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easymarkt3
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Insgesamt 731 Bewertungen
Bewertung vom 19.03.2024
That Girl
Santos de Lima, Gabriella

That Girl


gut

Für junge Erwachsene
Das Cover zeigt in fünfzehn gleich großen, farblich verschieden unterlegten Quadraten je einen Großbuchstaben des Buchtitels, sowie eine aufgeschnittene Avocado, einen Café Latte und das gemalte Porträt einer jungen Frau, vielleicht das der Hauptfigur namens Tess Raabe, 25 Jahre alt. Dieses Buch über Männer, Tinder Dating voller Hoffnungen beschreibt Bewältigungsstrategien und Routinen wie z.B. Yogaeinheiten oder das Führen von Dankbarkeitstagebüchern nach Enttäuschungen mit viel Offenheit und Ehrlichkeit, besonders wenn es nur um das Äußerliche und Sex, fast nie ums Innerliche in einer liebevollen Beziehung geht. That Girl wie Tess – dieses Vorbild – wird durch ihre verschiedenen Freundinnen in ihrer Selbstfindung und Selbstliebe überzeugend aufgefangen. Dieser Blick hinter den Vorhang der Selbstinszenierung auf Social-Media-Plattformen ist ernüchternd hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes. Dieses aktuelle Thema der heuchlerischen digitalen Selbstdarstellung als erfolgreiche Influencerin spricht sicher die jüngere Generation an. Allein schon das verarbeitete Vokabular wie Body Positivity, Self-Care-Culture, Diet Culture, Social-Media-Stalking oder Körpergefühl deutet darauf hin. Die literarische Abrechnung im letzten Teil verleiht dem eher depressiv gefärbten Roman mehr Tiefe durch Appelle zum Kampf gegen weibliche Minderwertigkeitskomplexe und deren Schönheitswahn. Zu empfehlen für junge Leser:innen.

Bewertung vom 18.03.2024
Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt
Heiland, Julie

Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt


sehr gut

Dresden rund um die zerstörte Frauenkirche
Das Leben von Lotte Spatz ab 1939 in Dresden steht zunächst im Zentrum des historischen Romans, bis sie sich als Trümmerfrau ab 1947 in der total zerstörten Stadt notdürftig einrichtet. In den Beschreibungen ihres mühseligen Alltags eingewoben sind ihre Bemühungen um ihre zwei geliebten Männer Leo und Jakob Sternlieb, beides Juden. Thematisiert werden in der ersten Romanhälfte die Machenschaften zweier Diktaturen, nämlich der Naziterror und das DDR-Regime, beide brutal verknüpft mit antisemitischen Kampagnen. Im weiteren Verlauf kommt mit Hannah, Lotte´s Enkelin, eine weitere Erzählebene hinzu. Ab 1993 hilft sie über mehrere Jahre beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche als Denkmalpflegerin mit. Hier finden sich schließlich nicht nur drei Generationen von Frauen einer Familie vereint wieder, sondern nach mehr als fünfzig Jahren auch Lotte´s große Liebe, Jakob Sternlieb. Die Figur von Hanna´s Mutter Marlene Spatz, die Bürgermeisterkandidatin, erfährt im Gesamtkonzept weniger schriftstellerischen Raum. Die Idee einer erfolgreichen Recherchearbeit anhand nur eines zufällig gefundenen Fotos gefällt, ebenso die Einbindung politischer Ereignisse des Zeitraums bis 2005. Die überzeugenden Liebesbekundungen vieler beteiligter Protagonisten verleihen dieser deprimierenden Vergangenheit Deutschlands im Roman ein wenig Leichtigkeit und neue Hoffnung. Interessante Lektüre.

Bewertung vom 16.03.2024
Die Vermesserin der Worte
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


ausgezeichnet

Der Zauber der Worte und die Magie der Sprache
Das Cover wirkt wie ein stilvolles Gemälde auf beruhigendem, grünem Passepartout, wie ein Stillleben mit drei Büchern und einem üppigen Blumenarrangement in Gelb – edel, schlicht, passend. Der Titel des Buches macht neugierig, denn man fragt sich: Kann man Worte vermessen? Diese ungewöhnliche Geschichte zweier sehr verschiedenen Frauen aus zwei Generationen handelt von der Liebe zu Büchern, gefüllt mit Worten, die ein Gewicht haben. Die bildreiche, teils poetische Sprache hier fängt viele Gefühle ein. Neben Themen wie Einsamkeit, Demenz, Schreibblockade, Freundschaft, Heimat, Trauer, Verlust etc. geht es auch um die Kraft der Sprache. Indem Ida Hermann, die junge Autorin mit Schreibblockade, auf der Reise nach Worten ist und der dementen Ottilie Selig, der Madame des papierenen Anwesens mit Lücken zwischen den Gedanken, ihren Lebensweg abschnittweise in Erinnerung bringt, baut sich spannende Dynamik auf. Beide gegensätzlichen Charaktere ergänzen sich in besonderer Weise. Die Beschreibung des Miteinanders ist berührend, teils tiefgründig. Kann man Fantasie und Worte messen? Ist ein Buch ein Vermächtnis gegen das Vergessen, um einen Abdruck auf dieser Welt zu hinterlassen?

