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Lenasbuecherlounge
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 633 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2023
GUY'S GIRL
Noyes, Emma

GUY'S GIRL


sehr gut

Ginny Murphy war schon immer ein Jungsmädchen: Mit ihren Brüdern hat sie sich besser verstanden als mit ihrer älteren Schwester und am College waren ihre besten Freunde ausschließlich Jungs. Als Ginny einen Job in New York erhält, zieht sie sogar in die Wohngemeinschaft ihrer Collegefreunde und lernt dort Adrian Silvas kennen. Zu ihm fühlt sie sich auf Anhieb hingezogen und auch wenn sie schon Beziehungen zu anderen Jungs hatte, könnte es mit ihm zum ersten Mal Liebe sein. Doch Adrian hält sie auf Distanz und weist sie immer wieder von sich. Er hat durch den frühen Verlust seines Vaters kein Vertrauen in die Liebe und stürzt sich lieber in die Arbeit als Investmentbanker. Die beiden führen eine toxische On-Off-Beziehung, die vor allem für Ginny gefährlich sein könnte, betäubt sie ihre Ängste doch mit einer Essstörung, die sie vom Hungern in Minnesota zum Erbrechen in New York geführt hat, um ihr krankes Verhältnis zum Essen zu verstecken.

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Ginny und Adrian geschrieben. Die Kapitel haben eine ganz unterschiedliche Länge, bestehen manchmal nur aus einer Seite oder ziehen sich über einen längeren Abschnitt.
Adrian ist als Kind aus Ungarn nach Amerika eingewandert und seit seiner Geburt mit einem Trauma behaftet. Er hat mit Mitte 20 noch nie eine richtige Beziehung geführt und hat Angst davor, sich zu verlieben und diese Liebe möglicherweise wieder zu verlieren. Auch wenn man den Grund dafür nachvollziehen kann, steht in der Geschichte vielmehr Ginny und ihre psychische Gesundheit im Vordergrund. Ginny verliebt sich leicht und sucht die Schuld stets bei sich und ihrem Körper, wenn sie zurückgewiesen wird. Sie leidet seit Jahren an Magersucht, hat aber mit der Ankunft in New York genug von der permanenten Kontrolle und der Einschränkungen. Sie möchte endlich alles essen, aber ihr guter Vorsatz mündet bald in ein anderes krankhaftes Essverhalten. Ihre Ess-Brechsucht verbirgt sie geschickt, was sie aber nicht von einem endgültigen Zusammenbruch retten kann.

Der Roman behandelt das Thema Essstörungen sehr anschaulich und intensiv. Man spürt die eigenen Erfahrungen der Autorin, was die Erzählung besonders authentisch und auch verstörend macht. Es wird deutlich, wie schwierig der Weg einer Heilung ist und dass die Betroffene diesen Weg trotz guter Absichten niemals allein schaffen kann. Der holprige Weg und die Rückschläge sind berührend und die Darstellung der Gedanken Ginnys sind hilfreich, um mehr Verständnis für die Erkrankung zu gewinnen.

Auch wenn die romantische Liebe in dem Roman nicht zu kurz kommt, stehen in der Geschichte insbesondere die Selbstliebe und Selbstakzeptanz im Fokus. Wie das Nachwort beweist, ist "Guy's Girl" ein zutiefst persönliches Buch, das nicht leicht verdaulich ist, aber hoffnungsvoll endet. Dabei ist der Schluss nicht verklärend positiv, aber auch nicht unbefriedigend offen, sondern zeigt, dass Ginny und Adrian am Anfang stehen und das der Weg von Heilung und Genesung, vom Ablegen von Ängsten und Selbstzerstörung, erst begonnen hat.

