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SBS

Bewertungen

Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 12.11.2021
Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2
Izquierdo, Andreas

Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2


ausgezeichnet

Der erste Weltkrieg ist vorbei, doch von ruhigen und friedlichen Zeiten ist man noch weit entfernt. Immer wieder gibt es Aufstände und mitten in einer solchen Phase treffen Carl, Isi und Artur, drei enge Jugendfreunde sich wieder. Der Kaiser ist weg und man befindet sich mitten in einem Umbruch. Das bietet per se spannende Elemente – wie sehr, dass ist auf den 500 Seiten mit den drei Freunden ziemlich unterhaltsam und spannend umgesetzt.

Ich habe den ersten Teil der Reihe nicht gelesen und anfangs musste ich mich ein wenig zurechtfinden – als mir das dann gelungen war, musste ich einfach immer weiterlesen. Ich konnte mich kaum mehr bremsen, denn Carls Erzählungen sind sehr fesselnd und auch der Schreibstil nahm mich schnell gefangen- dabei war ich zu Beginn von den teils sehr kurzen Sätzen irritiert. Aber hier sind sie einfach nur treffend, prägnant und heben die Spannung oft unheimlich. Zudem wirkt die Sprache immer wieder ein bisschen poetisch, jedoch nie abgehoben, sodass sich das Buch schnell und leicht lesen lässt. Es gibt so viele kleine Cliffhanger, Andeutungen und Wendungen, die es fast unmöglich machen das Buch zur Seite zu legen. Besonders gefielen mir auch die Charaktere Isi, Carl und Artur. Ihre Freundschaft ist echt, authentisch, bedingungslos und macht Freude, in der kalten Welt, in der sie sich bewegen. Berlin zeigt sich meist alles andere als von seiner Schokoladenseite, aber immerhin haben sich die drei und sie ergänzen sich sehr gut.

Beeindruckt hat mich die Fülle an historischen Fakten die so gekonnt in die Geschichte um die Freunde eingebaut werden, dass Geschichte einfach extrem spannend ist. So erinnert oder lernt man einiges und das einfach so nebenbei. Das Interesse ist auch darin begründet, dass die persönlichen Verwicklungen der drei Freunde in den geschichtlichen Kontext sehr eng sind. Dazu wird es immer und immer wieder sehr emotional, gelegentlich ein bisschen humorvoll und oft richtig spannend. Es werden Armut und Elend genauso dargestellt wie der Reichtum, ein ganz schönes Spannungsfeld, aus dem der Autor auch alles rausholt. Während beispielsweise Carl den Leser mit in die UFA und die Filmwelt entführt, ist Artur der König der Berliner Unterwelt…

Der Ich-Erzähler Carl ist eine ruhige, gute Seele, der ein bisschen naiv durch die Welt zu gehen scheint, während Isi und Artur mit allen Wassern gewaschen sind – dennoch ergänzen sie sich einfach perfekt. Doch auch in ihrer Freundschaft ist nicht immer eitel Sonnenschein um jeden Preis, sodass es wirklich authentisch wirkt.
Insgesamt ist das Buch sehr kurzweilig, dass Setting bietet spannende Möglichkeiten, die der Autor gut nutzt und dennoch gar es zwischendurch immer wieder auch mal kurze Phasen, die mich nicht so ganz packen und überzeugen konnten (war aber insofern gut, dass ich immerhin mal das Buch zur Seite legen konnte), sodass ich an das sehr gut recherchierte Buch 4,5 Sterne vergebe.

Ob ich den ersten Teil noch nachholen werde, weiß ich noch nicht, denn durch diesen zweiten Teil wird man wohl ganz schön gespoilert, aber allein um die Anfänge der tollen Freundschaft kennenzulernen, würde es sich wohl lohnen. Sicher hingegen ist, dass ich den nächsten Teil auf jeden Fall lesen werde und solange diesen zweiten Band allen an historischen Romanen interessierten Lesern empfehlen kann.

Bewertung vom 03.11.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


sehr gut

Ein gutes Leben für die eigenen Kinder, das wünschen sich alle Eltern. Manche bringen dafür sehr große Opfer – nur lohnt sich das? Die Rumänin Daniela ist vom einen auf den anderen Tag verschwunden. Hinterlassen hat sie ihrem pubertierenden Sohn, der etwas älteren Tochter und dem Mann einen Brief. Sie wird nun in Italien, genauer Mailand als Pflegekraft arbeiten und Geld nach Hause schicken, um den Kindern ein bestmögliche Ausbildung zu finanzieren. Was macht das mit einer Familie?

