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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 750 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2022
Freiheitsgeld
Eschbach, Andreas

Freiheitsgeld


ausgezeichnet

Der Roman spielt im Jahre 2064 in Ruhrstadt (Ruhrgebiet). Die Ballungsräume, eingeteilt in abgeschottete Zonen unterschiedlichen Lebensstandards, sind verdichtet, Dörfer im ländlichen Raum sterben aus und der Außenbereich besteht aus riesigen Naturschutzgebieten, die für Besucher gesperrt sind.

Wovon leben Menschen, wenn Roboter die meisten Aufgaben erledigen und nicht mehr für alle Menschen Arbeit da ist? Um ein menschenwürdiges Leben für alle zu ermöglichen, führte der damalige EU-Präsident Robert Havelock vor 30 Jahren ein bedingungsloses Grundeinkommen, das sog. Freiheitsgeld, ein.

Aktuell denkt Havelock neu über das Thema nach und hinterfragt Dinge, die ihm damals nicht aufgefallen sind. Er bereitet eine Rede für die Jubiläumsveranstaltung vor, in der er Ergebnisse seiner Recherchen und Überlegungen vorstellen will. Innerhalb kurzer Zeit sterben Havelock und auch sein ehemaliger Widersacher Günter Leventheim.

Zu Beginn wird Steuerfahnder Ahmad Müller bei einer Routinekontrolle schwer verletzt. Der Täter kann fliehen. Müller, der sich für die Arbeit der Kripo interessiert, wechselt in die Abteilung des bekannten Kriminologen Ulf Pfennig. Querverbindungen zwischen dem Angriff auf ihn und den Todesfällen Havelock und Leventheim kristallisieren sich heraus.

Es geht in diesem Zukunftsroman nicht nur um das Freiheitsgeld, sondern auch um die totale Überwachung. Während die Überwachung einfach als Ausfluss der fortschreitenden Digitalisierung als gegeben hingenommen wird, wird das Freiheitsgeld von einigen wenigen Protagonisten kritisch hinterfragt.

Das bedingungslose Bürgergeld ist in der realen Welt ein aktuelles Thema. Eschbach versteht es, auf Basis dieses Themas, einen utopischen Kriminalroman zu entwickeln, in dem neben der Mordaufklärung die Notwendigkeit und Finanzierung sowie die gesellschaftlichen Auswirkungen des Freiheitsgeldes im Fokus stehen.

Die Hintergründe, die am Schluss beleuchtet werden, gehen viel tiefer als die Bürger im Jahre 2064 und auch die Leser des Romans ahnen. Hier wird die wahre Motivaton für die Einführung des Freiheitsgeldes deutlich und letztlich auch, welche Auswirkungen die totale Digitalisierung hat. „Freiheitsgeld“ ist ein weiteres Meisterwerk von Andreas Eschbach.

Bewertung vom 02.10.2022
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

„Als [Doktorandin] Amy sich der Flirtereien [auf dem Veteranentreffen] erwehren kann, tritt sie nach vorne und fragt, wer von den Anwesenden etwas zu dem Widerspruch sagen könne, dass die US-Armee Westeuropa vom Nazi-Rassenwahn befreite, während es innerhalb der Army zugleich Rassentrennung gab.“ (455)

Susanne Abel behandelt in ihrem Roman ein wichtiges Thema der Nachkriegsgeschichte, welches bislang nicht hinreichend gewürdigt wurde: Den Rassismus in Deutschland und in den USA gegenüber Afroamerikanern und wie er sich auf Beziehungen mit deutschen Frauen und deren Nachwuchs ausgewirkt hat.

Es ist die Geschichte von Greta Monderath und dem GI Robert Cooper, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg kennen lernen. Der Titel „Eine unmögliche Liebe“ bringt deren Situation auf den Punkt. Parallel dazu erzählt die Autorin die gegenwärtige Geschichte von Gretas Sohn Tom, einem erfolgreichen Fernsehmoderator und seiner Kollegin Jenny.

Die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe der Geschichte einschließlich des Umgangs mit den „Brown Babys“ sind real, die Protagonisten und ihre persönlichen Geschichten sind erfunden. Es ist kaum zu glauben, mit welcher Kälte und Ignoranz die Betroffenen damals behandelt wurden.