Bewertung vom 05.11.2023
Die letzte Spur
Link, Charlotte

Die letzte Spur


gut

Elaine Dawson ist zur Hochzeit einer Freundin nach Gibraltar eingeladen, kommt jedoch aufgrund eines gestrichenen Fluges nie dort an. Ein Mann, dem sie auf dem Flughafen London-Heathrow in die Arme gelaufen war, nahm sich ihrer an und ließ sie bei sich übernachten. Angeblich brachte er sie am nächsten Morgen noch zur U-Bahn, doch Elaine blieb verschollen. Ein Verbrechen konnte Marc Reeve nicht nachgewiesen werden, die polizeilichen Ermittlungen wurden bald eingestellt.
Fünf Jahre später soll Rosanna Hamilton eine Serie über Vermisstenfälle schreiben. Sie ist Journalistin und gleichzeitig die Freundin, zu deren Hochzeit Elaine nicht erschienen ist. Aus Schuldgefühlen und journalistischem Ehrgeiz und weil sie ihre Heimat London vermisst, reist sie nach England, wo sie auf Hinweise stößt, dass Elaine untergetaucht ist. Zusammen mit Marc Reeve begibt sie sich auf die Suche nach der alten Freundin, wodurch mehr Staub aufgewirbelt wird, als sie vermutet hätte - beruflich und privat.

"Die letzte Spur" ist kein klassischer Kriminalroman, denn die Ermittlungen der Polizei spielen in diesem Cold Case keine wesentliche Rolle. Ausgangspunkt ist die Journalistin Rosanna Hamilton und ihre Recherchen fünf Jahre nach dem Verschwinden ihrer Bekannten, für das sie sich verantwortlich fühlt. Ob Elaine Opfer eines Verbrechens geworden ist oder freiwillig einen Ausstieg aus ihrem trostlosen Leben gewählt hat, um irgendwo neu anzufangen, ist unklar. Für beide Szenearien gibt es Theorien und Spekulationen.

Der Roman ist aus der Sicht diverser Personen geschildert, die in kurzer Abfolge wechseln, was der Geschichte einerseits eine gewisse Dynamik verleiht, andererseits aber unnötig überladen wirkt und vom Kern der Geschichte ablenkt. Sie verliert sich dadurch in zahlreichen Nebenschauplätzen und Schilderungen, die nichts zur Aufklärung des Kriminalfalls beitragen.
Persönliche Dramen, Ehekrisen und familiäre Konflikte werden retardierend erzählt, was ermüdend und langatmig ist, zumal auch ein Charakter ein einnehmendes, sympathisches Wesen hat.

Dennoch ist die Geschichte wendungsreich und lange unvorhersehbar. Spannung setzt allerdings erst nach über 500 Seiten ein, als mehr Details zum Tag des Verschwindens von Elaine bekannt werden und die Gründe dafür sowie die verdächtigen Personen in schneller Abfolge wechseln und auch eine Gefahr für Rosanna, die durch ihre persönliche Involvierung blauäugig und nativ agiert, nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Lösung am Ende ist nicht abwegig, aber für die umfangreiche und sehr detailliert geschilderte Geschichte doch enttäuschend banal.

Bewertung vom 03.11.2023
Wege, die sich kreuzen (eBook, ePUB)
Kinnunen, Tommi

Wege, die sich kreuzen (eBook, ePUB)


gut

Maria arbeitet Anfang des 20. Jahrhunderts als Hebamme in Finnland und ist eine selbstbewusste Frau, die sich bewusst für ein Leben als alleinerziehende Mutter entschieden hat. Ihre Tochter Lahja ist Fotografin und sehnt sich später nach Liebe und Geborgenheit in einer Partnerschaft, die ihr Ehemann Onni ihr nicht geben kann. Er kämpft mit seiner Krankheit und seinem schlechten Gewissen und möchte zumindest ihren drei Kindern ein guter Vater sein. Kaarina kommt mit der Gefühlskälte und rückständigen Art ihrer Schwiegermutter Lahja, die sie ihr Leben lang siezen wird, nicht zurecht. Das Leben unter einem Dach, das Onni mit eigener Kraft gebaut hat, ist von Konflikten geprägt. Erst nach dem Tod ihrer betagten Schwiegermutter kann Kaarina das Geheimnis der Familie ihres Ehemannes lüften und eine Erklärung für das Verhalten und die Sprachlosigkeit finden.