Ob in der Stadt oder auf dem Land, wer kennt nicht mindestens eine osteuropäische Pflegerin, die in dem Haushalt eines alten und/oder kranken Menschens wohnt und diesen pflegt? Es ist heute fast schon normal und die wenigsten werden sich fragen, was die Abwesenheit der Mutter, Ehefrau, etc., die nun in einem wohlhabenden Land als Pflegerin arbeitet, für die jeweilige Familie bedeutet. Dass es für die Frau ein massiver Einschnitt ist oder zumindest sein kann, dass wird ja häufig vor Ort sichtbar – zumindest, wenn man nicht die Augen vor ihren Problemen verschließt. Genau in den Fokus genommen hat der Autor dieses Phänomen mit seiner fiktiven Geschichte, die jedoch auf Schilderungen von Frauen und Familien basiert, die genau das erlebt haben – die Zerreißung der Familie, der Einsturz eines Fundamentes, welches doch mit allen Mitteln erhalten bleiben und mit Geld noch optimiert werden sollte.

Dieses Buch hat mich sehr berührt und extrem nachdenklich gemacht. Die Thematik ist sehr aktuell und brisant, ich kann mir aber auch nicht vorstellen, wie es ohne dieses „System“ funktionieren sollte. Ja, es erfordert viele Opfer, aber was, wenn die Frauen nicht die Möglichkeit haben in der häuslichen Pflege in Deutschland, Italien oder so unterzukommen? Geld benötigen sie auch so und was dann? Dass der Pflegenotstand sich in D und Co durch beispielsweise ein Verbot diese Arbeiterinnen zu engagieren noch verschärfen würde, ist logisch – eine schwierige Geschichte und ich bin froh dieses Buch gelesen zu haben, denn auch wenn es fiktiv ist, so basiert es auf Tatsachen und vor diesen sollten wir die Augen auf keinen Fall verschließen. Davon abgesehen, stellt sich auch die Frage: Was ist wirklich wichtig im Leben? Die perfekte Ausbildung? Geld?

Der Schreibstil ist rund, die gewählten Erzählperspektiven sehr gut gewählt, um ein ehrliches, offenes Bild von der Familie zu erhalten. Emotionale Ungleichgewichte werden sehr deutlich, aber beispielsweise auch die Probleme, die die fehlende Mutter in der Familie verursachen kann. Die Charaktere als solche sind nicht so richtig greifbar, aber das finde ich hier weniger schlimm – im Gegenteil, ich habe so noch ein bisschen mehr das Gefühl, dass jede Familie den Platz der drei Erzähler einnehmen könnte, auch die Frau, die nur wenige Häuser weiter ihre Arbeit tut…

Bewertung vom 01.11.2021
Eifersucht
Nesbø, Jo

Eifersucht


gut

Kommt ein neuer Jo Nesbo – dann muss ich einfach zugreifen. So auch bei „Eifersucht“, obwohl ich direkt erkannte, dass es sich um eine Sammlung Kurzgeschichten handelt und nicht um eine einzige Geschichte. An sich mag ich Kurzgeschichten nicht so sehr, aber Nesbo schreibt in der Regel sehr überzeugend und ich mag seine Gedankengänge, also war ich sicher auch mit seinen Kurzgeschichten, die sich alle mehr oder weniger um das Motiv Eifersucht bewegen, eine gute Wahl zu treffen. In großen Teilen traf das auch zu, aber eben nicht komplett…

Eifersucht ist ein spannendes Thema und bietet natürlich eine Fülle an Möglichkeiten, da Akteure, die unter Eifersucht leiden ein sehr facettenreiches Verhalten an den Tag legen können. Ich möchte nun nicht zu sehr auf die einzelnen Geschichten eingehen, aber zu der einen oder anderen muss ich einfach was sagen. Die erste startete so gewöhnlich, wandte sich dann ins Irrwitzige ab und überraschte zum Schluss extrem. Ich war hellauf begeistert und erwartete ein ähnlich spannendes und fesselndes Feuerwerk durch das gesamte Buch. Die nächste Geschichte war dann recht umfangreich, sodass ich erst einmal kürze Geschichten vorzog. Dort hatte mich die Warteschlange sehr bewegt, zumal gesellschaftliche Probleme direkt, ungeschönt und brutal in den Fokus genommen werden. Dann wagte ich mich doch an die längste Geschichte mit über 100 Seiten (Gesamtlänge des Buches etwa 260 Seiten) und sie war auch nicht wirklich schlecht, es gab sogar einen Knaller– nur leider hatte ich es genauso erwartet und auch andere Geschichten waren teils ein bisschen vorhersehbar und wenig kurzweilig. Der Start war so genial und zwischendurch war auch einiges gut bis klasse, aber anderes eben auch weniger. Ich bin nicht zu 100 Prozent überzeugt worden.

