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Insta.amreading
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Oldenburg

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Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 01.03.2020
Marianengraben
Schreiber, Jasmin

Marianengraben


ausgezeichnet

Krass, krass, mega krass... "Irre gut sozusagen".

"Gedanken sind oft so unkontrollierbar wie die Liebe, die sie auslöst."

So viel Liebe für dieses Buch... und so viele unkontrollierbare Gedanken, die das Buch bei mir ausgelöst hat:

Wie schön, dass bei den was-wäre-wenn am Anfang ganz zwanglos überlegt wird, ob sich Tim jetzt mal verliebt hätte, "in ein Mädchen oder in einen Jungen."

Ein Buch über Geschwisterliebe und plötzliche, endgültige Trennung... auch für Einzelkinder lesenswert. Tim ist in so vielen Szenen präsent, auch wenn er physisch nicht mehr da ist. Man schmunzelt bei den Zwiegesprächen, den Erinnerungen über seine Kommentare und erfundenen Spitznamen und spürt die enge Verbindung von Paula und Tim. Ach, da musste ich schon mal schniefen, wei die Liebe (und natürlich auch der Schmerz des Verlustes) zu ihrem Bruder so oft spürbar ist.

Ich habe bei einem eher melancholischen Buch noch NIE so viel gelacht (von der Friedhofs- und Badszene mit Helmut und Helga über Helmuts neurotische Judy und die Rastplatz-Nudisten bis hin zu Lutz. So skurill. So gut.).

Ich wünschte mein Geo-Lehrer hätte uns damals so anschaulich Regen erklären können.

Trauer und Depression als Thema eines Romans? Ja unbedingt, und wenn man es dann so behutsam und ehrlich macht, wie Jasmin Schreiber, dann bitte noch viel öfter: Schritt für Schritt, Wort für Wort aus dem Stigma heraus.

Ganz große Coverliebe (extra Lob an den eichborn Verlag). Der Buchumschlag ist ja schon sehr schön, aber die Kraken Prägungen auf dem Hardcover sind der Hammer!

Ein Buch für junge und alte Booknerds...und alle, die es mal werden wollen.

Bewertung vom 01.03.2020
Glanz der Ferne / Berlin-Trilogie Bd.3
Lorentz, Iny

Glanz der Ferne / Berlin-Trilogie Bd.3


sehr gut

"Glanz der Ferne" hat mich in die Zeit der industriellen Revolution zurücktransportiert (Frauen als Beute ... gut, dass diese Zeit, jedenfalls in dem Maße, vorbei ist).

Die Hauptfigur Victoria ist nicht gerade vom Glück verfolgt, was schon damit anfängt, dass ihr Vater sie für den Tod seiner Frau bei ihrer Geburt verantwortlich macht, und seine neue Frau Vicky möglichst schnell verheiraten/ loswerden will. Vicky ist eine echte Powerfrau: mutig, talentiert (als Zeichnerin), beherzt eingreifend, dazu auch sehr warmherzig gegenüber ihrer Großmutter, der Tante und den Cousinen.

Es folgen Intrigen aus verschiedenen Richtungen (sowohl geschäftlich, als auch privat), Missgunst, Erpressung, physische Gewalt (Trigger-Warnung: inkl. Vergewaltigungen), aber auch schöne Momente der Solidarität. Man bekommt einen Einblick in Familien- bzw. Gesellschaftsstrukturen und die Herausforderungen und Zwänge der damaligen Zeit (besonders Frauen betreffend) schonungslos und ohne viel Verklärung.

"Glanz der Ferne" ist spannend geschrieben und bleibt bis zum Ende interessant, so dass ich jetzt auch noch die beiden anderen Teile aus der Berlin Reihe lesen werde.

Bewertung vom 27.02.2020
Das Haus der Frauen
Colombani, Laëtitia

Das Haus der Frauen


ausgezeichnet

Schon beim "Zopf" hat mich Laetitia Colombanis Talent, unterschiedliche Frauengeschichten bzw. Schicksale zu einem Mosaik, dem großen Ganzen, zusammenzufügen, begeistert. In "Das Haus der Frauen" (übersetzt von Claudia Marquardt) gelingt dies wiederum und wirkt dabei wieder ungezwungen, fast leicht.

Auf 2 Zeitebenen hört man die Geschichten von Solène, einer an Depression erkrankten Juristin, und Blanche Peyron, einer historischen Figur. Soléne arbeitet, auf Rat ihres Psychiaters, ehrenamtlich als "öffentlicher Schreiber" im Haus der Frauen, einem Zufluchtsort für Frauen in "präkare[n] Lebenssituation[en]", das ursprünglich von Blanche Peyron gegründet wurde. Sowohl Solène, als auch Blanche erleben schwierige Situationen, Resignation und Widerstände, gelangen beide jedoch mit Hilfe von Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen an den Punkt, neuen Mut zu fassen und ihre persönliche Mission weiterzuführen.

