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Benutzername: 
hasirasi2
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1128 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2017
Der Mann, der zu träumen wagte
Simsion, Graeme

Der Mann, der zu träumen wagte


sehr gut

Ich muss gleich zu Beginn sagen, dass ich nach dem Klappentext etwas völlig anderes erwartet hatte. Einen glücklichen, gebundenen Mann, der nach Jahren wieder etwas von seiner Jugendliebe hört und sich entscheiden muss, ob er sie wiedersehen will.
Bekommen habe ich den zynischen Protagonisten Adam, der schon seit langem nur noch aus Gewohnheit mit seiner Freundin Claire zusammen lebt. Sie haben sich auseinander entwickelt. Seit einiger Zeit schlafen sie sogar in getrennten Zimmern. Vor 22 Jahren hatte er in Australien eine Affäre mit der verheirateten Angelina – sie hat ihm von vornherein klar gemacht, dass es nie mehr werden wird. Und trotzdem hatte er darauf gehofft.
Im ersten Teil des Buches geht um die schwierige Beziehung zwischen Angelina und Adam. In Rückblenden erinnert er sich an ihr Kennenlernen, ihren damaligen Mann und den schmerzlichen Abschied. Er hat sie nie vergessen, zehrt von den Erinnerungen. Und plötzlich, nach 22 Jahren schreibt sie ihm eine Mail mit nur einem Wort „Hi“. Sofort ist das Gefühlschaos wieder da. Die Mails werden verfänglicher und bald lädt sie ihn ihr Landhaus nach Frankreich ein – nur ihn, nicht Claire. Von Claire hat er sich nämlich getrennt.
Im zweiten Teil geht es um den Urlaub in Frankreich - er fährt natürlich und das Bizzeln zwischen ihm und Angelina ist sofort wieder da. Die erotische Anziehung ist fast noch stärker als damals – und ihr Mann Charlie scheint nichts dagegen zu haben. Denn auch in ihrer Bilderbuchbeziehung ist nicht alles Gold, was glänzt.

Ich habe Graeme Simsions romantische Romane „Das Rosie-Projekt“ und „Der Rosie-Effekt“ verschlungen und hatte ein ähnlich gelagertes Buch erwartet – gut die Protagonisten sind älter, reifer, aber mit Jugendliebe assoziiere ich natürlich auch Romantik.
Bekommen habe ich zwei desillusionierte Männer in der Mitlife-Crisis und den „Vamp“ Angelina, welche anscheinend den Luxus hat, sich zwischen ihnen entscheiden zu können, wenn denn beide mitspielen. Dabei ist Angelina gar nicht so platt, wie sie auf den ersten Blick rüberkommt. Sie ist intelligent, hat einen verantwortungsvollen Job und 3 Kinder mit Charlie. Bis zum Wiedersehen mit Adam dachte sie nicht, dass er ihr gefährlich werden kann. Doch dann kochen die Gefühle hoch. Schnell wird klar, dass sie (nur für diesen Urlaub?) aus der Eheroutine und den gegenseitigen Abhängigkeiten ausbrechen will.

Die Situationen wirken zwar oft überspitzt und ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob das „normalen Menschen“ wirklich so passieren könnte, aber die Handlung war gut pointiert, kurzweilig, voller erotischer Spannungen und sehr unterhaltsam. Da Adam in seiner Freizeit in Kneipen Klavier spielt, wird ein Großteil der Geschichte durch Musik unterstützt, das hat sie sehr lebendig gemacht. Leider kam mir das Ende etwas übereilt vor und nicht alle Beweggründe waren für mich klar nachvollziehbar. Aber es war trotzdem logisch und hat gepasst.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2017
Anfang 40 - Ende offen
Bloom, Franka

Anfang 40 - Ende offen


ausgezeichnet

„Welche Erwartungen habt ihr am Älterwerden? Wie stellt ihr euch euer Leben mit 40 (oder später) vor? Wie geht ihr mit diesen Gedanken und Vorstellungen um?“ Diese Frage leitet die Lovelybooks-Leserunde zu „Anfang 40 - Ende offen“ ein. Tja, ich hatte mir mein Leben in dem Alter auf jeden Fall anders vorgestellt - Kinder, Erfolg im Beruf, ein (Ferien)Haus an der Ostsee ... Statt Kindern hab ich einen Hund (der hoffentlich sehr, sehr alt wird), statt Erfolg im Beruf haben wir Erfolg mit unserem Buchblog und auf das Haus an der Ostsee hoffe ich weiter ;-). Außerdem habe ich tolle neue Freundinnen gefunden – mein Leben hat also mit 40 wirklich nochmal neu begonnen.

