ab.

Bewertung vom 02.06.2015
Revolution
Brand, Russell

Revolution


gut

Russell Brand, der erfolgreiche britische Stand-up Comedian, hierzulande bekannt durch seine Kurzehe mit der US-Sängerin Katy Perry, polarisiert und sorgt für Schlagzeilen. Leisetreten ist nicht seine Art, er kommt immer mit dem Holzhammer daher. Im Rahmen seiner öffentlichen Auftritte gibt es immer wieder provokante Äußerungen zu gesellschaftspolitischen Themen von ihm. Ob das nun das bin-Laden-Kostüm ist, in dem er unmittelbar nach 9/11 bei MTV erscheint, oder jetzt seine neueste Veröffentlichung in Buchform - Hauptsache, er ist in den Medien präsent und kann dort seinen Drang zur Selbstdarstellung ausleben.

Aber ganz so abwegig sind die Gedanken, die er in seinem als Sachbuch getarnten Selbstdarstellungswerk „Revolution“ entwickelt und ausführt, nun doch nicht. Nur mit den Konsequenzen, die er daraus ableitet, hapert es, so sie denn auch vorhanden sind, gewaltig.

Russell Brand führt aus, was wir schon alle wissen, garniert mit zahlreichen „Anekdoten“ aus persönlicher Sicht: Es ist die kleine Schar der Plutokraten, die die Fäden in unserer Gesellschaft in der Hand halten und nach Belieben daran ziehen. Unterstützt werden sie von willfährigen Politikern, die deren Interessen durchsetzen und ihnen so den Weg zu immer größerem Reichtum und Einfluss ebnen. Dabei regiert die Rücksichtslosigkeit, nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber der Natur, die ohne einen Gedanken an die Konsequenzen des Handelns zu verschwenden hemmungslos ausgebeutet und zugrunde gerichtet wird. Niemand hält sie auf, denn das Volk wird mit Konsumgütern ruhiggestellt – gebt jedem sein I-Phone, seinen Flatscreen und seinen All-inclusive-Urlaub, und schon ist Ruhe im Karton.

Soweit kann ich ihm dann ja noch zustimmen, aber die meisten Lösungsvorschläge, die der Autor präsentiert, sind zum einen nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen, zum anderen scheinen sie mir nur im Ansatz erfolgversprechend. Er vermischt eine gehörige Portion Naivität mit Esoterik (was hat diese Thematik hier zu suchen?) und Herz-Jesu-Marxismus, unausgegoren und völlig ohne Logik – aber dennoch: den einen oder anderen Denkanstoß habe ich durchaus während der Lektüre mitgenommen, und gut unterhalten haben mich Russell Brands Gedanken zur „Revolution“ allemal. Man darf sie nur nicht gar zu ernst nehmen…

Bewertung vom 01.06.2015
Lügenmädchen
Lewis, Luana

Lügenmädchen


sehr gut

Luana Lewis, die Autorin des Psychothrillers „Lügenmädchen“, ist ausgebildete klinische Psychologin, und die Erfahrungen ihrer Arbeit sind offensichtlich in ihren Erstling eingeflossen.

Es sind zwei Personen, die diesen Roman dominieren, nämlich Stella und Blue. Zwischen diesen beiden entspinnt sich ein unheilvolles Katz-und-Maus Spiel, wobei auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, wer welche Rolle einnimmt.

Es ist eine eiskalte Nacht, und die Psychologin Dr. Stella Davis wartet auf die Heimkehr ihres Mannes Max, als es an der Tür klopft. Sie hat ein traumatisches Erlebnis hinter sich, und kann seither nur durch den massiven Einsatz angstlösender und beruhigender Medikamente ein einigermaßen „normales“ Leben führen. Das nachdrückliche Klopfen an der Haustür verunsichert sie, aber in dieser Nacht schickt man noch nicht einmal einen Hund vor die Tür, und so öffnet sie.

