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schreibtrieb

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Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 21.03.2016
Im Labyrinth des Rupert von Raffzahn / Die drei Superbrillen Bd.2
Krüger, Thomas

Im Labyrinth des Rupert von Raffzahn / Die drei Superbrillen Bd.2


ausgezeichnet

Rupert Raffzahn will die Gletscher schmelzen und die Welt unter Wasser setzen. Das können die drei Superbrillen, Kiste, Nudel und Chip nicht zulassen. Sie machen sich geschrumpft und mit Supergeschwindigkeit auf in die geheime Burg des proletenhaften Superbösewichts und landen prompt in dessen Hintern. Kein appetitliches Örtchen und noch dazu keines, an dem die drei viel ausrichten können, oder doch? Eine Reise durch Raffzahn beginnt, denn nicht nur die Welt muss gerettet werden, sondern auch Chips Papa.
Das ist eindeutig ein Buch zum Kringeln. Erzähler ist Superbrille Kiste, dessen Sprache allein schon ein Füllhorn an Schmunzelmomenten liefert. Zusammen mit dem hochintelligenten Chip und dem eher weniger intelligenten Nudel ist die Sonderladung Witz komplett. So komplett, dass es mir als erwachsener Lesern zwischendurch auch mal zu viel wurde. Kiste spricht nicht nur mit den Figuren des Buches, sondern gerne auch mal mit dem Leser, kommentiert, hält die Spannung und führt eigentlich konsequent durch die Geschichte.
Die übertriebene Komik ist Stilelement und wird nicht nur ausgereizt, wenn das U-Boot der jugendlichen Geheimagenten zwischen den Pobacken von Raffzahn eintaucht, sondern auch, wenn der Hypnoseübersetzer plötzlich bayerisch spricht, Raffzahn von Pampelmusenmus pupsen muss und die Superbrillen die Gehirnwindungen des Superbösewichts neu verdrahten. Gerade junge Leser, die nicht das Buch in einem Rutsch lesen, sondern Kapitel für Kapitel kommen so aber immer wieder auf ihre Kosten und finden jeweils ihren humoristischen Höhepunkt.
Die tollen Zeichnungen, die der abenteuerlichen Geschichte nicht nur Bilder, sondern durchaus auch hin und wieder einen Rahmen verleihen, verstärken dabei nicht nur die Handlung, sondern auch die Komik und drängen sich auch nicht vor den Text. Gerade bei illustrierten Romanen finde ich das sehr wichtig und hier gut gelöst.
Der Stil ist aus meiner Sicht etwas zu gezwungen jugendlich. Meinen Sohn stört das aber nicht und er ist immerhin Zielgruppe. Sehr schön fand ich, dass durch die unterschiedlichen Charaktere nicht nur Kombinationsgabe und Witz angesprochen wird, sondern tatsächlich auch das ein und andere Wissenswerte des menschlichen Körpers im Buch verborgen liegt. Chiasma Optikum, Aufbau des Herzen, Darmbewohner, … Begriffe, mit denen jugendliche Leser nicht immer etwas anfangen können, die hier aber nicht einfach nur genannt, sondern innerhalb der Handlung erklärt werden.
Kurz: Ein wirklich lustiges Buch mit viel Witz, Inhalt und einer ausgeklügelten Handlung. Schnell noch dem Osterhasen als Tipp geben!

Bewertung vom 08.03.2016
Die Jagd nach dem Blitzfinger / Frank Einstein Bd.2
Scieszka, Jon

Die Jagd nach dem Blitzfinger / Frank Einstein Bd.2


sehr gut

Frank Einstein, sein Freund Wattson und die beiden Roboter Klink und Klank knobeln am Problem der Energie. Denn Frank würde gerne kostenlos Energie für alle herstellen. Prompt erfindet er einen Blitzefinger, mit dem Energie kabellos aus der Luft abgegriffen werden und an Endgeräte geschickt werden kann. Sein Widersacher Eddison hat da aber einiges dagegen, denn der plant gerade einziger Stromanbieter der Stadt zu werden und mächtig zu kassieren.
Der zweite Band um den kindlichen Erfinder Frank Einstein setzt für mich nahtlos an den ersten an. Dort hatte Frank bereits angedeutet, sich nun mit Energie befassen zu wollen. Genial finde ich, wie der komplexe Stoff hier behandelt und wiedergeben wird. Die Schaubilder und Grafiken gehören genauso zu Verständlichkeit wie die Beispiele, die Frank benutzt. Trotzdem sind die ersten paar Seiten sehr erklärend.

