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Juti
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Insgesamt 631 Bewertungen
Bewertung vom 11.08.2023
Sämtliche Schriften (Handnummerierte Vorzugsausgabe im Schmuckschuber)
Humboldt, Alexander von

Sämtliche Schriften (Handnummerierte Vorzugsausgabe im Schmuckschuber)


gut

Großes Werk, gut für den Hawkins-Index

Bei der Lektüre des ersten Bandes viel mir auf, dass der große Humboldt offenbar kein Tagebuch auf seiner Reise mit Forster geführt hat, jedenfalls finde ich es nicht. War der Gelehrte noch zu jung? Es hat mir weitere Forschungen verleidet.

Aber die gesamten 8 Bände zieren jedes Bücherregal bestens. Und sie zeugen von der Klugheit des Besitzer. Ferner könnten wir sagen, über Humboldt wissen wir nun alles.

Bei all dem für und wider: 3 Sterne

Bewertung vom 08.08.2023
Demokratie braucht Religion
Rosa, Hartmut

Demokratie braucht Religion


ausgezeichnet

Gute Rede, gutes Buch

Da in diesem Büchlein nur die Rede von Rosa aus Würzburg veröffentlicht wird, ist es selbst mit dem kurzen Vorwort von Gregor Gysi in einer Stunde gelesen.

Allein schon, dass Gysi zu diesem Thema das Vorwort liefert, ist erstaunlich. Dem nicht an Gott glaubenden ist es wichtig, dass der befreiende Charakter religiöser Ideen nicht verloren geht. (15) Und so spricht er von der Entfremdung zur Religion durch die Philosophen Hegel, Feuerbach, Marx und Benjamin. Religionen hätten den Vorteil, Moral- und Wertvorstellungen allgemein prägen zu können.

Genug des Vorworts – jetzt kommt Rosa mit der Jahreslosung: „Gib mir ein hörendes Herz.“ (20) Dies ist die Kernaussage seines Vortags, denn eigentlich passt die Kirche nicht mehr in „unser Zeitalter der Bastelreligion, wo jeder irgendwie sein eigenes Weltbild konstruiert“ (23) in einem religiösen Pluralismus mit sehr vielen unterschiedlichen Deutungsangeboten. Und bei der Corona-Pandemie zeigte sich, dass die Stimme der Kirche gar nicht mehr gehört wurde.

Einige stellen schon die Gesellschaft als solche in Frage, weil nur noch Prozesse und Institutionen nebeneinander existieren. Der Autor glaubt aber, dass eine Gesamtheit verschiedener Institutionen noch besteht. Er kritisiert das Reden vom ständigen Wachstum, das gar nicht präzisiert werden kann. So spricht er vom „rasenden Stillstand“, weil der Sinn für die Vorwärtsbewegung verloren gegangen ist. „Genau genommen glaubt keiner mehr [...], dass es besser wird. Der globale Konkurrenzkampf wird in Zeiten der Klimakrise noch viel schärfer werden“ (48) oder „Wir müssen alles tun, […] damit es der nachfolgenden Generation nicht viel schlechter gehen wird als uns.“ (52)

Am meisten beunruhigt ihn der Wandel der politischen Kultur: „Der politisch Andersdenkende wird nicht mehr einfach nur als Dialogpartner [...] gesehen, sondern als ekelerregenden Feind, den man zum Schweigen bringen muss.“ (43) Früher glaubte Rosa, dass Demokratie funktioniere, wenn „jeder eine Stimme hat, die hörbar gemacht wird.“ (53) Heute fügt er noch Ohren hinzu, die diese Stimmen auch hören. Er vertritt die These, dass die Kirchen über „ein kognitives Reservoir verfügen, über Riten und Praktiken, über Räume, in denen ein hörendes Herz eingeübt und vielleicht auch erfahren werden kann.“ (55f) Selbst spricht der Soziologe von Selbstwirksamkeit, von Resonanz. „Resonanz heißt für mich Hören und Antworten; etwas erreicht mich und ruft mich an, und ich stelle plötzlich fest, es entsteht eine Verbindung dadurch, dass ich in der Lage bin, auf das Empfangene zu reagieren.“ (59f)

