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kindder80er

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Insgesamt 133 Bewertungen
Bewertung vom 10.01.2018
Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige!
Fritzsche , Anja Flieda

Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige!


ausgezeichnet

Oma Maria ist knorke! - Meine eigene Oma ist leider sehr früh verstorben, weswegen ich die Autorin wirklich um die ganze Zeit beneide, die sie mit ihrer verbringen darf.

Dabei ist Oma Maria noch richtig gut in Schuss, obwohl die Familie schon seit 30 Jahren mit deren Ableben "rechnet" und vorsichtshalber seit den 80er Jahren jeden Sonntag zum Kaffee vorbeischaut, denn man weiß ja nicht "wie oft" das noch geht...

Die Anekdoten von Oma Maria sind teilweise herzerwärmend, ein bisschen traurig manchmal, aber sehr oft sehr lustig! Natürlich merkt man ihr das Alter an und so einige Fortschritte in "unserer Welt" überfordern sie auch, dennoch hat sie immer einen passenden Spruch auf den Lippen und ist entwaffnend ehrlich.

Auch wenn sie mit der Technik und der Hektik der Welt nicht mehr mithalten kann, hat sie doch eine Menge zu erzählen und man sollte zuhören, so wie es ihre Enkelin und überhaupt die Familie macht.

Deshalb zeigt das Buch auch sehr schön auf, dass man Geduld mit den alten Leuten haben sollte und ihnen auch ein Ohr schenken muss, denn nicht selten kommen Weisheiten dabei heraus, die direkt aus dem Leben und sehr wertvoll sind. Natürlich - manch "junges Gemüse" von 70 Jahren kann sich eine Konstitution, wie Oma Maria sie hat, nur wünschen, aber die heutigen "Alten" sind im Kopf rüstiger und weiser, als man so denkt...

Der Schreibstil ist locker-flockig und die einzelnen Kapitel wie dafür gemacht, sie häppchenweise vor dem Schlafengehen zu lesen und dann schmunzelnd einzuschlafen. ;-)

Bewertung vom 27.12.2017
Woman in Cabin 10
Ware, Ruth

Woman in Cabin 10


sehr gut

Guter Krimithriller im Kreuzfahrtmilieu - Lo hat definitiv ein Alkoholproblem, ist depressiv, aber darf nun die Schwangerschaftsvertretung für ihre Chefin auf einem eindrucksvollen Kreuzfahrtschiff spielen, um als Journalistin über diese Reise im Reisemagazin zu berichten. So weit so gut, so weit, so einfach. Lo schaut aber wiederholt zu tief ins Glas und wankt in ihre Koje. Im Halbschlaf hört sie Schreie und etwas Schweres ins Wasser fallen. Außerdem entdeckt sie die blutverschmierte Reling. Als sie Hilfe holt, sind aber alle Spuren beseitigt und sie traut sich selbst nicht mehr. Sie weiß aber, dass die Kabine nebenan noch vor wenigen Stunden eine Frau bewohnt hat, mit der sie sogar gesprochen und Schminke ausgetauscht hat.

Alles weitere spielt sich komplett im Mikrokosmos des Schiffes ab, so dass auch die Verdächtigen zwar eingegrenzt, aber dennoch endlos erscheinen. Man wird natürlich obligatorisch mehrmals in die Irre geführt, was aber durchaus clever und nicht zu platt gelöst ist.

Natürlich weiß man als Leser, dass sich Lo nicht getäuscht hat, obwohl ihre Glaubwürdigkeit von allen angezweifelt wird. Sie dreht sich doch oft im Kreis - das ist auch das, was mich ein bisschen genervt hat. Sie ist schon egozentrisch und kommt streckenweise nicht vom Fleck, weil sie entweder an sich zweifelt oder - viel öfter - sich für so richtig clever hält.

Insgesamt aber war der Krimithriller sehr spannend und vom Schreibstil her flüssig geschrieben. Norwegen hätte für meinen Geschmack ein bisschen opulenter beschrieben sein können, denn warum sonst platziert man den Schauplatz exakt auf eine Kreuzfahrt in diese Gefilden? Ich habe mich dennoch sehr unterhalten gefühlt und über weite Strecken war das Buch sogar ein Pageturner für mich!