Auch Vera plant einen Neuanfang. Sie ist gerade 48 geworden, steht kurz vor der Scheidung, ihre Tochter Greta ist 18 und hat das Abi in der Tasche – Vera könnte sich endlich auf ihr eigenes Leben und ihre Firma konzentrieren. Doch natürlich kommt alles anders, als erhofft. „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ sagte schon John Lennon. Sven, Veras (noch Ehe-) Mann verzögert die Scheidung immer wieder, Greta will das „Hotel Mama“ nicht verlassen und Veras jugendlicher Lover Paul klammert viel zu sehr. Dazu kommt ihre plötzlich paarshippende Mutter, die Storys aus ihrem Leben erzählt, welche nicht nur Vera erröten lassen. Und dann passiert etwas völlig Unvorhergesehenes und sie muss ihr Leben und ihre Pläne komplett neu überdenken.

Selten hat mich in ein „Frauen-Selbstfindungsroman“ so amüsiert und unterhalten wie dieser. Am ehesten lässt sich der Stil von Franka Bloom mit dem von Ildikó von Kürthy vergleichen. Das Buch ist spritzig, kurzweilig und amüsant. Ich habe die über 400 Seiten in nur 2 Tagen verschlungen. Außerdem haben die immer wieder auftauchenden Wendungen dafür gesorgt, dass es nie langweilig wurde sondern überraschend blieb. Jedes Mal wenn ich dachte, ich wüsste endlich wie Vera tickt, änderte sie ihre Meinung. Und das „Schlimmste“ ist – trotzdem war alles nachvollziehbar. Sind wir Frauen wirklich so wechselhaft ;-)?

Vera und ihre Freundinnen sind Frauen wie Du und ich: mit Figur- und Beziehungsproblemen, sich sprunghaft vermehrenden Fältchen und grauen Haaren und dabei immer füreinander da. Auch die Herren der Schöpfung sind aus dem Leben gegriffen, sei es Sven – der weder die Scheidung noch von seiner neuen Freundin lassen will – oder Paul, der verwöhnte Sohn, der sich auch bei Vera bald zu sehr zu Hause fühlt. Ein Highlight ist der schwule Kellner Pavel, ihn und seine Lebensweisheiten muss man einfach lieben.

Mein Lieblingszitat (weil es nicht nur auf den Roman passt wie die Faust aufs Auge) ist: „Am Ende sucht sich das Leben seinen Weg.“ (S. 355)

Fazit: „Anfang 40 – Ende offen“ ist ein MUSS für alle Fans von Ildikó von Kürthy und gehört verfilmt – schließlich ist Franka Bloom das Pseudonym einer bekannten Drehbuchautorin.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.02.2017
Mein gesundes, warmes Wohlfühlfrühstück
Waldhart, Julia

Mein gesundes, warmes Wohlfühlfrühstück


sehr gut

Da wir dieses Jahr mal wieder einen richtig kalten Winter hatten (und eigentlich auch immer noch haben), habe ich mich sehr gefreut, dass ich bei Lovelybooks im Rahmen einer Leserunde ein außergewöhnliches Kochbuch aus dem Löwenzahn Verlag testen durfte: „Mein gesundes, warmes Wohlfühlfrühstück“. Gerade in der kalten Jahreszeit ist es sehr angenehm, schon morgens mit einer warmen Mahlzeit zu starten. Ich finde es toll, dass fast alle Rezepte vegetarisch oder vegan sind bzw. sich ganz leicht umwandeln lassen. Die Rezepte sind für jeweils 2 Personen ausgelegt, lassen sich aber bequem vervielfältigen.
Die letzten Wochen haben wir uns also durch einige der 70 süßen oder pikanten Rezepte gekocht (also ich habe gekocht, mein Mann nur gegessen ;-) ) und bis auf einige wenige Ausnahmen ist auch alles gelungen. Probleme gab es vor allem bei den Gerichten, die in den Backofen mussten. Da haben die Zeiten oder Temperaturen bei mir nicht funktioniert.