Dass der Autor nicht jedes Mal meinen persönlichen Geschmack traf und ich das eine oder andere ein bisschen zu vorhersehbar fand- geschenkt! Alles andere als geschenkt ist jedoch der extrem stolze Preis. Hier 23 Euro zu verlangen, nur weil es eben ein Nesbo ist, finde ich schon extrem happig. Eigentlich ist es schon eine Unverschämtheit, auch wenn das Buch natürlich mit Lesebändchen und Co hochwertig gestaltet und gearbeitet ist. Daher habe ich mich auch für 3,5 statt für 4 Sterne entschieden.

Bewertung vom 29.10.2021
Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2
Blum, Antonia

Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2


ausgezeichnet

In der Kinderklinik in Weißensee haben Marlene und Emma Lindow damals ihre Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen und seitdem ist einiges passiert. Emmas Sohn ist mittlerweile schon quasi im Grundschulalter, Marlene hat ihr Studium absolviert und beginnt nun ihr Praktikum in der Kinderklinik. Es steht den beiden Schwestern einiges bevor und durch den ersten Weltkrieg und die Spanischen Grippe spritzen sich die Dinge noch mehr zu.

Nachdem ich im vergangenen Jahr vom ersten Band schon richtig begeistert war, freute ich mich auf die Fortsetzung, wenn ich auch leicht besorgt war, dass die Geschichte eventuell schwächer ausfallen könnte, bzw. meine Erwartungen zu hoch sind. Hier war es zum Glück nicht der Fall. Ich war sofort in der Geschichte drin und das „Wiedersehen“ mit den Schwestern, aber auch Max oder Willi, fand ich einfach super. Gerade die beiden Frauen haben auch eine ordentliche Entwicklung hingelegt, die authentisch wirkt und mich auch überzeugt hat. Ihre Charaktere sind schön ausgearbeitet, in sich stimmig und man wünscht ihnen nur das Beste. Aber wie das eben so ist, sie haben beide private Sorgen, mal größere, mal kleinere und ihr Umgang damit ist interessant und/oder fesselnd. Wer den Klappentext gelesen hat, weiß bereits, dass Emmas Sohn Theo schwer erkrankt und dass dies weitreichende Folgen hat – wie genau, das wird hier nicht verraten. Weniger geheimnisvoll ist dagegen, dass Marlene als Ärztin alles andere als leichtes Spiel hat. Sogar in der größten Not lehnen es manche Menschen ab von einer Frau behandelt zu werden…

Ich mag historische Romane mit medizinischem Hintergrund, besonders, wenn sie so lebensnah und authentisch wirken, wie hier. Es ist spannend, wie die Menschen früher mit ihren Erkrankungen umgingen und gerade die Spanische Grippe und der Umgang damit war alles andere als uninteressant. Zu den Herausforderungen durch die Seuche, sind natürlich die Probleme, die sich durch den ersten Weltkrieg ergeben, heftig.

Der Schreibstil ist recht einfach, sodass man das Buch einfach sehr schnell durchsuchten kann, dazu die Spannung gleich auf mehreren Ebenen vorhanden, und es ist auch sehr gut recherchiert. So habe ich einiges zu Querschnittslähmungen erfahren, was ich so vorher nicht wusste – aber keine Sorge, auch für medizinische Laien ist alles sehr gut verständlich. Dass der Schreibstil recht einfach gehalten ist, ist auch gut, denn inhaltlich ist das Buch mit zahlreichen Facetten versehen. Medizinisch, politisch, aber auch gesellschaftlich und kulturell ist zu jener Zeit in der Berlin einiges los und das vermittelt die Autorin hier auch sehr gut. Mit gefiel auch der Lokalkolorit richtig gut und das Berlinerische versteht man hier auch.