Draußen steht ein durchgefrorenes junges Mädchen und bittet um Einlass. Abwimmeln lässt sie sich nicht, und so bittet Stella sie herein. Sie heißt Blue und verwickelt die Hausherrin in ein Gespräch, in dessen Verlauf sie die unglaublichsten Gründe für ihre Anwesenheit nennt: Einmal ist sie die Tochter des Ehemanns, dann seine Patientin, und schlussendlich seine Geliebte. Stella ist verwirrt und empfindet das Mädchen zunehmend als Bedrohung, sie möchte dass Blue verschwindet, aber alleine schafft sie das nicht, weshalb sie einen befreundeten Police Officer kontaktiert. Und nachdem dieser eingetroffen ist, wird es so richtig schräg…

Es sind zwei Zeitebenen, in denen Luana Lewis die Geschehnisse um ihre Protagonistin Stella Davis beschreibt. Zum einen natürlich die Gegenwart, in der das Mädchen Blue in deren geschützten Raum, ihr Haus, eindringt, zum anderen der unheilvolle Vorfall aus Dr. Davis beruflichem Umfeld, der ihr Trauma zur Folge hat.

„Lügenmädchen“ ist kein temporeicher Thriller, sondern bewegt sich eher auf der Ebene eines eindringlichen, subtilen Psychogramms und unterschwellig schwingt in jedem Satz ein bedrohlicher Unterton mit. Lewis erzählt leise und behutsam, gibt ihren Personen erst allmählich eine Geschichte und damit Tiefe. Sie lotet die menschlichen Abgründe aus, bringt Informationen ins Spiel, die auf den ersten Blick unglaubwürdig erscheinen, öffnet Spekulationen Tür und Tor.

Wer tiefgründige Psychothriller mag, die Wert auf einen logischen Aufbau legen und nicht nur auf schnelle Effekte, Grauen und Schockmomente abzielen, ist mit Luana Lewis‘ „Lügenmädchen“ bestens bedient.

Bewertung vom 14.05.2015
Girl on the Train
Hawkins, Paula

Girl on the Train


gut

Nach dem Erfolg der Amerikanerin Gillian Flynn mit dem Psychothriller „Gone Girl“ legt nun die englische Autorin Paula Hawkins nach. „Girl on the train“ ist ihr erster Roman, und es steht außer Frage, dass es zwischen beiden Romanen deutliche Parallelen gibt. Und dennoch ist es ein typisch englischer Thriller, der Wert darauf legt, die Verletzungen einer kranken Seele zu schildern, due unausweichlich in eine Katastrophe führen müssen.

Rachel ist Alkoholikerin, ihr Leben liegt in Trümmern und nach der Trennung von ihrem Ex-Mann ist sie bei einer Bekannten untergekrochen. Obwohl sie in der Zwischenzeit ihre Arbeit verloren hat, fährt sie täglich mit einem Nahverkehrszug nach London und kommt dabei an einem Haus vorbei, in dem sie ein junges Paar beobachtet, ein Paar, das augenscheinlich all das hat, was ihr verlorengegangen ist. Sie denkt sich Geschichten aus, benamt die beiden mit Jess und Jason, und wünscht sich nicht s sehnlicher, als ihr altes Leben zurück.

In deren unmittelbarer Nachbarschaft lebt ihr Ex-Mann mit seiner neuen Familie, und allein die Tatsache, dass sie dessen Frau und Kind wesentlich öfter sieht, als ihr gut bekommt, stürzt Rachel immer tiefer in Depressionen und obsessives Verhalten. Wobei Telefonterror hier noch das kleinste Übel ist. Aber alles ändert sich, als Jess, die eigentlich Megan heißt, ermordet aufgefunden wird…

Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt: Rachel, Jess aka Megan und Anna schildern ihre Sicht der Ereignisse, immer durchsetzt mit ihren Emotionen und Reflexionen. Dadurch ist der Leser hautnah am Geschehen und hat einen umfassenden Wissenstand.

Der Psychothriller beginnt gemächlich, verbreitet aber von Anfang an unterschwellig eine sehr bedrohliche Atmosphäre. Und wenn man „Gone Girl“ im Hinterkopf hat, merkt man sehr schnell, in welche Richtung sich diese unheilvolle Ménage à trois entwickeln wird.

