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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2016
Spreewaldgrab / Klaudia Wagner Bd.1
Dieckerhoff, Christiane

Spreewaldgrab / Klaudia Wagner Bd.1


sehr gut

Der Spreewald ist eine idyllische Landschaft voller Ruhe und fernab von Hektik. Genau der richtige Ort für Klaudia Wagner, die sich aus dem Ruhrgebiet hierher versetzen liess. Es ist die alte Geschichte, ihr Lebensgefährte hat eine Jüngere und da ihr Lebensgefährte auch ihr Chef bei der Kripo war, bekommt auch ihre berufliche Laufbahn einen Knick. Zudem scheint die Trennung recht schmutzig abgelaufen zu sein.
Allerdings ist es im schönen Lübbenau auch nicht allzu golden. Die uralten Wenderessentiments Ossis gegen Wessis haben immer noch Gewicht, die Kollegen sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, sie findet kaum Zugang, ja man könnte es Mobbing nennen. Außerdem ist da noch ein Stalker, der zunehmend Klaudias Leben schwer macht.
Ein Mord bringt ziemlich Unruhe, ein Immobilienmakler wird tot in seinem Wochenendhaus aufgefunden, die Ehefrau ist schwere Alkoholikerin, der Sohn und sein Ehemann mauert und kaum will Klaudia ermitteln, wird sie ausgebremst. Dann taucht bei der Spurensuche noch eine altes Skelett auf dem Grundstück aus und schon bekommt der Fall noch eine historische Dimension.
Der erste Fall, so steht es auf dem Klappentext, ist ein gelungener Auftakt. Der Plot ist ausgezeichnet komponiert, die Spannung durchgehend hoch. Der zweite Handlungsstrang bringt noch eine Extraportion Psychothrill in den Roman. Die mythisch-geheimnisvolle Landschaft Spreewald mit den vielen Wasserwegen und verschwiegenen Orten sind ein stimmungsvoller Hintergrund.
Es gibt für mich allerdings eine Einschränkung, alle handelnden Personen sind mit Sozialdramen überladen, da gibt es Gewalt gegen Frauen, ungewollte Schwangerschaften, Ehekrisen, Gesundheitskrisen, Familientragödien und vieles mehr. Auch wenn ich berücksichtige, dass hier für die weiteren Folgen ein Grundstock gelegt werden sollte, damit die Handlungsstränge weitergeführt werden können, war es des Guten zuviel.

Bewertung vom 08.03.2016
Das Mädchen mit dem Fingerhut
Köhlmeier, Michael

Das Mädchen mit dem Fingerhut


ausgezeichnet

Das Mädchen mit dem Fingerhut ist eines der auf sich allein gestellten Kinder, die irgendwie zu überleben versuchen. Yiza, sie nennt sich so, weil sie ihren Namen nicht kennt, hat immer mal wieder einen „Beschützer“ so wie Onkel Bogdan, der sie zum Betteln schickt, oder einige Frauen, für die sie in Müllcontainer klettert und die guten Sachen herausfischt. Sie verliert Bogdan, lebt allein auf der Straße, wird aufgegriffen, kommt in ein Heim und wäre fast geborgen, wenn sie da nicht auf Schamhan trifft, der ihre Sprache spricht und sie flieht zusammen mit ihm und Arian aus dem Heim. Sie leben von Betteln und Stehlen, kennen Hunger und Kälte, schlafen im Wald oder in Scheunen. Vermutlich kommen sie aus dem Südosten, Balkan wäre eine Möglichkeit und das Schicksal hat sie in eine westliche Großstadt gespült.
Köhlmeier berichtet ganz emotionslos und distanziert von diesen Schicksalen, die es häufiger gibt, als man sich denkt. Dadurch wird diese kleine Geschichte viel eindringlicher, denn jeder Leser selbst wird die Bilder im Kopf haben. Die Kälte ist nicht nur der Jahreszeit geschuldet, Kinder wie Yiza bleiben oft unsichtbar, unser Blick gleitet über sie hinweg. Das Leben auf der Straße wird sie prägen und die kühle Distanz der Menschen. Es wird Yiza auch nicht gelingen Vertrauen aufzubauen, deshalb zieht sie die Flucht mit Schamhan und Arian der Sicherheit und Wärme des Kinderheims vor.
Köhlmeiers Buch ist nur schmal vom Umfang, aber gewichtig im Inhalt. Das Schicksal der Kinder, von denen Yiza nur eines ist - man denke nur an die augenblickliche Flüchtlingsdebatte, die die Not der Balkanländer fast völlig ausblendet – bekommt hiermit eine eindringliche Stimme.
Ein Wort nur zum Umschlag, große, melancholische Augen blicken ins Leere. Ich finde, das setzt den Inhalt sehr schön um.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2016
Die Frauen von La Principal
Llach, Lluis