Die Handlung kommt in Gang, als Frank den Blitzefinger erfunden hat und ihn gleich präsentieren will. Gleichzeitig erfährt der Leser vom Vorhaben Eddisons und ahnt, wo alles hinführt –zumal der Prolog die ausweglose Situation, in die Frank und seine Getreuen geraten bereits offengelegt hat. Ebenfalls ein Streich, den ich aus dem ersten Band bereits kenne. Gelungen, hilft die hier erzeugte Spannung nicht nur über den Physik-Exkurs, sondern sorgt von Anfang an für eine tolle Klimax.

Der Stil ist dabei sehr schön, witzig und manchmal ein bisschen besserwisserisch, wie Frank eben auch, aber nie belehrend. Die Handlung ist flüssig und das Lesen macht Spaß. Und auch Frank lernt dazu und bleibt nicht etwa auf einem hohen Sockel. Das bringt ihn dem Leser näher. Wichtig hierfür ist aber besonders Wattson, der „normale“, der eben kein kindliches Genie ist, sondern schlicht dessen Freund. Wattson kommt auf ganz eigene Ideen und zeigt, dass Schlausein nicht nur eine Sache der Intelligenz ist. Das hat mir sehr gut gefallen.

Toll sind auch die unterschiedlichen Roboter, deren Witz immer wieder mitschwingt und gerade, wenn es nervig werden könnte, in einem dramatischen Höhepunkt endet. Der Nervenkitzel hier ist hoch und auch emotional wird dieses Ende bedeutend, denn Trauer und Freude sind manchmal eng miteinander verknüpft.

Aus meinen Händen ist das Buch nicht etwa auf den Lesestapel meines Sohnes geschlittert, sondern macht erst mal Halt bei meinem Angetrauten, der sofort interessiert gelinst hat. Ein Leseerlebnis also nicht nur für jung e Leser, sondern auch für junggebliebenen Physik-Freunde – und solche, die es werden wollen. Denn eins macht auch der zweite Band von Frank Einstein: Lust auf Physik und Lust auf mehr.

Bewertung vom 28.02.2016
Unheilsblick / Die Töchter der Elfe Bd.2
Boyle Rodtnes, Nicole