Ich empfehle das kurzweilige Buch sehr gerne weiter, allerdings ist es aus meiner Sicht schon wichtig den Vorgänger zu kennen, denn sonst könnte es doch die eine oder andere Logiklücke geben.

Bewertung vom 27.10.2021
Ran an die Fritteuse - Draußen frittieren
Vössing, Su

Ran an die Fritteuse - Draußen frittieren


ausgezeichnet

Frittiertes ist meist einfach lecker, wenn auch wenig gesund. Als ich das neue Buch „Ran an die Fritteuse“ sah, war ich noch ein wenig zwiegespalten, während mein Mann sofort Feuer und Flamme war. Nun gut, also wurde es angeschafft und diese Anschaffung hat sich wirklich gelohnt. Allein beim Durchblättern des Buches bekommt man schon enorm Appetit und Lust das eine oder andere selbst zu machen.

Zunächst gibt es eine Art Einweisung in die Kunst des Frittierens. Die unterschiedlichen Geräte, Zubehör, aber auch Fette lernt man kennen, bevor es mit den perfekten Pommes zu Hause weitergeht. Gut, da habe ich zu unseren bisherigen Pommes kaum einen Unterschied feststellen können, aber dann geht es ja auch erst richtig los mit den Rezepten und da gab es einiges, was wir im Leben nicht frittiert hätten, einfach weil man gar nicht auf die Idee kommt beispielsweise Eis zu frittieren – ja, richtig gelesen. Wir haben es zwar auch noch nicht nachgemacht, aber es steht auf der To-Do-Liste. Wie so viele andere Rezepte, da es einfach kaum etwas in diesem Buch gibt, was mich / uns nicht anspricht. Die Rezeptpalette reicht von Klassikern, Pikantem, Deftigem bis zu Süßem.

Jedes Rezept ist ansprechend bebildert und macht direkt Lust aufs Nachmachen. Die meisten Rezepte haben mich richtig angesprochen und vieles möchte man auch selbst einfach mal probiert haben. Bisher hatte ich Calamari immer fertig gekauft und nachdem ich das Rezept sah, musste ich mich schon fragen, warum ich das nie selbst gemacht habe. Die Anleitung ist übersichtlich, sowohl was die Zutaten betrifft, als auch die Zeitangaben. Gerade die Zeitangaben sind hier sehr gut, denn zum Planen muss man schon ungefähr wissen, wie lange Zubereitungszeit, Ruhezeit etc. in Summe dauern. Sehr gut finde ich auch, dass Zusätzliches wie Soßen etc. eine separate Zutatenliste erhalten, sodass es noch übersichtlicher wird. In diesem Zusammenhang ebenfalls positiv zu erwähnen: Die Dips, Saucen und Co findet man am Ende des Buches noch einmal, sodass man nicht immer durchs gesamte Buch blättern muss, wenn man etwas Bestimmtes sucht.

Etwas übersichtlicher hätte ich mir die Anleitungen vorgestellt oder gewünscht. Hier sind im Fließtext jedoch die Zutaten farblich hervorgehoben, sodass man sich auch da schnell gut zurechtfindet. Gelungen finde ich, dass die meisten Zutaten gut zu bekommen und nicht allzu exotisch sind.
Die Rezepte sind allesamt zum Outdoor-frittieren geeignet und das halte ich auch für eine gute Idee, wenn man die Möglichkeit dazu hat, denn der Fettgeruch hält sich schon eine ganze Weile im Haus…

Was mir ein bisschen weniger gut gefallen hat ist das nur am Ende kurz die Rede von Fettbränden ist und wie man damit umgehen sollte. Das hätte ich mir an prominenterer Stelle gewünscht.
Ansonsten bin ich aber durchaus von dem Buch begeistert und empfehle es mit 4,5 Sternen gerne weiter!

Bewertung vom 24.10.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


ausgezeichnet

Eva ist in einer Bäckerei und entdeckt eine Zeitung, die durch ein Foto ihr Interesse weckt. Abgebildet ist eine Frau, die Ähnlichkeit mit ihr und noch mehr mit ihrer Mutter aufweist. Diese sogenannte Isdal Frau war das Opfer eines Gewaltverbrechens in Norwegen vor 40 Jahren. Neue Analysen haben ergeben, dass die Frau auch in Deutschland gelebt hatte. Aufgrund der Ähnlichkeit fragt sie bei ihrer Mutter nach, die jedoch alle Fragen abblockt, was Evas Willen mehr zu erfahren nur noch erhöht. Sie will das Rätsel um die Isdal-Frau und ihre Familie lüften.

