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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

Bewertungen

Insgesamt 341 Bewertungen
Bewertung vom 15.11.2023
Übertretung
Kennedy, Louise

Übertretung


ausgezeichnet

ÜBERTRETUNG
Louise Kennedy

Ach, an dieser Stelle muss die wunderschöne Covergestaltung des Steidl-Verlags einmal erwähnt werden. Diese Leineneinbände sind einfach wunderschön und ein wahrer Hingucker! ❤️📓 #coverliebe und #schockverliebt

Nordirland 1975:
In Belfast eskalieren die Troubles: Jeden Tag explodieren Bomben, Autos brennen und unschuldige Zivilisten werden ermordet. Protestanten und Katholiken sind Feinde und töten sich gegenseitig.
In diesen Unruhen lebt die katholische Grundschullehrerin Cushla Lavery inmitten einer Vorstadt, die überwiegend von Protestanten bewohnt ist.
Hier betreibt ihr Bruder Eamonn den Pub, den einst seine Mutter Gina führte. Er versucht sich bedeckt zu halten - unauffällig zu sein und am besten seine Konfession zu verschweigen. Doch seine Mutter und Schwester halten sich nicht an seine Regeln:
Gina trinkt - und das schon zum Frühstück und hat im Anschluss ihre Zunge nicht immer unter Kontrolle.
Doch das große Sorgenkind ist seine unverheiratete Schwester. Sie lässt sich mit einem verheirateten Protestanten ein. Doch damit nicht genug. Als der kleine katholische Davy von den Klassenkameraden gemobbt wird, setzt sie sich für ihn ein und das wiederum hat verhängnisvolle Folgen …

Louise Kennedy hat das Leben in Nordirland, in den 70er-Jahren, die verheerende Wohnungssituation, die Verzweiflung der Menschen, gepaart mit Ausweg- und Arbeitslosigkeit sowie der allgegenwärtigen Angst der Bürger vor Attentaten, unglaublich gut dargestellt. Brutal, ergreifend und eindringlich sind ihre Schilderungen - ich hatte das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Langsam baut die Autorin die Spannung auf, bis sie zum Ende kaum noch auszuhalten ist.
Ein sehr gutes Buch, das ich euch unbedingt empfehlen möchte.
4½/ 5

Bewertung vom 12.11.2023
Von den fünf Schwestern, die auszogen, ihren Vater zu ermorden
Mvogdobo, Melara

Von den fünf Schwestern, die auszogen, ihren Vater zu ermorden


ausgezeichnet

VON DEN FÜNF SCHWESTERN DIE AUSZOGEN, IHREN VATER ZU ERMORDEN
Melara Mvogdobo

Die vier Afroschweizer-Schwestern Sheshe, Céleste, Lea und Marion reisen nach Kamerun, wo ihre fünfte Schwester Séraphine lebt. Gemeinsam mit ihr wollen sie ihren kamerunischen Vater, Hilaire Bongo Nkomo, der sie alle im Kindesalter sexuell missbrauchte, umbringen.
Wo immer dieser Mann lebte, betrog und täuschte er Menschen, die ihm nahe standen.
Jede der fünf Frauen versucht seit der Kindheit auf unterschiedlichster Weise mit ihren Traumata zu leben - nicht jeder gelingt es gut.
Jetzt möchten sich die Frauen rächen und endlich mit ihm abrechnen.
Doch wie das Leben so spielt, kommt es auf einmal ganz anders …