Die Frauen von La Principal


sehr gut

Inspektor Lluis Recader kommt 1936 zum ersten Mal nach Principal. Er ist ein junger enthusiastischer Polizist, der von seiner Mutter die Liebe zum klassischen englischen Kriminalroman mitbekommen hat. Ein Toter vor den Toren des Gutes wurde gemeldet, es ist Ricardo, ein ehemaliger Arbeiter des Hofes, der mit zahlreichen Messerstichen in den Unterleib getötet wurde. Doch wir stehen am Ausbruch des Bürgerkriegs und Recader, ein glühender Nationalist, zieht in den Kampf gegen Republikaner und „Rote“. Er erwirbt sich Meriten als tapferer Kämpfer und kompromißloser Verhörer, der Folter und Henker im Dienst des Franco Regimes in Kauf nimmt.
1940 kehrt er jetzt zurück und der ungelöste Fall erweckt noch immer seine Neugierde. Auf La Principal nimmt er seine Nachforschungen wieder auf, trifft aber anfangs nur Ursula, eine alte Dienerin an, die in Rückblenden von ihrer Herrschaft erzählt.
Die Rückblenden und Erinnerungen, die angenehm abgesetzt in Kursiv gedruckt sind, reichen bis in die 1890 Jahre zurück, als Maria Roderick von ihrem Vater zur Verwalterin und Erbin des Gutes eingesetzt wird. Nicht aus Liebe, nein – nur aus Kalkül. Die gefürchtete Reblaus hat sich bis in die Rebstöcke des Gutes ausgebreitet. Seinen Söhnen ermöglicht er komfortable Karrieren in Barcelona, erwirbt für sie Immobilien und prächtige Wohnsitze. Die Schwester wird zur Verwaltung des nun wertlosen Guts in die Provinz verbannt, quasi lebendig begraben. Aber Maria ist eine starke Persönlichkeit, nicht nur, dass sie das Gut wieder rentabel macht, sie kann ihrer einzigen Tochter Maria Magi Roderick ein wertvolles Erbe hinterlassen, das aber durch den Toten mit einem Geheimnis umgeben ist.
Llach wählt eine sehr interessante Perspektive, er siedelt einen großen Teil des Romans in der Mitte der Geschichte an. Zwei der Frauen des Hauses werden in Rückblenden und Erinnerungen lebendig.Die Geschichte ist nicht linear erzählt, sondern springt zwischen den vergangenen Generationen und der Gegenwart hin und her und lässt den Leser, ähnlich wie den Inspektor, nur langsam in die Familiengeheimnisse eintauchen. Die weiblichen Figuren, ob Senyoras oder Dienerinnen, sind starke, erdverbundene Frauen, die sich in Zeiten des Machismo gut zu behaupten wissen, genau wie die dritte Generation der Marias, die sich in der Gegenwart als Geschäftsfrau etabliert. Erstaunlich fand ich, dass ich trotz Inspektors Recaders Vergangenheit als Folterknecht Francos und glühender Verteidiger des Francoregimes, seine Figur als empathisch empfand.
Gegen Ende des Romans tauchte die dritte Maria auf, Enkelin der legendären Maria Roderick, die als ältere, erfolgreiche Frau zurückgekommen ist, um ihren greisen Vater bei der Vewaltung des Weinguts zu unterstützen. Vom ihm erfährt sie von den Geheimnissen des Mordes und ihren Vorgängerinnen, etwas was der Leser natürlich schon kennt oder zumindest ahnt. Das empfand ich als Abschwächung, es scheint, dass der Autor so wenig von Logik der Geschichte überzeugt ist, dass er dem Leser anhand der Erzählungen des Vaters noch einmal die Motive und Lösungen aufzählt. Auch Sprache und Stil sind im letzten „modernen“ Teil bei weitem nicht so kraftvoll und farbig wie zuvor. Das finde ich sehr schade und daher bleibt es bei 4 Sternen.