Burnout sei das Gegenteil von Resonanz, die zur Optimierung schlecht geeignet sei. Religion erinnere uns, dass es eine andere Weltbeziehung als das Leistungsprinzip gibt. Sie vergegenwärtigt Resonanzbeziehungen, vor allem in der katholischen Kirche.
Abschließend schreibt Rosa: „Religion hat die Kraft, sie hat ein Ideenreservoir und ein rituelles Angebot voller entsprechender Lieder, entsprechender Gesten, entsprechender Räume, entsprechender Traditionen und entsprechender Praktiken, die einen Sinn dafür öffnen, was es heißt, sich anrufen zu lassen, sich transformieren zu lassen, in Resonanz zu stehen.“ (74)


In der Kürze liegt die Würze. 5 Sterne

Bewertung vom 06.08.2023
Afrika und die Entstehung der modernen Welt
French, Howard W.

Afrika und die Entstehung der modernen Welt


schlecht

Von der Langeweile übermannt

Anfangs hatte ich viele Fragen: Wieso kam es laut French im 3. Jh. n. Chr. in der Sahara und dem Sahel zu einem regionalen Klimawandel, der eine lange Trockenheit beendete? (30) Und hatte das antike Ghana wirklich zwei Hauptstädte, die nur 10 km voneinander entfernt lagen? (30) Hat es wirklich jahrhundertelang so viele afrikanische Sklaven gegeben, weil der König von Ghana 1324 mit ganz viel in Kairo einzog? (42) Kann Prinz Heinrich verzweifelt daraus aus sein, die Kanaren zu kontrollieren? (68)

Dann noch ein Literaturtipp für den Autor: Hätte er das Buch von Thomas Knubben über Tobias Mayer gelesen, dann hätte er nicht behauptet, dass die Europäer im Mittelalter nicht wussten, dass die Erde eine Kugel sei. (34)

Und plötzlich lernte ich viel: Schon Heinrich der Seefahrer hat Ende des 15. Jahrhunderts die Westküste Afrikas erforscht, gegen die Ureinwohner der Kanaren gekämpft und die Inseln wie ein Fort in Ghana und später die Insel Sao Tome für den schon vor der Entdeckung Amerikas für den Sklavenhandel im Tausch gegen Gold der Goldküste Ghanas getauscht. Sklaven waren unter den Stämmen Afrikas üblich.

Mit der Entdeckung Amerikas wurden die Afrikaner über den Atlantik verschifft, weil die Ureinwohner der Neuen Welt gegen die Krankheiten und Seuchen nicht immun waren und wie die Fliegen starben. Da der Rohstoffhandel mit Amerika schon gegen 1520 endete, wurde dort Zuckerrohrplantagen angelegt. Dank der Sklaven aus Afrika, kam Europa so zu billigem Zucker, was der Hauptgrund für den Aufstieg der Europäer in der Neuzeit war.
Mir erscheint diese These etwas zu monokausal, weil sie die wissenschaftlichen Fortschritte in der Medizin, der Kriegsführung und in der Seefahrt völlig außer Acht lässt.

Doch das größte Problem ist, dass ich nach 100 Seiten das Gefühl hatte, nur noch alten Wein in neuen Schläuchen zu bekommen. Als schnelleres Lesen auch nichts half, habe ich beschlossen Teil IV nicht mehr zu lesen und das Buch nach 239 Seiten (etwas mehr als die Hälfte, ohne Anhang) beiseite gelegt.

Trotz der neuen Erkenntnisse besagen meine Bewertungsregeln, dass ein abgebrochenes Buch nur 1 Stern erhält. Und ich bin froh, dass ich mich so entschieden habe. Die Qual hat ein Ende.

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Bewertung vom 04.08.2023
So forsch, so furchtlos
Abreu, Andrea

So forsch, so furchtlos


ausgezeichnet

Kurios

Da schaue ich bei Arte eine Sendung über Teneriffa auf den Spuren der jungen Autorin. Dann denke ich, du möchtest ja wissen, wie die Einheimischen auf dieser Insel leben und lese das Buch.