Unheilsblick / Die Töchter der Elfe Bd.2


ausgezeichnet

Birke und Rose hausen in der alten Tanzhalle. Ihren Vater meiden sie, nachdem sie herausgefunden haben, was er mit ihrer jüngsten Schwester gemacht hat. Während Birke verzweifelt versucht, zur Normalität zurück zu kehren, testet Rose ihre Grenzen und es gibt ordentliche Spannungen. Malte gibt Birke halt, doch dann taucht ein anderer Elf auf, der helfen will und Birke weiß nicht mehr, was sie noch glauben soll. Dann wird Benjamins Leiche gefunden und wieder ändert sich alles.
Konsequent bleibt die Erzählung bei der personalen Sicht von Birke. Ihre Verwirrung ist deutlich erkennbar und so schlängelt sich der rote Faden von Wendung zu Erkenntnis zu Zweifel zu Glaube. Birke kann weder mit ihrem Vater brechen, noch Rose loslassen, geschweige denn Erle, die Schwester, von der sie dachte, sie sei tot. Auch Malte kann sie nicht loslasse. Und im Grunde werden alle diese Beziehungen von verschiedenen Seiten her in Frage gestellt.
So kann sich Birke, die sich immer als Schwester, als Tochter, als Freundin identifiziert hat, ihrer Selbst nicht mehr sicher sein. Auch ihr Hunger ist zurück und der elfische Teil der Mädchen gibt einige Rätsel auf, die nur der Fremde klären kann. Tatsächlich zeigt er Birke neue Möglichkeiten und Fähigkeiten, wirft damit aber neue Fragen und Zugehörigkeitsgefühle auf.
Der Stil ist dem ersten Band treu geblieben. Wenig überschäumende Gefühle, doch das Brodeln zwischen den Zeilen bewegt. Mit einem etwas kühlen Blick und einem staunenden Wesen führt Birke durch die Geschichte. Doch gerade die emotionalen Stellen verdeutlichen dafür ihren inneren Zwiespalt und ihre Gefühlslage. Im Gegensatz zu vielen übertrieben dauer-hochemotionalen Jugendromanen geradezu erfrischend.
Gerade vor dem Hintergrund des ersten Bandes bin ich gut in die Geschichte hineingekommen. Der eigene Stil der Reihe hat mir das Gefühl gegeben einfach weiterzulesen, trotz der Zeit die zwischen den Büchern lag. Etwas Schade fand ich, dass wegen der vielen Geschehnisse, relativ wenig Zeit bleibt, Birkes „Normalität“ zu zeigen, die sie so dringend bewahren will. Hier wird vieles nur sehr kurz angesprochen und droht damit zu versinken. Einzig Malte sticht heraus, dessen Gefühle für Birke – und ihre für ihn – dafür wesentlich deutlicher werden, als noch im ersten Band.
Dafür erhalten die Gefühle, die der fremde Elf in Birke wachruft, eine ganz andere Dimension und wirken auf mich weniger romantisch als animalisch. Interessant fand ich, wie der Kopfmensch Birke mit diesen Gefühlen versucht umzugehen – vielleicht eine unfreiwillige Komik, die mir aber gut gefallen hat und der Figur eine weitere Schicht verliehen hat. Auch Rose gewinnt hier an Tiefe und entwickelt sich in eine völlig neue Richtung.
Ihr seht, der zweite Band wirft vor allem neue Fragen auf und ist darum vor allem eins: Ein Bindeglied, eine Fortsetzung, die nach einer weiteren Fortsetzung schon allein deswegen schreit, weil sie selbst nichts zu Ende geführt hat. Der Leser dringt hier tiefer in Birkes Welt ein und lernt einiges dazu, bekommt aber noch keine Ergebnisse, sondern lediglich neue Anhaltspunkte und Geschehnisse serviert.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2016
Regretting Motherhood
Donath, Orna