Bewertung vom 08.03.2016
Endgültig / Jenny Aaron Bd.1
Pflüger, Andreas

Endgültig / Jenny Aaron Bd.1


ausgezeichnet

Bis Jenny Aaron, Mitglied einer internationalen Polizeieinheit, in Barcelona bei einem Einsatz das Augenlicht verliert, war sie eine der härtesten Mitglieder des Teams, intelligent, austrainiert, eine effektive Kämpferin im Nahkampf und an der Waffe. Doch dieser Einsatz verändert alles, sie ließ einen Kollegen, ihren heimlichen Liebhaber, am Ort schwer verwundet zurück, ohne einen Notruf abzusetzen, verfolgte in einem Auto den Täter, es kam zu dem folgenschweren Unfall, der sie das Augenlicht kostete und auch die Erinnerungen an die letzte Stunde des Einsatzes.
Jahre später, sie hat sich genauso zielgerichtet wie je zuvor ins Berufsleben zurück gekämpft, ist sie Verhörspezialistin und Fallanalytikerin. Ihr fehlendes Sehvermögen hat sie längst durch das Training ihrer anderen Sinne ausgeglichen. Da wird sie nach Berlin zurückgerufen, ein Häftling ermordete seine behandelnde Psychologin und ist nur ihr gegenüber zur Aussage bereit. Zurück an alter Wirkungsstätte erkennt sie sofort, dass man ihr eine Falle gestellt hat. Barcelona ist noch nicht abgeschlossen, der Tag der Abrechnung und Vergeltung scheint gekommen.
Dieser Thriller ließ mich auch nicht eine Minute verschnaufen, die Handlung peitscht in kurzen Szenen und Sätzen von einem Höhepunkt zum anderen. Aaron und ihre Kollegen vom alten Team werden in einen Strudel aus Gewalt, Rache und Vergeltung gerissen, das einzelne Menschenleben zählt nicht viel in dieser Auseinandersetzung. Man sollte ja nicht den Fehler begehen, einige Seiten unaufmerksamer zu lesen, in jedem Satz, in jeder beschriebenen Geste ist ein Puzzleteil zur Auflösung versteckt. Daneben nimmt sich der Autor aber Zeit, jede seiner Personen auszuleuchten, zu jedem hat er eine Geschichte, eine menschliche Begegnung zu erzählen. Die Werte, wie Freundschaft, Kameradschaft und Treue werden sehr hochgehalten in dieser Elitetruppe, die bereit ist, einander mit dem eigenen Leben zu schützen. Deshalb scheint Jenny Aarons Verhalten damals so besonders abwegig und das Zusammentreffen mit ihrem ehemaligen Liebhaber und Kollegen, der wider alle Erwartungen überlebte, ist eine schmerzhafte Erfahrung, denn sie spürt tief im Inneren, dass ihre Liebe immer noch da ist.
Der kurze, knappe Stil der Sprache, die schnellen Schnitte haben mich sofort in Bann gezogen, die schmerzlichen Rückblenden, die Jenny Aarons Gedächtnis fluten, ihre Gedankenwelt und ihre innere Zwiesprache zeigen ihre verletzliche Seite.
Aber es gibt etwas, das mir gegen Ende des Buches fast zu viel wurde: der philosophische Überbau, die Rechtfertigung von Gewalt und Mord durch den japanischen Weg des Krieges, des Bushido, die Überhöhung der Tugenden der Samurai. So wird aus einem banalen Rachefeldzug ein Duell gleichwertiger Kampfmaschinen, die ihrem eigenem Ehrenkodex folgen und den Tod als Erlösung erwarten.
Ich habe in letzter Zeit kaum einen Thriller gelesen, der mich von der ersten Seite an so gefesselt hat. Von der Hauptperson Jenny Aaron, die Härte mit Verletzlichkeit und Einfühlungsvermögen verbindet und Pavlik, ihrem Mentor möchte ich unbedingt mehr erfahren. Ein weiterer Band ist im Nachwort ja schon lose versprochen.
Was über den Inhalt hinaus noch besonders ist, das ist die sorgfältige Ausstattung des Buchs. Das Cover mit der Brailleschrift, der Farbschnitt runden den Gesamteindruck ab.