Was für ein Debüt! Chapeau Melara Mvogdobo!
Trotz der belastenden Themen führt uns die Autorin leichtfüßig durch diese Geschichte.
Wir erfahren über kamerunische Rituale, spirituelle Bräuche und erleben afrikanische Kultur. Natürlich wird die grausame Tat benannt, aber nicht im Detail erzählt, dennoch haben wir einen tiefen Einblick in die verletzten Seelen der fünf misshandelten Frauen.
Der Aufbau des Buches ist unglaublich spannend und anders. Ja, an einigen Stellen musste ich wirklich schmunzeln.
Kaum zu glauben, dass dieses Manuskript fast 20 Jahre in der Schublade der Autorin lag und kein Verlag es verlegen wollte. Erst „ME TOO“ machte es möglich, dass Themen wie diese erzählt werden dürfen - dass Frauen, denen so etwas Schreckliches passiert, aufstehen dürfen!
Melara Mvogdobo Geschichte muss gelesen werden! Sie steht hier stellvertretend für das, was so vielen Frauen und Kindern auf der Welt in diesem Moment irgendwo angetan wird.
Danke an EDITION 8, dass ihr den Mut hattet, diese Geschichte zu verlegen und dir Melara Mvogdobo wünsche ich eine große Leserschaft und hoffe, dass dein nächstes Buch ganz schnell in die Regale findet.
Bitte lest dieses Buch!
5/ 5

P.S. Und wenn es wirklich eine Fee gibt, dann wünsche ich mir dieselben drei Wünsche wie Sheshe! Einfach genial.

Bewertung vom 07.11.2023
Rendezvous mit einem Oktopus. Extrem schlau und unglaublich empfindsam (MP3-Download)
Montgomery, Sy

Rendezvous mit einem Oktopus. Extrem schlau und unglaublich empfindsam (MP3-Download)


sehr gut

Wer die Unterwasserwelt liebt oder so wie ich eine leidenschaftliche Taucherin ist, kommt an diesem Buch nicht vorbei und wird es lieben:

RENDEZVOUS MIT EINEM OKTOPUS
Sy Montgomery

Als die Naturforscherin Sy zum ersten Mal im Bostoner Aquarium auf einen weiblichen Pazifischen Riesenkraken trifft, ist sie von der ersten Sekunde an verzaubert. Das Verhalten der wundervollen und intelligenten Kopffüßerin ist so außergewöhnlich, das sie von diesem Tag an „ihren" Oktopus regelmäßig besucht.

Sy lässt uns an ihren Erlebnissen mit dem Oktopus teilhaben und erklärt uns wunderbare Fakten:

Das ein Oktopus die Farbe wechseln kann und ein männliches Exemplar stirbt, nachdem es seinen Samen abgelegt hat, war mir bekannt. Auch dass das weibliche Pendant ihre Eier zu Ketten knüpft, diese Wochen - ja teilweise Monate pflegt, während dieser ganzen Zeit nichts frisst und stirbt, nachdem die Brut geschlüpft ist, war mir nicht neu.
Doch wusste ich nicht, dass ein Oktopus mit 1600 Saugnäpfen ausgestattet ist. Mit jedem einzelnen Saugnapf 15 Kilo anheben kann - was hieße, dass es ein Leichtes für ihn wäre, uns in sein Becken zu ziehen. Doch nicht nur diese Tatsache war neu - im Buch geht es um vieles mehr. Ganz nebenbei lernen wir andere Meeresbewohner kennen und die Autorin erfüllt sich ihren Traum, einen frei lebenden Oktopus im Meer zu sehen und macht aus diesem Grund ihren Tauchschein - auch hier werden wir sie begleiten.

Ein wundervolles (Sach-)(Hör-)Buch, bestimmt nicht für die breite Masse geeignet, aber unbedingt empfehlenswert.
Außerdem möchte ich es nicht versäumen, die Sprecherin des Hörbuchs, Sophie von Kessel zu erwähnen. Sie hat ein wahres Hörerlebnis aus dem Buch gemacht.

P.S. Wusstet ihr, dass Oktopoden drei Herzen haben? Nein? Dann solltet ihr unbedingt dieses Buch lesen oder hören!
4½ / 5 und große Oktopusliebe 🐙

Anmerkung: Mit einem gepflegten Logbuch und über 400 absolvierten Tauchgängen möchte ich noch hinzufügen, dass ich es noch nie erlebt habe, dass ein Check-Dive als Nachttauchgang durchgeführt wurde (wie soll der Tauchguide im Dunkeln Probleme erkennen?). Das fand ich ein wenig unglaubwürdig.