Regretting Motherhood


sehr gut

Dass Frauen Mütter werden ist nicht nur in der israelischen Gesellschaft, sondern auch in Deutschland nicht nur Norm, sondern eine Selbstverständlichkeit, die für die eigentliche Frage, ob die Frau Mutter werden will wenig Raum lässt. Unter diesem Druck werden auch Frauen Mutter, die nie eine hatten werden wollen. Andere aber merken erst nach der Geburt ihrer Kinder, dass sie in der Mutterrolle zutiefst unglücklich sind. Orna Donath geht in ihrem Buch nicht nur auf die verschiedenen Gründe für eine „bereute Mutterschaft“ ein, sondern zeigt auch inwiefern diese Frauen unter der Mutterschaft leiden.
Sehr gut finde ich, dass die Verfasserin betont, aus welchen Gründen ihre Studie in Israel durchgeführt wurde und welche Faktoren das Leben der israelischen Mütter bestimmen. Dadurch werden die Unterschiede zu Mutter in Deutschland klar. Auf eben diese Unterschiede geht Orna Donath ebenfalls ein und zeigt auch, dass dennoch auch hier ein gesellschaftlicher Druck auf der Frau lastet, Mutter zu werden. Gleichzeitig tritt gerade dieser wichtige Aspekt im Hauptteil des Buches in den Hintergrund, was zur Analyse der Studie verständlich ist, die Aussage als im Deutschen veröffentlichtes Buch verfälscht.
Wichtig ist auch, dass Frau Donath den Unterschied zwischen der Ambivalenz der Mutterschaft, manchmal mit einer akuten Situation unglücklich zu sein, in anderen Moment aber durchaus glücklich mit dem Muttersein zu können, und der per se bereuten Mutterschaft zieht, die so weit geht, dass diese Mütter ihre Schwangerschaften sofort ungeschehen machen würden, wenn sie konnten. Ein gewisser Widerspruch besteht aber auch hier, denn zugleich beteuern diese Mütter, ihre Kinder zu lieben und alles für sie zu tun.
Das Buch ist durchzogen von Zitaten, die eindrucksvoll zeigen, wodurch im Speziellen die bereuenden Mütter leiden und welche Faktoren eine Rolle spielen. Gleichwohl besteht die Verfasserin völlig zurecht darauf, dass ein Herunterbrechen des Unglücks, das diese Frauen empfinden, auf eben diese traumatischen, finanziellen oder beziehungstechnischen Probleme, den tiefen Wunsch, nicht mehr Mutter zu sein, herunterspielt und verkennt.
Mitunter scheint mir Donaths Wille, der Frau einen Raum zum Bereuen der Mutterschaft zu erkämpfen, sehr dogmatisch. Die Möglichkeit, dass Frauen auch von sich heraus gerne Mutter werden oder dass die empfundene Reue zeitlich begrenzt ist, wird eher nebensächlich aufgezeigt. Gleichzeitig fehlte mir der Hinweis, dass die durchgeführte Studie aufgrund der wenigen Teilnehmerinnen keine repräsentativen Aussagen treffen kann. Vielleicht zeigt sich gerade hier, dass Mutterschaft so facettenreich ist, dass sie auch zum Unglück werden kann, dennoch hätte ein Hinweis dazu Platz haben müssen.
#regretting motherhood ist meiner Meinung nach ein wichtiger Beitrag für die Debatte zur Mutterrolle und für die stetige Entwicklung dessen, was wir unter dem Begriff Mutter verstehen. Ein Schritt in die Richtung, die Mutter als Frau und Mensch zu verstehen und nicht als stetig geduldige und liebenswürdige Matrone zu verehren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2016
Die Traumknüpfer
Wahl, Carolin