Bewertung vom 15.03.2024
Der blaue Salamander
Ventura, Luca

Der blaue Salamander


gut

Capri und die blauen Eidechsen – interessant.
Wie der Buchtitel bereits verrät, geht es um eine seltene Eidechsenunterart, beheimatet auf den Faraglioni bei Capri - deutsch: Leuchtfeuer. In der Antike wurden solche exponierte Felsen häufig durch Feuer beleuchtet, um Seefahrern die Orientierung und Navigation zu erleichtern. Diese blaue Ruineneidechse - Lucertola Azzurra – unterscheidet sich von anderen Unterarten durch ihre intensive blaue Farbe und die Zahl der Schuppen in verschiedenen Körperregionen. Auch das Geheimnis um ihr seltsames Verhalten in raren Nächten auf den bläulich schimmernden Faraglioni-Felsen wird gelüftet. Eine seltene Designerhandtasche, gefertigt aus diesem kostbaren blauen Salamanderleder, wird als gestohlen gemeldet. Vorab jedoch geht es um einen Mord. Im Verlauf der Ermittlungen wird ein Zusammenhang beider Delikte hergestellt, dem man logisch gut folgen kann. Die Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei in Neapel ist dabei weniger effektiv – mit belebendem Aufklärungseffekt für die zwei erfolgreichen Kommissare Enrico Rizzi und Antonia Cirillo aus Capri. Beide sind mit ihrem nicht ganz unproblematischen Privatleben eingebunden in das touristisch angehauchte Geschehen auf dieser beliebten Insel. Der Trend zur Verarbeitung von veganem Leder wird geschickt eingebunden. Die Idee, die Handtaschenproduktion um den blauen Salamander wieder aufleben zu lassen, ist kreativ gestaltet. Das Finale wirkt jedoch etwas zu sehr konstruiert, besonders die Momente rund um den kirchlichen Tatort.

Bewertung vom 14.03.2024
Eine Fingerkuppe Freiheit
Zwerina, Thomas

Eine Fingerkuppe Freiheit


sehr gut

Eine Homage an Louis Braille
Der Buchtitel zielt gekonnt auf den Inhalt an: Fingerkuppen verhelfen beim Lesen der Blindenschrift von Louis Braille zu einem großen Stück Freiheit, neben Bildung und mehr Selbständigkeit. Der Charakter des sehr jung erblindeten Louis wird bildlich in der Wortwahl und im pompösen Schreibstil des 19. Jahrhunderts dargestellt. Trotz vieler Widrigkeiten setzt sich sein Schriftsystem gegen die Reliefschriften, ganz gleich, ob Prägedruck, Stachelschrift oder Nadelschrift schließlich weltweit durch. Sein historischer, geradliniger Werdegang, von liebevollen bis aggressiven Nebenfiguren begleitet, animiert zum weiteren Suchen im Internet nach den im Buch erwähnten Größen wie z. B. Abbé Haüy im Bereich der Blindenschrift. Trotz aller Missgunst von Sehenden erfindet der Blinde Louis Braille neben der Blindenschrift zusätzlich auch eine Musiknotenschrift aus sechs erhabenen Punkten sowie einen Raphigrafen zusammen mit Foucault. Zwischen Wahrheit und Fiktion ist hier eine lehrreiche Biographie entstanden, sprachlich teilweise zu poetisch verbrämt.