Bewertung vom 02.11.2023
Vladimir
Jonas, Julia May

Vladimir


ausgezeichnet

VLADIMIR
Julia May Jones

Unsere namenlose 58-jährige Literaturdozentin lehrt an einem kleinen amerikanischen Collage im Fachbereich Literatur. Sie war schon immer autark, beliebt und intelligent, doch hat sie seit Neuestem ein großes Problem mit dem Älterwerden. Und das spiegelt sich auch in ihrer Ehe mit Ehemann John, der am selben Collage unterrichtet, wieder. Beide führen eine "offene Ehe, was nie ein Problem darstellte, schließlich hat ihr Ehemann ein größeres Interesse an sexuellen Aktivitäten.
Doch dann lernt sie ihren neuen, jüngeren Kollegen Vladimir kennen und ihre sexuelle Energie erwacht. Zeitgleich droht John eine Suspendierung: Mehrere weibliche Studierende haben den Professor wegen sexueller Übergriffe beim Dekan angezeigt. Daraufhin wurde eine Anhörung eingeleitet.

Wer jetzt denkt, dass Vladimir eine kitschige Liebesgeschichte ist, den muss ich hier direkt an dieser Stelle enttäuschen.
Obwohl es hauptsächlich um ein alterndes und lang verheiratetes Ehepaar geht (die offensichtlich gerade in einer Lebenskrise stecken), so werden Themen wie Depressionen, Drogenkonsum und Missbrauch im Kontext angesprochen.
Ich habe so ein feines Buch, was so unglaublich schön vom Sprachstil ist und mich gefühlt in das Wohnzimmer vom Ehepaar Hustvedt/Auster katapultiert hat, nicht erwartet - eine unglaubliche Überraschung.
Ein Buch, das zum Ende eine ganz andere, nicht vorhersehbare Wendung bekommt und noch einmal richtig aufdreht.

Fazit:
Ein Wahnsinnsdebüt! Stark aus dem Amerikanischen von Eva Bonné übersetzt.

Bewertung vom 30.10.2023
Der Blutkünstler / Tom-Bachmann-Serie Bd.1
Meyer, Chris

Der Blutkünstler / Tom-Bachmann-Serie Bd.1


ausgezeichnet

DER BLUTKÜNSTLER
Chris Meyer

Hier kommt eine große Leseempfehlung für alle, die es spannend mögen:

Die Galeristin Selma wird über Nacht selbst zu einem Kunstprojekt: Ihre Kollegin findet sie am Morgen in Einzelteile zerlegt und auf einer Leinwand drapiert. Mit ihrem Blut hat der Mörder zuvor noch ein Kunstwerk erschaffen. Auffällig ist nicht nur ihr blondes Haar, das der „Blutkünstler“ zu Zöpfen flocht, sondern auch das gelbe Kleid, welches er ihr nachträglich anzog. Beides lässt auf einen Serientäter schließen, der bereits in anderen Großstädten mehrere grausame „Kunstwerke" hinterließ.

Tom Bachmann, der bekannte Profiler, wird zu den Ermittlungen des BKAs hinzugezogen. Er ist dafür bekannt, Psychopathen tief in die Seele schauen zu können.
Bachmann muss sich beeilen, denn der Blutkünstler hat noch viele Ideen für „größere Werke“ und wird nicht lange warten, diese bald umzusetzen.

Wow, das war spannend. Auch wenn Thriller nicht mein bevorzugtes Genre ist und ich „Schisshase“ hinter jeder Tür den Mörder erwarte, konnte mich dieses Buch von Beginn an einfangen. In nur zwei Nachmittagen habe ich dieses Buch durchgesuchtet -
es hat einfach alles, was ein Thriller braucht.
5/ 5

Bewertung vom 26.10.2023
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


ausgezeichnet

LEKTIONEN
Ian McEwan

1959:
Roland Baines wächst in Libyen auf, wo sein Vater als Armeeoffizier stationiert ist. Mit 11 Jahren wird er in ein britisches Internat eingeschrieben, wo er den Highschool-Abschluss absolvieren soll. Doch es kommt anders:
Seine Klavierlehrerin Miriam Cornell verführt den Jungen im Alter von 14 Jahren und aus diesem Grunde trifft Roland eine Entscheidung, die sein ganzes Leben verändern wird.