Bewertung vom 08.03.2016
Die Halbwertszeit der Liebe
Sievers, Corinna T.

Die Halbwertszeit der Liebe


sehr gut

Dr. Margarete Dorn, Schönheitschirurgin, kühl, analytisch, kritisch, trifft auf einem Kongress auf Professor Hans Heinrich. Sie, die sich selbst als frigide und gefühlsunfähig beschreibt, ihren Körper ablehnt, anorektisch ist, beschließt diesen älteren, übergewichtigen Wichtigtuer zu lieben.
Das ist verwunderlich, kann sie doch in wenigen Augenblicken ihr Gegenüber klassifizieren, erkennt seine körperlichen Schwachstellen, weiß wo und wieviel Fett abzusaugen ist, kann den Penis nach Länge und Umfang definieren, sowohl im Ruhe- wie auch im Erregungszustand und setzt ihren Körper durchaus aus zur Verführung ein. Allein, sie selbst bleibt unbeteiligt, ihr ist es nicht gegeben, Erregung zu spüren, zu lieben.
Das alles will sie bei Heinrich finden, sie unterwirft sich, lässt sich auf Prüfungen und Liebesbeweise ein, zeigt Demut und behält doch immer ihre ironische Distanz. „Das meine Demut ihn entmündigt, entgeht ihm“ ist ein Satz, der genau beschreibt, dass Margarete sich klein macht, aber doch immer die Oberhand behält.
Ein gemeinsames Wochenende in den Bergen soll folgen und dort spitzt sich das Verhältnis zu, ein weiterer Mann kommt ins Spiel, sie erreichen zu dritt den Gipfel, aber nur Heinrich und Margarete kommen ins Tal zurück.
Ich weiß nicht, wie ich das Buch beschreiben soll, eine Selbstfindung, eine Liebesgeschichte, die Geschichte einer unglücklichen Frau…., aber was bleibt ist die Faszination, die dieser Text auf mich hatte. Ich konnte mich der Geschichte von Margarete nicht entziehen, es gibt so viele Deutungsmöglichkeiten, dass ich noch lange mit dem Roman beschäftig bin.
Nicht zuletzt hat mich diese unterkühlte und trotzdem vor Erotik knisternde Sprache in Bann gezogen. Ein außergewöhnliches Buch einer außergewöhnlichen Autorin.