Die Traumknüpfer


weniger gut

Sehr gespannt war ich auf Carolin Wahls Die Traumknüpfer, dessen Titel mich schon in den Bann gezogen hatte. 720 Seiten hat der fantastische Roman, der dieses Jahr bei Heyne erschienen ist.
Die vier Jahreszeitenvölker leben auf vier Inseln und ihre Welt wird auf den Kopf gedreht. Die letzten Überlebenden der Halbgötter werden gejagt und abgemetzelt und ein Wahnsinniger will die Traumknüpferin Udinaa aufwecken, denn wenn ihr Traum zerbricht entstehen winzige Splitter, die ihrem Träger Magie übertragen. Kanaae, der Prinz des Sommerlandes will Udinaa beschützen und das Wintermädchen Naviia soll ihm dabei helfen. Doch der Traum Udinaas zerbricht und die Aufgabe, die Kanaae und Naviia jetzt bewältigen müssen ist nicht nur gefährlicher, sondern verlangt auch ein umso größeres Opfer.
Wo die grobe Handlung des Buches noch ganz interessant erscheint, hat mich die Umsetzung einfach enttäuscht. Altbekannte Motive und schon klischeebelastete Elemente sind zusammengewürfelt worden. Die vier Jahreszeitenländer sind simpel gestrickt, die Geschichte zum verlorenen Volk, den Halbgöttern, klingt wie tausendmal schon gehört. Auch die familiäre Bande zwischen Kanaae und Naviia war für mich nicht sehr einfallsreich. Frustriert haben mich vor allem die Namen, die ohne doppelten Vokal nahezu nicht auskommen. Das Mischverhältnis fehlt meiner Meinung nach hier und wirklich phantasievoll ist so ein „System“ auch nicht.
Der Stil lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Wortwiederholungen und hinkende Metaphern wechseln sich zwar mit wirklich guten Stellen ab, deren Inhalt dann aber in einem vorangegangenen oder danachkommenden Absatz bereits übermittelt wurde. Diese Redundanz zieht sich durch das Buch und ermüdet beim Lesen ohne Mehrwert für die Geschichte. Von offensichtlichen Fehlern innerhalb der Logik des Buches mal abgesehen (ja, die gibt es auch), fand ich das das größte Manko des Romans.
Auf den ersten Blick tief gezeichnet sind die Figuren, die ihre eigenen Traumata und Erlebnisse haben und lernen müssen, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass die Entwicklung minimal ist und die Charaktere stets zwischen den gleichen Extremen hin und her pendeln, ohne dabei tatsächlich etwas zu lernen.
Dabei ist die Grundlage des Romans keine schlechte. Aus der Idee hätte durchaus ein tolles Leseerlebnis werden können. Bekannte Merkmale zu nutzen ist üblich und mit etwas Kreativität und eigenen Überlegungen, die das Bekannte in neues Licht setzen, kann so oft eine tolle Geschichte werden. Auch die Grundlagen des Plots an sich sind spannend und nicht verkehrt. Die gesamte Umsetzung aber konnte mir einfach nicht gefallen und hat für meinen Geschmack zu viele Mängel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.02.2016
Schluss mit dem Spagat
Richter, Felicitas

Schluss mit dem Spagat


gut

Felicitas Richterin ist Mutter von vier Kindern und bringt Eltern bei, ihren Alltag so zu organisieren, dass sie nicht in die Stressfalle tappen und dabei noch Zeit für sich haben. In ihrem Buch hat sie nun einige Tipps aufgeschrieben. Dabei steigt sie immer mit einem guten Beispiel, oft auch aus ihrer eigenen Erfahrung, ein und verdeutlicht verschiedene Problematiken im Leben mit Kind, Beruf, Partnerschaft und Freizeit, die doch oft ähnlich klingen und im Grunde auch alle zum gleichen Ergebnis führen: Stress, Zeitnot, Hektik, schlechte Laune.
Schön ist, dass Felicitas Richter dabei nicht nur die Mütter anspricht, sondern gezielt von Eltern redet und auch hin und wieder die Väter in ihren Beispielen auftauchen. Elternschaft ist hier keine weibliche Angelegenheit, sondern eine menschliche. Gleiches gilt auch für die Probleme, die sie aufführt. Sie zeigt selbst an einer Stelle auf, dass nicht nur Eltern die Probleme von Stress, Überarbeitung, etc. kennen, sondern im Grunde die meisten Menschen im Alltag rotieren und ein bisschen Entschleunigung brauchen.
Ihre Tipps sind dabei eigentlich nur Kleinigkeiten, bei denen die größte Schwierigkeit ist, sie in den Alltag so zu integrieren, dass sie nicht einfach wieder geschluckt werden können. Und es sind wirklich gute Tipps. Ich kenne einige davon aus dem autogenen Training und vom Yoga, habe sie schon seit Jahren zu kleinen Ritualen gemacht und sehe sie als selbstverständlich an. Darum hat mir das Buch vor allem wieder einmal gezeigt, dass meine alltäglichen Methoden für andere eben nicht so selbstverständlich sind. Das hilft mir, den Blick zu schärfen und ein anderes Verständnis für meine Mitmenschen zu entwickeln.
Zum Anderen aber zeichnet das Buch so das Bild eines immer gelassenen Geschöpfs, das niemand aus der Bahn werfen kann. Dieses Weichzeichnen macht die Elternschaft, so wie Felicitas Richterin sie „lehrt“ zu etwas Übermenschlichem. Der Raum fürs absolute Chaos, für Wut und Streit, für ein Aufbrausen, nach dem wir uns wieder beruhigen können, fehlt mir. Doch ich bin überzeugt, dass er nötig ist. Erstens, weil uns alles „simple present“ nichts hilft, wenn wir damit alleine dastehen und weder Partner, Kinder noch andere Mitmenschen am gleichen Strang ziehen. Dann gibt es zwangsläufig Streit, der aus Missverstehen entsteht.
Und zweitens, weil das Leben keine gerade Linie ist, keine planbare Sache. Wenn ich immer nur durchatme und versuche, gelassen eine Sichtweise zu finden, mit der ich mich arrangieren kann, fehlt mir das ICH, die ureigene direkte Reaktion. Nach einem „Urschrei“ kann ich mich fassen und habe nicht das Gefühl, alles runter geschluckt zu haben. Und genau der Aspekt fehlt in dem Buch. Dass es uns erlaubt, uns nicht hinter einer Ruhe von „Kann man eben nicht ändern“ zu verstecken, sondern auch einmal aus der Haut zu fahren, um uns selbst zu erkennen. Eine Mischung aus Ruhe und Lärm finde ich viel effektiver.
Trotzdem habe ich mit Schluss mit dem Spagat ein Buch gefunden, dass ich zum Reinlesen und Durchprüfen vielen gestressten Mitmenschen in die Hand geben würde.