Dann aber stelle ich fest, dass ich zwei Mädchen in ihren Sommerferien begleite und dass ihre Eltern keine Rolle spielen, weil sie an der Küste arbeiten und nie zu Hause sind oder bei der Freundin sogar schon Tod, dass also die Großmütter die Kindererziehung übernehmen.
Doch ist das was die Mädels machen ist so kurzweilig, dass die Lektüre sich voll gelohnt hat.


Das Ende ist in der Tat überraschend, wenn mir auch das vorletzte Kapitel mit dem erträumten Vulkanausbruch – im Buch Volkan – nicht besonders gefallen hat. Dennoch 5 Sterne, auch um die junge Autorin zu fördern.

Zitat:
Ich beneidete sie um ihre runden Brüste, weich wie gezuckerte Geleestückchen, obwohl ihr die nicht schmeckten. Und weil sie schon ihre Tage hatte und Haare auf der Mimi. Isora hatte eine Menge dicke schwarze Stachelhaare, wie der Kunstrasen in den Landhäusern. (15)

Bewertung vom 02.08.2023
Meine Fibel. Lies und male mit Mimi

Meine Fibel. Lies und male mit Mimi


ausgezeichnet

Da freut sich aber die Mimi - Nein, der Mimi kann es ja nicht sein - und pulsiert vor Freunde. Ich hoffe, dass Sie von den Buntstiften keine Kratzer bekommt.

Arme Katze. Zum Trost 5 Sterne.

Bewertung vom 02.08.2023
Das geheime Leben der Bäume
Wohlleben, Peter

Das geheime Leben der Bäume


ausgezeichnet

Meinungsbildend

Nachdem ich dieses Buch gelesen habe, hat sich meine Einstellung zu unserem Wald geändert. Ich wusste schon vorher, dass in Mitteleuropa langfristig nur Buchenwälder wachsen, weil die Buche durch die anderen Bäumen hindurch ans Licht wächst und dann nur noch 3% des Sonnenlichtes auf den Erdboden für andere Pflanzen durchlässt.
In unseren Urwäldern käme man also recht gut viran, da er nicht so zugewuchert ist wie der tropische Regenwald.

Neu ist mir aber, dass es eine Kommunikation zwischen den Bäume gibt, die sich mit Duftstoffen und übers Wurzelwerk vor Gefahren warnen.

Ein sehr interessantes Buch mit völlig verdienten 5 Sternen

Bewertung vom 30.07.2023
Aus der Welt gefallen
Kuhn, Kristina;Struck, Wolfgang

Aus der Welt gefallen


weniger gut

Falscher Titel

Was sich wie ein spannendes Werk über die nicht heimgekehrten Entdecker anhört, entpuppt sich mehr oder weniger als eine Biografie des Verlegers Petermann.

So steht nicht im Mittelpunkt wie sich beispielsweise Heinrich Barth aus der Gefangenschaft in Timbuktu befreien konnte, sondern eher, dass er monatelang keinen Brief an den Gothaer geschrieben hat.

Eigentlich schade, denn die „gescheiterten“ Forschungsreisen hätten mehr Aufmerksamkeit verdient, auch im 17. Jahrhundert und nicht nur in Afrika. 2 Sterne

Bewertung vom 28.07.2023
Abraham trifft Ibrahîm
Lewitscharoff, Sibylle;Wali, Najem

Abraham trifft Ibrahîm


weniger gut

Wenige Sternstunden

Als Sibylle Lewitscharoff starb, hörte ich, dass Religion in ihren Romanen einen Hauptrolle spielte. Dann fiel mir der Titel dieses Buches auf und fand es aufregend.

Doch das erste Kapitel über Eva war eher öde, ja die Behauptung des Co-Autors Najem Vadi, dass Frauen in alle Religionen ihre Blöße in Gotteshäusern zu bedecken haben (45), hat mich so geärgert, dass ich das Werk fast beiseite gelegt hätte.