Tommi Kinnunen erzählt eine 100-jährigen Familiengeschichte, die spannender klingt, als sie tatsächlich ist.
Der Aufbau und die Schilderung aus verschiedenen Perspektiven der Generationen, wobei die Erzählung nicht stringent chronologisch erfolgt, sondern der/ die Leser/in immer wieder Jahre zurückversetzt, ist schon fast der interessanteste Aspekt der Geschichte. Details der Familiengeschichte, die aus einer Perspektive nur angedeutet werden, werden erst durch einen anderen Blickwinkel klarer und erzeugen ein facettenreicheres Bild über die Charaktere.
Das Familiengeheimnis wird dennoch zu früh gelüftet, weshalb die Geschichte an Spannung einbüßt und viele rein nebensächliche Episoden dagegen zu ausführlich beschrieben werden.

Die Familie lebt zusammen in einem Haus, das jedoch so groß ist, dass jeder seinen eigenen Raum beanspruchen kann und sich die Wege der Familienangehörigen kreuzen und mehr neben- statt miteinander leben. Eine offene Kommunikation ist unter diesen Umständen erschwert. Die Geschichte ist von Enttäuschungen und Unzufriedenheit geprägt, auch wenn durch kleine Gesten auch Hoffnung und Zeichen von Verantwortung durchschimmern, die über ein bloßes Verwandtschaftsverhältnis hinausgehen.

Bewertung vom 30.10.2023
Und plötzlich warst du fort
Espach, Alison

Und plötzlich warst du fort


sehr gut

Als Sally dreizehn Jahre alt ist, stirbt ihre größere Schwester Kathy bei einem Autounfall. Für die Familie ist es schwer über den Verlust hinweg zu kommen und insbesondere Sally vermisst ihre ältere Schwester, die für sie Freundin und Ratgeberin war, sehr. Beide haben sie für den angehenden Basketball Billy Barnes geschwärmt, mit dem Kathy bis zu ihrem Tod zusammen war. Er ist es, mit dem Sally nachts heimlich telefoniert und dem sie alles anvertrauen kann. Er könnte die Lücke füllen, die Kathy hinterlassen hat, aber er war Kathys Freund und Fahrer des Unfallwagens, so dass er eigentlich Tabu sein sollte.

"Und plötzlich warst du fort" handelt im Zeitraum von 15 Jahren - von 1998 bis 2013 - und wird aus der Sicht von Sally erzählt, die dabei direkt zu ihrer Schwester spricht. Der erste Teil schildert die enge Beziehung der beiden Schwestern und das amüsante Familienleben, bis es mit Kathys Tod zu einem Bruch kommt. Sally muss fortan allein erwachsen werden und findet in Billy einen Bezugspunkt. Sally, Billy und ihre Eltern haben einen Verlust zu verarbeiten und tun dies auf unterschiedliche Art und Weise. Während die Mutter an paranormale Erscheinungen glaubt, Kathy schon mal als Geist wahrnimmt und ihren Schmerz mit Alkohol und Tabletten, bündelt der Vater seine Wut und sieht in Billy den Schuldigen. Billy hingegen bestraft übt sich in Selbstzerstörung und Selbstkasteiung. Sally stürzt sich in wechselnde Liebschaften.
Alle Arten der Trauer und des Umgangs mit dem Verlust eines geliebten Menschen sind nachvollziehbar und berührend geschildert. Die Geschichte wird durch die humorvollen Szenen und so manches eigenartiges Verhalten der Figuren jedoch nie deprimierend, sondern abwechslungsreich und unterhaltsam.

Es ist einerseits eine eine Geschichte über das Erwachsenwerden und andererseits eine Liebesgeschichte, die nicht sein darf und sich deshalb nur zögerlich entwickelt. Es spürbar, wie Sally und Billy sich zueinander hingezogen fühlen, aber Kathy und die Schuld Billys zwischen ihnen steht. Auch das immer schwieriger werdende Verhältnis Sallys zu ihren Eltern, insbesondere zu ihrer überfürsorglichen und hysterischen Mutter, das letztlich in ein distanziertes Auskommen mündet, ist eindringlich dargestellt.