Bewertung vom 10.02.2016
Eiskalte Sehnsucht / Dark Elements Bd.2
Armentrout, Jennifer L.

Eiskalte Sehnsucht / Dark Elements Bd.2


sehr gut

Layla trauert noch dem Dämonen Roth nach, da geschehen an ihrer Schule mysteriöse Dinge. Unbescholtene Schüler drehen durch und schlagen sich, nehmen Drogen und besteigen sich im Schulflur. Noch dazu kommt ihr Ziehbruder Zayne, der sie mit seinen Gefühlen konfrontiert. Und Laylas Gefühle stehen Kopf. Als dann auch noch Roth aus der Unterwelt zurückkehrt, um ausgerechnet die Wächter vor einer Gefahr zu warnen, weiß Lalya bald nicht mehr, was sie weiß und was sie will. Und sie befindet sich in größerer Gefahr, als sie ahnt, von allen Seiten.
Das Buch hat mich, wie schon sein Vorgänger, gepackt und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen. Laylas Gefühlschaos ist extrem und dennoch glaubhaft rübergebracht. Dabei setzt der Roman nur kurz nach dem Ende von Steinerne Schwingen ein und führt somit nahtlos den Plot weiter. Dabei verschwimmen hier noch mehr als im ersten Teil die Konturen zwischen Gut und Böse.
Hat sich in Steinerne Schwingen der Fokus auf Layla und Roth gelegt, ist nun ihre Beziehung mit Zayne im Mittelpunkt und Roths Rolle wird neu definiert. Das passiert fast schon zu extrem für mich, gerade im Rückblick auf die Geschehnisse des ersten Bandes. Und auch Layla entdeckt neue Fähigkeiten, die gleichzeitig ein schlechtes Zeichen wie ein glücklicher Umstand sind. So ambivalent zeigen sich viele Faktoren und Layla muss immer wieder darüber nachdenken, wo sie steht und stehen will.
Etwas frustriert war ich von Roths lahmer Ausrede, warum er sich nun von Layla distanziert und ihrer Reaktion darauf. Dass ausgerechnet da auch die Beziehung zwischen ihr und Zayne in Fahrt kommt, geht mir dann wirklich zu schnell. Dafür hinkt Layla bei ihrer Suche nach der Gefahr, vor der Roth gewarnt hat, ziemlich hinterher, wobei gerade die Auflösung relativ schnell offensichtlich wird. Der ausgezeichnete Stil und die klug gesponnene Geschichte erfährt dadurch für mich einen kleinen Dämpfer, denn das Buch scheint mir vor allem dazu gemacht, eine Alternative für Layla auszuloten und geht dafür die Gefahr ein, an anderer Stelle zu trödeln.
Wirklich überraschend war für mich die Reaktion von Laylas Ziehfamilie. Hier zeigt sich ein erschreckender Fanatismus, dem kaum etwas entgegen zu setzten ist. Die Zuordnung zu Freund und Feind ist schwerer denn je und gerade dadurch so interessant. Diese Entwicklung hat sich zwar vorher schon abgezeichnet, kommt aber dennoch extrem und unumstößlich zu Tage. Diese Kraft finde ich eindrucksvoll und wunderbar in Worte gefasst.
Mit Eiskalte Sehnsucht hat Jennifer L. Armentrout für mich nicht nur einen würdigen Nachfolger für Steinerne Schwingen geschaffen, sondern die Geschichte um Perspektiven bereichert und einige Ansätze für den nächsten Teil geliefert, auf den ich schon wahnsinnig gespannt bin. Noch ein kleines Manko für mich zum Schluss: Der erste Band war in sich rund, der zweite Band aber endet mit einem richtigen sogenannten Cliffhanger und ärgert uns Lesebegeisterten bis auch der dritte Teil erschienen ist.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.01.2016
Northanger Abbey
McDermid, Val