Bewertung vom 27.12.2017
Böses Kind
Krist, Martin

Böses Kind


sehr gut

Vermisstes Kind in Berlin - Das Buch gibt es auch als Hörbuch, allerdings momentan nur als Downloadlink. Möchte man es sich als MP3 CD fürs Auto brennen, passt es nicht ganz auf eine CD - 2 Tracks müssen extra gebrannt werden. Der Sprecher macht seine Arbeit aber sehr, sehr gut und er schafft es, jeder Rolle eine eigene Tonlage zu geben. Selbst die Kinder spricht er ganz eigen und besonders. Mir hat das Hörbuch gut gefallen!

Suse, dreifache, alleinerziehende Mutter ist mit ihrer Situation sichtlich überfordert, zumal sie auch finanziell nicht gut aufgestellt ist. Ihre Tochter Jacqueline, die im Teenageralter ist, wird von ihrer Mutter oft als Unterstützung bei der Versorgung der beiden kleinen Kinder herangezogen, doch eines morgens ist sie plötzlich samt Familienhund verschwunden.

Hauptkommissar Henry Frei, der zwei Dinge hasst: Unpünktlichkeit und Unordnung, hat derweil mit seiner Kollegin Louisa Albers einen Mord an einer Frau in einem Berliner Hotel aufzuklären. Frei erinnert mich streckenweise ein bisschen an "Monk", wenn er Stifte in Reih und Glied bringt und Tatortfotos exakt drapiert.

Das was Suse durchmacht, obwohl sie beileibe keine perfekte Mutter ist, wird eindringlich dargestellt und man kann sich gut in sie hineinversetzen, auch wenn man keine alleinerziehende Mutter ist. Alles zerrt an ihren Nerven: Der Job an der Kasse mit dem ständigen "Biep!", die Kinder, die Nachbarn, das Leben an sich. Die Überforderung ist ständig greifbar und man fühlt mit.

Der Autor schickt den Leser/Zuhörer manchmal auf falsche Fährten, aber an sich ist der Fall stringent erzählt. Die Auflösung konnte man unter Umständen schon ahnen, dennoch war es sehr spannend mitzuverfolgen, wie Frei und Albers auf die Lösung kommen.

Ein guter Krimi, der zwar am Anfang mit etwas Blutvergießen daherkommt, größtenteils aber mit klassischer Ermittlungsarbeit gestaltet ist.

Bewertung vom 27.12.2017
TICK TACK - Wie lange kannst Du lügen?
Miranda, Megan

TICK TACK - Wie lange kannst Du lügen?


ausgezeichnet

Spannend und ungewöhnlich - Seit dem Film "Memento" bin ich fasziniert von rückwärts erzählten Geschichten. Natürlich muss man sich dabei - sowohl bei einem Film als auch bei einem Buch - etwas mehr konzentrieren. Jeder kleine Hinweis kann wichtig sein, sonst verliert man unter Umständen den Zusammenhang, aber ich liiiebe sowas! ;-)

Hier in diesem Buch geht es um Nic, deren beste Freundin vor zehn Jahren verschwand. Nic ist sehr bald weggezogen und hat mit ihrer Heimat eigentlich abgeschlossen. Ihr Vater leidet aber an Demenz und als es dazu kommt, dass das Haus verkauft werden muss, soll Nic ihren Bruder dabei unterstützen. Notgedrungen muss sie in ihre Heimat zurückkehren. Außerdem hat ihr Vater ihr einen Brief geschrieben, der besagt, dass er "das Mädchen" gesehen hätte - dabei kann es sich nur um ihre beste Freundin von damals handeln.

Im weiteren Verlauf verschwindet erneut eine Frau, die mit dem damaligen Vorfall zu tun hatte.

Dann beginnt das Buch rückwärts zu laufen und zwar mit dem Fund einer Frauenleiche. Zwischen Fund und der Heimkehr von Nic lagen 2 Wochen, die nun von hinten aufgedröselt werden.

Das ist wie gesagt nicht immer leicht zu lesen, da einem oft etwas "zu fehlen" scheint und man nicht mit jeder Information sofort etwas anzufangen weiß. Das löst sich aber alles auf und wenn man konzentriert bei der Sache ist, macht genau dieser Umstand das Buch so spannend!