Und da die Ähnlichkeiten mit Gillian Flynns Roman einfach gar zu offensichtlich sind, gibt es von mir hier leider Punktabzug!

Bewertung vom 08.05.2015
Anklage
Grisham, John

Anklage


sehr gut

John Grisham scheut sich nicht davor, in seinen Bestsellern heikle Themen aufzugreifen. Ob das nun Tabakmultis oder Pharmakonzerne sind, jeder bekommt sein Fett weg. In seinem aktuellen Roman „Anklage“ thematisiert er die Machenschaften der Kohlekonzerne vor, deren Verflechtungen mit dem Großkapital und die massive Umweltzerstörung, die durch den aggressiven Abbau der Bodenschätze einhergeht. Und nicht zuletzt ergreift er Partei für die „kleinen Leute“, deren Lebensqualität in erschreckender Weise dadurch beeinträchtigt wird.

In Brady, Virginia, der Kleinstadt in den Appalachen bebt die Erde, wenn einmal mehr die Bergkuppen weggesprengt werden, um leichter an die darunter liegenden Kohleflöze zu kommen. Für die Einwohner besteht Gefahr für Leib und Leben, nicht nur durch die Sprengungen, sondern auch durch die Verseuchung des Grundwassers. Und dennoch gegen sie den Pakt mit dem Teufel ein, denn die Bergbau-Unternehmen bieten Arbeit und somit Einkommen, auch wenn manch einer dies aufgrund aggressiver Atemwegserkrankungen mit seinem Leben bezahlen muss.

Hierher verschlägt es die New Yorker Anwältin Samantha Kofer, die nach der Lehman-Pleite ihren Job verloren hat und durch eine spezielle Absprache mit ihrer ehemaligen Kanzlei bei der örtlichen Beratungsstelle für kostenlosen Rechtsbeistand gelandet ist. Wenn sie hier ein Jahr Pro bono-Fälle bearbeitet, besteht die Möglichkeit, ihre alte Stelle zurückzuerhalten. Aller Anfang ist schwer, aber bereits nach kurzer Zeit geht sie in ihrer neuen Arbeit auf und lässt sich nicht von den Konzernen einschüchtern, sondern kämpft mit harten Bandagen für ihre Klienten aus Brady.

Wie immer bei Grisham geht es auch in seinem neuen Roman um den Kampf David gegen Goliath, wobei letzterer jede Menge schmutzige Tricks auf Lager hat. Und wie immer menschelt es in dieser Geschichte, in der der Autor anhand von Einzelschicksalen die Ausbeutung einer ganzen Region schildert. Er erzählt sachlich, vermeidet allerdings kein Klischee, aber da er ganz klar zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse unterscheidet, werden natürlich bei dem Leser auch Emotionen geweckt. Man drückt den Menschen in der Region rund um Brady zwar die Daumen, befürchtet aber auch, dass die Geschichte für sie nicht gut ausgehen wird.

John Grisham schreibt schlicht und sprachlich nicht besonders anspruchsvoll. Aber seine Romane sind logisch aufgebaut und versorgen den Leser neben einer spannenden Story auch mit Informationen zum amerikanischen Rechtssystem - ein Autor, der immer wieder gut unterhält.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2015
Verheißung - Der Grenzenlose / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.6
Adler-Olsen, Jussi

Verheißung - Der Grenzenlose / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.6


weniger gut

Der dänische Autor Jussi Adler-Olsen stürmt mit seinen Thrillern um das Sonderdezernat Q regelmäßig die Bestsellerlisten. So auch mit „Verheißung“, der sechsten Veröffentlichung im Rahmen der auf zehn Bände angelegten Reihe.