Northanger Abbey


sehr gut

Cat Morgan lebt in einem abgeschiedenen Dorf, ist Tochter eines Pfarrers und sehr behütet aufgewachsen. Freundliche Nachbarn, Privatunterricht von der Mutter, ein großer Bruder und kleine Schwestern. Ihr größtes Laster sind ihre Träumereien, ihr Faible für Literatur und Geschichten – am liebsten mit romantisch veranlagten Vampiren. Und Cat ist auf der Suche nach ihrem Abenteuer, dass jetzt doch endlich mal beginnen soll. Die Chance dazu bietet sich ihr, als ihre Nachbarn sie als Begleitung zu einem Kulturfestival in Edinburgh mitnehmen. Cat ist begeistert von der Kultur, der Kunst und den Menschen. Auch ein Galan lässt nicht lange auf sich warten. Cat verknallt sich in den vornehmen Henry aus gutem Hause und freundet sich mit der mitreißenden Bella an, auf die ihr Bruder ein Auge geworfen hat. Doch auch Bellas unausstehlicher Bruder hat ein Auge auf Cat geworfen und der Träumerin kommt der Verdacht, dass Henrys geheimnisvolle Familie etwas Großes zu verbergen hat.
Ich persönlich finde den Versuch sehr gelungen umgesetzt. Aus einem Austen-Roman eine spritzige und flippige Geschichte zu machen, geht einfach nicht. Stattdessen hat die Autorin grundlegende Strukturen beibehalten. Das behütete Mädchen mit dem guten Verstand und einem reinen Herz. Cat sieht in allem das Gute und ist selbst ihren Prinzipien treu. Sie unterstellt nie jemandem etwas Böses und ist immer bemüht freundlich zu sein, selbst wenn ihr Gegenüber sie regelrecht ankotzt. Es geht ihr nicht um Selbstfindung oder -verwirklichung. Es geht ihr um ein kleines Abenteuer und darum, wie sie auf andere wirkt.
Das ist sehr konträr zu vielen modernen Geschichten und damit wieder erstaunlich erfrischend. Auch die Sprache ist dementsprechend bedacht und mitunter vornehm. Cat flucht nicht und auch ihre Mitmenschen achten sehr auf ihre Wortwahl. Das wirkt ein bisschen irritierend und so gar nicht modern, gibt der Handlung aber den Hauch von Austen und Vornehmheit, der nötig ist, um auch die Handlung glaubhaft zu machen.
Austen-haft ist auch die Handlung selbst. Die Verwirrungen und Wege, die Cat und ihre Freunde zu gehen haben erinnert mich stark an einen typischen Austen-Roman, in dem die Protagonistin sich durch unfeine Gesellschaft kämpfen muss, ehe sie ihren Galan für sich gewinnen kann. Oft ist sie dabei sehr passiv, lässt für sich entscheiden. Hier gefällt mir gut, dass Cat durchaus in der Lage ist, sich gegen ihre Umwelt zu stellen, wenn ihre eigenen Prioritäten und Wertvorstellungen bedroht sind. Sie macht den Mund auf, wenn es sein muss, und versucht das auch bei anderen zu erreichen, die ihrer Meinung nach sich von fremden Entscheidungen befreien müssen.
Die große Phantasie Cats, die stetige Suche nach Vampiren und dergleichen fand ich dagegen etwas störend. Da Cat keine schwärmerische Jugendliche ist, sondern einfach naiv und stetig staunend ist diese kleine Besessenheit für Twilight einfach etwas zu fokussiert im Roman für meinen Geschmack.
Mitunter wirkt der Roman auch irritierend, wenn die Figuren zwar ständig mit ihren Mobiltelefonen schreiben, bestimmte Wertvorstellungen aber deutlich hinter unserer Zeit liegen. Die Mischung aus Austen und Moderne ist interessant, ungewöhnlich und erregt Aufmerksamkeit, aber sie macht aus skeptisch und wirkt manchmal aufgesetzt. Ein gelungener Lesespaß, wenn der Leser sich auf das Experiment einlassen kann. Mir hat es jedenfalls großen Spaß gemacht und ich bin gespannt, ob damit eine neue Stilreihe entworfen wurde.