Mir hat es sehr gut gefallen und die Twists waren so nicht vorhersehbar...

Bewertung vom 24.11.2017
The Ending - Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum
Reid, Iain

The Ending - Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum


ausgezeichnet

Eindringlich erzählt - Jake und eine Frau, deren Namen man nicht erfährt, sind seit kurzem ein Paar und im Auto auf dem Weg zu Jakes Eltern, denen er sie vorstellen will. Dabei tauchen wir in die Gedankenwelt der Erzählerin ein - unterbrochen von den Gesprächen der beiden. Zwischendurch gibt es kursiv gedruckte Seiten, die von etwas Schrecklichem berichten und die Spannung steigern, denn irgendetwas wird passieren, das ist klar.

Sie denkt während der Fahrt über Trennung nach und wie sie und Jake sich vor 7 Wochen kennengelernt haben. Außerdem hängt ihr ein unheimlicher Anrufer nach, der sich seit dem Tag, an dem sie Jake kennenlernte, immer wieder bei ihr mitten in der Nacht meldet. Jake hat sie noch nichts davon erzählt und das wirklich gruselige daran ist, dass die Anrufe von ihrer eigenen Nummer zu kommen scheinen.

Der Schreibstil ist sehr eindringlich und obwohl ja nichts Großes zu passieren scheint, wird die Spannung manchmal unerträglich, da man unbedingt wissen will, was es z.B. mit dem Anrufer auf sich und welches schreckliche Ereignis, das in der Kursivschrift angedeutet wird, sich ereignet hat.

Das Ende ist dann, wie soll ich sagen ohne zu spoilern...? "Nicht vorhersehbar" trifft es ganz gut, glaube ich. Ich mag solche verrückten Geschichten sehr gerne und habe mich wunderbar unterhalten gefühlt! Als Film könnte ich mir die Geschichte ebenfalls gut vorstellen und bin gespannt auf die weiteren Werke des Autors!

Bewertung vom 24.11.2017
Geheimnis in Rot
Hay, Mavis Doriel

Geheimnis in Rot


ausgezeichnet

Klassischer Old-School-Krimi - Die Originalausgabe erschien 1936 und wurde 2013 in der Originalsprache neu aufgelegt - nun endlich erscheint dieser wundervoll - im besten Sinn altmodischer - Kriminalroman auf deutsch. Ich kannte die Autorin bislang nicht und sie hat auch nur 3 Bücher geschrieben, aber vom "Geheimnis in Rot" bin ich begeistert!

Jedes Kapitel wird von einem anderen Protagonisten und aus dessen Sichtweise erzählt, wobei Colonel Halstock im weiteren Verlauf den größten Part übernimmt, da er ja ermittelt und sich seine Reime auf die einzelnen Mitglieder der Familie machen muss.

Man lernt die Familie und ihre Verhältnisse kennen, weiß, wie alles verstrickt ist, was ich sehr charmant dargestellt finde. Klar, es ist sehr detailreich geschildert - in der heutigen Zeit würde man bisweilen "langatmig" dazu sagen, aber ich mochte es, in die Verzwickungen hineinzusteigen.

Nach dem Tod der Mutter, hatte zuerst die Schwester vom Familienoberhaupt die Zügel in der Hand und dann kam Miss Portisham, die nach und nach mal mehr, mal weniger auffällige Veränderungen am Familiensitz vornimmt - sehr zum Missfallen von den Kindern, die schon längst aus dem Haus sind, aber alljährlich zu Weihnachten erscheinen.

Als der Vater dann auch noch kränkelt, lässt sich schnell erkennen, dass fast sämtliche Geschwister den Vater umflattern wie Motten das Licht - man will ja schließlich erben. Bald geht es ihm aber wieder besser und das Weihnachtsfest steht wieder an.

Es gibt einige Verwirrungen um ein Weihnachtsmannkostüm, das nicht rechtzeitig geliefert wurde und flugs wird ein zweites bestellt. Und genau das spielt eine große Rolle beim Finden des Täters, der das Familienoberhaupt später erschossen hat.