Der Nachfolge-Roman von "Der Zopf" überzeugt mich genauso, wie der Vorgänger; nein, eigentlich hat mich "Das Haus der Frauen" sogar noch stärker emotional berührt. Die unterschiedlichen Frauen, Teetrinkerinnen, trickerin, Serbin, Binta, die 2 Euro Frau oder die wütnde Cynthia, sind alle auf ihre Art und Weise sehr starke Personen, Überlebende einer schwierigen Situation. Durch die Worte und Taten der 2 Hauptfiguren erfährt man als Leserin Empathie und erlebt quasi das Leben der Anderen durch die Augen der Erzählerinnen. Das lässt einen nicht kalt, berührt auf eine unkitschige Weise und inspiriert, neugierig auf und offen für die Geschichte eines Menschen zu werden.

Eine Ehrenschrift auf 2 starke Frauen und ein Postulat für Solidarität und Güte gegenüber anderen und auch sich selbst.

Bewertung vom 25.02.2020
Nach Mattias
Zantingh, Peter

Nach Mattias


ausgezeichnet

Das Buch, wie ein Episodenfilm geschrieben, beginnt nachdem Mattias gestorben ist; und trotzdem ist er das ganze Buch über sehr präsent, weil sein Fehlen die Menschen beeinflusst, die Mattias' Leben im Großen und Kleinen tangiert hat.

Wie bei einem Nachruf, bekommt man als Leser aus verschiedenen Perspektiven neue Einblicke, was Mattias ausgemacht hat: als Partner, als besten Freund, als Enkel, als Mieter eines Strandhauses, als Gamer, als Sohn...als Mensch. Darüber hinaus blickt man natürlich auch in die Leben der Erzähler und verfolgt mit, wie aus vielen kleinen Mosaiksteinen und Andeutungen ein Gesamtbild entsteht, was mit Mattias eigentlich passiert ist (und wie viele Zufälle dabei mitspielten).

Ein literarisch klug geschriebenes kleines Buch über Menschen, deren Leben ganz zufällig verflochten sind. Die wunderbar konstruierten Figuren mit ihren persönlichen und sehr kompakt geschriebenen Geschichten, sind alle für sich interessant; zusammen entwickeln sie eine Wucht, die mich am Ende voll getroffen hat, gerade auch, wenn man das Buch als Beobachtung und Kommentar der heutigen Gesellschaft mit all ihren Herausforderungen (und als eine Aufforderung, etwas Positives daraus zu machen) liest.

Ein Buch, das bei mir noch einige Zeit Wellen schlagen wird.

Bewertung vom 22.02.2020
Palast der Miserablen
Khider, Abbas

Palast der Miserablen


sehr gut

Puh, schwere Kost.

Abbas Khider schreibt mit voller Wucht und ohne Schnörkel in 2 Zeitebenen über den jungen Iraker Shams, der die ganze Brutalität des Regimes erlebt, der seine Freiheit als Vergessener im Foltergefängnis verliert, nie aber seinen Willen zu überleben. Immer, wenn man als Leser glaubt, es würde aufwärts gehen, z.B. eben beim "Palast der Miserablen" mit weiteren Literaturfreunden, gibt es zeitnah einen Rüchschritt, so wie einen Schlag in die Magengrube, der zu der atmosphärischen Schwere des Buches führt.

Die Zeitebene in den Slums wird eigentlich ganz positiv erzählt, etwas kindlich naiv, geprägt von der Liebe zur Familie und zu Büchern, aber eben auch mit der Angst im Kopf, von der Geheimpolizei abgeholt zu werden. Die 2. Zeitachse im Gefängnis ist total bedrückend, mit kurzen, harten Abschnitten, sehr beklemmend geschrieben ... ob Shams Zeit abläuft? Ein sehr trauriger Roman, der mich emotional getroffen hat. Wenn man sich die Parallelen zum realen Leben des Autors vor Augen führt (inkl. eigener Haft) ist davon auszugehen, dass dieses Buch auch eine Art literarischer Reflektion eigener Erlebnisse mit der Diktatur sein könnte.

Schonungslos, traurig, poetisch - mich hat das Buch sehr berührt, und gleichzeitig bin ich unendlich dankbar dafür, nie persönlich Krieg und/oder Diktatur erleben zu müssen.