Die Mischung aus ironischer Coming-of-Age-Geschichte und sehnsuchtsvoller Romanze ist gut ausbalanciert und auch der Zeitgeist der späten 1990er- und frühen 2000er-Jahre wird durch Alltagsszenen, Wetterkapriolen oder Tagespolitik anschaulich eingefangen.
Anhand des Klappentextes hatte ich mir zwar eine erwachsenere Geschichte erwartet, aber die junge Sally und die Emotionen aller Figuren in Form von Liebe, Schuld, Vergebung konnten mich für sich einnehmen. Auch wirkten die Charaktere mit ihren Eigenarten und Fehlern individuell gezeichnet und authentisch.

Bewertung vom 29.10.2023
Sterne über Berlin
Aring, Daniela

Sterne über Berlin


ausgezeichnet

Indica Lumina Stern ist bei ihrem Großvater in Berlin aufgewachsen, nachdem ihre Mutter sie als Baby einfach vor seiner Wohnung zurückgelassen hatte. Als sie Ende 20 ist, stirbt ihr Großvater und drei Jahre später trauert sie immer noch um ihn und kann seine alten Sachen nicht loslassen. Indi arbeitet als Lichtkünstlerin, womit sie sich kaum über Wasser halten kann. Ihre beste Freundin Judith überredet sie deshalb dazu, einen Untermieter für die Fünf-Zimmer-Altbauwohnung in Kreuzkölln zu suchen. René Lasalle ist nach seiner Rückkehr aus Syrien als Kriegsreporter auf der Suche nach einer Wohnung, um eine Chance für das gemeinsame Sorgerecht seiner Tochter zu erhalten. Die beiden hatten sich auf einem von Indis Lichterfest kennengelernt und auf Anhieb sympathisch gefunden. Nachdem René bei ihr eingezogen ist, kommen sie sich schnell näher, halten sich jedoch in letzter Konsequenz auf Distanz, denn auf beiden lastet die Vergangenheit, die sie noch nicht verarbeitet haben und die sie daran hindert, sich auf eine Liebesbeziehung einzulassen.

Das Buch ist aus den Perspektiven beider Hauptfiguren geschrieben, jeweils eine bewegende, traumatische Vergangenheit hinter sich haben. Sie verlieben sich ineinander und stehen damit vor der Frage, ob ihre Liebe ihre Wunden heilen kann oder ob sie sich mit ihren Belastungen gegenseitig zerstören.
Das klingt dramatisch, ist aber aufgrund der schweren Themen wie Tod und Trauer, Krieg und Rassismus, Trennung, Enttäuschungen und Vernachlässigung, gerechtfertigt.
Beide Charaktere müssen sich erst der Vergangenheit stellen, den Schmerz zulassen und verarbeiten sowie sich selbst verzeihen, um zu gesunden und bereit für eine Beziehung zu sein.

Die Liebesgeschichte entwickelt sich nach einem rasanten Beginn aufgrund der vorliegenden Hemmnisse nachvollziehbar langsam und damit sehr authentisch.
Die Symbolik von Licht und Dunkelheit, von einem Strahlen, das magisch von der Lichtkünstlerin ausgeht und den Kriegsreporter fasziniert, gibt der Geschichte einen kreativen Rahmen. Die Lichtilluminationen sind anschaulich beschrieben und geben der problembehafteten Geschichte etwas Hoffnungsvolles.

"Sterne über Berlin" ist schwermütig, aber auch tiefsinniger als anfangs gedacht. Es ist eine Geschichte über Liebe, Selbstfürsorge und Verzeihen, die vor dem Hintergrund des Krieges in Nahost tagespolitisch aktuell ist.