Bewertung vom 02.03.2016
Der Mann, der das Glück bringt
Florescu, Catalin Dorian

Der Mann, der das Glück bringt


ausgezeichnet

Elena und Ray treffen sich an einem schicksalshaften Tag im September 2001 in New York. Elenas Mutter träumte ihr ganzes Leben von einem Neubeginn in Amerika, nun ist sie gekommen, um wenigstens die Asche der Mutter in New York zu verstreuen und ihr posthum den Lebenswunsch zu erfüllen.
Ray träumt immer noch von einer Karriere als Künstler, genau wie sein Großvater. Die beiden Menschen begegnen sich, fühlen sich nahe und beginnen einander vom Leben von Mutter und Großvater zu erzählen.
Diese Rückblenden führen ins New York der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und in einen kleinen vergessenen Ort in Rumänien im Donaudelta, auf zwei Kontinente in diesem Buch wunderbar verbunden werden.
In New York versucht der kleine Junge, den wir der Einfachheit halber Großvater nennen, auf der Straße zu überleben. Er kennt seine Eltern nicht, die frühesten Erinnerung führen in ein Waisenhaus. Aber schon ganz früh schlägt er sich als Zeitungsverkäufer, Schuhputzer und Botenjunge durch. Immer auf der Suche nach etwas Essbarem oder einem Unterschlupf für die Nacht. Jeder Tag ist eine Überlebenskampf und wer nicht stark genug ist, der bleibt auf der Strecke. Mitleid kann sich Großvater kaum leisten und findet er einen Toten im Schnee, schaut er erst, ob die Kleidungsstücke noch brauchbar sind. Aber tief im Innern bewahrt er sich die Sehnsucht nach Liebe und Beständigkeit, ja auch nach Glück, obwohl in seiner Lebensrealtität kaum Platz für Moral oder Bedenken sind. Er hat eine wunderschöne Stimme und wenn er singt, bringt der die Frauen zum Weinen und zum Lachen. Er ist für die einen „der Mann, der Glück bringt“ aber er bringt auch den Tod.
Elenas Mutter lebt dagegen in einer fast verwunschenen Landschaft in Inselgewirr des riesigen Donaudeltas. Ihr Vater war ein Fischer, der bald nach ihrer Geburt verstarb, ihre Mutter begegnet ihr mit Lieblosigkeit und Verachtung. Wenn nicht Vanea wäre, ein etwas zurückgebliebener, scheuer Fischer, hätte sie nie Freundschaft und Vertrauen erfahren. Elenas Mutter hat nur einen Wunsch, raus aus dem Dorf, sie will unbedingt nach Amerika auswandern und ihre Pläne nehmen immer mehr Gestalt an, als das Schicksal ihr eine schreckliche Prüfung auferlegt.
Es sind zwei ganz unterschiedliche Lebenswelten die der Autor vor uns ausbreitet. Beide sind unerbittlich und hart, das Leben des Einzelnen zählt nicht viel, wenn alle ums Überleben kämpfen müssen, das ist in den Ghettos von New York nicht anders, als in den gottverlassenen Dörfern in Rumänien. Aber beide Welten haben auch eine Schönheit, der man sich nicht entziehen kann. Mit seiner bildhaften, poetischen Sprache, malt der Autor diese Orte geradezu für seine Leser. Seine Hauptfiguren werden mit großer Empathie gezeichnet. Florescu liebt seine Figuren, in all ihrem Elend und Verschlagenheit, mit ihren Schwächen und Stärken, er gibt ihnen soviel Respekt und Menschlichkeit mit, dass ich das beim Lesen spürte. Dadurch sind mir die Figuren sehr nahe gekommen. Ihr Leid und ihr Elend münden nicht in Tristesse, trotz der Härte findet sich auch Witz und eine nie endende Hoffnung für seine Personen in diesem Roman.
Die Reise in die Vergangenheit, zu Mutter und Großvater der beiden Erzähler ist die große Stärke des Buches, nachdem sie sich getroffen und zueinander gefunden haben, hat sich der Kreis geschlossen. Ray und Elena – das ist eine andere, vielleicht neue Geschichte.