Auf den ersten Blick hatte ich bei dem Buch etwas anderes erwartet, eher eine Art Liebesgeschichte, darum habe ich eher zufällig erfahren, dass es um etwas ganz anderes geht. Mal wieder eines der Bücher, dass man nicht nach dem Cover beurteilen sollte. Rosarot ist zwar das Cover, aber inhaltlich ist es alles andere als das und einfach nur extrem spannend sowie unterhaltsam. Von der Isdal-Frau hatte ich vorher noch nie gehört, aber kaum kannte ich nur in Ansätzen die Geschichte und wusste, dass diese in dem Buch den Rahmen bildet, so musste ich einfach zugreifen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Hier wird True-Crime mit Fiktion gekonnt verbunden und ich war einfach nur sehr angetan. Dass die Autorin sich an diesen ungeklärten echten Kriminalfall heranwagte und diesen so aufbereitet hat, ist einfach klasse. Man merkt dem Buch die Recherchearbeit im positiven Sinne an und die Verknüpfung mit den fiktiven Elementen fand ich grandios. Genauso könnte es tatsächlich gewesen sein. Die Geschichte bietet auch Einblicke in die Vergangenheit, die ich so im Detail nicht kannte und auch noch einiges mehr…leider kann ich da nicht zu sehr ins Detail gehen, um nicht zu spoilern – jedoch: Es hat sich mancher Abgrund aufgetan.

Die Handlung ist in drei Strängen erzählt, die zunächst keinen Zusammenhang zu bilden scheinen und auch in ihrer Schriftart voneinander abgesetzt sind, sodass man es leichter erkennen kann, wer gerade an der Reihe ist. Zum einen gibt es einen in der Vergangenheit, in dem eine Marguerite von ihrem schwierigen Leben berichtet. Die Nachkriegszeit war alles andere als rosig und irgendwann startete sie die Suche nach ihrer Familie, die sie in den Kriegswirren verloren hatte.
Dazu gibt es zwei getrennte Stränge in der Gegenwart. Zum einen gibt es Laurin, einen Professor, dessen Part in der Geschichte sich erst nach und nach offenbart, daher sage ich hier auch nicht mehr. Der eine ist von den Ermittlungen und Recherchen von Eva geprägt, die sich durch Aktenberge kämpft, mit ihrer Familie manchen Krampf durchstehen muss und auch sonst einige Steine in den Weg gelegt bekommt. Manche durch die vergangene Zeit, fehlenden Zeugen, falschen Erinnerungen, andere durch die „Arbeit“ gewisser Medien, deren Methoden sehr gut dargestellt werden. Meist finde ich einen Strang interessanter als einen anderen – hier kann ich eine solche Unterscheidung nicht machen, da mich alle auf ihre Weise interessiert haben und auch spannend waren. Zudem haben die Charaktere Ecken und Kanten, sind authentisch und scheuen sich auch nicht Schwächen zu zeigen.,

Von der Autorin hatte ich bisher noch nichts gelesen, aber der Schreibstil ist flüssig, rund und sehr ansprechend. Es gab einen roten Faden der sich durch das Buch zog und vor allem war die Auflösung schlüssig und gelungen.

Bewertung vom 23.10.2021
Cassius X
Cosgrove, Stuart

Cassius X


ausgezeichnet

Boxen hat mich irgendwie schon immer fasziniert – der Verdienst meines Großvaters, der mir beispielsweise immer wieder von den sportlichen Leistungen Muhammad Alis vorschwärmte. Darum hatte ich das Buch auch sofort einmal genauer in Augenschein genommen und ich fand es gerade sehr interessant zu sehen, wie Cassius Clay zu Muhammad Ali wurde, welche Einflüsse auf die Box-Legende mehr oder weniger einwirkten und natürlich wollte ich auch mehr wissen. Und ich muss sagen: Ich war sehr überrascht über den Facettenreichtum von Ali, der zwar oft eine dicke Lippe riskierte, ziemlich auf dicke Hose machte, aber eben auch irgendwie Poet und Musiker war. Zudem war er sehr charmant und wusste mit den Medien umzugehen. Besonders interessierten mich auch die Verbindungen zu afroamerikanischen Musikern und Freiheitskämpfern. Die entstandenen Freundschaften und Verbindungen zum Beispiel zu Malcolm X fand ich sehr spannend und auch sein Weg zum Islam wurde richtig gut dargestellt. Dazu die Bemühungen um mehr Menschenrechte der Afroamerikaner und so vieles mehr.