1996:
Jahre später wacht Roland eines morgens auf und findet den Abschiedsbrief seiner Frau Alissa neben sich. Mit den Worten. „Ich habe das falsche Leben gelebt“ verlässt sie nicht nur ihn, sondern auch ihren vier Monate alten Sohn, Lawrence.
Roland, der nie einen richtigen Beruf erlernte, widmet sich fortan der Kindeserziehung.

In nicht immer chronologischen Rückblicken, doch konsequent mit einem roten Faden, erzählt uns Roland aus seinem Leben. Er nimmt uns mit in die Kuba-Krise, wir erleben ein weiteres Mal Tschernobyl und er erzählt detailliert die Lebensgeschichten seiner Freunde und Verwandten. So treffen wir Mitglieder der Weißen Rose, gehen noch einmal durch den Checkpoint Charly und reisen in die DDR und sind dabei, wenn die Mauer fällt. Selbst im Corona Lockdown leisten wir ihm Gesellschaft.
Dabei steht Roland immer im Mittelpunkt, wir begleiten ihn, trauern und freuen uns gemeinsam.

Ich bin nicht die Erste, die darauf kommt, dass der Protagonist Roland sehr viele Parallelen zu unserem Autor McEwan hat. Ob einige Passagen aus dem Buch autobiografisch sind, vermag ich jetzt nicht zu klären, was ich aber mit Bestimmtheit sagen kann ist, dass das Buch viele Lebensweisheiten - hier schlicht Lektionen genannt, beinhaltet. Auch wenn ‚Lektionen', ein kleines bisschen hinter McEwans früheren Werken wie 'Abbitte', 'Saturday' und 'Kindeswohl' zurücksteht, ist es dennoch für mich ein Meisterwerk (mit kleineren Längen), das eine Wortgewandtheit aufweist und kaum zu übertreffen ist.

Mein Lieblingszitat:
„Er hatte jene Lebensphase erreicht - mit Ende dreißig nicht ungewöhnlich -, in der die Eltern anfangen abzubauen. Wer sie waren, was sie taten, war bis dahin ganz allein ihre eigene Sache gewesen. Nun aber verloren sie kleine Stückchen ihres Lebens, die von ihnen abfielen oder so plötzlich abgerissen wurden wie der Rückspiegel vom Wagen des Majors. Später lösten sich größere Brocken ab und mussten von ihren Kindern eingesammelt oder im Flug aufgefangen werden. Ein langer Prozess. (S. 158)

Fazit:
Wunderbar erzählt. Literatur vom Feinsten.
5-/ 5

Bewertung vom 25.10.2023
Nightbitch
Yoder, Rachel

Nightbitch


sehr gut

NIGHTBITCH
Rachel Yoder

Bevor sie Mutter wurde, war die Frau Galeristin. Sie liebte ihren Beruf und ging voll in ihm auf. Nie wollte sie etwas anderes sein - Mutter werden war nie ein Thema.
Doch dann wurde sie schwanger und bekam den Sohn. Anfänglich gab sie ihren Beruf nicht auf. Andere Frauen schafften das ja schließlich auch! Aber Tatsache war, dass die Mutter den Spagat zwischen Muttersein und Berufstätige nicht gelang. Immer öfter war sie überfordert - diese schlaflosen Nächte mit anschließenden harten Arbeitstagen waren schlichtweg nicht mehr zu bewältigen - also gab sie ihren Beruf auf. Für den Sohn! Und warum auch nicht? Ihr Mann verdiente schließlich viel Geld und jetzt hatte sie endlich genug Zeit, um sich um den Sohn zu kümmern.
Doch warum wollten sich jetzt keine Mutterfreuden einstellen? Wieso konnte sie den Tag mit dem Sohn nicht einfach genießen?
Der Sohn forderte und quengelte den ganzen Tag und gab nie Ruhe. Sie fand keine Zeit zum Waschen und Putzen, und wann sie zum letzten Mal geduscht hatte, wusste sie auch nicht mehr.
Ihr Mann, der sich Alltags auf Geschäftsreise befand, war auch keine Hilfe. Und mit den anderen Muttis, die alle in ihrer „Muttirolle" aufblühten, konnte sie auch nichts anfangen.
Und genau zu diesem Zeitpunkt, als sie kurz davor war durchzudrehen, passierte es:
Ihr Körper veränderte sich. Hinten in ihrem Nacken wuchs ein Büschel Haare und auf einmal hatte sie Gelüste auf rohes Fleisch. Verwandelte sie sich zu einem Hund? Anfänglich versuchte sie das zu verheimlichen. Wie sollte sie das auch ihrem Mann erklären?
Der Einzige, der ihre Verwandlung mochte, war der Sohn. Der fand das Spiel, in einer Hundebox zu schlafen, ein Halsband zu tragen und zum Frühstück rohes Fleisch zu essen, ganz wunderbar.
Wie die Geschichte weitergeht und was die anderen Muttis zu dem ganzen sagen, müsst ihr allerdings selber lesen.

