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Raumzeitreisender
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Deutschland
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 734 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2022
Nachts im Kanzleramt
Slomka, Marietta

Nachts im Kanzleramt


sehr gut

Marietta Slomka vermittelt in diesem Buch Grundlagen über Staats- und Verfassungsrecht, über das Zusammenspiel von Medien und Politik, über Volkswirtschaft und Geldwirtschaft, über Europapolitik und Globalisierung. Da sie aufgrund ihrer Tätigkeit als Journalistin das Politikgeschehen in Deutschland kennt, garniert sie ihre Ausführungen mit Anekdoten und Hintergrundinformationen.

Das Buch ist übersichtlich in kleine Abschnitte gegliedert. Die Ausführungen sind nachvollziehbar, Begriffe werden verständlich erläutert, themenbezogene humoristische Karikaturen lockern den Text auf und Insiderinformationen sind besonders gekennzeichnet. Ein Stichwortverzeichnis ist angefügt, ein Quellenverzeichnis fehlt. Was motiviert die Autorin, dieses Buch zu schreiben?

Slomka will Politik und Wirtschaft transparent machen und Verständnis dafür wecken, dass Politik trotz zahlreicher nächtlicher Sitzungen nicht immer das liefert, was die Wähler erwarten. Sie ist geprägt von dem Sturm auf das Kapitol (326) und der Erkenntnis, dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Sie wirbt für politische Diskussionen und macht deutlich, dass Streit und Kritik zum politischen Alltag gehören.

Aber die Macht hinterlässt Spuren. Fairness ist in der Politik Mangelware (154) und Transparenz ist ein Ziel, welches noch nicht erreicht wurde (147) Unterschiedliche Perspektiven sind nicht immer gleichgewichtig, insbesondere wenn sie gegen wissenschaftliche Erkenntnisse verstoßen oder Fakten ignorieren. (195) Die Autorin spielt den Einfluss der Medien herunter und reduziert ihn auf „Themen setzen“. (196)

Wer sich intensiv mit Politik beschäftigt, wird in diesem Buch wenig neues finden. Slomka liefert solide Grundlagen für Einsteiger und das Buch ist eine gute Werbung für die Demokratie. Sie klärt auf und erläutert sachlich und ausgewogen die Zusammenhänge. Die fehlende Tiefe schränkt zwar die Zielgruppe ein, ändert aber nichts an der Qualität der Ausführungen.

Bewertung vom 28.03.2022
Philosophie der Lüge
Svendsen, Lars

Philosophie der Lüge


sehr gut

Warum wird so viel gelogen? „Der Lügner muss sich an doppelt so viel erinnern wie der Wahrheitsgetreue – sowohl daran, wie etwas wirklich gewesen ist als auch daran, was er gesagt hat.“(12) Das entspricht nicht dem Prinzip Bequemlichkeit. Die wahren Gründe müssen daher tiefer liegen. Lars Svendsen, norwegischer Philosoph, setzt sich in diesem Buch intensiv mit den Hintergründen der Lüge auseinander.

Svendsen strukturiert das Thema, unterscheidet zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit, beschreibt das Wesen der Lüge und grenzt ab. „Nicht jede Aussage ist zwangsläufig als Lüge zu betrachten, nur weil sie es ihrer wortwörtlichen Bedeutung zufolge ist ...“ (31) Erst wenn absichtlich ein anderes Bild vermittelt wird, nähern wir uns der Lüge. Ein naher Verwandter der Lüge ist der Bullshit. Den Bullshitter kümmert nicht, ob etwas wahr oder unwahr ist.