Über das Boxen als solches mit Techniken und Co, erfährt man in dem Buch weniger, dafür doch einiges über die Hintergründe, wie Wettmanipulation durch die Mafia oder auch die Verhandlungen zu den Kämpfen etc. Das tut dem Buch aber keinen Abbruch, denn der Fokus liegt sehr auf den herrschenden sozialen Ungerechtigkeiten, sowie politischen und kulturellen Hintergründen. Diese Biografie ist mehr als ein Porträt eines Sportlers, sondern berichtet von Rassismus, Bürgerrechten, Black Power, NOI, einfach dem Zeitgeist der 60er Jahre. Weniger konnte ich persönlich mit der Soulmusik und ihren Entwicklungen anfangen, aber auch das war gut nachvollziehbar präsentiert. Sam Cooke war mir schon ein Begriff, aber eben nicht so sehr wie ein Muhammad Ali oder Malcolm X (und die Erwähnung von gefühlt 100 DJ´s habe ich nun auch nicht so ganz interessiert verfolgt). Es gibt aber auch viele Passagen, in denen keiner dieser drei eine tragende Rolle spielt, sondern die politischen Hintergründe oder irgendwelche Tragödien das Geschehen bestimmen und dennoch ist es immer spannend mehr zu erfahren. Man spürt einfach in jeder Zeile wie Recherchearbeit des Autors und sein Wissen um die Zusammenhänge und die wechselseitigen Wirkungen der geschilderten Geschehnisse.

Ein bisschen hatte ich etwas anderes erwartet, mehr Info zu Cassius X / Muhammad Ali – auch über die Anfänge hinaus, aber dennoch bin ich nicht enttäuscht. Inhaltlich hat mich das Buch sehr angesprochen und nachdenklich gestimmt, aber ich muss auch sagen, dass der Schreibstil flüssig, leicht verständlich und insgesamt überzeugend war. Es war sehr informativ und lebendig geschrieben und ich hatte auch einiges richtig heftig gefunden…Nicht selten musste ich ganz schön schlucken, genauso gab es aber auch unterhaltsame Elemente, die mich fast schon schmunzeln ließen. Die Bilder rundeten das Ganze gekonnt ab – unter dem Strich ist das Buch wirklich nicht nur Sportfans ans Herz zu legen, sondern allen, die sich für die Zeit, die kulturellen und politischen Entwicklungen der 60er in den USA interessieren. Wer einen ungeschönten, authentischen Blick in die Zeit werfen möchte, ist mit diesem Buch sicher gut beraten.

Bewertung vom 15.10.2021
Wahi - süß, sauer, salzig, scharf
Wahi, Alex

Wahi - süß, sauer, salzig, scharf


ausgezeichnet

Ich bin ein Kochbuch-Fan und immer auf der Suche nach neuen Inspirationsquellen – gerne auch etwas ausgefallener Natur und daher war schnell klar, dass ich „Wahi“ eine Chance geben muss. Und das hat sich sehr gelohnt, denn beispielsweise habe ich nun endlich Rezepte, die rote Beete lecker und besonders erscheinen lassen. Und natürlich gibt es noch so viel mehr an kreativen und modernen Rezepten bei dieser kulinarischen Weltreise, die der Autor mit seinen Lesern startet.

Optisch ist das Buch schon eine Wucht und kann auf jeden Fall als Geschenk dienen. Die hochwertige Aufmachung des Buches ist klasse und das es haptisch auch was hermacht, gefällt mir richtig gut, denn bei der Rezeptauswahl habe ich gerne ein ordentliches Buch in der Hand – das ist eine persönliche Marotte, aber hier konnte das Buch überzeugen. Die Fotos machen Appetit und wecken die Freude am Kochen.

Die Rezepte sind übersichtlich gestaltet und es gibt auch immer noch extra Tipps vom Profi und natürlich Angaben zur Personenzahl und Kochzeit, die – soweit ich das bisher beurteilen kann – auch passen.