Unsere süßen Lieblingsgerichte sind die Palatschinken und der Quinoa-Mandel-Mix mit Backpflaumen – letzterer wird mit einem herzhaften Dressing serviert und ist mein absolutes Highlight. Bei den herzhaften Gerichten haben es uns die Stampfkartoffeln (aus dem Ofen) und das Apfelmus mit Kren besonders angetan.

Ein klitzekleines Manko hab ich aber trotzdem noch. Bitte, bitte liebe Verleger, lasst nicht immer die Zubereitungszeiten und Nähwertangaben weg. Ich will schon wissen, wie viel Zeit ich einplanen muss und was so drin ist – dabei meine ich nicht mal unbedingt die Kalorien sondern auch Zucker oder Eiweiß etc. Es gibt viele Menschen, die auf so etwas achten müssen und von den fehlenden Angaben evtl. abgeschreckt werden.

Fazit: Die meisten Gerichte haben lange satt gemacht, ohne zu schwer im Magen zu liegen. Und gerade bei der Eiseskälte in der letzten Zeit war das warme Frühstück ein echter Gewinn. Ob ich das allerdings auch im Hochsommer machen würde, weiß ich noch nicht ...

Bewertung vom 12.02.2017
Alma
Fohl, Dagmar

Alma


ausgezeichnet

Musik kann Leben retten

„Es geht darum, mit Musik eine Geschichte zu erzählen. Es geht immer um die Geschichte, die hinter den Noten steckt. Es geht um Emotionen.“ (S. 19)
Gäbe es eine Melodie zu dieser Geschichte, wäre sie unglaublich traurig und sehr berührend. „Alma“ beschreibt den Überlebenskampf des jüdischen Musikalienhändlers Aaron Stern während der Nazizeit so unglaublich bildhaft und real, dass man ein Herz aus Stein haben müsste, wenn er einen nicht bewegen würde.

Aaron wächst in Hamburg auf. Obwohl seine Eltern Juden sind, gehören sie dem evangelischen Glauben an. Sein Vater hat einen Musikalienhandel. Musik, insbesondere das Cellospiel, begleitet Aaron von Kindheit an.
Er ist 14, als Hitler an die Macht kommt und muss bald darauf von der Schule abgehen. Mit 20 übernimmt er den Laden seines Vaters. Als er seine Frau Leah kennenlernt, verbindet die Musik sie sofort. 1938 wird Aaron als Novemberjude ins KZ Sachsenhausen gebracht. Erst im März 1939, kurz vor ihrer Auswanderung nach Amerika, bekommt Leah ihn frei. Ihre Tochter Alma wird im 7. Monat kurz vor ihrer Abreise geboren und ist nicht reisefähig. Sie müssen sie bei einem „arischen“ Freund zurücklassen.
Eine Odyssee über Meere und Kontinente beginnt. Die Auswanderer dürfen nirgendwo von Bord gehen, jedes angelaufene Land verspricht neue Hoffnung und wird zur neuen Enttäuschung. Einige stürzen sich lieber ins Meer, als zurück nach Europa zu fahren. Aaron rettet sich in die Musik. Letzten Endes stranden sie in den Niederlanden im Lager Westerbrock. Von dort geht es bald nach Auschwitz. Im KZ wird er täglich gedemütigt und verhöhnt, ist immer kurz vorm Verhungern – aber er hält irgendwie durch. Die Musik (er spielt im Lagerorchester) und der Glaube an ein Wiedersehen mit Alma hält ihn am Leben. „Wir musizierten um unser Leben, während das Grauen um uns herum immer größere Ausmaße annahm.“ (S. 122) Viele Internierte werfen sich lieber in den Hochspannungszaun, als in die Gaskammer zu gehen oder sich den Nazis anzubiedern. Aber Aaron hält durch, denn in Hamburg wartet hoffentlich seine Tochter auf ihn.
Nach dem Krieg ist er ein gebrochener Mann, wird die Erinnerungen und Albträume nie los. Bei der Suche nach Alma stellt er sich immer wieder die Frage, ob er seinem Kind diese Vergangenheit antun kann und will.