Das Klassische an diesem Roman ist, dass nahezu jeder zumindest ein Motiv hatte, den Patriarchen zu ermorden und nun geht es darum, in alter Manier aufzudröseln, wer. Ich liebe solche kultigen Geschichten einfach und der Schreibstil ist zwar ein bisschen altmodisch, passt aber wunderbar in die Zeit, in der er spielt.

Das Cover ist hübsch gestaltet und macht so richtig Lust auf Weihnachten. ;-) Der Einband ist stoffummantelt und bildet das i-Tüpfelchen auf den richtig schön altmodischen Krimilesespaß! Danke für die Neuauflage!

Bewertung vom 17.10.2017
Und du kommst auch drin vor
Bronsky, Alina

Und du kommst auch drin vor


sehr gut

Ungewöhnliche Coming-of-Age Geschichte - Kim und Petrowna pflegen seit der ersten Klasse eine Freundschaft, die schon ruppiger angefangen hat und durch die Ton angebende Petrowna recht burschikos geblieben ist. Kim ist dabei eindeutig der devote Part, obwohl sie schon sehr aufsässig sein kann. Ich würde sie dennoch als naiv und streckenweise sogar ein bisschen begriffsstutzig beschreiben. Ein ganz normaler Teenager eben. ;-)

Als die ganze Klasse zu einer Lesung gehen soll, hat niemand so richtig Lust, denn Lesen ist für diese Schüler mal so überhaupt nicht cool. Kim hat sogar noch nie ein Buch freiwillig angefasst, was sie mehrfach betont.

Kurz nachdem die Autorin aber zu lesen begonnen hat, wird Kim stutzig: Ist das nicht genau ihr Leben, von dem die Autorin da schreibt? Kim ist Scheidungskind, wächst bei ihrer Mutter auf, mit der das Leben nicht gerade einfach ist. Bis auf wenige Details ähnelt das, was Kim da hört, frappierend ihrem Alltag, also MUSS sie das Buch haben. Die Autorin, der sie es abkaufen will, ist wenig kooperativ und wirkt unsympathisch. Deswegen geht Kim schnurstracks in die nächste Buchhandlung, kauft es sich (unverschämte 14,95 für 150 Seiten!!! ;-)) und muss schon nach den ersten Zeilen feststellen, dass es nicht nur ihr Leben im Allgemeinen betrifft, sondern im Buch sogar haargenau die Sätze geschrieben stehen, die sie gerade noch gesagt hat...

Wenn man sich in Kim hineinversetzt ist das schon sehr spooky, aber auch eine sehr interessante Idee von Alina Bronsky. Leider verliert sich das Mysteriöse schon sehr bald. Der Schreibstil ist federleicht und man gleitet durch das Buch nur so dahin, aber in meinen Augen verrennt sich Kim zu oft und dreht sich tatsächlich nur um sich selbst, obwohl sie ja vorgibt, den männlichen Protagonisten des Buches, den sie als einen Klassenkameraden von sich identifiziert, retten zu wollen. Aber auch da ist es wohl ein Abziehbild dessen, was wir alle in der Pubertät durchmachen mussten.

Das Ende erklärt nicht alles, wirkt aber dennoch rund. Ich habe es gerne gelesen und würde es für Leser (eher Leserinnen) ab 12 empfehlen.

Das Hörbuch wird übrigens von Jasna Fritzi Bauer gelesen, die auch schon bei der Verfilmung von Bronskys Debütroman "Scherbenpark" die Protagonistin verkörperte. Das hörbare Alter der Stimme passt sehr gut zur Teenagerin Kim, allerdings hat Jasna Fritzi Bauer nicht so viele verschiedene Stimmen parat und liest wirklich eher vor, als dass sie den Figuren Leben einhaucht. Trotzdem liest sie gut, laut und deutlich.