Das Team von Carl Mørk, das bisher lediglich aus den Assistenten Assad und Rose bestanden hat, wird nun durch Gordon verstärkt. Und das ist auch nötig, denn der „cold case“, denn es aufzuklären gilt, ist komplex: Ein junges Mädchen ist vor siebzehn Jahren verblutet, kopfüber in einem Baum hängend. Als Ergebnis der Untersuchung wurde ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht festgestellt, aber der damalige Ermittler Habersaat war und ist davon überzeugt, dass er es mit einem Mordfall zu tun hatte. Da seine Bitte um Unterstützung durch das Sonderdezernat Q erfolglos war, sieht er keine andere Möglichkeit, als durch eine spektakuläre Aktion anlässlich seiner Verabschiedung auf den Fall aufmerksam zu machen, auch wenn es sein Leben kostet. Alle Kollegen sind in Schockstarre, aber nun übernimmt endlich Team Q den Fall, weniger aus Interesse, denn aus Schuldbewusstsein.

Relativ schnell kommen sie zu dem Ergebnis, dass Habersaat mit seiner Vermutung richtig lag und das Mädchen ermordet wurde. Aber die Spuren sind kalt, und so gestalten sich die Ermittlungen äußerst zäh. Bis schließlich ein unscharfes Foto Bewegung in den Fall bringt und einen obskuren Wunderheiler und dessen Partnerin in den Fokus rückt…

Ich bin überrascht, dass die Erfolgskurve der Sonderdezernat Q-Thriller noch immer nach oben zeigt, ist meiner Meinung nach doch seit dem dritten Band ein deutlicher Qualitätsabfall zu verzeichnen. Keine Frage, Adler-Olsen schreibt eingängig, aber er benötigt sehr lange, bis er zum Kern des Falls kommt, was natürlich zu Lasten des Tempos geht. Der Spannungsbogen nähert sich so auch immer wieder dem Nullpunkt, sodass dem Leser einiges an Durchhaltevermögen abverlangt wird.

Und auch bei den Beschreibungen der Hauptfiguren tut sich wenig. Alle warten seit gefühlten Ewigkeiten auf die Lüftung des Geheimnisses, das den Assistenten Assad – Fehlanzeige, da der Autor die Informationen nur tröpfchenweise preisgibt. Außerdem sind die Beziehungen innerhalb des Teams nicht dynamisch, es verändert sich nichts, weder zum Guten noch zum Schlechten.

„Verheißung“ ist leider wieder nur ein durchschnittlicher, spannungsarmer Thriller der Reihe, den man lesen kann, aber nicht lesen muss. Schade, denn ich würde mir wünschen, dass Adler-Olsen wieder zu der Qualität der Anfänge zurückfinden würde.

7 von 15 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2015
Die Super-Vegan-Diät
Oberbeil, Klaus

Die Super-Vegan-Diät


weniger gut

Klaus Oberbeil, Medizinjournalist und Fachautor für Gesundheits- und Ernährungsthemen, wendet sich in seiner neuesten Publikation „Die Super-Vegan-Diät: Schnell schlank: 4 Kilo in 1 Woche“ dem Thema Vegan-Diät zu. Bereits der Titel lässt mich misstrauisch werden, denn mit einer Aussage „4 Kilo in 1 Woche“ sollte ein seriöser Sachbuchautor vorsichtig sein, widerspricht dies doch allen Empfehlungen, die Abnehmwillige von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern zu hören bekommen. Ist die Super-Vegan-Diät etwa eine weitere Crash-Diät, die sich lediglich an einem gerade modischen Trend orientiert?

Wenn man sich den Aufbau des Buches genauer anschaut, stellt man schnell fest, dass es dem Autor in erster Linie darum geht, Informationen zur veganen Ernährung unter dem Aspekt Gewichtsreduktion zu transportieren. Dazu schaut er sich zum einen die glykämische Last, zum anderen die genaueren Inhaltsstoffe der entsprechenden Nahrungsmittel an. Ergänzend dazu betrachtet er aber auch im Detail die Vorgänge, die bei der Nahrungszufuhr in unserem Körper ablaufen.