Aaron ist der Ich-Erzähler dieses Buches, deshalb ist man als Leser immer dabei, denkt und fühlt wie er. Manchmal war es mir fast zu viel, war ich zu dicht an ihm dran. Ich glaube nicht, dass ich das alles ausgehalten hätte. Egal wie oft er zusammenbricht, er rappelt sich immer wieder auf – für die Suche nach Alma. Wie stark, hoffnungsvoll und zuversichtlich muss man sein, um das alles zu überstehen?! Dieser unbedingte Überlebenswille hat mir sehr imponiert.
Am Ende des Buches sagt er: „Ich hatte nie die Absicht, meine Geschichte zu erzählen. ... Doch ich lebe in Deutschland des Jahres 2016. Ich empfand es als meine Pflicht, zu sprechen.“ (S. 211)

Bewertung vom 10.02.2017
Die Perlenfrauen
Agnew, Katie

Die Perlenfrauen


ausgezeichnet

Sophia, Mitte 30, entstammt altem englischen Landadel. Sie hat es in ihrem Leben aber nur bis zum Partygirl gebracht. Natürlich ist ihre Familie nicht begeistert, deshalb wurde ihr vor Jahren der Geldhahn abgedreht und jetzt lebt sie mit ihrem besten schwulen Freund Hugo in der heruntergekommenen Stadtvilla eines Freundes. „Manchmal schien diese Haus ... wie ein Ort, an dem Chancen zu Grabe getragen werden.“ Immer auf der Suche nach der nächsten Party, dem nächsten Freigetränk, der nächsten schnellen Nummer. Ihre Eltern haben ihr schon in der Kindheit das Gefühl gegeben, nichts wert zu sein, das hat sie verinnerlicht.

Sophie wird erst wach, als ihre im Sterben liegende Großmutter Tilly sie beauftragt ein verschwundenes Perlenhalsband wiederzufinden. Dieses hatte die Großmutter von ihrem Vater zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen und hat es am 18.Geburtstag ihrer Tochter Alice weitervererbt. Seither ist es jedoch verschwunden und Sophies Mutter leugnet, es je besessen zu haben. Sophie hängt sehr an ihrer Großmutter und möchte ihr gern diesen Wunsch erfüllen. Sie macht sich auf die Suche nach dem Armband und muss sich dabei auch mit der Familiengeschichte auseinandersetzten.
Unterstützt wird sie dabei von Hugo, aber auch Tillys Briefe, in denen sie von ihrer Kindheit und Jugend erzählt. Diese wurde durch eine lieblose Mutter, einen überwiegend abwesenden (aber liebevollen) Vater und den 2. WK geprägt. Auch Tillys Leben verlief anders, als geplant.

In einem weiteren Erzählstrang geht es um die Geschichte der Perlen von Tillys Kette. Sie stammen aus Japan und die junge Taucherin Manami riskiert sogar ihr Leben, um die Perlen im Meer zu finden. 1927 erhofft sie durch den Verkauf der Perlen eine bessere Zukunft für ihre Familie. Später, im Jahr 2012 lebt Manamis Tochter Aiko als erfolgreiche Geschäftsfrau in New York. Und auch sie konnte die Perlen nie vergessen ...

Die Geschichte wird beherrscht von schönen aber kalten Frauen die, genau wie die schönen kalten Perlen ihre Geheimnisse haben. Tillys Mutter interessierte sich nur für ihre Schönheit und Partys, ihre Tochter und ihr Mann (es war eine Vernunftehe) waren ihr egal. Tilly selbst hat später bei dem Versuch, ihrer Tochter Alice ein perfektes Leben zu ermöglichen, einen schlimmen Fehler gemacht, dieses Unrecht möchte sie noch vor ihrem Tod gesühnt wissen. Und Alice – Alice versteckt sich (schon zu lange?) hinter ihrem Mann, um den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und Erinnerungen zu vermeiden.