Bewertung vom 27.10.2023
FROST
Jónasson, Ragnar

FROST


sehr gut

In einem ehemaligen Sanatorium für Tuberkulosepatienten kommen im Jahr 1983 zwei Menschen ums Leben. Eine Krankenschwester wurde ermordet, der Tod eines Arztes als Selbstmord und Geständnis für die Tat deklariert.
Knapp 30 Jahre später schreibt Helgi im Rahmen seines Studiums seine Abschlussarbeit in Kriminologie und führt dazu Gespräche mit den verbliebenen Angestellten, die zum Zeitpunkt der Todesfälle in dem Sanatorium arbeiteten und mitunter in den Fokus der Ermittlungen geraten waren.
Als sich in diesem Umfeld ein weiterer Mord ereignet, befindet sich Helgi früher als gedacht als neuer Kommissar in den Ermittlungen und wittert eine Verbindung zwischen dem Kriminalfall von 1983 und dem gegenwärtigen.

Hauptfigur in "FROST" ist Helgi Reykdal, der aus "DUNKEL" bekannt ist und die kurz vor der Rente stehende Kommissarin Hulda Hermannsdóttir gegen ihren Willen ersetzt hat.
Während in der "Hulda"-Trilogie vor allem die düstere Stimmung in dem von Kälte und Einsamkeit geprägten Land vordergründig waren, sind es in diesem Roman die zahlreichen Perspektivwechsel und die verschiedenen Blickwinkel der handelnden Personen, die allesamt undurchsichtig sind und etwas zu verbergen scheinen.
Durch Helgis Befragungen wird deutlich, wie stümperhaft die Polizei 1983 ermittelt hat, die sich auf den erstbesten Verdächtigen gestürzt hat. Der Fall ist spannend geschildert, ein Motiv und Täter nur schwer ersichtlich. Handelt es sich um einen Serienmörder und was wurde innerhalb der Polizei vertuscht? Wie viel Schuld trägt jeder einzelne und handelt es sich bei dem aktuellen Mord um einen verspäteten Akt der Rache?

"FROST" ist eine spannende Ergänzung der "Hulda"-Trilogie, kann aber auch unabhängig von der Buchreihe gelesen werden. Durch die schnellen Wechsel der Perspektiven und Zeitebenen ist der Roman, der wiederum mehr Krmi als Thriller ist, dynamisch und spannend aufgebaut. Die Charaktere sind überwiegend keine Sympathieträger, tragen jedoch durch ihr undurchsichtiges Verhalten, durch Lügen und Manipulation zu einem schwer durchschaubaren Fallkomplex bei. Helgi ist durch seine Unverbrauchtheit als Polizist und durch sein nicht einfaches Privatleben eine interessante Figur, die Potenzial für weitere Bände bietet.

Bewertung vom 25.10.2023
Was auf das Ende folgt
Whitaker, Chris

Was auf das Ende folgt


gut

Trotz der Sicherheitsmaßnahme eines Babyphones mit Kamera wird der dreijährige Harry Monroe eines Nachts aus seinem Kinderzimmer in Tall Oaks entführt. Die Mutter Jess sieht den als Clown maskierten Entführer, weitere Spuren gibt es nicht. Auch Wochen später hört sich der Sheriff der Stadt die Tonbänder der Befragungen an und Jess hängt weiterhin Vermisstenplakate auf. Ihre Verzweiflung ertränkt sie in Alkohol und wechselnden Liebschaften.
Während sich der ein oder andere Bewohner der Stadt Gedanken um Harry macht und ob man hier noch sicher sein kann, hat jeder von ihnen mit persönlichen Problemen zu kämpfen.

Sehr lange habe ich gebraucht, um in den Roman hineinzufinden, denn die Vielzahl an Charakteren ist überfordernd. Die Perspektiven wechseln wahllos innerhalb der Kapitel, eine Kennzeichnung gibt es nicht. Zudem scheinen die einzelnen Episoden von den Menschen, die in der Kleinstadt leben, kaum einen Zusammenhang zu haben.
Da ist einerseits die Mutter Jess, die von ihrem Ehemann Michael getrennt lebt und den Verlust ihres Kindes nicht verkraftet. Sheriff Jim bemitleidet sie und macht sich gleichzeitig Vorwürfe, dass er mit den Ermittlungen bisher nichts erreicht hat.
Teenager Manny läuft im Dandy-Look durch die Stadt, gibt sich als Gangster aus und möchte Schutzgeld erpressen. Mannys Mutter datet einen Autohändler, was Manny nicht geheuer ist. Der übergewichtige Jerry leidet unter seiner herrischen, todkranken Mutter, die er pflegt. Heimlich ist er in die Verlobte seines Chefs verliebt.