Mit der Analyse der Lüge und ihren Folgen haben sich in vergangenen Jahrhunderten namhafte Philosophen beschäftigt, deren zentrale – oftmals unterschiedliche - Aussagen der Autor in seine Überlegungen einbezieht. Da geht es um Gründe fürs Lügen, das Recht auf Wahrheit und die Unterscheidung nach Immanuel Kant in ethische und juristische Lügen. Nach Kant hat die Pflicht nicht zu lügen absolute Gültigkeit. (76)

Lügen richten sich nicht nur gegen andere, sondern man kann sich auch selbst belügen. Am Beispiel Rousseau macht der Autor deutlich, wie weit eigene Ansichten und Handlungen differieren können, wenn man in seiner eigenen Wirklichkeit lebt. Da können echte Freunde helfen, über Illusionen aufzuklären. Vertrauen zu Freunden erfordert ein Fundament ohne Lügen.

Dagegen werden wir in der Politik täglich damit konfrontiert, dass Politik Vorrang vor der Wahrheit hat. Die Welt der Politik sei schmutzig, betont Max Weber. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen Diktaturen und Demokratien. Erstere beruhen ausschließlich auf Lügen, um die Macht zu erhalten, aber auch in Demokratien wird gelogen, wie z.B. beim Irakkrieg deutlich wurde.

Die Wirkung permanenter Lügen ist nicht zu unterschätzen, glauben doch 71 Prozent der Republikaner, dass Trump ehrlich sei. (181) Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass heute nicht nur über unterschiedliche Meinungen gestritten wird, sondern Fakten angezweifelt werden. Wir müssen mit der Lüge leben, aber wir können auch nicht ohne Vertrauen in unsere Mitmenschen leben, wie der Autor im letzten Kapitel deutlich macht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.03.2022
Über Menschen
Zeh, Juli

Über Menschen


sehr gut

Romane, die Menschen in Gut und Böse einteilen, in glorreiche Helden und finstere Schurken, sind auf dem Büchermarkt Massenware. Autorin Juli Zeh beschreibt Mensche der Gegenwart in ihrer Differenziertheit und Widersprüchlichkeit, mit ihren Stärken und Schwächen, ihren Vorurteilen und Ängsten.

Dora, Mitarbeiterin einer Werbeagentur, flüchtet aus der Großstadt Berlin nach Bracken, in die tiefste brandenburgische Provinz. Sie flüchtet auch vor ihrem neurotischen Freund Robert, einem unbelehrbaren Weltverbesserer und Klimaaktivisten, den sie in ihrem Umfeld nicht mehr ertragen kann.

Das Dorfleben erweist sich nicht als ländliche Idylle. Das Haus ist renovierungsbedürftig, der Garten ist verwildert, die Versorgungslage ist schlecht und der öffentliche Personennahverkehr ist unzuverlässig. Zudem wird Dora mit vorurteilsbeladenen rechtspopulistischen Dorfbewohnern konfrontiert.

Dennoch ist trotz der Schroffheit einiger Landbewohner die Hilfsbereitschaft im Dorf groß. Reden und Handeln driften auseinander. Es sind markante Charaktere, die sich miteinander arrangieren. Insbesondere dürfte Nachbar Gottfried „Gote“ Proksch für Diskussionen sorgen.

Fazit: Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft erfordert Kommunikation, auch wenn die Weltbilder der Protagonisten meilenweit auseinander liegen. Es empfiehlt sich miteinander zu reden, statt übereinander. Und wenn Menschen Verantwortung übernehmen, gehen sie gestärkt daraus hervor.

Bewertung vom 09.03.2022
Die Entdeckung der Currywurst
Timm, Uwe

Die Entdeckung der Currywurst


sehr gut

Der Titel ist irreführend. Die Currywurst wurde nicht entdeckt, sondern erfunden. Aber derartige Spitzfindigkeiten werden dem Buch nicht gerecht. Auch steht die Currywurst nicht im Fokus der Novelle. Im Kern geht es um die (Liebes-)Beziehung zwischen Lena Brücker und Hermann Bremer während der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Sie lernen sich in Hamburg kennen. Die Beziehung ist nicht nur wegen dem Altersunterschied schwierig.