Die Suche nach den Perlen wird für Sophia schnell zur Suche nach der Wahrheit, der Vergangenheit und ihrer Familiengeschichte. Dabei wird sie endlich erwachsen und begreift, dass sie mehr kann als gut aussehen und sich auf Partys freihalten zu lassen. Mir hat ihre glaubhafte Entwicklung sehr gut gefallen. Aber auch Tillys und Alice Beweggründe und Geheimnisse waren plausibel und bis zur letzten Zeile sehr spannend. Ich habe diese starken Frauen gern durch das Buch begleitet - es wurde trotz fast 600 Seiten nie langatmig oder langweilig.
Einzig eine Stelle am Ende des Buches war für mich etwas zu unrealistisch. 4,5 von 5 Sternen.

Übrigens hat der Bucheinband den Glanz und die Farbe von Perlen, was mit sehr gefallen hat. Auch die Kirschblüten als Symbol für Japan passen gut dazu.

Bewertung vom 10.02.2017
Tannie Maria und der Mechaniker des Teufels
Andrew, Sally

Tannie Maria und der Mechaniker des Teufels


ausgezeichnet

„Tannie Maria und der Mechaniker des Teufels“ geht genau da weiter, wo der Vorgängerband aufgehört hat. Mit Maria auf ihrer Terrasse im südafrikanische Outback sitzend (die Sonne geht langsam unter, die Hitze flirrt noch etwas), wartend auf Detektive Henk Kannemeyer. Das Feeling ist sofort wieder da, ich kann den Abendhimmel förmlich sehen und die warme Luft spüren – ein tolles Gefühl mitten im deutschen Winter. Man bekommt sofort Lust auf Südafrika.

Natürlich wird auch wieder gekocht und gebacken, was das Herz begehrt und dem Leser das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Schließlich beantwortet Tannie Marie bei einer kleinen Zeitung die Hilferufe ihrer Leser mithilfe von Rezepten. Auch sie selbst stillt ihren Kummer mit Essen, denn sie ist innerlich zerrissen. Sie würde Henks Nähe so gern zulassen, kann es aber nicht. Seit Jahren braucht sie Essen wie die Luft zum Atmen. Nur Kuchen kann die Leere füllen, die Ängste stoppen. Aber irgendwann hilft nicht mal mehr ihr Lieblingskuchen. Sie sucht professionelle Hilfe in einer Selbsthilfegruppe. Allerding ist ihr Therapeut als Satansjünger verschrien und anscheinend auch irgendwie in den Mord an dem Autor Slimkat Kaboo involviert, den Tannie Maria mit angesehen hat und den Henk Kannemeyer gerade untersucht. Henk hat Angst um Maria, sie soll sich raushalten. Schon beim ersten Fall wäre sie beinahe umgekommen. Aber dann passiert der nächste Mord mitten in einer Therapie-Gruppensitzung ...

Sally Andrews hat es auch mit diesem Band geschafft, mich hervorragend zu unterhalten. Tannie Maria ist eine eher unauffällige, dabei aber sehr liebevolle und recht zielstrebige Frau. Genau so ist auch dieses Buch. Der Krimi besticht durch leise Töne, interessante zwischenmenschliche Beziehungen, unvorhersehbare Verwicklungen und Menschen, die ihre dunkelsten Geheimnisse geschickt zu verbergen wissen. In jeder Gruppensitzung wird ein Stück eines Geheimnisses aufgedeckt und trotzdem überrascht einen die nächste Sitzung, das nächste Geständnis noch mehr. Dazu kommen die vielen Verdächtigen, die einem geradezu auf dem Silbertablett serviert werden – und mit denen man geschickt vom wirklichen Täter abgelenkt wird.
Natürlich ist Südafrika keine „heile Welt“ Region, deshalb geht es in dieser Geschichte auch um Blutdiamanten, die Landbesitzverhältnisse der Ureinwohner und die Apartheid. Aber es wird nicht moralisiert oder gewertet, diese Hintergründe fließen harmonisch in die Geschichte ein.