Zu aller erst habe ich den Rote Beete Turm nachgebaut und ich muss sagen: Einfach fantastisch. Bisher war Rote Beete immer eher ein langweiliges Ding für mich und hatte eigentlich nur den Platz auf unsere Teller gefunden, weil mein Mann den Salat so mochte und ich habe dann auch mal was davon gegessen, aber nicht mit Begeisterung. Der Turm hingegen: Super lecker! So liebe ich dieses Gemüse und habe es binnen kurzer Zeit schon zweimal nachgemacht. Überhaupt überzeugt mich das Multikulturelle an dem Buch sehr, ebenso wie die Leidenschaft des Autors für Kochen, die man zwischen den Seiten einfach spürt. Begeistert hat mich auch sein einfaches Shakshuka, welches wirklich schnell zubereitet ist und mir so auch richtig gut schmeckt. Phantastisch waren die Japanischen Pfannkuchen, die es ohne dieses Buch sicher nie auf meinen Teller geschafft hätten, nun aber sicher immer wieder einmal gemacht werden. Das Buch eröffnet auf jeden Fall neue Horizonte. Demnächst werde ich mich auch noch den Saucen und Gewürzmischungen widmen, denn da habe ich auch richtig Lust drauf mal neue Kompositionen auszuprobieren. Demnächst sind übrigens das vegane Mac an Cheese mit Apfel sowie der Ofen Butternut an der Reihe und noch so vieles mehr hat mein Interesse geweckt. Im Übrigen sind auch die allermeisten Zutaten gut erhältlich:

Zu kritisieren habe ich an sich nur den Buchtitel, denn mir war der Koch bisher völlig unbekannt, entsprechend sagte mir der Titel nichts. Doch das ist nur Kritik auf hohem Niveau und ich hoffe, dass Der Autor der breiten Masse bekannt wird, denn er macht einen sympathischen Eindruck und seine Kreationen sind einfach richtig klasse – gerne mehr davon!

Bewertung vom 11.10.2021
Die Übersetzerin
Lecoat, Jenny

Die Übersetzerin


sehr gut

Die Jüdin Hedy Bercu flüchtete früh aus Wien vor den Nazis und fand auf der Kanalinsel Jersey eine neue Heimat, doch dann wird diese von den Deutschen besetzt und dennoch bleibt sie. Ihr Überlebenskampf beginnt und dieser führt sie als Deutsch- und Englischsprechende sogar mitten in die Höhle des Löwen. Sie arbeitet als Übersetzerin für die Nazis, die sie hasst. Dort erkennt sie die Möglichkeit Benzincoupons zu stehlen, doch fast wird sie erwischt. Wehrmachtssoldat Kurt nimmt die Schuld auf sich und die beiden finden nach und nach zueinander.

Ich bin ein bisschen zwiegespalten, denn es gab sehr viel Licht in den Buch, aber auch einigen Schatten. Die Beziehung von Kurt und Hedy war irgendwie nicht so richtig glaubwürdig und erschien mir ein bisschen arg nach einer körperlichen Geschichte. Das ist gerade vor dem Hintergrund, dass sie Jüdin, er Wehrmachtssoldat war, ein wenig problematisch. Was macht ihre Liebe aus? Wie konnten sie trotz dieser Differenzen zueinander finden? Nach der Lektüre kann ich es noch immer nicht sagen, abgesehen von einer körperlichen Anziehung. Es kommen zwar auch andere Momente in der Beziehung, bei denen beide für ihre Beziehung wirklich so einiges riskieren, aber so richtig überzeugt hat mich das unter dem Strich nicht. Auch Hedys Verhalten vor allem gegenüber der als sehr naiv dargestellten Dorothy fand ich schon eher fragwürdig. Dass sie manches geheim halten wollte, sogar musste, ist klar, aber sich so erhaben fühlen…und dann war dann doch das eine oder andere sehr voraussehbar und wenig überraschend.

ABER es gab auch so vieles, was mich an dem Buch wirklich begeistert hat. Zum einen ist es der reale Hintergrund, zum anderen die Schilderungen der Kälte (auch menschlicher Natur), des Hungers, der Entbehrungen und wie die Menschen sich auf der besetzten Insel fühlten. Das wurde in großen Teilen sehr eindrucksvoll dargestellt. Gefallen hat mir auch Kurt richtig gut. Er war von Beginn an kein Nazi, sondern mehr oder weniger unfreiwillig reingerutscht in die Wehrmachtsuniform. Warum ein Jude schlechter sein soll als ein anderer Mensch ist ihm nicht schlüssig und er wendet sich innerlich immer mehr von den Gedanken seiner Chefs ab – was unbedingt geheim bleiben muss. Das ist nur einer der spannenden Aspekte des Buches.
Unter dem Strich habe ich dieses Buch dann trotz seiner weniger überzeugenden Aspekte sehr gerne gelesen und empfehle es auch weiter.