Der Ich-Erzähler war in früheren Zeiten häufig in dem Viertel zu Besuch, in dem Lena Brücker gelebt hat. Er sucht sie auf und erfährt ihre Geschichte. Insofern gibt es zwei Erzählebenen, die gegenwärtigen Besuche bei Frau Brücker und ihre Erinnerungen an die letzten Kriegstage in Hamburg. Die Übergänge in den Erzählebenen erfolgen fließend, sind aber für den Leser gut erkennbar.

Die Novelle schließt eine Lücke in Sachen Zeitgeschichte. Dem Autor gelingt es, eine schwierige Phase der deutschen Geschichte leichtfüßig zu erzählen. Es wird deutlich, dass das Überleben Priorität hatte und nicht die Planung für die Zukunft. So etwas wie Zukunft deutet sich erst nach Ende des Krieges an, als der Schwarzmarkt anfängt zu blühen.

Die Geschichte ist unterhaltsam und lehrreich. Sie macht neugierig. Die Härte und Bitternis des Krieges verändert die Menschen, lässt aber dennoch Raum für heitere Momente. Der Wechsel im Verhalten der Verantwortlichen nach Ende des Krieges wird gut herausgearbeitet. Auf einmal gab es keine Nazis mehr. Und das Rätsel der Currywurst wird zu guter Letzt gelüftet.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2022
Achtsam morden Bd.1
Dusse, Karsten

Achtsam morden Bd.1


sehr gut

Achtsamkeit ist eine wesentliche Voraussetzung, um glücklich zu sein. Wem das gelingt, wird selbst mit unlösbar erscheinenden Problemen besser fertig. Protagonist Björn Diemel, erfolgreicher Strafverteidiger, wird aufgrund bestehender Eheprobleme von seiner Frau gezwungen, ein Seminar über Achtsamkeit zu belegen.

Die Befreiung aus der Tretmühle des Alltags gelingt. Dusses Leben verändert sich, insbesondere seine Sicht auf und Bewertung von Problemen. Cool überlegt ergeben sich stets unerwartete Lösungen. Das besondere an der Geschichte ist: Protagonist Dusse ist beruflich und privat im Gangstermilieu tätig.

So hat der Autor eine kreative Satire erschaffen, in der Achtsamkeit mit kriminellen Handlungen verknüpft und das Ganze mit Ratschlägen aus dem Ratgeber für Achtsamkeit garniert wird. Die Geschichte ist makaber, absurd, humorvoll, aber auch hinsichtlich der Gewaltverherrlichung grenzwertig. Fazit: Achtsamkeit hilft auch im Gangstermilieu.

Bewertung vom 04.03.2022
Der Wal und das Ende der Welt
Ironmonger, John

Der Wal und das Ende der Welt


sehr gut

Ein junger Mann wird in St. Piran, einem kleinen Fischerdorf in Cornwall, an Land gespült und von den Dorfbewohnern gerettet. Kurz darauf strandet am selben Ufer ein Finnwal. So beginnt John Ironmongers Dystopie über eine sich anbahnende Katastrophe und über unvorhersehbares menschliches Verhalten.

Der junge Mann ist Joe Haak, ein Mathematiker und Investmentbanker aus London, der das Computerprogramm Cassie entwickelt hat, mit dem auf Basis ökonomischer und politischer Daten Prognosen erstellt werden können. Die zu erwartenden Ergebnisse lehren ihn das Fürchten. Er verlässt London.

Ist Egoismus die einzige Triebfeder menschlichen Handelns? Haak übernimmt in dem Dorf eine führende Rolle bei der Rettung des Wals und opfert in Kenntnis der Prognosen von Cassie seine Ersparnisse, um das Dorf in Krisenzeiten zu versorgen. Er lernt die Dorfbewohner kennen und setzt sich für sie ein.

Haak beweist durch sein Handeln, dass Menschlichkeit über den kalten Computerprognosen eines Programms steht. Krisen können überwunden werden, wenn die Menschen zusammenarbeiten und zusammenhalten. Der Autor beschreibt eine Krisensituation, wie sie kurz nach Erscheinen des Buches tatsächlich aufgetreten ist.