Bewertung vom 08.02.2016
Das zerstörte Leben des Wes Trench
Cooper, Tom

Das zerstörte Leben des Wes Trench


ausgezeichnet

Wes Trench lebt mit seinem Vater von Shrimpsfang in den Sümpfen des Bayou. Die Ölförderung hat das Gebiet schwer geschädigt, die Erträge werden immer weniger und das Überleben immer härter. Nun treibt auch noch ein neuer Ölteppich auf das Delta zu. Seit 5 Jahren fährt Wes mit seinem Vater zum Shrimpsfang, aber er tut es voll Zorn und Hass auf ihn. Der Sturm Katrina hat die Familie zerrissen, die Mutter kam ums Leben und Wes gibt seinem Vater daran die Schuld. Er hat nicht auf sie gehört und alle Warnungen vor dem Sturm buchstäblich in den Wind geschlagen. Diese Schicksalsschläge zwingen Wes, seine College Pläne zu vergessen und als Fischer ein hartes, schlecht bezahltes Leben auf sich zu nehmen.
Er heuert beim alten Lindquist an, als das Leben mit seinem Vater unerträglich wird. Aber auch Lindquist ist ein verbitterter alter Mann, der nach dem Verlust seines Arms und dem Tod seiner Frau, den Schmerz und die Trauer mit Alkohol und Drogen bekämpft. Lindquist will einen geheimnisvollen Piratenschatz heben, den er im Delta vermutet und Nacht für Nacht fährt er in seinem Boot hinaus um zu graben. Dabei kommt er den Zwillingen Reginald und Victor Toup in die Quere, die ihre versteckten Grasfelder im Delta haben und nachts zur Ernte rausfahren und die Aufdeckung ihres Drogenanbaus fürchten. Auch die Zwillinge gehören zu der Schicht, die man als die Verlierer der Gesellschaft bezeichnen kann. Später kommen noch weitere Personen dazu, die sich begegnen und in die Geschehnisse eingreifen, ohne das die einzelnen Protagonisten eine Verbinden sehen.
Es ist nicht nur die Verbitterung des Wes Trench, die der Autor Cooper beschreibt, alle seine Figuren müssen mit einem zerstörten Leben und geplatzten Träumen und Plänen leben. Da führte mich der Titel in die Irre.

Tom Cooper beschreibt das in einer unglaublich farbigen, unmittelbaren Sprache, die mich sofort ganz real in die Geschichte gezogen haben. Die wechselnden Erzählperspektiven erschließen weitere Dimensionen. Die Menschen wurden mir sofort lebendig und standen vor meinen Augen, so bildstark werden sie mit ihren Eigenheiten und Schrullen geschildert. Egal wie viele Schläge und Entäuschungen das Schicksal für sie bereit hält, sie halten an ihrem Traum und an ihrem Glauben an eine bessere Wendung fest. Es ist der unerschütterliche Glaube, die optimistische Einstellung, die Wes und die anderen von einem besseren Leben träumen lässt.
Die Sumpflandschaft um New Orleans ist wunderbar, fast schon romantisch verklärt geschildert, die Liebe des Autors zu diesem Land teilt sich dem Leser auf jeder Seite mit. Es hat mir auch sehr gut gefallen, wie Cooper den Mut und den Willem, sich nicht von denSchicksalsschlägen unterkriegen zu lassen, seinen Figuren mitgibt. Diese Kraft, den Widrigkeiten zu trotzen und dabei den Humor nicht zu verlieren, haben mir die Figuren so nahe gebracht.
Trotzdem bleibt in diesem Buch die melancholische Grundstimmung spürbar, die schon im Schutzumschlag zu sehen ist. Dort wurde ein alter Schwarz-Weiß-Stich gewählt, der die Sümpfe ein wenig trostlos und menschenfeindlich darstellt.
Mein Fazit: ein großes Buch über den großen Süden der USA.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.02.2016
Der Pfau
Bogdan, Isabel