Bewertung vom 12.02.2020
Der Riesenlolli-Raub / Familie von Stibitz Bd.1
Sparring, Anders;Gustavsson, Per

Der Riesenlolli-Raub / Familie von Stibitz Bd.1


ausgezeichnet

Die Familie von Stibitz... für mich eindeutig die liebenswerteste Ganovenfamilie aller Zeiten!!

Liegt es an der Geschichte?
Mal sehen... in "Der Riesenlolli Raub" werden von beinahe der ganzen Familie kriminelle Pläne geschmiedet, Sachen geklaut (inklusive den Socken des eigenen Sohnes) und gelogen bis sich die Balken biegen... aber natürlich ausserordentlich nett und immer mit versteckten gekreuzten Fingern, also wie soll man ihnen da böse sein?!

Liegt es an den Illustrationen?
Na klar, absolut!! Die Geschichte wird von den Zeichnungen optimal unterstützt und vervollständigt. Als Vorleser kann man auf fast jeder Seite Pause machen und Bilder betrachten, sowie Details entdecken lassen und sich zusammen mit den Kids köstlich amüsieren. Am Ende könnte es evtl. Ein Happy End geben und man kann sogar der eigenen Kreativität freien Lauf lassen und das gestohlene Bild selber malen (lassen)... und sich auf das zweite Buch mit Familie Stibitz freuen... und hoffen, dass die Kids in nächster Zeit nicht allzu oft die Finger hinter dem Rücken kreuzen ;-)!

Bewertung vom 08.02.2020
Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod
Barry, Jessica

Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod


gut

Ich habe "Freefall" gehört, als ich ein wenig im Leseloch war, also wenig Lust auf neue (Hör-)bücher hatte. Es war von vielen Magazinen als "Most Anticipated Book of 2019" gekührt, klang also nach einem must-read.

Nun ja, ganz so großartig fand ich es nicht. Nicht falsch verstehen: das Buch fand ich sehr unterhaltsam und man kann es sehr gut an einem Stück durchlesen (bzw. -hören), aber meistens war es eben auch recht voraussehbar, und für mich auch nicht wirklich ein Thriller.

Der ständige Erzählstrangwechsel von der Tochter, die nach einem Flugzeugabsturz auf der Flucht vor einer mysteriösen Person ist, und ihrer Mutter, die den angeblichen Tod ihrer entfremdeten Tochter nicht akzeptieren will, ist gut geschrieben, mit vielen Rückblenden, einigen "Geheimnissen", ein wenig Pharma-Verschwörung und zwei starken, gut ausgestalteten weiblichen Hauptfiguren, mit denen man mitfühlt. Das Ganze erinnerte mich irgendwie an John Grisham, nur eben mit weiblichen Protagonisten.

Für mich ein Buch, das man gut mal zwischendurch lesen kann - nicht mehr und nicht weniger.

Bewertung vom 06.02.2020
Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!
Simmons, Jo

Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!


ausgezeichnet

Das Buch hat mich so zum Lachen gebracht (Beispiel gefällig? Ich sag' nur der Geist von Heinrich dem Achten) ... das hatte ich gar nicht erwartet. Die Idee, einen Bruder (oder eine Schwester), der einen ständig nervt, einfach austauschen zu können, ist ja nur menschlich und vielen wahrscheinlich nur allzu gut bekannt, oder?!? In diesem Buch erfahren wir also, was passiert, wenn so etwas tatsächlich möglich wäre.

Man kann sich so gut in Jonny reinversetzen, wenn er diese etwas ungewöhnlichen Ersatzbrüder kennenlernt und so einige Abenteuer erlebt. Die zahlreichen Schwarzweiß-Illustrationen von Nathan Reed sind wunderbar und unterstreichen die Message des Buches noch mal (besonders verliebt habe ich mich in den kleinen Hund Widget).

Die Kapitel sind kurz, also perfekt fürs Vorlesen aber auch fürs alleine Lesen. Die Übersetzung von Jo Simmons' Buch durch Johanna Wais ist jugendlich lebhaft und erweckt das eigene Kopfkino...besser gehts nicht.

Ganz besonders überzeugt haben mich die klugen Gedanken, die einen zum Nachdenken anregen, manchmal richtige Weisheiten, z.B. als Jonny Mervyns Rückkehr ins Meer akzeptiert und mitbsehr viel Empathie bewertet; ach, da merkt man schon, das das Buch ein gutes Ende finden wird und das nervige Geschwister auch gute Seiten an sich haben...und vermisst werden.

Bewertung vom 30.01.2020
Tiefer Fall / Doggerland Bd.2
Adolfsson, Maria

Tiefer Fall / Doggerland Bd.2


sehr gut

"Es ist märchenhaft und dunkel und unpassend schön."