Neben Tannie Maria ist auch Henk Kannemeyer ein sehr sympathischer Held. Verwitwet, ein guter Ermittler und Menschenkenner, aber kein Heiliger. Er ist besorgt um Tannie Maria, weiß aber, dass er sie nicht einengen kann. Außerdem scheint er den 7. Sinn zu haben, denn wenn sie ihn braucht, ist er zur Stelle. Sein Herz ist so groß, dass er sogar das Lämmchen, welches er geschenkt bekommen hat, nicht schlachtet sondern als Haustier hält und allabendlich in den Schlaf singt. Ein Held zum Verlieben.

Für diesen tollen atmosphärischen Krimi vergebe ich sehr gern die Höchstpunktzahl und hoffe auf weitere Ermittlungen mit Tannie Maria und Henk.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.02.2017
Die Katzen von Montmartre
Korber, Tessa

Die Katzen von Montmartre


ausgezeichnet

Eigentlich beherrschen die Katzen Montmarte, aber wir Menschen nehmen sie nicht wahr. Dabei könnten sie uns so viel erzählen. Bonnard z.B. muss nur auf seiner Bank auf dem Friedhof liegen, schon kommen die Besucher, setzen sich dazu, streicheln ihn und irgendwann beginnt jeder, ihm sein Geheimnis zu enthüllen. Grisette wohnt im Kiosk bei Madam Chauchat. Sie hält sich für eine Besonderheit, meint, orientalischer Abstammung zu sein, und will als Modell für die Straßenmaler groß rauskommen - die Kater lieben sie dafür. Und Suzanne, die Katze der Bäckerin Madame Valladon, würde ihrer ewig seufzenden Besitzerin so gern einen eigenen Wurf Kinder oder wenigstens einen Mann wünschen – aber wir hören ja nicht auf sie ...

Die Katzen in diesem Krimi haben genau wie wir Menschen ihre Stärken und Schwächen – sie sind tröstend, aufreizend, Chefs, verspielt, jugendliche Rowdys oder besorgte Mütter. Sie kümmern sich nicht nur umeinander, sondern auch um „ihre“ Menschen. Denn auch diese haben ihre Besonderheiten und Geheimnisse. Madame Valladon, die Bäckerin, meint für die Sünden ihres Vaters büßen zu müssen, obwohl nur sie sich daran stört. Madame Chauchat, die Kioskbesitzerin, schaut den Menschen nicht nur ins Gesicht sondern vor allem in die Hand und enthüllt dabei so manches. Das Lokal von Monsieur Martis ist der Treffpunkt des Viertels. Er „hat Verbindungen“, kann fast alles besorgen. Und auch seine schüchterne Küchenhilfe Emil verbirgt seine wahre Berufung.

Eines Tages tauchen auf dem Friedhof von Montmartre ein deutsches Mädchen, ein arabischer Junge und ein alter Straßenmaler auf. Sie kommen und gehen getrennt, haben ihre Geheimnisse, nichts verbindet sie. Kurz darauf ist das Mädchen tot und Grisette verschwunden. Während die Menschen nach dem Mörder des Mädchens suchen, kümmern sie die Katzen um Grisettes Verschwinden. Und doch treffen sie bei ihren Ermittlungen immer wieder aufeinander. Die Spuren scheinen sich zu kreuzen.

Genau wie die Katzen meist auf leisen Pfoten durch ihr Revier streichen, ist auch dieses Buch sehr ruhig, kein knallharter reißerischer Krimi. Aber keine Angst, der Fall und dessen Auflösung sind sehr überraschend und erschreckend zugleich.
Der Krimi besticht durch sein Flair: Paris im Sommer, das Künstlerviertel Montmarte, der Zusammenhalt. Man möchte sofort den nächsten Urlaub buchen. Für mich hätte der Fall aber etwas mehr Spannung vertragen können. Selbst der ermittelnde Commissair, ausgelaugt vom Leben und den Enttäuschungen, agiert nur agiert still im Hintergrund, ist dabei aber hellwach und unerwartet menschlich.

„Dann ist es mit den Menschen wie mit den Kunstwerken. Interessant macht sie dass, was man nicht sieht, aber ahnt.“

Bewertung vom 02.02.2017
Die Mutter des Satans
Beinert, Claudia;Beinert, Nadja

Die Mutter des Satans


gut

Die Geschichte wird in Rückblenden erzählt. Margarethe sitzt für Lucas Cranach Modell und erinnert sich dabei an ihr Leben. Geprägt wurde es natürlich vor allem durch ihren ältesten und umstrittensten Sohn Martin Luther.