Der Autorin gelingt eine einfühlsame Geschichte die zugleich tiefsinnig und höchst gesellschaftskritisch ist. Unversöhnliche Ansichten zwischen Kriegsheimkehrern, Besatzern, Verwaltungen und denen, die zwischen allen Stühlen sitzen, prallen hier aufeinander. Die Szenerie wirkt glaubhaft und real.

Auch wenn es sich „nur“ um einen Roman handelt, wird hier Zeitgeschichte aufgearbeitet. Die Autorin beleuchtet unterschiedliche Perspektiven auf Ereignisse und konfrontiert die Leser mit Widersprüchen bzw. Blindheit hinsichtlich des Rassismus, den man 1945 überwunden glaubte. Der Roman ist sehr zu empfehlen.

Bewertung vom 23.09.2022
Die sieben Weltwunder
Bauer, Egon

Die sieben Weltwunder


sehr gut

Es handelt sich um einen illustrierten Bildband über die sieben Weltwunder der Antike. Egon Bauer erläutert auf den ersten Seiten den historischen Hintergrund über die Entstehung der sieben Weltwunder mit ausführlicher Darstellung der Bedeutung der Zahl „sieben“ in den Mythen der Antike. Der Ursprung, so wird vermutet, geht auf Platon und einen Gelehrtenkreis zurück. Andere Autoren gehen zeitlich weiter zurück und benennen den Geschichtsschreiber Herodot als ursprüngliche Quelle.

Auffallend ist die räumliche Nähe dieser Sehenswürdigkeiten im östlichen Mittelmeerraum. Markante Bauwerke in Südamerika, China, Indien oder Japan waren im Nahen Osten nicht bekannt. Von den sieben Bauwerken existieren heute nur noch die Pyramiden von Gise. Von den Weltwundern gibt es nur wenige antike Darstellungen, z.B. auf Münzen. Einige Künstler haben Darstellungen nach vorhandenen Informationen, Resten der Bauwerke und nach ihren Vorstellungen kreiert.

Die Erläuterungen zu den Pyramiden sind sehr umfangreich. Bauer erläutert die vermessungstechnischen Genauigkeiten und die Theorien über die Erstellung der Bauwerke. Die Informationen zu den anderen Weltwundern sind dürftiger, da sie nicht mehr existieren. Es handelt sich um einen Bildband, in dem Laien umfangreiche Informationen zu den Weltwundern erhalten. Wer es genauer wissen will, kann auf die Quellen im Literaturverzeichnis zurückgreifen, die sich auf den letzten Seiten befinden.

Bewertung vom 22.09.2022
Thomas Mann 'Tonio Kröger'
Thunich, Martin

Thomas Mann 'Tonio Kröger'


sehr gut

„Aber was ist der Künstler?“ (34) Das ist Thema des Buches. Ist der Künstler ein Außenseiter, ein Mensch auf der Suche nach Identität oder, auf Tonio Kröger bezogen, ein verirrter Bürger? Er ist so anders als der im Leben stehende, weltlich orientierte, gutaussehende Hans Hansen.

Thomas Mann beschreibt in dieser Novelle Facetten aus dem Leben des Literaten Tonio Kröger, der sich bereits als Jugendlicher für Verse interessiert, irgendwie anders ist als seine Freunde, seine Identität verheimlicht und als Symbol für den sensiblen Künstler gesehen werden kann.

Die beschriebenen Szenen, durch die sich künstlerisch begabte Menschen angesprochen fühlen können, wirken wie ein Blick in die Biographie des Autors Thomas Mann. Hundertzwanzig Jahre nach Veröffentlichung sind manche Handlungen veraltet, jedoch ist die Bedeutung der Novelle für das Künstlertum zeitlos.

Bewertung vom 20.09.2022
Verblüffend - Phantastisch - Unglaublich
Autorenkollektiv

Verblüffend - Phantastisch - Unglaublich


weniger gut

Das Buch gliedert sich in 5 Teile und 16 Kapitel. Verschiedene Autoren haben dabei mitgewirkt. Vorgestellt werden verblüffende Phänomene in der Natur, phantastische menschliche Leistungen, wissenschaftliche Besonderheiten, seltsame kulturelle Bräuche sowie ungeklärte Ereignisse. Abgerundet werden die Ausführungen durch einen Blick ins Universum sowie einen Ausblick in die Zukunft.

