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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 09.05.2022
Ein Wunsch kommt selten allein / Die wunderbare Florentine Feiertag Bd.1
Leistenschneider, Uli

Ein Wunsch kommt selten allein / Die wunderbare Florentine Feiertag Bd.1


ausgezeichnet

Heile Welt als innere Stärkung

Es mag so manche Eltern geben, die nichts davon halten, wenn Kinderbücher von einer schönen, herzerwärmenden, positiven Welt erzählen. Die es für wichtig halten, dass ihre Kinder beim Lesen mit der zwar kindgerecht aufbereiteten, aber dennoch nüchtern-realistischen Welt konfrontiert werden. Mir persönlich ist es jedoch wichtig, dass Kinder sich beim Lesen wegträumen können und dürfen, in eine Geschichte hinein, in der alles leicht und einfach und gut ist, in der die meisten Menschen warmherzig sind und wandlungsfähig, in der Kinder und Erwachsene zusammen helfen, wenn es Probleme gibt. Solch ein rundum positiv-wohltuendes Buch hat Uli Leistenschneider geschrieben und mit der Figur der „wunderbaren Florentine“ eine Protagonistin geschaffen, die uns tatsächlich ein klein wenig wärmend-positives Vorbild sein könnte, egal wie alt wir sind.

Zum Inhalt: Wie aufregend: Die neue Mieterin Florentine Feiertag zieht ein, mit kunterbunten Möbeln, mit Pieps, dem zahmen Rotkehlchen und vor allen Dingen mit einer Hütte mit Crepe-Ofen, die ihren Platz im Hinterhof findet. Florentine Feiertag kann aber nicht nur super leckere Crepes machen, sie hat auch einen ganz besonderen Beruf: Sie ist nämlich Wunscherfüllerin. Ab sofort wird das Leben der Nachbarn für Kinder und Eltern genau so bunt und froh wie Florentine Feiertag selbst.

Es ist für Kinder wichtig, lesend oder zuhörend abtauchen zu dürfen in eine heile, fröhlich-unbeschwerte Welt, weit weg von Alltagspflichten und Ärgernissen. Dieses Abtauchen gibt Kindern eine große innere Stärke, wie nicht nur die Waldorf-Pädagogik weiß. Und unter diesem Aspekt habe ich viel Wertschätzung für die heile Welt der Florentine Freitag und natürlich für ihre Person überhaupt. Denn sie hört aufmerksam zu. Sie fühlt sich in andere hinein. Sie ist zupackend, wenn es nötig ist. Sie ist fröhlich und schafft es, mit guter Laune und guten Worten auch Griesgrame mit der Welt und mit sich selbst zu versöhnen. Sie nimmt sich selbst nicht so wichtig und kümmert sich stattdessen um Tiere und Pflanzen und Menschen, wo immer sie Gutes bewirken kann. Ein besseres Vorbild könnte ich mir für Kinder gar nicht wünschen.

Fazit: Ein Kinderbuch, das im besten Sinne das Gute und Schöne und Fröhliche und Bunte zum Vorbild werden lässt.

Bewertung vom 05.05.2022
Sei wie ein Baum!
Gianferrari, Maria

Sei wie ein Baum!


ausgezeichnet

Ein poetisches Geschenk für Jung und Alt

Dieses Bilderbuch ist nicht nur für Kinder ein Gewinn. Ich halte das Buch, sowohl was seine Gestaltung als auch seine Botschaft betrifft, für ein wertvolles und sinnvolles Geschenk für Freunde.

In schönen, poetischen Gleichungen und Entsprechungen schauen wir uns den Baum in seinen Details und in seiner Gesamtheit ganz genau an und spüren dem nach, was wir Menschen an Ähnlichkeiten, Bedürfnissen und Fähigkeiten den Bäumen vergleichbar besitzen . Das kommunizierende Wurzelwerk, die Rinde als beschützende Haut, das nährende, versorgende innere Holz – dieses und vieles mehr an bildhaften Vergleichen zwischen Baum und Mensch führt uns die Autorin vor Augen. Wir Menschen sind wie Bäume und noch viel mehr, denn die Vielfalt der Bäume zeigt die Vielfalt des Lebens. Niemand ist allein. Wir tauschen und teilen, wir warnen und stärken uns gegenseitig wie die Wurzeln der Bäume untereinander, wir sind ein Netzwerk an Informationen und damit ein Miteinander in Gemeinschaft. Und genau dieses Miteinander stärkt uns.
Die vielsagenden Zeichnungen in ihrer dezenten Farbigkeit und Vielfalt unterstreichen die Mut machende Botschaft des Buches auf sehr feinfühlig-nonverbale Weise.