"Was auf das Ende folgt" ist das Porträt einer Kleinstadt, in der ein Verbrechen geschieht, was die Einwohner zumindest temporär erschüttert, bis das Medieninteresse nachlässt. Dann sind es nur noch die nahen Angehörigen und Betroffenen, die sich mit dem unerklärlichen Entführungsfall beschäftigen.
Die polizeilichen Ermittlungen spielen in dem Roman eine eher untergeordnete Rolle. Die Schicksale jedes einzelnen Charakters treten dagegen in den Vordergrund. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen ist skurril und hat seine Eigenarten.
Die Geschichte ist vielschichtig und abwechslungsreich, jedoch lange verwirrend und zusammenhanglos, was ermüdend ist. Erst nach der Hälfte des Romans konnte mich die Geschichte mehr packen, hatte ich eine tiefere Vorstellung von den Protagonisten und wie sie miteinander zusammenhängen. Aufgrund der einzelnen leidvollen Erzählungen mutet der Roman etwas deprimierend und bitter an, für Schmunzeln sorgen jedoch Mannys Aktionen und markige Sprüche.
Spannend bleibt bis zum Schluss, was es mit der Entführung von Harry auf sich hat, ob dieser noch lebt und zurück zu seiner Mutter kommt. Die sehr kurzen Abschnitte je Perspektive stören jedoch durchgehend den Lesefluss.

Bewertung vom 22.10.2023
Engelsmädchen / Nils Trojan Bd.11
Bentow, Max

Engelsmädchen / Nils Trojan Bd.11


gut

Eine Jugendliche stürzt sich von einem Berliner Hochhaus und nennt vor ihrem Tod Kriminalpsychologin Carlotta Weiss den Namen eines seit fünf Jahren vermissten anderen Mädchens. Kriminalkommissar Nils Trojan vom Berliner LKA bittet Carlotta Weiss um Mithilfe bei der Aufklärung des Suizids, obwohl er von ihrem fragwürdigen Ruf als eigenartige, aber genialische Einzelgängerin weiß. Als ein Täter in Berlin und Umgebung bestialische Doppelmorde begeht, erkennen sie eine Verbindung zu dem suizidalen Mädchen, aber auch zu Carlotta selbst, die eines abends eine Begegnung mit einem Mann hatte, sich aber nicht an alle Einzelheiten erinnern kann.

"Engelsmädchen" ist der 11. Band aus der Thrillerreihe um den Berliner Kriminalkommissar Nils Trojan, von der ich bisher nur Band 4 "Das Hexenmädchen" gelesen habe. Auch ohne die genauen Hintergründe zu Nils Trojan privat zu kennen, ist das Lesen der Einzelbände unabhängig von einander möglich.
"Engelsmädchen" ist der erste Band, in dem Trojan mit Kriminalpsychologin Carlotta Weiss an seiner Seite ermittelt. Diese nimmt in dem Roman einen großen Anteil ein, so dass es sich vermutlich um die Einführung einer neuen, dauerhaften Figur handeln könnte.

Der Kriminalfall ist undurchsichtig und spannend aufgebaut. Lange ist nicht zu erahnen, wie der Suizid des unbekannten Mädchens, der Fall des vermissten Mädchens und die Doppelmorde zusammenhängen könnten. Fraglich ist auch, inwieweit die Kriminalpsychologin selbst verwickelt ist und den Täter kennen könnte.