Mitreißend, skurril und zynisch erzählt Rachel Yoder von einem Muttidasein, das so ganz anders ist, als wir es kennen. Und auch wenn ich mich damals nach der Geburt meiner Tochter nicht zum Hund verwandelt habe, so konnte ich doch diverse Parallelen zwischen mir und Nightbitch erkennen. Ich habe das Buch abwechselnd gelesen oder gehört. Die Sprecherin des Hörbuches, Jana Kozewa hat Nightbitch eine unglaublich passende Stimme gegeben.
80 % des Buches habe ich richtig gerne gelesen/gehört, lediglich das Ende konnte mich nicht überzeugen. Schade, da hätte sich die Autorin etwas anderes einfallen lassen müssen.

Wie dem auch sei, trotz des unbefriedigenden Endes möchte ich allen Nicht-Vegetariern dieses ganz andere, skurrile Buch ans Herz legen, denn es ist wirklich lesenswert.
3½/ 5

Bewertung vom 23.10.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


sehr gut

ENDSTATION MALMA
Alex Schulman

Im Zug nach Malma sitzen unterschiedliche Personen:
Die verschüchterte Henrietta mit ihrem Vater - er ist ein schweigsamer und jähzorniger Mann, dem man besser aus dem Wege geht. Nach der Trennung von seiner Frau teilte sich das Ehepaar die zwei Töchter untereinander auf.
Ein Ehepaar, das kurz vor der Trennung steht - sie möchte ihm unbedingt etwas in Malma zeigen und außerdem ist da noch Yana, eine einsame junge Frau, die nach Malma reist, um endlich die Wahrheit über ihre Familie herauszufinden.
Auf dieser Reise erfahren wir in Rückblicken mehr über diese Personen und deren Leben. Dabei sind alle Personen und Schicksale miteinander verwoben.

Alex Schulman ist ein Meister des Geschichtenerzählens. Langsam spinnt er seine Fäden und zieht diese immer straffer zusammen, dabei spannt er uns bis zur letzten Seite auf die Folter, wo alles in einem großen Knall endet.
Dieser Roman ist nichts für schwache Nerven und wer einen Wohlfühlroman sucht, der sollte besser zu einem anderen Buch greifen.
Psychische Gewalt und toxische Beziehungen stehen auch dieses Mal wieder im Vordergrund.
Ich hatte mich auf diesen dritten Schulman sehr gefreut und wurde auch dieses Mal nicht enttäuscht. Wie wir es von den anderen Büchern gewohnt sind, lässt er uns wieder staunend mit offenem Mund und Augen zurück.
Absolute Leseempfehlung
4/ 5

Aus dem Schwedischen von Hanna Granz

Bewertung vom 20.10.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


sehr gut

ICH, SPERLING
James Hynes

Der kleine Sklave ohne Namen wurde Pusus genannt, was Junge bedeutet. Er wuchs in einem Bordell auf und wurde von Prostituierten, den ‚Wölfinnen‘, großgezogen. Später, je nachdem, was ihm für Aufgaben übertragen wurden, wechselten seine Namen von Maus, über Antinoos zu Antiochus - erst arbeitete er als Küchenjunge, dann als Einkaufshilfe, später im Schankraum der Taverne und zuletzt gehörte er zu den Wölfinnen. Meistens jedoch, wenn seine Freier ihm gerade wieder wehtaten, löste sich sein Geist von seinem Körper und er wurde zum Sperling und flog davon.