Bewertung vom 13.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


sehr gut

Kein Krimi, sondern ein Roman!
Der Roman, in vier Teilen konzipiert, handelt zunächst von etwas langatmigen Nachforschungen des Detektiven Tabor Süden in Sachen Vermissung des Zeitschriftenhändlers Leo Ahorn, 48, beauftragt durch die Ehefrau Viola Ahorn, 42. Die Charakterisierung des Ehepaares mit ihren Vorstellungen von Ehe und gemeinsamem Alltag, vom dem Siechtum geweihten Schreibwarenladen ist gut gelungen. Im zweiten Teil sorgt das Ermittlungsteam der Polizei rund um Oberkommissarin Fariza Nasri für etwas Spannung, durch Namensnennung eines bisher unbekannten Zuhälters, auch durch Violas Verfall in Schuldgefühle und Selbstzerstörung. Der Verdächtige, Georg Kramer, ehemaliger Umzugsunternehmer mit Schuldkomplex, steht im weiteren Teil mit seinem teils simulierten Gedächtnisverlust und Alkoholkonsum im Zentrum des Geschehens. Zu ihm gesellt sich ein geheimnisvoller Besucher aus der Berliner Halbwelt, sein bisher unbekannter Halbbruder Sandro Zille bzw. Fels, der für einige Wendungen im weiteren Verlauf bis zum erfolgreichen Ermittlungsende sorgt. Die Milieuschilderungen, auch die in der Kneipe Blaues Eck, haben Atmosphäre, kommen realistisch rüber. Die Durchschnittlichkeit, Knickrigkeit, all die Enttäuschungen und der Verlust von Lebensträumen nicht nur bei den Kneipenbesuchern, all dies wird wortgewandt beschrieben. Der Buchtitel mag sich auf Georg Kramer beziehen, der erst im Alter von 61 Jahren von der Existenz eines Halbbruders erfährt, wodurch aber nicht nur sein Leben starken Eruptionen unterliegt.
Eine gelungene tiefgründige Zeichnung von enttäuschten, kranken Menschen auf dunklem Hintergrund.

Bewertung vom 11.03.2024
Wort für Wort zurück ins Leben
Miller, Beth

Wort für Wort zurück ins Leben


sehr gut

Ein einfühlsam geschriebener Roman
Ein tiefgehender Roman über Verlust, Adoption, Panikattacken, Entfremdung und zweite Chancen nach verpassten Gelegenheiten. Das Cover zeigt eine gemalte Sommerlandschaft in friedlicher Natur – ansprechend gestaltet. Die Szenarien spielen in Bristol, Rye, Paris und Sévérac-le-Chateau, einem kleinen Ort in Frankreich bei Rodez. Neben lebendigen Dialogen zwischen allen Beteiligten geht es auch um Tagebucheinträge in Stenographie, die über einen sehr langen Zeitraum geschrieben, Aufschluss geben über die Sorge des verstorbenen Vaters um die zurück gelassenen Kinder Greg, Pearl und Benjy aus erster Ehe, um verletzte Gefühle und Vergebung. Pearl setzt sich mit diesem Vermächtnis an Tagebüchern auseinander und findet dabei nicht nur wieder Anschluss an ihre Familie, sondern findet mit 52 Jahren auch aus ihrer Abgeschiedenheit in Frankreich heraus zu einem Anfang mit ihrer zur Adoption freigegebenen Tochter Carrie. Die Charaktere, besonders Pearl und ihr Ehemann Denny, werden meist sehr sympathisch dargestellt mit ihren teils extremen menschlichen Problemen wie Panikattacken. Der Schreibstil ist angenehm, die Handlung realistisch dargestellt, die Wortwahl emotional und berührend. Vergangenheitsbewältigung der verletzten Gefühle und ein gemeinsamer Neuanfang bilden den gelungenen Schlussakkord.

Bewertung vom 09.03.2024
Die sieben Türen
Draschoff, Adrian

Die sieben Türen


ausgezeichnet

Ein weises Buch zur Selbstreflexion
Schon die Anzahl der Türen, hier sieben an der Zahl, erinnert an viele Bedeutungen in der Mythologie in allen Kulturkreisen und Glaubensrichtungen, z.B. das Buch mit den 7 Siegeln ist biblischen Ursprungs, ebenso wie die 7 Tugenden und 7 Laster oder die 7 Sakramente (Taufe, Ehe etc.). Diese sieben Türen erinnern an einen grundsätzlichen Stufenweg, auf dem ein Mensch zur Erleuchtung geführt werden kann bis zum Beginn eines neuen Lebens. Die schöne Metapher der schließlich sich verwandelnden Raupe in einen Schmetterling versinnbildlicht die vollzogene Wandlung vom Ich ins Selbst. Hinter den sieben Türen versammeln sich jeweils Gegensätze (Licht und Dunkelheit, Liebe und Hass, Angst und Mut, Glück und Trauer, Jetzt und Unendlichkeit, das alles vereinigende Universum und das Nichts, Chaos und Ordnung) in den inneren Wohnungen, aus denen jemand schrittweise die Entbindung seines wahren Selbst vollziehen kann und sich damit allem Dunkel der Unwissenheit entledigt und erstrahlen kann wie ein großer Stern. Nur jemand, der eine Konfrontation mit dem eigenen Unbewussten wagt, um seine Schattenanteile zu finden – durch eine intensive und rückhaltlose Form der Introspektion – dem ist eine Wiedergeburt in ein neu erstarkendes Ich-Bewusstsein machbar. Hat man schließlich ein vollkommenes Bewusstsein der eigenen Innenwelt erlangt, geht damit der Wunsch einher, sich seinen Mitmenschen liebevoll zuzuwenden. So interpretiere ich den sehr poetischen Text mit liebevoll eingebrachten Illustrationen. Ein nicht alltäglicher Lesestoff!