Die Anmerkungen der Autorin zum Schluss des Buches sind, wie ich finde, ein sehr wichtiger informativer Teil des Buches!

Fazit: Ein ganz besonderes Bilderbuch, das viel mehr ist als ein rein unterhaltendes Kinderbuch. Es vermittelt am Beispiel der Bäume, was uns stark macht, egal wie alt wir sind.

Bewertung vom 03.05.2022
Kaltherz
Faber, Henri

Kaltherz


ausgezeichnet

Großartig geschrieben, wendungsreich und fesselnd

Endlich wieder einmal ein Thriller, der mich von Anfang an gefangen nahm und mich erst wieder freigab, als die letzte Seite gelesen war. Da ich den Autor bislang nicht kannte, war das Buch für mich eine grandiose Überraschung.

Die eigenwillige Kommissarin Kim Lansky bekommt in der Vermisstenabteilung der Kripo München noch eine letzte Chance, sich zu beweisen. Die fünfjährige Marie ist verschwunden, aus dem Auto verschwunden, während ihre Mutter für wenige Minuten auf der Toilette war. Die Ermittlungen von Kim Lansky bleiben über Monate erfolglos. Sie führen nur tiefer und tiefer hinein in eine Vielzahl ungelöster Fälle von verschwundenen Kindern. Und in die eigene dunkle Vergangenheit von Kim.

Am meisten hat mich die Schreibekunst des Autors fasziniert. Henri Faber schreibt so, wie ein großer Schauspieler agiert: Extrem wandlungsfähig in verschiedensten Rollen (bzw. Sprachstilen), um dem jeweiligen Geschehen Ausdruck zu verleihen. Jedem Erzähler verleiht er seine eigene Sprache. So differenziert unterschiedliche Sprachstile haben nur wenige Autoren in ihrem Repertoire! Überhaupt lebt der Thriller von der Sprache. Mit starker, fast expressionistischer Ausdruckskraft liest man fesselnde Szenenbeschreibungen, impulsiv und explosiv, eindringlich sich einwühlend ins eigene Kopfkino. Die eher kurzen Kapitel der verschiedenen Erzählerperspektiven enden oftmals mit Cliffhängern oder einem unerwarteten Überraschungsmoment. Der Thriller ist in seiner Gesamtheit gekonnt komponiert. Die einzelnen Kapitel brechen überraschend ab, setzen wenig später wieder ein und erhöhen von Mal zu Mal die Spannung. Alle Protagonisten werden psychologisch klug und eindringlich geschildert. Und als man schließlich ziemlich sicher ist, die Lösung zu kennen – da wird man noch einmal kräftig überrascht!

Fazit: Ein großartig geschriebener, durchweg spannender, wendungsreicher Thriller.

Bewertung vom 26.04.2022
Der Tote aus Zimmer 12
Horowitz, Anthony

Der Tote aus Zimmer 12


ausgezeichnet

Raffiniert konstruierter „Roman im Roman“

Der moderne englische Kriminalroman, wie u. a. von Agatha Christie perfekt in Szene gesetzt, wird durch den Autor Anthony Horowitz ins Extreme geführt, und zwar auf exzellente und faszinierende Weise. 600 Seiten pure Lesefreude bietet das vorliegende Buch für den, der Spaß an den raffinierten Wegen langsam-schleichender Aufklärung hat.

Susan Ryeland lebt mit ihrem Lebensgefährten auf Kreta und führt ein kleines Hotel, der Alltag ist voll von viel anstrengender Arbeit und wenig Ertrag. Gelegentlich denkt sie mit Sehnsucht zurück an ihr Leben in London mit und für Bücher als Lektorin. Der überraschende Besuch des Ehepaares Treheme mit der Bitte, bei der Suche nach der verschwundenen Tochter Cecily zu helfen, kommt ihr deshalb gerade recht. Möglicherweise ist eine Spur zu finden in dem Roman „Atticus unterwegs“, den Susan seinerzeit lektoriert hatte. Zusätzlich werden ihr 10.000 Pfund angeboten, Geld, das das Hotel dringend benötigt. Susan nimmt den Auftrag an, fährt nach England und gerät in einen Wirrwarr von Lügen und lebensgefährlichen Intrigen.