Margarethe hatte ein hartes Leben und einen lieblos wirkenden Ehemann (Hans), dem sie immerhin 6 Kinder gebar. Ihr Vater war Ratsherr, ihr Mann „nur“ Bauer, aber mit großen Ambitionen. Er wollte unbedingt Hüttenmeister werden und zu Ansehen kommen (was er durch harte Arbeit und fast schon grausame Sparsamkeit auch schaffte) - diesem Wunsch hatte sich alles unterzuordnen. Margarethe hatte zu funktionieren – „Das Weib sei dem Manne Untertan.“
Sie war eine gottesfürchtige, sehr gläubige Frau, die ihre Kinder schon früh an ihren Glauben heranführte. Trost findet sie im Gebet und dem Glauben an Gottes Allmächtigkeit – selbst Leibstrafen an den Kindern waren für sie dadurch erklärbar. Aber sie bemerkte auch immer mehr die Widersprüchen und Zwänge, fühlte sich weder durch die gekauften Ablassbriefe noch die Beichten und Bußen beim Pfarrer befreit oder getröstet. Für sie war ihr Leben gottgegeben und vorbestimmt.
Erschreckend fand ich, dass die Pest als Strafe für alle Sünden angesehen wurde. Das ist heute nur schwer vorstellbar und auch Margarethe begann das erste Mal zu zweifeln, als ausgerechnet ihre jüngste und sündenfreie Tochter Barbara daran starb. Margarethe sah den logischen Fehler, zog aber keine Konsequenzen.
Als Martin sein Jurastudium abbrach und stattdessen Mönch wurde, war er für Hans gestorben. Margarethe pflegte den Kontakt zu ihm heimlich über viele Jahre. Sie kämpfte wie eine Löwin für ihren Sohn, auch wenn sie seine Überzeugungen nicht von Beginn an teilte und immer wieder als „Mutter des Satans“ beschimpft wurde – Martin Luther sollte an allem Schuld sein, was in der Welt im allgemeinen (Pest) und den Nachbarn im besonderen (persönliche Unglücke) passierte, weil er sich vom wahren Glauben abgewendet hatte.

Leider bin ich mit dem Buch nicht so richtig warm geworden, der Stil war mir zu weitschweifig und langatmig. Die Zeit damals war sehr düster und (für mich zu) deprimierend – das wird sehr anschaulich beschrieben. Der Hexenwahn und die Pest greifen um sich und zerstören neben Leben auch Freundschaften.
Margarethe bleibt lange farblos, duldsam, eine gehorsame Ehefrau. Nur in den Passagen mit Cranach oder beim Tod ihrer Kinder wurde sie für mich lebendig und lies Gefühle zu. In den Szenen im Atelier ist sie sehr leidenschaftlich, taut auf und man kann auch mal hinter ihre harte Schale gucken. Die Stellen wirken sehr hell – ein guter Kontrast zum Rest des Buches, aber ich hätte mir mehr davon gewünscht, ich wollte Margarethe ja schließlich kennenlernen. Aber meistens wirkt so steif wie auf Cranachs Gemälde.
Cranach bringt gleichzeitig auch noch eine andere Sichtweise auf das Geschehen ein. Er reflektiert während der Portraitstunden sein eigenes Leben, den Umgang mit seiner Familie und die Freundschaft zu Martin Luther. Für mich habe genau diese Szenen das Buch aufgelockert.

Abschließend ist „Die Mutter des Satans“ für mich zu sehr Biographie und zu wenig Roman.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.01.2017
Das Lied der Störche / Ostpreußensaga Bd.1
Renk, Ulrike