Der Pfau


ausgezeichnet

Ein Herrenhaus in den schottischen Highlands bringt für die Besitzer Lord und Lady McIntosh mehr Kosten, als sie durch ihre Arbeit als Ingenieurin und Dozent verdienen können. So sind die Besitzer sehr froh, wenigstens einen kleinen Teil durch Vermietung der umgebauten Wirtschaftsgebäude decken zu können. Ja, wenn da nicht dieser Pfau wäre, der seit seiner ersten Balz ein irritierendes Verhalten an Tag legt. Alles was blau ist, wird von ihm gnadenlos mit spitzem Schnabel und Krallen attackiert. Als nun ein Teambuilding Seminar für eine Bank abgehalten werden soll und die Chefbankerin Liz in einem metallic-blauen teuren Wagen vorfährt, muss Lord McIntosh handeln.
Daraus entwickelt sich eine feine, subtile Komödie, die die menschlichen Eitelkeiten bloß stellt. Dazu braucht die Autorin nicht viele große Beschreibungen, ihr gelingt es mit nur wenigen treffenden Worten die Personen zu skizzieren. Jeder Satz, jede Redewendung sitzt! Es ist ein großes Vergnügen diese geschliffene pointierte Komödie zu lesen, die ein Beispiel für den feinen, etwas unterkühlten englischen Humor ist, den die Hamburger Autorin Isabel Bogdan wunderbar variiert.
Aus einem knappen Dutzend Protagonisten entwickelt sie eine Geschichte, die die ganze Bandbreite menschlicher Irrungen und Wirrungen umfasst. Das sich der Pfau dabei einer Metamorphose zum Fasan und später noch zur Gans und wieder zurück unterziehen muss, bleibt das Leit- und Titelmotiv. Nach diesem Seminar wird kein Teilnehmer mehr unverändert nach London zurückkehren, ob es als Teambuilding zielführend war, wird sich erweisen.
Dieses nicht sehr umfangreiche, sorgfältig ausgestattete Buch verspricht nicht nur eine Augenweide durch den feinen gelungenen Schutzumschlag, es verspricht auch ein Lesevergnügen, das mehr als eingelöst wird und ich habe nur mit großem Bedauern die letzte Seite umgeblättert

Bewertung vom 08.02.2016
Die Schneelöwin / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.9
Läckberg, Camilla

Die Schneelöwin / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.9


sehr gut

Camilla Läckberg ist eine renommierte Autorin, deren Bücher regelmäßig ganz vorne auf den Bestsellerlisten zu finden sind. In ihrem neuesten Buch ist wieder der Kommissar Patrick Hedström und seine Frau Erika, eine Schriftstellerin involviert. Während Erika für ihren neuen Roman einen alten Kriminalfall recherchiert und eine Frau interviewt, deren Mann über Jahre die gemeinsame Tochter schwer mißhandelte, bearbeitet Patrick einen Todesfall nach schwerer Folter an einen jungen Mädchen. Erika fühlt sofort Parallelen zu ihrem Fall und mischt sich in die Ermittlungen ein. Ich bin kein regelmäßiger Leser von Camilla Läckberg und habe ihre früheren Fälle um Patrick und Erika Hedström nicht gelesen. Dadurch habe ich einen Nachteil gegenüber den Lesern, die die Bände in der Reihenfolge kennen, sie werden sicher schneller mit den vielen Personen und deren Vorgeschichten vertraut sein und vielleicht etwas schneller in Handlung kommen.
Wie bei vielen skandinavischen Krimis baut sich die Spannung vor allem durch die Schilderung und Charakterisierung der Täter und ihres Umfelds auf. Die menschlichen Abgründe, die krankhaften Grausamkeiten gegen die jungen Opfer die beschrieben werden, verstörten mich sehr. Es scheint fast, als gäbe es keine normale Familien, bei allen gibt es Brüche, Geheimnisse und Verdachtsmomente.
Camilla Läckberg greift auch soziale Themen auf, die in der modernen skandinavischen Gesellschaft verankert sind, so wirkt das Buch auch wie eine aktuelle gesellschaftliche Bestandsaufnahme. Wohltuend sind dagegen die Abstecher ins turbulente Familienleben von Kommissar Hedström und Erika Falk, die fast wie eine Atempause wirken, die man wirklich nötig hat. Mir sind ein paar Handlungstränge und Wendungen zuviel und auch die vielen Rückblenden unterbrachen meine Lesefluss. Die Lösung ist überraschend und lange tappte ich im Dunkeln bis es zur – wie ich meine, etwas überstürzten Auflösung kommt. Insgesamt ist die „Schneelöwin“ ein fesselnder Krimi mit viel Hintergrund. Wenn man sich erst einmal eingelesen hat und mit den Personen vertraut wurde, steigert sich die Spannung kontinuierlich bis ins Finale.
Ich kannte bisher keinen der vorangegangen Bände, wahrscheinlich wäre ich dann noch schneller ins Buch gekommen. Aber auch so bleibt es ein ganz außergewöhnlicher Kriminalroman, der mir Lust auf die früheren Ausgaben macht.