Das Buch stammt aus dem Jahr 1990 und ist damit hinsichtlich einiger Themen veraltet. In den Naturwissenschaften sind 30 Jahre eine lange Zeit. So ist Fermats letztes Theorem (191) längst bewiesen und auch Gravitationswellen (393) wurden bereits empirisch nachgewiesen. Auch der Blick in die Zukunft ist hinsichtlich mancher Entwicklungen (Speicherkarten, Treibhauseffekt, computergesteuerte Autos) ein Blick in die Gegenwart.

Manche menschliche Leistungen erinnern an das Guinness Buch der Rekorde bzw. sind für dieses geeignet. Einen Überblick über Astronomie sowie einen Ausblick auf die Zukunft findet man kompetenter bei z.B. Stephen Hawking. Wenngleich viele Artikel lesenswert sind, bewirkt der Faktor Zeit, dass der Leser nicht weiß, welche Entwicklungen es zwischenzeitlich gab bzw. welche damals rätselhaften Fragen heute gelöst sind.

Bewertung vom 18.09.2022
Wege des exakten Denkens
Popp, Walter

Wege des exakten Denkens


sehr gut

Das Buch gibt einen Überblick über 5000 Jahre Mathematikgeschichte. Walter Popp erläutert die Anfänge der Mathematik in Ägypten, Babylon, Griechenland, Indien und Arabien. Er stellt große Mathematiker vor wie Euklid, Descartes, Leibniz, Gauß und Cantor, um nur Beispiele zu nennen, sowie einzelne ihrer Werke.

Nach einem allgemeinen historischen Überblick stellt Autor Popp thematisch die Bereiche Arithmetik, Algebra, Geometrie und Infinitesimalrechnung in ihrem geschichtlichen Kontext vor. Die Ausführungen gehen über eine typische populärwissenschaftliche Betrachtung hinaus, da der Autor einige Beweise in seine Ausführungen einstreut.

Interessant sind Popps Ausführungen zu den Vorläufern der Infinitesimalrechnung, also Demokrits Berechnung krummliniger Flächen, Keplers Betrachtungen zu Rotationskörpern und Fermats Maxima- und Minima-Berechnungen. Den Streit zur Urheberschaft zwischen Leibniz und Newton thematisiert der Autor nicht.

Aufgrund der zahlreichen Formelentwicklungen eignet sich das Buch eher für an Mathematik interessierte Leser als an Geschichte der Mathematik interessierter Leser. Die Ausführungen sind weitgehend verständlich. Zahlreiche Skizzen und Zeittafeln ergänzen den Inhalt. Das Register ist kurzgehalten.

Bewertung vom 15.09.2022
Der alte Mann und das Meer
Hemingway, Ernest

Der alte Mann und das Meer


sehr gut

Der auf Kuba entstandene und später verfilmte Kurzroman wurde 1952 veröffentlicht. Er handelt von dem alten Fischer Santiago und seinem Kampf mit einem großen Marlin (Schwertfisch). Protagonisten sind Santiago und sein Freund, der Junge Manolin, der ihn manchmal auf seinen Touren begleitet und ihn mit Essen versorgt.

Nach einer langen Flaute hat Santiago Erfolg. Ein Schwertfisch beißt an. Der Fischer ist bis an seine Grenzen gefordert. Es entwickelt sich ein lang andauernder Kampf mit dem Fisch, sinnbildlich ein Existenzkampf mit den Urgewalten der Natur. Der Kampf und Santiagos Zwiesprachen mit dem Fisch werden detailliert beschrieben.

In den Roman wird viel hinein interpretiert. Neben religiösen Anspielungen (Hiob, Versuchung Christi, Begrenztheit des Menschen) gibt es Vergleiche mit Melvilles Kapitän Ahab und Moby-Dick sowie autobiografische Anspielungen. Die reale Figur DiMaggio steht wohl für die Leidensfähigkeit und Kampfgeist.

Es ist ein Zeichen von großer Literatur, wenn verschiedene Interpretationen möglich sind, die weit über die Handlungsebene hinausgehen. So entwickelte sich das leicht verständliche Buch zu einem Bestseller, der viele Kreise anspricht. Fazit: Man darf nie aufgeben, auch wenn der Kampf sinnlos erscheint.