Was passiert während des Fettstoffwechsels und wie wirken natürliche Fatburner? Und was sollte man essen, um die Fettverbrennung anzuregen? Diese Punkte führen zwangsläufig zu einem Diätkonzept, das mir allerdings nicht ausgereift erscheint. Der Ernährungsplan, den Oberbeil für die Diätwoche zusammengestellt hat, lässt keine Zweifel daran, dass man bei dieser reduzierten Kalorienmenge zwangsläufig abnehmen wird. Allerdings sind die Gerichte sehr minimalistisch und wenig einladend. Was ich überhaupt nicht verstehe: warum besteht einen Hauptmahlzeit lediglich aus zwei Grünkernfrikadellen? Keine Gemüse-, keine Salatbeilage? Da vergeht mir bereits beim Lesen der Appetit…

Als Ratgeber zur Hinführung an die vegane Ernährung mag das Buch ja taugen, aber als Anleitung zur Gewichtsreduktion würde ich den vorgeschlagenen Diätplan auf keinen Fall empfehlen. Zum einen sind die Rezepte langweilig und simpel, zum anderen kann man als Abnehmwilliger diese reduzierten Nahrungsmengen vielleicht über einen kurzen Zeitraum einhalten und dadurch das eine oder andere Kilo verlieren. Aber Heißhunger-Attacken und Rückfälle sind dadurch vorprogrammiert. Und spätestens dann, wenn wieder „normal“ gegessen wird, werden die verlorenen Kilo ratzfatz wieder auf den Hüften landen.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2015
Dunkle Stadt Bohane
Barry, Kevin

Dunkle Stadt Bohane


ausgezeichnet

„Dunkle Stadt Bohane“ ist das Debüt des irischen Schriftstellers Kevin Barry und wurde 2013 mit dem International IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet, und wenn man den Roman gelesen hat, versteht man auch die Gründe dafür.

Handlungsort ist die fiktive Stadt Bohane an der Westküste Irlands, einst eine prosperierende Metropole, die aber im Jahr 2053 im Dunkel versunken ist. Gewalt und Clanstreitigkeiten beherrschen den Alltag, Gesetzlose haben das Sagen. Allen voran Logan Hartnett, der aus dem Elendsviertel Smoketown zusammen mit einer Bande von Jugendlichen, den Fancy-Boys, das Leben in der Stadt kontrolliert. Aber seine Vorherrschaft ist in Gefahr, als sein Erzfeind Gant Broderick, den er vor einem Vierteljahrhundert aus der Gegend vertrieben hat, seine Rückkehr ankündigt. Besondere Brisanz erhält dessen Botschaft auch noch dadurch, dass dieser der ehemalige Liebhaber seiner Frau Macu war. Die Frage ist nun, wer aus diesem Machtkampf als Sieger hervorgehen wird. Hartnett oder Broderick – oder steht am Ende schon ein Königsmörder in den Startlöchern?

Ein Genre-Mix, wie wir ihn in „Dunkle Stadt Bohane“ finden, ist nicht so selten, auch wenn die einzelnen Zutaten auf den ersten Blick nicht zusammenpassend erscheinen: Sciene Fiction, Komödie, Western, Märchen, Heldensage, Dystopie und Comic – eine wilde Mischung. Was diesen Roman so außergewöhnlich macht, ist die Sprache. Es muss eine ungeheure Herausforderung für den Übersetzer Bernhard Robben gewesen sein, der den Dialekt des Originals in lesbares und verständliches, mit Rotwelsch gemischtes Deutsch, gebracht hat. Absolut beeindruckend!

Kevin Barry jongliert mit Versatzstücken der verschiedenen Genres. Es gibt Helden, aber diese sind keine Lichtgestalten. Die Geschichte spielt zwar in der Zukunft, aber das Leben in Bohane ist bar jeder technologischer Errungenschaft, keine Autos, keine PCs und keine Handys, noch nicht mal Schusswaffen. Die Gangmitglieder sind sehr jung, und ihre bevorzugte Lektüre sind Modemagazine – nicht unbedingt das, was man von brutalen Killern erwarten würde.

Laut und sexy, schrill und grell, retro und gleichzeitig futuristisch, eine Revue mit übertrieben geschminkten Darstellern, die in keine Schublade passt, so würde ich Barrys Roman beschreiben. Ungewöhnlich, anders, aber genial - und sehr, sehr unterhaltsam. Lesen!