"Doggerland Tiefer Fall" - ein Kriminalroman ... und das ist perfekt ausgedrückt, denn das Buch liest sich wirklich wie ein Roman mit Kriminalfall: besonders die leicht komplizierten Familiengeschichten rund um Ermittlerin Karen Eiken Hornby haben mich ganz abgeholt. Ganz nach dem Motto: Familie - man kann nicht ohne sie, aber auch nicht mit ihr.

Die Figuren sind bis in die Nebenfiguren wunderbar detailiert gestaltet und sorgen z.T. für ein wenig comic relief. Genau so stelle ich mir eine typische schwedische Patchwork-Familie vor, die zusammengewürfelt ist, sich manchmal auf die Nerven geht, aber trotzdem zusammenhält. Skurill, aber sympatisch, genauso wie auch Hornbys Kollegen: dem grummeligen Rechtsmediziner Brodal und dem Leiter der Spurensicherung Larsen.

Hornby selber hat Ecken und Kanten - sie raucht, hat eine etwas rauhe/toughe Art und ist körperlich eingeschränkt, da sie noch an einer Knie Verletzung aus dem letzten Fall laboriert. Das sie dankbar für kranke Kollegen einspringt, um wieder eine Aufgabe zu haben, kann ich so gut nachempfinden. Karen ist keineswegs eine perfekte Heldin, eher eine echte Frau aus dem Leben, die Fehler macht und schon einige Lebenserfahrung mitbringt - das macht sie wahrscheinlich für mich so sympatisch und ich habe mich schon mit ihr identifizieren können (leichte Parallelen zur Figur des Großstadtrevier Matthies lassen sich nicht übersehen).

Das Buch lässt sich wunderbar lesen: die Autorin (und die Übersetzerin Stephanie Werner) hat einen sehr flüssigen Schreibstil, es sind relativ kurze Kapitel, so dass man jederzeit Pausen einlegen könnte (könnte, weil ich das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen habe), die Geschichte ist interessant, die Ermittlungen realistisch und man erfährt sehr viel von Schweden, wie es abseits der großen Städte sein könnte, inklusive der Spannungen zwischen Großstädlern und Menschen aus der "Pampa". Dadurch, dass Karen ihre Kindheit dort verbracht hat, wo dieses Mal der Tatort liegt, gibt es zudem so einige Rückblicke - und wieder werden Familiengeschichte und Kriminalfall verbunden.

Insgesamt konnte ich mich ganz auf dieses fiktive Doggerland, seine Bewohner und die Ermittlungen einlassen - für Menschen, die klassische Krimis lieben, ist es wahrscheinlich nicht das richtige Buch; für mich als Leserin war die Mischung aus Roman und Kriminalfall aber sehr unterhaltsam. Hoffentlich gibt es noch einige weitere Teile dieser Serie.

Bewertung vom 23.01.2020
Eine fast perfekte Welt
Agus, Milena

Eine fast perfekte Welt


sehr gut

In "Eine fast perfekte Welt" erzählt Milena Agus eine Familiengeschichte, in der alle Mitglieder auf die ein oder andere Weise auf der Suche nach einem besseren Ort sind. Vereint in der Suche werden aber auch Unterschiede und die daraus entstehenden Spannungen und Konflikte erzählt.

Besonders getrieben von dieser Sehnsucht nach einem gelobten Land ist Ester. Auf mich wirkte sie wie jemand, der sich im Hamsterrad abstrampelt. Sie läuft permanent einem diffus definierten Besseren hinterher, kommt jedoch nie an, denn wenn sie ihren jeweiligen Sehnsuchtsort erreicht, scheint sie schon etwas anderes zu wollen. Tragisch, dass es ihr sogar beim eigenen Ehemann so ging, denn "Sie liebte ihn mehr, wenn er weg war." Im Gegensatz zu Ester sieht ihre Tochter Felicita immer das Positive in der Welt um sich herum und macht jeden Ort zu einem, den sie lieben kann.

Die Sehnsucht nach einem Ort, an dem man sich vollends wohl fühlt, ist ja ein sehr universelles Thema, das wahrscheinlich bei jedem Leser* eigene Träume und Sehnsüchte hervorruft. Agus schreibt mit einer unglaublichen Intensität, schafft sehr authentische Figuren, erzählt schnörkellos aber trotzdem irgendwie poetisch, sehr emotional (typisch italienisch) und oft voller Melancholie über das traditionelle Sardinien. Ich musste mich zeitweise richtig bremsen, um dieses Buch nicht zu verschlingen, sondern es zu genießen...und am Ende vergisst man fast, dass es ein Roman ist und hat selber Sehnsucht und Lust auf eine Reise ans Meer.