„Doch der Junge ist nicht da. Er kann sie weder sehen noch hören. Er ist Sperling, der in der Luft über ihren Köpfen schwebt, zusieht und nichts empfindet.“ (Tolino S, 334/335)

Detailliert, minutiös und schonungslos beschreibt Hynes das Leben eines Sklavenjungen im spanischen Carthago im 4. Jahrhundert n. Chr. Ich konnte selbst hier bei mir zu Hause die Gerüche einatmen und wäre gerne einige Male selbst zum Sperling geworden.
Es geht um Liebe, Sexualität, Freundschaften, Missgunst und vor allem um das Leben in der Zeit, wo die christliche Kirche das Zepter in der Hand hielt und das Menschenleben nicht viel wert war.
Die ersten 200 Seiten waren mir zu lang - zu minutiös skizziert, aber dann konnte mich das Buch doch noch packen und ich habe es bis zum Ende regelrecht verschlungen.
Es ist ein Buch, das ich nicht so schnell vergessen werde (inklusive der Beschreibung auf einer viertel Seite, wie es in Audos Schritt riecht und aussieht - dieses bekomme ich sicherlich nie mehr aus meinem Kopf heraus 🙈).

Fazit:
Schonungslos und eindringlich!
Wer historische Romane liebt, sollte dieses Buch unbedingt gelesen haben.
4/ 5

Bewertung vom 16.10.2023
Schrödingers Grrrl
Hobrack, Marlen

Schrödingers Grrrl


sehr gut

SCHRÖDINGERS GRRRL
Marlen Hobrack


Die Dresdnerin Mara Wolf ist Mitte zwanzig und Harz lV-Empfängerin. Sie verließ die 9. Klasse des Gymnasiums ohne Abschluss. Seitdem ist sie Bloggerin auf Instagram, bestellt online Klamotten, macht nach der Paketanlieferung Fotos für Instagram und lässt die Ware anschließend zurückgehen. Doch wirklich Erfolg hat sie als Bloggerin nicht und die Bezahlung lässt auch auf sich warten.
Maras Bankkonto ist überzogen - an vielen Tagen ist kein Geld für Essen da, aber Arbeiten ist keine Option.

„Sie streiften durch die spärlich beleuchteten Straßen Liverpools. Über eine Einkaufsstraße, die ein Dutzend Obdachlose als Schlafstätte nutzten. Mit ihren Hunden und sieben Sachen hatten sie sich in den Ladeneingängen häuslich eingerichtet. […] Mara dachte, das könne ihr nie passieren, egal wie klamm sie wäre, sie schaffte es schon. Es gab ja Vater Staat und ihre Mutter". (S. 176)

Eines Tages lernt sie den PR-Agenten Hanno kennen. Dieser bietet ihr eine steile Karriere als Autorin an - und das Beste: Das Buch ist bereits geschrieben! Der wirkliche Autor möchte anonym bleiben und Mara eignet sich perfekt, um sich als Autorin dieses Buches auszugeben, denn die Protagonistin des Buches ist Bloggerin, Harz lV-Empfängerin und hat die Schule ohne Abschluss verlassen.
Was dieser ganze Schwindel mit Mara macht und ob diese Lüge auffliegt, müsst ihr allerdings selber herausfinden.

Was für ein kurzweiliges Debüt. Marlen Hobrack hat ihre Protagonisten so lebhaft dargestellt, dass ich das Gefühl hatte, sie buchstäblich vor mir zu sehen. Auch wenn mir Maras Einstellung zum Arbeiten und zur Körperhygiene nicht gefiel, habe ich die Geschichte gerne gelesen und bis zum Ende verschlungen.
Gerne spreche ich meine Leseempfehlung für eine „endlich mal ganz andere Geschichte“ aus.
4/ 5