Das Raffinierte an diesem im klassischen Whodonit-Stil geschriebenen Kriminalroman ist, dass ein fiktiver Kriminalroman Wege zur Aufklärung des tatsächlich geschehenen Verbrechens auf versteckte Weise enthalten soll. Dieser fiktive Roman ist komplett abgedruckt. Man liest also sozusagen einen „Roman im Roman“ und versucht dabei, selbst auf die Lösung zu kommen, woran ich übrigens kläglich scheiterte. Anstrengend und verwirrend war für mich die Herausforderung, aus zwei Romanen die Protagonisten auseinander zu halten. Auch störten mich mitunter die längeren Einschübe von Mail- und Telefonat-Verläufen. Die Spannung bleibt über beide Romane hinweg relativ gleich und mäßig hoch. Die lebendige Erzählweise macht dies jedoch mehr als wett, denn ich hatte bei der Lektüre insgesamt gesehen ganz großes Vergnügen. Schon allein die wunderbar eindrücklich-lebendige Sprache des Autors ist ein Genuss. Sätze wie „mit der Nagelschere zurechtgeschnitten“ oder wenn Kräne dem „Gerippe der Stadt das Fleisch von den Knochen reißen“ zeigen die bildliche Sprachkraft des Autors. Mit allergrößter Raffinesse werden zwei Kriminalromane auserzählt und letztlich miteinander so verwoben, dass Anagramme und andere Entsprechungen auf äußerst komplizierte Weise zur Aufklärung führen.

Fazit: Ein raffiniert konstruierter Kriminalroman im klassischen Whodunit-Stil – ein Lesevergnügen für alle, die gerne an verschlungenen Ermittlungswegen mittüfteln mögen.

Bewertung vom 20.04.2022
Die Knochenleser
Ross, Jacob

Die Knochenleser


sehr gut

Ein sozialkritischer Kriminalroman, hart und farbig

Einen Kriminalroman zu lesen, der in einer exotischen Gegend spielt, ist sehr reizvoll, keine Frage. Und so ist eine der besonderen Stärken des Buches, dass der Autor, der in der Karibik geboren ist und heute in England lebt, das Umfeld der Handlung, die auf einer Insel in den Kleinen Antillen spielt, sehr genau trifft. Misslungen ist meiner Meinung nach jedoch, den Slang der Einheimischen ins Deutsche zu „übersetzen“. Das wirkt gekünstelt bis unfreiwillig komisch und behindert das ansonsten sehr flüssige Lesen.

Worum es geht: Auf einer Insel der Kleinen Antillen lebt der junge Digger in hoffnungsloser Armut. Detective Superintendent Chilman erkennt jedoch die Intelligenz und Wachheit dieses jungen Mannes und wirbt ihn für die Polizeiarbeit an. Digger sieht dies trotz aller inneren Widerstände als Chance, um nach seiner verschollenen Mutter zu suchen. Gesetzesferne Methoden sind üblich. Doch Digger geht seinen Weg, wird ausgebildet zum außerordentlich fähigen Forensiker und kommt bei seinen Ermittlungen zusammen mit Miss Stanislaus, der Tochter von Chilman, bis an seine äußersten Grenzen.

Gut liest sich der Kriminalroman, abgesehen von den verunglückten Slang-Übersetzungen. Geschrieben ist er in einer bildhaft-intensiven Sprache, voller Farben und Gerüche, aber auch mit lethargischen Bildern von verletzten Seelen. Es fehlt zwar an einem sich steigernden Spannungsbogen, doch die Welt, in der sich die Polizeiarbeit abspielt, ist eine solch grausame, sexistische, männerdominierte Welt voll von Mord und Totschlag, Machtmisbrauch, Korruption, Terror, Pädophilie und fanatisch-religiösen Auswüchsen, dass man als Leser schaudert. Jacob Ross zeichnet ein gesellschaftskritisches Bild weit, weit weg von der Postkarten-Urlaubs-Idylle der Karibik, wie wir sie kennen. Dies macht meines Erachtens die besondere Qualität des Kriminalromans aus. Irgendwie tröstlich, den Entwicklungsweg von Digger aus diesem Sumpf heraus hin zu einem glühenden Verfechter von Gerechtigkeit zu verfolgen.

Fazit: Ein sozialkritischer Kriminalroman, der uns den Postkartenkitsch der Karibik in unseren Köpfen gründlich vermiest.