Die Ermittlungen sind zurückhaltend beschrieben, Nils Trojan bleibt eher im Hintergrund. Die Aufklärung des Falls stützt sich fast ausschließlich auf die Intuition und die fragwürdigen Ermittlungsmethoden von Carlotta Weiss, die nicht teamfähig ist und im Alleingang handelt. Dabei wirkt sie nicht nur sozial gehemmt, sondern wie ein Medium, das annähernd hellseherische Fähigkeiten hat. Statt klassischem Profiling wird bei den Ermittlungen viel spekuliert und (richtiges) Raten ohne die Auswertung konkreter Spuren zur Aufklärung der Herangehensweise des Täters verwendet. Zudem geht Carlotta Weiss' Vorgehensweise weit über Polizeiarbeit hinaus, agiert sie doch mehr als hemdsärmelig und wenig regelkonform.

"Engelsmädchen" ist ein spannender Thriller mit blutigen und grausam inszenierten Morden, der in die Abgründe menschlicher Seelen blicken lässt und mit Kriminalpsychologien Carlotta Weiss eine interessante, aber auch umstrittene Figur als handelnden Akteur einführt. Die Aufklärung des Falls hätte ich mir etwas realitätsnäher und weniger spekulativ und gewaltexzessiv durch die Polizei gewünscht. Des Weiteren wird nicht deutlich, aus welchem Grund der Täter zu diesem Zeitpunkt so gewalttätig in Erscheinung tritt, auch wenn das Motiv der Person zumindest schlüssig ist.

Bewertung vom 22.10.2023
Dieses schöne Leben
Brammer, Mikki

Dieses schöne Leben


ausgezeichnet

Clover kam schon als junges Mädchen mit dem Tod in Berührung. Im Alter von sechs Jahren sterben ihre Eltern bei einem Unfall, weshalb sie sodann bei ihrem Großvater in New York aufgewachsen ist. Zu ihm hatte sie als einzigen Angehörigen ein inniges Verhältnis. Dieser stirbt allein, als Clover auf Reisen ist, was sie so bedrückend empfindet, dass sie sich entscheidet, Sterbe-Doula zu werden. In New York gibt es so viele Menschen, die einsam sind und nicht auch noch allein und ohne Trost sterben sollen.
Selbst ist Clover aufgrund ihrer zurückhaltenden Art einsam. Sie vermeidet Kontakte zu anderen Menschen aus Angst für ihren Beruf verurteilt zu werden, schließlich möchte niemand gerne mit dem Tod konfrontiert werden. Ihr Leben ändert sich, als sie Sebastian bei einem Treffen des Death Café kennenlernt und er sie zur Betreuung seiner sterbenden Großmutter engagiert.

Clover ist mit 36 Jahren so sehr mit dem Tod vertraut, dass sie das Leben aus den Augen verloren hat. Sie selbst bemerkt dies erst, als sie Kontakt zu ihrer neuen Nachbarin Sylvie, zu Sebastian aus dem Death Café und zu ihrer Klientin Claudia schließt, der über ihren Beruf hinausgeht. Auch wenn Clover schon immer eine Einzelgängerin war und ihr bewusst ist, dass sie anders ist, beginnt sie ihr Leben zu hinterfragen, dass ihr wie eine leere Hülle vorkommt.
Clover ist ein vielschichtiger und authentischer Charakter, deren Lebensweg nachvollziehbar erzählt ist. Über Rückblenden und Erinnerungen erfährt man mehr über ihre Vergangenheit und was sie geprägt hat.
Die Mischung aus Vergangenheit, Gegenwart und eine vertiefte Befassung mit der Lebensgeschichte der älteren Dame Claudia macht die Geschichte abwechslungsreich und gibt ihr eine interessante Wendung.

Der Tod, das Sterben, Verlust, Bedauern und Reue sind zentrale Themen des Romans, der aber dennoch nicht deprimierend, sondern erwartungs- und hoffnungsvoll ist. In Clovers Leben beginnt sich etwas zu bewegen, das sie zugänglicher macht und das ihr die Chance gibt, Freundschaft und Liebe zu erfahren. Sie stellt sich selbst und ihre Bedürfnisse mehr in den Mittelpunkt statt sich zurückzuziehen und ausschließlich um die Geständnisse und Reue ihrer Klienten zu kümmern.