Bewertung vom 17.10.2017
QualityLand Bd.1 (schwarze Ausgabe)
Kling, Marc-Uwe

QualityLand Bd.1 (schwarze Ausgabe)


ausgezeichnet

Vielschichtige Satire, die es in sich hat - Das Buch, das es in einer hellen und in einer dunklen Version gibt, erregt nicht zuletzt durch seinen harten Schnitt in der Buchhandlung Aufmerksamkeit. Auch weil es zwei Versionen gibt, will man wissen, wo der Unterschied liegt. Aber keine Angst, man muss sich nicht beide kaufen. Die Geschichte an sich unterscheidet sich nämlich nicht, lediglich sind die dazwischengeschalteten Werbungen und Zeitungsartikel andere. In der dunklen Version naturgemäß etwas düsterer als in der hellen, aber es gibt am Ende des Buches einen QR-Code (wie passend ;-)), die zur jeweilig anderen Homepage führt, die alle Artikel zur Übersicht hat.

Da in Marc-Uwe Klings neu gesponnener Welt, QualityLand, Männer den Nachnamen vom Beruf des Vaters zum Zeitpunkt der Zeugung tragen und Frauen den von ihrer Mutter, heißt Peter mit Nachnamen "Arbeitsloser".

Um Peter Arbeitsloser geht es als Protagonist in diesem Buch. Peter hat Niemand zum Reden, den Niemand hört ihm wenigstens zu. Niemand ist der digitale Assistent von Peter und immer an seiner Seite. Dieser sucht von Restaurants, Speisen, Filmen, Musik bis hin zu "Freunden" alles für ihn aus. Das eigentlich einzige, was Peter noch selbst machen muss, ist seine Lippen auf ein Touchpad zu drücken, um zu bezahlen, denn so funktioniert das in QualityLand.

Selbstfahrende Autos kutschieren die Menschen von A nach B, es sei denn, im Zielviertel wurden Jugendgangs gesichtet, die möglicherweise den Autos an den Kragen wollen - dann kann es schon mal passieren, dass sich diese weigern, weiterzufahren.

Peter wohnt und arbeitet auf einer Schrottpresse und ist trotz aller "Annehmlichkeiten", nämlich dass er selbst keine Entscheidungen mehr treffen muss, irgendwie unzufrieden. Die "Freunde" gefallen ihm eigentlich nicht und es besteht sowieso keine Bindung. Das ihm vorgesetzte Essen schmeckt ihm nicht sonderlich, aber es muss ja auch zu seinen finanziellen Möglichkeiten passen. Drohnen beliefern die Menschen mit Produkten, die die Menschen bewusst oder unterbewusst haben wollen und auch damit kann sich Peter nicht wirklich anfreunden, denn vieles davon muss er sich wohl seeeehr unterbewusst gewünscht haben...

Alles will ständig bewertet werden: Die Drohnen, die Autos, das Essen, der Service. Peter gibt aus Bequemlichkeit oft die volle Punktzahl, weil alles andere eine Befragung nach sich ziehen würde, warum man jetzt nicht völlig zufrieden sei. Das alles macht schon nachdenklich, denn im Augenblick schreibe ich ja auch eine digitale Bewertung. Marc-Uwe Kling hält einem schon den Spiegel vor und es ist an jedem selbst, was er aus dieser zuweilen bissigen Gesellschaftssatire mitnimmt.

Später lernen wir noch Martyn Vorstand kennen, der eigentlich einen viel längeren Nachnamen hat, aber der Einfachheit halber auf die ausführliche Version verzichtet. Er ist nicht die hellste Kerze auf der Torte und Politiker geworden. Es gibt nur noch zwei Parteien, die Qualitätsallianz und die Fortschrittspartei. Alles wirkt gleichgeschaltet. Wahlen stehen an, aber im Grunde ist eh klar, dass es wie immer auf eine große Koalition hinausläuft, aber ein neuer Kandidat sorgt für Furore...

Geschichtsunterricht wurde in den Schulen abgeschafft, es gibt nur noch Zukunftsunterricht. Zudem die Fächer "Body-Mass-Index" und "Sex-Appeal" - ich könnte jetzt ewig so weiter aufzählen, denn auf jeder einzelnen Seite sind Details vorhanden, die die erschreckende Welt von QualityLand zeichnen und das Buch so interessant für mich machen. So absurd die Ideen von Marc-Uwe Kling dabei sind, trotzdem kann man sich das Szenario dank fortschreitender Digitalisierung ganz gut vorstellen.