Bewertung vom 08.09.2022
Unterm Birnbaum
Fontane, Theodor

Unterm Birnbaum


sehr gut

Behandelt wird ein fiktiver historischer Kriminalfall, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in dem Dorf Tschechin im Oderbruch in Brandenburg spielt. Die Novelle entstand 1886. Fontane legt den Fokus auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Menschen. Er thematisiert insbesondere Schuld und Sühne.

Protagonisten sind Ursel und Abel Hradscheck. Sie betreiben eine Gastwirtschaft. Die Eitelkeit und Geltungssucht von Ursel und die finanziellen Nöte von Abel, der gerne großspurig auftritt, führen zum eiskalten Mord ihres Gläubigers Szulski, der Schulden eintreiben will. Abels Plan ist perfekt und wird skrupellos umgesetzt.

Gibt es ein perfektes Verbrechen? So wie Dostojewskis Raskolnikow in „Schuld und Sühne“ von seinem Gewissen geplagt wird, erleidet auch Ursel Gewissensqualen. Der sonst so rational denkende Abel lässt sich von Nachbarin Jeschkes Gespenstergeschichten verunsichern.

In Fontanes moralischem Weltbild bekommt jeder die Strafe, die er verdient hat. Das Wissen um die eigene Schuld führt zu innerer Unruhe und irrationalen Handlungen. In diesem Sinne ist es auch ein psychologisches Werk. Störend wirkt beim Lesen einzig der schwer verständliche Dialekt.

Bewertung vom 06.09.2022
Die ersten Menschen / Illustrierte Geschichte der Menschheit
Burenhult, Göran

Die ersten Menschen / Illustrierte Geschichte der Menschheit


sehr gut

„Die ersten Menschen“ ist der erste Band einer fünfbändigen Enzyklopädie über Archäologie und Anthropologie. Es handelt sich um ein populärwissenschaftliches Buch, in dem renommierte Wissenschaftler aus verschiedenen Kontinenten der Welt zu Wort kommen und über ihre aktuellen wissenschaftlichen Forschungen berichten. Die Ergebnisse paläoanthropologischer Forschung werden einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist ein Buch für interessierte Laien.

Im Fokus stehen die Ursprünge der Menschheit, soweit sie heute anhand von Funden rekonstruierbar sind. Dazu zählen auch Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren über die Erde bis nach Australien und hin zu pazifischen Inseln und der Arktis sowie die Anfänge der Kunst (z.B. Höhlenmalereien), der Sprache, der Grabbeigaben und allgemein kultureller Handlungen. Interessant ist, dass Sprachfamilien mit genetischen Populationen zusammenpassen. Eng verwandte Populationen besitzen eng verwandte Sprachen.

Das Buch ist thematisch strukturiert. Hilfreich sind die Erläuterungen zu den verschiedenen Datierungsmethoden, um das Alter der Fossilien zu bestimmen sowie diverse Zeitskalen, um den chronologischen Ablauf darzustellen. Zahlreiche Grafiken und Bilder tragen zum besseren Verständnis bei. In einem Glossar am Ende des Buches werden wichtige Begriffe erläutert. Es handelt sich insgesamt um ein verständliches lehrreiches Werk, welches empfehlenswert ist.

Bewertung vom 05.09.2022
Mein Weltbild
Einstein, Albert

Mein Weltbild


gut

Das Buch enthält Texte von Albert Einstein aus Interviews, Artikeln, Notizen, Reden und sonstigen Auftritten. Auf diese Weise erhalten die Leser einen Eindruck von Einsteins Denkweise.

Die Texte sind nach Themen strukturiert. Dazu zählen u.a. Politik und Pazifismus, Judentum, Wissenschaft und Glaube sowie Stellungnahmen zu herausragenden Persönlichkeiten.

Hilfreich wäre eine chronologische Abfolge gewesen, um Einsteins Entwicklung darzustellen. So ist anhand der Texte nicht immer erkennbar, wann und in welchem Zusammenhang Einstein was gesagt hat.

Der Anteil wissenschaftlicher Texte dominiert das Buch. Das dürfte für manche Leser besonders interessant sein, könnte andere Leser, die den Fokus auf Einsteins Weltbild gelegt haben, abschrecken.

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