Das Lied der Störche / Ostpreußensaga Bd.1


ausgezeichnet

Ostpreußen 1920: Frederike (Freddy) ist 11, als ihre Mutter einen Verwandten ihres verstorbenen Mannes heiratet und damit aus Onkel Erik Freddys Stiefvater wird. Dies ist bereits die dritte Ehe ihrer lebenslustigen Mutter. Freddys Halbgeschwister sind echte von Fennhusens, sie „nur“ einen von Weidenfels – „nur“, weil sie kein Erbe, keine Mitgift zu erwarten hat. Aber Freddy ist klug, wissbegierig, lebensklug, und umsichtig. Sie besitzt Einfühlungsvermögen und ist mit einer sehr guten Beobachtungsgabe ausgestattet. Im Gegensatz zu ihrer Mutter findet sich Fredda schnell mit den Abläufen auf dem großen Gut und den Angestellten zurecht. Ihr ist klar, dass sie eine sichere Zukunft nur in einer Ehe oder ein Anstellung z.B. als Mamsell (Vorsteherin des Haushaltes) finden wird.
8 Jahre später hat Freddy erfolgreich eine Ausbildung an einer höheren Töchterschule für Gartenbau absolviert und dort alles gelernt, um einem Gut vorstehen zu können – egal ob als Ehefrau oder Mamsell. Ihre Eltern sähen sie natürlich lieber in der Rolle einer Ehefrau – am liebsten in der von Ax von Stieglitz. Ax ist ein langjähriger Bekannter von Erik und ca. 15 Jahre älter als Freddy. Aber warum war er noch nie verheiratet? Warum wird nie ein Gerücht über eine Affäre laut?! Welches Geheimnis verbirgt er?

Was für ein Wohlfühlbuch! Von Anfang an war ich mitten im Geschehen, was vor allem an dem extrem anschaulichen Schreibstil der Autorin lag. Man merkt, dass sie auch eine große Familie hat. Freddys Familie ist toll inszeniert - groß, laut, sympathisch und mit einem ausgezeichneten Zusammenhalt.
Freddy geht in ihrer Rolle als große Schwester perfekt auf und kann sich ein späteres Leben als Gutsherrin gut vorstellen. Das Gutsleben ist hart und alle, auch die Kinder müssen mit anpacken.
Ax ist als enger Freund ihres Stiefvaters oft zu Besuch und sie schwärmt sofort für ihn – und das nicht nur wegen seines zahmen Wolfsrudels.
Mit ihrer Mutter Stefanie bin ich nicht so recht warm geworden. Sie liebt ihre Kinder und Freddy als älteste Tochter wohl besonders, aber sie fordert von ihr immer mehr als von den anderen. Ihrer Meinung nach sollte sich Freddy nach einem reichen Ehemann umschauen. Dabei bleiben ihre Beweggründe im Dunklen. Geht es hier nur um das Ansehen der Familie?
Erik ist der Ruhepol der Familie, seine Sorge gilt vor allem dem Gut und der politischen Lage, schließlich hängt beides fest zusammen. Der erste WK ist noch nicht lange vorbei und die politische Lage greift immer mehr ins Tagesgeschehen ein. Er liebt die Kinder gleichermaßen und sagt Freddy immer wieder, dass Fennhusen ihre Heimat ist und bleiben wird.
Auch ihre Geschwister sind liebevoll herausgearbeitet, aber die Hauptrolle des Buches machen sie Freddy nie streitig.
Meine Lieblings-Nebencharaktere waren die Köchin des Gutes, eine Seele von Mensch, und ihr männliches Pendant, der Stallmeister Hans.
Einen schönen Gegensatz zu Freddy bildet ihre modebewusste Potsdamer Freundin Thea. Sie ist viel weltoffener, auch, was außereheliche Beziehungen angeht.

„Das Lied der Störche“ war mein erstes Buch von Ulrike Renk und wird auf jeden Fall nicht mein letztes bleiben. Bereits die Leseprobe hatte mich so gefesselt, dass ich wissen wollte, wie die Geschichte weitergeht.
Wer meine Rezensionen kennt, weiß dass ich Familiensagas und dunkle Geheimisse liebe – meine Erwartungen an das Buch waren also sehr hoch und ich wurde keine Minute enttäuscht. Es war spannend, humorvoll, lehrreich und dabei nie kitschig. Das einzige Manko ist ein ganz gemeiner Cliffhanger am Ende des Buches – zum Glück soll die Fortsetzung aber schon im September erscheinen ("Die Jahre der Schwalben").

5 Sterne und meine unbedingte Leseempfehlung.

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