Bewertung vom 08.03.2024
Selbe Stadt, anderer Planet
Meindl, Dominika

Selbe Stadt, anderer Planet


weniger gut

Leider kein harmonisch abgestimmtes Werk.

Das Cover gibt einen typischen, fotographischen Ausschnitt der Stadt Hallstadt in Österreich wieder mit Pfarrkirche am Hallstätter See im Salzkammergut in Österreich, passend zum Romaninhalt. Der Titel könnte vielleicht passender abgeändert werden in Selbe Stadt, anderes Land. Auf zwei Erzählsträngen geht es einmal um die Lebensgeschichte des Herrn Patrick bzw. Huang Ren, einem Chinesen, bis zu seinem 13. Lebensjahr irgendwo in Österreich an Ortsenden in plüschigen Chinarestaurants aufgewachsen. Der zweite Erzählstrang gibt das Alltagsleben der Zwillinge Doris, Tischlerin, und Johanna, Allgemeinärztin in Hallstatt wieder mit einigen Nebenfiguren. Thematisiert wird der dortige, erdrückende Massentourismus, kritisiert wird auch die sorgfältige Rekonstruktion, quasi der Zwilling von Hallstatt als Touristenattraktion, als Themenpark in Boluo, Südchina. Diese Raubkopie des Weltkulturerbes Hallstatt wird von den Schwestern als Tagestouristen besichtigt und sie kehren ernüchtert zurück. Diese Erfahrungen wären vielleicht ausbaufähig gewesen. Neben diversen Informationen über China, über die schöne, bergige Natur um Hallstatt beschreibt der humorvolle, teils deftige Schreibstil in manch österreichischer Wortwahl auch einige störende Träume. Zwar treffen beide oben beschriebenen Erzählebenen in Hallstatt aufeinander, jedoch wirkt der Roman insgesamt zu sehr konstruiert. Auch die Schlussbeiträge von ARTHUR KALTSEIS mit Kommentaren zur Pandemie, zum Einfluss des diktatorischen No-Covid-Kurses auf den touristischen Austausch zwischen China und dem Westen etc. und Johannas Gedanken über die Überbevölkerungserfahrung ihrer Chinareise regen zwar zum Nachdenken an, runden aber letztendlich das ganze Werk nicht optimal ab.

Bewertung vom 03.03.2024
wir sind pioniere
Erdmann, Kaleb

wir sind pioniere


gut

Ein Selbstfindungstrip besonderer Prägung
Veronika Kowalczyk, kurz Vero, und Quirin Bruckner kennen sich seit den Studientagen in Mannheim, seit nunmehr zehn Jahren. Ihre bisher offene Beziehung erfährt eine große Veränderung durch ihre Schwangerschaft. Eigentlich wollen sie wie einst abgesprochen ihre Beziehung nun schließen, „aber eine beziehung ist ja keine tür die man mal eben so zuknallt da werden wir nochmal drüber sprechen müssen“ – ganz ohne Interpunktion und auf Groß- und
Kleinschreibung wie im ganzen Roman. Reflektiert wird über große Themen wie z.B. eine moderne Beziehungs-Story an einem Scheidepunkt, das Erwachsenwerden zwischen all den kleinen Alltäglichkeiten im Beruf und in der Liebe. Diverse Szenarien spielen in Graz, Mannheim, München, Stuttgart. Wechselnde Perspektiven von Vero und Bruckner regen zum Nachdenken an. Die Wortwahl ist durchsetzt mit englischen Vokabeln. Der Lesefluss wird auch erschwert durch das völlige Fehlen jeglicher Satzzeichen. Das Cover könnte als luftige Paarbeziehung mit dünnen Verstrebungen interpretiert werden – passend zum Inhalt.