Bewertung vom 22.02.2022
Können wir die Welt verstehen?
Gaßner, Josef M.;Müller, Jörn

Können wir die Welt verstehen?


sehr gut

In diesem Buch vermitteln die Physiker Josef M. Gaßner und Jörn Müller ein Grundverständnis über Theorien der modernen Physik und Astronomie. Ihre anspruchsvollen Ausführungen gehen weit über das hinaus, was Leser von populärwissenschaftlichen Büchern gewohnt sind. Sie erläutern ausführlich, von der Antike bis in die Neuzeit, wie durch beobachten, messen und analysieren Regelmäßigkeiten in der Natur aufgespürt, Naturphänomene erklärt und mit Hilfe der Mathematik in Form physikalischer Gesetze beschrieben werden können.

Bereits unsere Vorfahren vor 4000 Jahren haben sich, wie an der Himmelsscheibe von Nebra deutlich wird, an den Sternen orientiert, wiederkehrende Ereignisse festgehalten und Kalender entwickelt, die ihren Rhythmus bestimmten. Einen Höhepunkt erreichte die Forschung bei den Naturphilosophen im alten Griechenland. Eratosthenes war vor 2200 Jahren in der Lage, durch einfache Schatten- und Entfernungsmessungen, den Umfang der Erde zu bestimmen. Die Arbeiten zur Beschreibung der Himmelsmechanik wurden gegen Ende des Mittelalters, beginnend mit Kopernikus, fortgesetzt.

Gaßner und Müller verstehen es, die Entwicklung der physikalischen Theorien nachvollziehbar darzustellen. Spätestens ab Newton sind Kenntnisse der Infinitesimalrechnung erforderlich. Einschübe über notwendige mathematische Grundlagen sollen helfen, die Berechnungen zu verstehen. Abschnitte, die den Rahmen populärwissenschaftlicher Darstellungen überschreiten, haben die Autoren besonders gekennzeichnet. Die klassische Mechanik ist weitgehend nachvollziehbar. Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen sind besonders bei Einsteins Relativitätstheorien und den Quantenfeldtheorien gefordert.

Die Autoren machen deutlich, dass es in der Quantenmechanik hinsichtlich des Verhaltens von Teilchen keine mystische Abhängigkeit von einem Beobachter gibt, sondern, dass jede Wechselwirkung im Zusammenhang mit einer Messung ausreicht, damit die Wellenfunktion kollabiert. (337) Überrascht dürften manche Leser auch sein, wenn sie erfahren, dass die Schrödingergleichung falsch ist, da sie bei relativistischen Geschwindigkeiten versagt. (399) Widersprüche werden durch die erste große Feldtheorie, die sog. Quantenelektrodynamik (QED), beseitigt. Diese wurde von den Physikern Schwinger, Tomanga und Feynman entwickelt.

Können wir die Welt verstehen? Die Autoren stellen eine Weltformel vor, die Phänomene beschreibt, die auf den 4 fundamentalen Wechselwirkungen beruhen. (628) Die Formel ist nicht nur komplex und unhandlich, sie berücksichtigt auch keine Dunkle Materie und Dunkle Energie. Auch die Vereinheitlichungsversuche durch die Schleifen-Quantengravitation und die Stringtheorie enthalten erhebliche Mängel, sodass die Frage weiterhin offen bleibt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ist die Aufgabe lösbar, eine Theorie zu entwickeln, die bisherige Erkenntnisse als Sonderfälle enthält und nicht so allgemein ist, dass sie alles und nichts erklärt?