Bewertung vom 08.02.2016
Willkommen im Club der Superhelden / Super Sarah Bd.1
Saddlewick, A. B.

Willkommen im Club der Superhelden / Super Sarah Bd.1


sehr gut

Sarah ist ein Schussel, alles was sie anfasst geht kaputt, sie kann kaum einen Schritt gehen ohne eine Katastrophe auszulösen. So sieht sie ihrem Auftritt in der Turmspring AG der Schule mit gemischten Gefühlen entgegen. Aber zuerst muss sie ihrer besten Freundin Kelly helfen, die oben steht und nun weder springen noch zurückgehen kann, weil sie sich vor der Höhe fürchtet. Sarah überwindet sich und hilft ihrer Freundin, doch wie kann es anders sein, sie stolpert vom Sprungbrett – und meistert einen eleganten Kopfsprung. Kurz darauf erhält sie die Einladung zu einer erstaunlich ungewöhnlichen Schul – AG.
Ich habe dieses Buch zweimal gelesen, beim zweiten Mal mit einer kleinen Gruppe 7- 8 jähriger Kinder im Rahmen der Lesepatenschaft. Mein erster Eindruck war gemischt, die kleine Sarah wird sehr nett geschildert und in ihrem Missgeschicken kann sich jedes Kind wiederfinden. Dazu ihre Fröhlichkeit, die ansteckend wirkt. Aber es gibt Abschnitte, die ich nicht unbedingt altersgerecht fand und manchmal nur albern.
Beim Vorlesen habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht, Sarahs Abenteuer am Sprungturm oder in der Testkammer haben alle Kinder gefesselt, bei der Schilderung der geschwisterlichen Reibereien hatte viele Kinder ähnliche Erlebnisse. Aber einiges musste ich den Kindern auch erklären. Telekinese, Telepathie, die Sprüche der Weisheit aus dem Handbuch usw, das war für die Kinder nicht so spannend. Das Sarah aber trotz aller Unfälle nicht aufgibt und endlich ihre wirkliche Stärke und Superkräfte erkennt, fanden alle Kinder wieder klasse.
Das Buch ist eine wirklich hübsche Geschichte mit einer Botschaft, die Kinder schon ab ca 8 Jahren verstehen und mit deren Hauptfigur, der fröhlichen, tollpatschigen Sarah, sie sich gut identifizieren können. Das manches zu Fragen anregt oder begleitet gelesen werden sollte, ist eine gute Gelegenheit für Eltern, gemeinsam mit ihrem Kind das Buch zu entdecken.