Bewertung vom 29.09.2021
Althea Gibson - Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin
Schoenfeld, Bruce

Althea Gibson - Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin


gut

Althea Gibson aus Harlem ist schon immer sehr sportlich gewesen und hat schon recht früh ein großes Talent für Tennis erkennen lassen. Als Schwarze hat sie es jedoch schwer in der elitären Sportart, denn Rassentrennung ist in den Nachkriegsjahren an der Tagesordnung und trotzdem macht sie ihren Weg, wird die erste afroamerikanische Wimbledon Siegerin. Vor großen Schwierigkeiten steht auch die Britin Angela Buxton, die als Jüdin mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Die beiden Sportlerinnen treffen aufeinander und sind schnell freundschaftlich verbunden.

Zu Beginn habe ich sehr mit dem Buch gehadert. Zum einen lag das am Schreibstil mit seinen ganzen Sprüngen in der Geschichte, zum anderen sicher auch daran, dass der Beginn leider deutlich weniger spannend und interessant war, als ich mir das erhofft hatte. Ich dachte schon, dass ich vielleicht auch einfach die falsche Leserin sei, weil ich nicht der Tennisfan bin und eher auf die rassenpolitischen Aspekte der Geschichte gespannt war, doch irgendwann legte sich der Schalter um. Und das gerade noch rechtzeitig. Nach mehr als 100 Seiten, die sich teils wie Kaugummi zogen (und teils auch sprachlich nicht wirklich rund wirkten), war ich gerade am Überlegen nur noch „drüber“ zu lesen und das Buch endlich zur Seite legen zu können.

Doch dann war mein Interesse da, die Figuren bekamen mehr Kontur und Tiefe – allen voran Althea und Angela, aber auch andere wichtige Personen, die ihre Wege kreuzten. Ich hätte beim Querlesen sicher einiges verpasst, und zwar in weiten Teilen das, was ich mir von dem Buch ja erhofft hatte – Situationen der beiden, wie sie mit Zurückweisung und Ausgrenzung umgegangen sind und wie die beiden, allen Widrigkeiten zum Trotz, ihren Weg machten. Mich hatte nur manches Mal gewundert, wie die beiden Frauen mit den Zurückweisungen umgegangen sind bzw. wie z.B. Althea sich immer nur als einzelne Sportlerin sah und nie als Schwarze, die sich und anderen den Weg ebnet. Einerseits kann ich verstehen, dass sie nicht viel Aufhebens um ihre Hautfarbe machen wollte, andererseits hätte sie vielleicht einiges bewegen können, wäre sie nicht so auf sich selbst bezogen gewesen. Aber das war ja mehr oder minder einer ihrer hervorstechenden Charakterzüge - ich glaube auch das hat mir das Lesen ihrer Geschichte über weite Strecken verdorben. Da war mir Angela doch um Längen lieber, auch wenn ich mir an ihrer Stelle auch das eine oder andere so nicht gefallen lassen würde - hier mache ich aber mehr Zugeständnisse, denn es war einfach eine andere Zeit.

Für eingefleischte Tennisfans sind vielleicht auch die beschriebenen Matches mit zahlreichen Details etc. richtig interessant, ich war manchmal nicht so ganz bei der Sache, vor allem bei zig verschiedenen Spielerinnen. Schachtelsätze stapeln sich teilweise, aber es lohnt sich durchzuhalten, denn gerade die Anteile jenseits der Matches bieten doch einiges an spannenden gesellschaftlichen und sportlichen Aspekten.

Warum findet Angela keine Erwähnung im Titel? Das frage ich mich wirklich, denn ihre Geschichte ist anders, aber auch von Schwierigkeiten und Erfolgen geprägt. Sie war für mich auch um ehrlich zu sein deutlich interessanter als Althea, die immer nur ihren Gegnern mit extremen Selbstbewusstsein selbst nach einer Niederlage reindrücken musste, dass sie die Beste sei. Und so ganz unrecht hatte sie ja auch nicht, denn was sie sportlich leistete war beeindruckend – schade, dass man die beiden Frauen heute kaum kennt.
Da ich doch einige Kritikpunkte habe und das Buch teilweise auch nicht gerne las, sind gerade noch 3,5 Sterne drin.