Mit dieser Frage werden sich noch Generationen von Naturwissenschaftlern beschäftigen und weitere Mosaiksteine in das Gesamtbild einfügen. Josef M. Gaßner und Jörn Müller ist es mit ihrem Werk gelungen, die Entwicklung, wichtige Protagonisten und den aktuellen Stand der Forschung weitgehend verständlich, manchmal aber auch sehr mathematisch, darzustellen. Es ist ein Buch für Leser mit einem überdurchschnittlichen Vorwissen über Grundlagen der Mathematik und einem besonderen Interesse an physikalischen Zusammenhängen. Die Autoren führen die Leser durch das Labyrinth der modernen Physik.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2022
Chinesisches Roulette
Shum, Desmond

Chinesisches Roulette


sehr gut

Desmond Shum, Unternehmer aus China, beschreibt in diesem Buch seine Lebensgeschichte, die eng verknüpft ist mit der Geschichte Chinas der letzten Jahrzehnte. Sein Buch klärt auf über die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse und ihre Verflechtungen im Reich der Mitte. Deutlich wird: Die Macht liegt zu 100 % beim inneren Zirkel der kommunistischen Partei.

Der Autor gehört nicht zum roten Adel, also zu der Gruppe der Nachkommen der elitären kommunistischen Führer. Er beschreibt seine rauhe Kindheit und Jugend in Shanghai, seine Erfolge bei Schwimmwettbewerben und seinen Aufstieg als Unternehmer. Behilflich war ihm seine Frau Whitney, die wusste, wie man in China ein gewinnbringendes Beziehungsgeflecht aufbaut und pflegt.

Aber es herrscht Willkür, die Gerichte sind nicht unabhängig. "In China sind die Regeln absichtlich unklar formuliert und werden laufend geändert, wobei die Änderungen stets rückwirkend angewandt werden. Und die Gerichte sind einfach ein Werkzeug der Partei, die das Gesetz einsetzt, um sich die Gesellschaft zu unterwerfen." (162) Deshalb sind Beziehungen zum roten Adel unverzichtbar, um Erfolg zu haben.

Die Ausführungen wirken phasenweise langatmig, wenn Shum detailverliebt beschreibt, welche Gespräche mit wem stattgefunden haben, wer mit wem essen gegangen ist und wann welche Geldsummen geflossen ist. Dennoch wird die chinesische Kultur dadurch transparent und ihre Unterschiede zur westlichen Kultur deutlich. Aber sichtbar wird auch, dass Bündnisse nicht von Dauer sind und Verbündete ersetzbar sind.

Richtig spannend wird es ab Kapitel 13, als der Flughafenchef verschwindet und der politische Wind sich dreht. Privates Unternehmertum und Kapitalismus wird nur in Zeiten geduldet, in denen es China schlecht geht. In guten Zeiten wird der Einfluss der Partei ausgebaut, Sicherheitsgesetze werden erlassen und erfolgreichen privaten Unternehmen werden Fusionen mit Staatsbetrieben aufgezwungen.

Der Autor lebt heute in England. Mit diesem mutigen Buch klärt er den Westen über die Verhältnisse in China auf, bringt aber auch Menschen aus seinem bisherigen Umfeld in Gefahr. Der kommunistischen Partei geht es primär nicht um die Belange des Kollektivs, sondern um individuellen Eigennutz im Interesse der Söhne und Töchter der Parteielite. Angst hat China nur vor der Demokratiebewegung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.02.2022
Lyrics Deutsche Ausgabe
McCartney, Paul

Lyrics Deutsche Ausgabe


ausgezeichnet

Paul McCartney hat kein Tagebuch geführt. Es gibt keine Autobiografie von ihm. Sein Leben spiegelt sich nach seiner eigenen Einschätzung in seinen Songs wider. Seinen ersten Song hat er bereits mit vierzehn Jahren geschrieben. Hunderte Songs folgten.

Die Idee zu diesem Buch, welches er zusammen mit Paul Muldoon geschrieben hat, entstand vor 5 Jahren. In vielen Gesprächen analysierten sie gemeinsam die Entstehung der Songs. Das führte bei Paul McCartney manches Mal zu Selbsterkenntnissen.

Im Vorwort spricht der Autor über seine Jugend, über seine ersten musikalischen Erfahrungen, über seine besondere Beziehung zu John Lennon und über den Einfluss seiner Eltern und seiner ersten Frau Linda Eastman auf seine musikalische Entwicklung.