Und als das nächste Kapitel von Lewitscharoff wieder nichts Neues leistete – sie beschreibt nämlich nur wie Kierkegaard unter der geplanten Opferung Isaaks litt –, war ich vom Co-Autor angetan, da er mir neue Sichtweise aufzeigte. So erfuhr ich die Anekdote, dass Sara vom ägyptischen Pharao verführt werden sollte, aber immer wenn er seine Hand nach ihr ausstreckte, wurde sie steif. Er erklärte mir auch, warum die Mosesgeschichte im babylonischen Exil entstanden sein muss und weshalb es deswegen keine archäologischen Funde dazu gibt.
Lot und Hiob dagegen waren wenig befruchtend. Und bei Jona gewinnt nun Lewitscharoff mein Herz, weil sie anstatt über Jona über meinen Freund Clemens von Brentano schreibt.

So schaute ich von nun an immer, wen die alte Dame als Aufhänger nutzte und was der Koran anders zu bieten hatte, der näher am Text orientierte islamische Teil gefielt mir meistens besser. Eine große Gefahr, dass beide Seiten nur das Geschehen nacherzählten, was mich dazu bewog weite Teile des Buches nur zu überfliegen.

Da so die Lektüre langweilig wurde, sind mehr als 2 Sterne nicht drin.

Bewertung vom 26.07.2023
Ahnen
Weber, Anne

Ahnen


weniger gut

Vielseitige Autorin

Ja, ihr „Heldenepos“ hat mich begeistert. Und nun hoffte ich, dass auch Webers neues Buch mich vom Hocker reißen würde.

Doch irgendwie fand ich zu ihrem Ahnen Sanderling nicht den Zugang. Sei es, dass seine Theologie zu sonderbar sei, sei es, dass der Besuch in Posen zu sehr von der Nazizeit überlagert war, für mich blieb er ein Sonderling.


Vielleicht, nein bestimmt, hätten Überschriften und Einteilung in Kapiteln das Lesen erleichtert, aber das war wohl nicht erwünscht. So erhält dieses Buch nur 2 Sterne und auch das war wohl nicht erwünscht.

Bewertung vom 24.07.2023
Aufklärung
Steidele, Angela

Aufklärung


gut

Gespaltenes Verhältnis

Was hätte ich machen sollen? Ich liebe die Bachzeit, nicht aber den Organisten.

So habe ich dennoch dieses Werk gelesen, dass eine fiktive Autobiografie der ältesten Bachtochter Dorothea ist. Und so muss ich anfangs durch die musikalische Kaffee-Sonate, in der wohl erstmals der Schlendrian erwähnt wird.

Da lob ich mir den Marktbesuch auf Seite 108: „Eier, Eier wunderscheene Eier hab ich, wollen Sie mal gucken? Gucken Sie sisch doch mool meine Eier an. Oder lieber‘n Gürkchen gefällig, die Mamsell? Ah, für Madamme darf’s ooch ne Gurke sein, ned wohr? Die hab ich ooch, und wenn ich Madame ihre herrlichen Äpfel seh, da wird meine Gurke größer und größer.“
Oder: „Ich seh ihr kleines Kinn, die aufgeschnürte Brüste,
Und endlich gar welch Glück! Die Muschel schöner Lüste.“ (109)
Dazu passt noch eine Fabel von Gellert:
Zwo junge Mädchen hofften beide,
Worauf? Gewiss auf einen Mann:
Denn dies ist doch die größte Freude,
Auf die ein Mädchen hoffen kann.“ (316)

Doch kommen auch die großen Gelehrten zu Wort. Der Universalgelehrte Leibniz zum Beispiel, der theologisch für das duale Zahlensystem argumentiert: „Die Eins steht für Gott und die Null für das Nichts. Am siebten Tag ruht Gott, die Welt ist erschaffen, und deshalb schreibt sich die Sieben111, ohne Null. Die Zahl der Dreifaltigkeit!“ (251)

Neu war mir, wie sehr Sachsen unter dem Angriffskrieg von Friedrich dem Großen im Siebenjährigen Krieg litt. Dass auch noch der Student Goethe auftaucht, lässt das Ende des Romans Anfang der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts spielen.

Da das Buch viele Längen hat, gibt es von mir gerade noch 3 Sterne, also eher 2 als 4 - die Musikliebhabrin möge es besser bewerten. Aber da es auch einige Höhepunkte hat, möchte ich mit Bachs Matthäus-Passion schließen:

„Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt Du dann herfür;
wenn mir, am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
Kraft Deiner Angst und Pein.“ (556f)