Es ist eine feinfühlig erzählte Geschichte, die zeigt, wie einfach es ist, in Gewohnheiten zu verharren, wie schwierig es ist, die eigene Komfortzone zu verlassen und dass es Impulse von außen und Mut braucht, um Fehler einzugestehen und Dinge zu ändern.
"Ein schönes Leben" zeigt auf lebendige und warmherzige Art und Weise, dass der Tod zum Leben gehört, dass es man jedoch nutzen und nicht einfach nur existieren sollte, um am Ende nicht über verpasste Chancen zu verzweifeln und den Blick für die Dinge verliert, die das Leben erst lebenswert machen.

Bewertung vom 20.10.2023
Das kleine Schloss in Schottland / Romantic Escapes Bd.9
Caplin, Julie

Das kleine Schloss in Schottland / Romantic Escapes Bd.9


gut

Izzy McBride hat von ihrem Großonkel Bill ein Schloss in den schottischen Highlands geerbt, das sie zu einem Boutique-Hotel umfunktionieren möchte. Als sie vor Ort ist, hat sich bereits ihre exzentrische Mutter Xanthe dem alten Gemäuer angenommen, versucht es mit geringen Mitteln aufzuhübschen und zur Finanzierung ein Zimmer an den schmallippigen Geschichtsprofessor Ross Strathallan vermietet, der dort in Ruhe ein Buch schreiben möchte. Auch für die Weihnachtszeit haben sich unerwartet zahlende Gäste angekündigt. Izzy ist überrumpelt, aber auch froh über die Finanzspritze, die sie dringend gebrauchen kann, denn das Schloss ist renovierungsbedürftiger als gedacht.
Gemeinsam mit Verwalter, helfenden Händen aus dem Dorf und gestrandeten Campern packen alle mit an, um das Schloss für Weihnachten angemessen zu präsentieren.

"Das kleine Schloss in Schottland" ist Band 9 der Buchreihe "Romantic Escapes", deren Teile unabhängig von einander gelesen werden können, wobei es wiederkehrende Charaktere gibt, die die Bücher miteinander verbinden. So ist Izzy ein Nebencharakter der irischen Kochschule aus Band 7 "Das kleine Cottage in Irland".

Band 9 ist eine RomCom, in der Weihnachten allmählich Einzug hält. Izzy steht vor der Herausforderung das in die Jahre gekommene Schloss für die Weihnachtszeit zu renovieren und herauszuputzen, um Gäste zu beherbergen. Ihre resolute Mutter reißt dabei das Konzept an sich, weshalb die Zahl der Gäste stetig steigt. Izzy, die zunächst gedacht hatte, das Projekt allein mit ihrer Mutter zu stemmen, kann sich auf ein zusammengewürfeltes Team an Menschen verlassen, die in dem Schloss ein Zuhause gefunden haben.

Passend für eine weihnachtliche Lektüre ist es warmherzig zu lesen, wie die unterschiedlichen Charaktere zu einer Familie zusammenwachsen. Für die Romantik sorgt Izzys Love Interest Ross, der Geheimnisse birgt und durchgehend unnahbar und distanziert wirkt.

Neben Renovierung und Kochen ereignet sich in der Geschichte nicht viel. Ohne Höhen und Tiefen oder größere Schwierigkeiten steuert man auf Weihnachten zu. Für etwas Unterhaltung sorgt Izzys überdrehte Mutter, sonst wäre die Geschichte arg belanglos.

Weihnachtliche und romantische Stimmung wird durch das Schloss in den verschneiten Highlands vermittelt. Die Liebesgeschichte ist sehr zurückhaltend und wird durch das rätselhafte Verhalten des Autors ausgebremst, der sich weiter zurückzieht je näher Izzy ihm kommt.
Als Ferienlektüre ist "Das kleine Schloss in Schottland" ganz nett, aber ohne Dramatik und Emotionen auch völlig anspruchslos und banal.