Die Songtexte und ihre Geschichten geben einen persönlichen Einblick in McCartneys Leben und das Leben der Beatles. McCartney war ein großer Fan von Buddy Holly. Kreativität bewiesen die Beatles u.a. mit dem Album "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band".

In den Songs werden Beziehungen zu Frauen (And I Love Her), Spannungen mit Bandkollegen (Too Many People), Erinnerungen an vertraute Orte in London (Penny Lane) und Anspielungen auf goldene (Hollywood-)Zeiten (Honey Pie), verarbeitet.

McCartney äußert sich zur Bedeutung des 1968 veröffentlichten Songs "Hey Jude". "Ich weiß gar nicht so genau, ob ihm [John Lennon] damals klar war, dass der Song eigentlich für seinen Sohn Julian gedacht war." (283)

Er räumt mit Gerüchten auf. "Stones, Beatles – wir waren schon ewig befreundet, aber die Fans haben dann doch geglaubt, dass an der Rivalität was dran ist. Dabei war das nie so." (333) Sie haben sich ausgetauscht und bei manchen Songs zusammengearbeitet.

Es ist keine typische Biografie, in der chronologisch der Lebensweg erzählt wird, es ist eine Zusammenstellung von Episoden, unterlegt mit original Texten, persönlichen Fotos und Zeichnungen, die in direktem Zusammenhang mit einzelnen Songs stehen.

"Lyrics" ist ein grandiosen Werk eines einflussreichen Musikers, aus dessen Feder "Yesterday", der meistgespielte Popsong aller Zeiten, stammt. Die Leser lernen Paul McCartney, der zeitlebens eine positive Einstellung zum Leben behalten hat, durch seine Songs kennen.

Bewertung vom 06.02.2022
Aufstand in Amerika
Marche, Stephen

Aufstand in Amerika


sehr gut

Die USA sind gespalten, nicht erst seit Donald Trump, sondern seit Jahrzehnten. Demokraten und Republikaner sind nicht nur politische Gegner, sondern sie verhalten sich wie verfeindete Stämme, die ihre Gegner und alle die dazu gehören, hassen.

Stephen Marche ist ein kanadischer Journalist, der in den USA lebt. Er beschäftigt sich mit der Geschichte der Vereinigten Staaten und glaubt, dass die USA sich auf einen Bürgerkrieg zubewegen. Die Vorbereitungen seien schon im Gange.

Der Autor beschreibt fünf Zukunftsszenarien, die er aufgrund seiner Recherchen für möglich hält. Es handelt sich um Spekulationen, die unwahrscheinlich wirken, bei näherer Betrachtung aber nicht unmöglich sind. Die Auswirkungen wären fatal.

Insbesondere in der Aera Trump ist durch viele Aktionen deutlich geworden, wie verblendet viele Menschen in den USA sind. Der bislang nicht hinreichend aufgearbeitete Sturm auf das Kapitol war bislang der Höhepunkt dieser destruktiven Entwicklung.

Dem Pessimismus in diesem Buch setzt der Autor die Hoffnung entgegen, dass die USA ein gerechtes Wahlrecht implementieren, die Polizei reformieren, die Steuergesetze zu Gunsten der Armen ändern, die Gewalt im Land reduzieren und sich für den Klimaschutz einsetzen.

Die derzeitige Entwicklung hat Auswirkungen auf Europa. Marche beschreibt in einem separaten Kapitel, wie insbesondere die neue Rolle Deutschlands im Hinblick auf die fehlende Verlässlichkeit der USA aussehen sollte. Es geht um mehr Verantwortung.

Die USA sind ein zerrissenes Land; sie befinden sich in einer Dauerkrise. Die Probleme sind ernst. Ob jedoch ein Bürgerkrieg in der ältesten Demokratie droht, bleibt auch nach dem Lesen dieses Buches spekulativ. Zu wünschen ist es der freien Welt nicht.