Bewertung vom 25.01.2016
Planet der Algorithmen
Stiller, Sebastian

Planet der Algorithmen


sehr gut

Als Rahmenvorstellung hat der Autor, Professor für Mathematik, einen fremden Planeten gewählt und eine Art Touristenführer geschrieben, aufgeteilt in sieben Tagen, an denen es den Planeten der Algorithmen zu entwirren gilt. Eine Mischung aus Per Anhalter durch die Galaxis und Planet der Affen könnte man Meinen, denn natürlich ist der Planet der Algorithmen unser eigener. Mit sehr schönen Beispielen schmückt Stiller die trockene Theorie aus und verleiht ihr Farbe und Bedeutung. Ob die Kleiderfrage am Morgen oder die Suchmaschienenoptimierung, eine breite Palette kommt da zusammen, so dass wirklich einiges leicht zu verstehen ist. Einiges, aber nicht alles, denn das Konzept Algorithmus ist so einfach wie kompliziert, dass es nicht mal eine vernünftige Definition gibt. Und das mag ich wieder sehr, denn so ist die Sprache auch, arbiträr, willkürlich, vielsagend.
In einem Rutsch habe ich das Buch nicht lesen können – also gut, lesen vielleicht, aber nicht begreifen. Es ist Kopfarbeit gefragt, denn Stiller will verstanden werden, scheinbar komplizierte Überlegungen vereinfachen und diesen Gedankengängen will ich als Leserin folgen. Wo manche Erklärungen sofort einleuchten und die Beispiele sich von selbst zeigen, ist an anderer Stelle einfach etwas mehr Überlegung gefordert. Rechnen muss der Leser nicht, aber Eins und Eins zusammenzählen.
Der Wunsch des Autors, den Algorithmus nicht als ominöses Gespiel einer fernen Zahlenwelt zu verstehen, kann sich durchaus mit diesem Buch erfüllen. Allerdings vermute ich einfach mal, dass ohnehin solche Leser dazu greifen werden, die ohnehin an diesem Verständnis interessiert sind und sich nicht mit einer Matheallergie unter der Bettdecke verstecken. Unterm Strich ist das, wovon Stiller schreibt, aber viel eher Logik, als Mathe.
Mir hat das Buch gut gefallen, weil ich noch einmal ein paar Dinge besser verstehen konnte. Den trockenen Beigeschmack auf ein paar allzu erklärenden Seiten hat das nicht vertrieben, aber interessierte Laien und alle, die gerne wissen möchten, was ein Algorithmus überhaupt ist, kann dieses Buch durchaus empfohlen werden.