Es wird sogar richtig kafkaesk, als unser Peter versucht, ein Produkt, das er sich noch nicht einmal ganz tief unterbewusst gewünscht haben kann, zurückzugeben. Das ist ja gar nicht vorgesehen, denn das System ist schließlich unfehlbar...

Bewertung vom 17.10.2017
Sex Story
Brenot, Philippe

Sex Story


sehr gut

Ungewöhnliche Herangehensweise - Es ist eine ungewöhnliche Art, sich dem Thema Sex mit einem Comic zu nähern, allerdings nimmt diese Form schon mal per se eventuell vorhandene Berührungsängste.

Das Buch beginnt dann wirklich beim Urschleim, ist aber ganz gut gezeichnet und recht unterhaltsam. Die teilweise brutale und tierische Art, die unseren Vorfahren zu eigen war (und sich streckenweise bis heute hält) ist für meinen Geschmack zwar etwas zu lapidar dargestellt, aber insgesamt kann man schon noch etwas lernen, auch wenn man sich für vollkommen aufgeklärt hält.

Die Adam und Eva Geschichte samt dem Baum der Erkenntnis hat dann auch etwas Allgemeinwissen in Sachen Religion parat. Ob nun unsere gesamte Menschheit aus einem riesigen Inzest besteht, darf bezweifelt werden, wurde aber unterhaltsam und leicht sarkastisch aufbereitet.

Später wird weiter chronologisch vieles aufgedröselt, was es über die schönste Nebensache der Welt zu wissen gibt. Babylon, Ägypten, Kleopatra, Griechenland, Rom, das Mittelalter, die Renaissance, die Zeit der Aufklärung, das 20. Jahrhundert bis heute wird in Auszügen beschrieben. Dabei lernt man einiges z.B. über die Ursprünge der Mythologie und wer mit wem und überhaupt. ;-) Das trägt durchaus auch zum Allgemeinwissen bei und ist für mein Empfinden nicht allzu schlüpfrig erklärt, so dass es auch für minderjährige Jugendliche zu empfehlen ist.

Mir gefällt die Machart, auch wenn es wirklich ein reiner Comic ist. Unterhaltsam ist er auch noch und bietet gut ausgewählte Auszüge aus der Menschheitsgeschichte.

Bewertung vom 04.10.2017
Was man von hier aus sehen kann
Leky, Mariana

Was man von hier aus sehen kann


ausgezeichnet

Okapis, Rudi Carrell und ein Dorf im Ausnahmezustand - Ich habe mir noch nie darüber Gedanken gemacht, ob ein Okapi unglaubwürdig aussieht - aber es stimmt! Zusammengewürfelt aus Zebra, Tapir, Giraffe, Reh - und sogar die Maus ist in den Ohren erkennbar - scheint es sehr unwahrscheinlich zu sein. Genauso unwahrscheinlich ist auch der Zusammenhang eines Okapis zum Tod, dennoch ist es so! Träumt Oma Selma von einem, stirbt in den nächsten 24 (oder 29) Stunden jemand aus dem Umfeld.

Dieses Umfeld ist in dem kleinen Dörfchen recht klein und mit allerlei liebeswerten und schrulligen Bewohnern besetzt. Der Schreibstil ist etwas besonderes, denn schon allein die Beschreibung von Oma Selma, die so aussieht wie Rudi Carrell (sic!), ist so bildhaft, dass man sie sich exakt vorstellen kann und unweigerlich schmunzelt. Überhaupt musste ich oft schmunzeln, obwohl der Tod ja nun per se nicht lustig ist. Aber wie die einzelnen Menschen mit dem Traum von Oma Selma umgehen, ist einfach humorvoll und wortgewandt beschrieben.

Die skurrilen Charaktere des Dorfes tun dabei ihr Übriges. Sie sind so wunderbar und warmherzig gestaltet, dass man sie sofort ins Herz schließt und wissen will, wie sich ihr Leben weiter gestaltet, sofern Oma Selma nicht mehr von Okapis träumt, versteht sich. Und das dürfen wir auch, denn die Geschichte erstreckt sich über mehr als 20 Jahre und wird mit Selmas Enkelin als Angelpunkt fortgeführt.

Das Erlebnis dabei ist wirklich der Schreibstil und die Figuren. Ein ganz großes Stück Literatur!

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