Bewertung vom 05.04.2022
Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2


gut

Fragwürdige, aber spannend erzählte Geschichte

Das Gute vorweg: Die beiden Autoren schreiben richtig, richtig gut! Es gelingt ihnen durchweg, mich als Leserin ans Buch zu fesseln, und zwar mit allen kunstfertigen Mitteln, über die gute Kriminalroman-Autoren verfügen sollten. Kurze Kapitel, Cliffhanger, Perspektivwechsel – alle Stilmittel finden ihren Einsatz, um die Spannung auf hohem Level zu halten. Doch das Schlechte folgt auf den Fuß: Nachdenken sollte man beim Lesen besser nicht. Zu viele Fragwürdigkeiten werden durch die Protagonisten in Szene gesetzt. Wer sich also einfach zur Entspannung unterhalten lassen möchte, wird vollumfänglich mit diesem Roman bedient. Wer jedoch moralische oder psychologische oder gar ethische Ansprüche an den Inhalt stellt, dürfte sehr enttäuscht sein. Da ich den ersten Band nicht kenne, kann ich leider nicht vergleichen, ob die Autoren grundsätzlich keinen Wert legen auf Wertevermittlung.

Die Handlung kann man ganz oberflächlich so darstellen: Stella, Geschäftsführerin einer neuen Dating-App, wird ermordet aufgefunden. Ihre Schwester Alicia, die von jeher ein schwieriges Abhängigkeitsverhältnis zu Stella hatte, gerät unter Verdacht. John Adderley, gebürtiger Amerikaner, der unter neuer Identität in Schweden lebt, taucht bei seinen Ermittlungen tief in die Vergangenheit der beiden Schwestern ein und löst damit eine undurchsichtige und lebensgefährliche Kettenreaktion aus.

Wie oben gesagt: Die Geschichte ist spannend, kurzweilig und lebendig geschrieben. Und doch wirkte sie im Gesamten auf mich unglaubwürdig und abstoßend. Schon die Ansammlung von kaputten Typen wirkt völlig übertrieben. Alicia wird als seelisches Wrack dargestellt. Ihr Gesicht ist entstellt (worauf wir unzählige Male im Verlauf des Romans hingewiesen werden), weshalb sie Menschen meidet. Zwar ist sie ein Programmier-Ass, aber ohne ihre Schwester Stella nahezu lebensunfähig. Regelmäßig stürzt sie durch exzessiven Alkoholmissbrauch bis zur Bewusstlosigkeit ab. John Adderley ist seit einem missglückten Undercover-Einsatz schwer traumatisiert. Er misstraut der Wirklichkeit, wittert überall Hinterhalt und Lüge. Die Liste der „beschädigten“ Menschen könnte man noch weiter fortsetzen. Sympathieträger konnte ich keine finden. Die Interaktionen der Protagonisten werden von einer unglaubwürdigen Reihe an rettenden glücklichen Zufällen vorangetrieben. Am meisten stört mich dabei, dass John Adderly lügt, betrügt und das Gesetz beugt, so wie er es gerade braucht, um seine eigene Haut zu retten.

Fazit: Eine Geschichte mit inakzeptablen „kaputten“ Protagonisten ohne Moral, spannend erzählt, aber völlig unglaubwürdig.

Bewertung vom 29.03.2022
Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach
Mattera, Julia

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach


ausgezeichnet

Ein seelenvoller, feiner und wirkungsstarker Roman

Ein kleines, feines Buch hat da Julia Mattera geschrieben. Der Roman zog meine Aufmerksamkeit auf sich aufgrund des originellen Titels und des Verlagshinweises auf das Elsass, in dessen Grenznähe ich wohne. All dies und das etwas schlicht gestaltete Cover ließen mich nicht erahnen, mit was für einem seelenvollen Buch man es hier zu tun hat.

Die Geschwister Elsa und Robert Walch führen einen Gasthof im Elsass. Keine einfache Sache, insbesondere für die zupackende, feinfühlige Elsa, denn Robert ist ein sehr, sehr schrulliger Koch, der in seiner eigenen Welt lebt, ein ausgemachter Sturschädel ist und am liebsten die ignoranten Touristen zum Teufel jagen würde. Sein Herz schlägt für seinen prachtvollen Gemüsegarten. Er spricht mit den Pflanzen, er gibt den Möhren Namen, er hegt und pflegt jede einzelne Pflanze, denn diese intensive Zuwendung danken sie ihm durch exzellenten Geschmack. Die Gerichte, die Robert kreiert, ziehen Gäste von überall herbei. Doch Robert liebt die Einsamkeit, schaut nur von ferne zu, wie es den Gästen schmeckt. Eines Tages taucht Maggie auf, eine sehr temperamentvolle Frau aus England, die sich von Roberts abweisendem Verhalten nicht abschrecken lässt und es versteht, vorsichtig und unbekümmert zugleich, den weichen Kern in Roberts Seele zu Tage zu bringen.

Der Zauber dieses Romans liegt im Kleinen, im Feinen, im Stillen. Es geschieht nicht besonders viel, schon gar nicht wirklich Spannendes. Und doch entwickelt man beim Lesen eine ungeahnte Sensibilität, für die Menschen, von denen erzählt wird, aber auch für die Natur, für Beobachtungen, Gerüche, Farben, Geräusche, die die Seiten prall füllen. Ja, Pflanzen haben eine Seele, und ich gelobe, nie wieder gedankenlos eine Möhre aus dem Beet zu rupfen, sondern wie Robert erst einmal über die grüne Haarpracht zu streicheln. Die liebevolle Hingabe von Robert steckt an, besonders wenn man liest, zu welch menschlichen Regungen Gemüsepflanzen fähig sind, wie sie überrascht sein können, aber auch erschreckt oder einverstanden oder wie sie einem ungewöhnlichen Vorschlag „etwas abgewinnen können“. Auch eindrückliche Menschenbeschreibungen gelingen Julia Mattera, wenn etwa von einer Tante berichtet wird, „deren Naturell in etwa einer Brennessel glich“. Es ist die wunderbare Sprache der Autorin, die beim Leser die unabdingbare Achtung, den grenzenlosen Respekt vor der Natur weckt.

Welch eine Kunst, auf so sanfte, poetische, zärtliche und verträumte Weise den Leser aufs Tiefste zu berühren.

Bewertung vom 23.03.2022
Schwarzlicht / Dabiri Walder Bd.1
Läckberg, Camilla;Fexeus, Henrik

Schwarzlicht / Dabiri Walder Bd.1


ausgezeichnet

Psychologisch schlau die Grenzen zwischen Schein und Sein überschreitend

Ob ich jemals ein Buch mit mehr als 600 Seiten in 3 Tagen gelesen habe? Ich glaube nicht. Der vorliegende Kriminalroman hat es geschafft, dass ich alle täglichen Verpflichtungen zurückstellte und mich vom Buch vollständig gefangen nehmen ließ. Die fast bibeldruckpapierdünnen Seiten und die relativ kleine Schrift machten es mir erst einmal nicht leicht, aber schnell waren diese äußeren Bedingungen vergessen und ich war verloren an die Erzählkunst der beiden Autoren. Welch eine interessante Zusammenarbeit: Die wohl erfolgreichste schwedische Autorin Camilla Läckberg und der Mentalist und Fachmann für nonverbale Kommunikation Henrik Fexeus haben gemeinsam einen fulminanten Start einer neuen Krimireihe, die ihresgleichen sucht, der Dabiri-Walder-Trilogie“.

Eine tote Frau wird auf einem öffentlichen Platz in Stockholm gefunden, eingesperrt in eine Kiste, durchbohrt von mehreren Schwertern. Es sieht nach einem verunglückten Zaubertrick aus. Aber warum so öffentlich dargestellt? Rund um Kommissarin Mina Dabiri wird eine Ermittlergruppe zusammengestellt, die als Besonderheit Vincent Walder mit einschließt, einen Mentalisten mit extrem scharfer Beobachtungsgabe. Eine weitere Leiche wird gefunden, erste Zeichen werden entschlüsselt und man beginnt zu ahnen, dass ein tödlicher Countdown begonnen hat, dessen Fokus auf Mina und Vincent liegt…

Düster, rätselhaft, raffiniert, komplex, ungewöhnlich, fesselnd – ich könnte die Reihe an Adjektiven fortsetzen, die ich diesem Kriminalroman zuordnen möchte. Die geschickte Erzählweise fordert den Leser heraus, denn man bleibt lange in völliger Unsicherheit, was, wie und warum geschieht und geschehen ist. Rückblicke in die Vergangenheit verwirren zusätzlich. Was sind deutungswürdige Metaphern, wo ist nüchterner Blick gefragt? Was sind geschickte Verknüpfungen, was sind gedankliche Irrwege? Die beiden Protagonisten sind ungewöhnlich in jeder Hinsicht. Mina mit ihrer ausgeprägten Zwangsstörung, ihrem extremen Verlangen nach Reinlichkeit, was ihren beruflichen Alltag zu einer hochkomplizierten Aufgabe werden lässt, wirkte auf mich dennoch gewinnend sympathisch. Vincent, der autistische Züge hat und über Sonderbegabungen verfügt, lässt den Leser tief in seine Stärken und Schwächen Einblick nehmen. Zusammen sind diese beiden Ausnahme-Charaktere aufgrund ihrer Besonderheiten unschlagbar. Ziemlich auf die Nerven ging mir dagegen Vincent’s Frau Maria, deren Eifersucht (unnötig, wie ich finde) sehr viel Platz im Roman beanspruchte. Auch wenn immer wieder leiser, feiner Humor spürbar wird.

Fazit: Brillant geschriebener, düster-spannender und komplex-raffiniert konstruierter Kriminalroman, psychologisch schlau die Grenzen zwischen Schein und Sein überschreitend. Intelligente und höchst unterhaltsame Krimikost!

Bewertung vom 16.03.2022
Was für unfassbare Sachen echte Drachen gerne machen
Kucharska, Nikola

Was für unfassbare Sachen echte Drachen gerne machen


ausgezeichnet

Keine fünf, sondern zehn Sterne für dieses drachenstarke Meisterwerk

Es gibt unendlich viele liebenswerte, wundervoll gezeichnete Bilderbücher. Allen gehört meine uneingeschränkte Sympathie, so unterschiedlich sie auch sein mögen. Doch kein einziges hat mich so über die Maßen begeistert, ja gerade zu vom Stuhl gerissen wie das vorliegende großformatige Drachen-Buch. Die meisten Kinder lieben Drachen. Für die ist das Buch eine Pflichtlektüre. Und die Kinder, die bislang noch nichts mit Drachen anfangen konnten, sollten unbedingt auch das Buch in die Hände bekommen. Und ab sofort werden auch sie Drachen lieben. Und noch eine Zielgruppe gibt es: Die älteren Kinder und die Erwachsenen! Niemand ist zu jung oder zu alt für dieses unvergleichliche geniale Bilderbuch.

Die Autorin und Illustratorin Nikola Kucharska gestaltet nicht nur Kinderbücher, sondern auch Comics und Spiele. Das spürt man dem Bilderbuch an, so gekonnt wie es gemacht ist. Neben der professionellen Gestaltung lebt das Buch ganz besonders durch die Fantasie- und Ideenvielfalt, die ihresgleichen sucht. Was uns beim Blättern, Schauen und Lesen aus den Seiten herausspringt, ist unfassbar beeindruckend und bewirkt, dass man das Buch wieder und wieder und wieder anschaut und von Mal zu Mal mehr entdeckt, und das immer mit einem dicken Grinsen im Gesicht. Denn dieses Drachen-„Sachbuch“ strotzt nur so vor witzigen Gags. Oder wussten Sie vielleicht, dass der Drache zwei Herzen besitzt, das eine davon aus Stein? Dort sitzt der Hang zum Nörgeln und dort fließt das blaue Blut des Drachen hindurch. Oder ahnten Sie, dass die ungeborenen Minidrachen-Kinder, da sie erst nach einem Jahr aus dem Ei schlüpfen, bis dahin viel Zeit zum Lesen haben und dies auch tun? Oder dass die Schulkinder-Drachen unter anderem auch das Fach „Grübeln und Kopfzerbrechen“ haben? Dies und noch vieles, vieles mehr erfährt man in diesem Buch. Von den verschiedenen Drachenarten über sportliche Aktivitäten, über Feste und Feiern zur Geburt, über die berühmtesten Drachenvertreter aller Zeiten, über die schlimmsten Drachenkrankheiten, über Ernährung und über Beschäftigungen im Drachenaltersheim – kein Thema wird ausgelassen und dabei so phänomenal großartig in Wimmelbuchmanier in Szene gesetzt, dass man nur noch staunen kann.

Fazit: Genial gestaltetes, großartiges, drachenstarkes Wimmel-Drachen-Sachbuch zum Staunen und Kaputtlachen, das unbedingt in jede Bibliothek gehört.