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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 153 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2021
Weihnachten mit Christina
Bauer, Christina

Weihnachten mit Christina


ausgezeichnet

Alles, was man fürs Fest braucht – Weihnachten kann kommen!

„Weihnachten mit Christina“ von Christina Bauer ist ein unheimlich schön gestaltetes Backbuch mit dem gewissen Extra – denn zwischen den vielen leckeren Rezepten finden sich auch Dekotipps, Fotos und persönliche kleine Anekdoten. So kommt man direkt beim ersten Durchblättern so richtig in Weihnachtsstimmung.

Die liebevolle Gestaltung des Buchs mit hochwertigen, großformatigen Fotos zu jedem Rezept und Tipps und Grundlagen ganz zu Beginn machen es zu einem echten Lieblingsbackbuch. Die Rezepte nutzen hauptsächlich Grundzutaten, die man in jedem Supermarkt bekommt, und sind nicht besonders aufwändig. Wo es mal etwas komplizierter wird, etwa bei dem Hefe-Tannenbaum, illustrieren Bilder Schritt für Schritt, was zu tun ist. Die Auswahl ist hauptsächlich klassisches Weihnachtsgebäck, jedoch oft mit zauberhaften Ideen für eine besonders ansprechende Gestaltung.

„Weihnachten mit Christina“ ist aber noch so viel mehr als ein Backbuch: Hier gibt es auch tolle und einfach umzusetzende Ideen und Inspiration zum Binden eines Adventskranzes, Dekorieren mit Kartoffelstempeln und Basteln mit Salzteig. Genau wie die Rezepte sind auch diese Anleitungen einfach gehalten und kommen ohne spezielle Utensilien aus – fast alles ist entweder sowieso schon im Haushalt vorhanden oder mit einem Gang zum nächsten Supermarkt zu bekommen. Das macht das Buch zu einem wunderbaren Helfer durch die ohnehin schon stressige Weihnachtszeit.

Fazit: ein Backbuch, das auf jeder liebevoll gestalteten Seite Weihnachtsstimmung verbreitet und mit tollen Rezepten, Ideen und Inspiration daherkommt, die leicht und schnell umzusetzen sind. Damit kann man sich wirklich auf Weihnachten freuen!

Bewertung vom 14.10.2021
Probe 12
Lange, Kathrin;Thiele, Susanne

Probe 12


sehr gut

Spannender Wissenschaftsthriller mit origineller Prämisse

„Probe 12“ von Kathrin Lange und Susanne Thiele passt genau in unsere Zeit: ein Wissenschaftsthriller, der sich mit drohenden Pandemien und ihren Gegenmitteln beschäftigt. Hier geht es nicht nur spannend zu, hier lernt man auch noch etwas!

Die Corona-Pandemie ist vorbei, aber in der Welt der Wissenschaft ist man sich einig: Das wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein. Eine Bewegung namens „Pandemic Fighters“ kämpft für mehr Prävention und Forschungsgelder, während in Berlin ein Bioterrorist sein Unwesen treibt und anderswo an neuartigen Therapien mithilfe sogenannter Phagen geforscht wird. Diese Forschung ist jedoch äußerst attraktiv und droht in die falschen Hände zu geraten. Das möchten die Wissenschaftsjournalistin Nina und der Foodblogger Tom, der eine todkranke Tochter hat, unbedingt verhindern und verstricken sich so in ein Wirrwarr aus unterschiedlichen Interessen, die es jedoch im Kern alle auf eins abgesehen haben: die neuartige Phagentherapie von Ninas ehemaligem Mentor.

„Probe 12“ ist ein Roman mit ausgesprochen vielen Handlungssträngen, die das Chaos der modernen Welt hervorragend illustrieren. Das birgt jedoch auch einige Fallstricke, denn ab und zu geht es auch im Roman etwas chaotisch zu. Stets im Vordergrund steht jedoch der Gegenstand, nämlich die Phagentherapie. Was das ist, das erklären die Autorinnen im Buch recht ausführlich und leisten damit auch noch einen Beitrag zur Allgemeinbildung. Neben diesen Ausführungen geht es jedoch meist ziemlich rasant zu: mehrere Morde, mögliche Anschläge und Drohungen sorgen für ein dauerhaft hohes Spannungsniveau.

Ein insgesamt ausgesprochen spannender und zugleich lehrreicher Thriller, der manchmal ein paar zu viele Schauplätze aufmacht. Jedoch eine lohnenswerte Lektüre, vor allem wenn man sich für Neuerungen in den Naturwissenschaften interessiert.

Bewertung vom 14.10.2021
Böse
Wagner, Jonas

Böse


sehr gut

Gruselig, spannend, schockierend – ein Thriller, wie er im Buche steht

Schon der erste Blick auf das Cover von „Böse“, dem Debütroman von Jonas Wagner, verrät, dass es hier ans Eingemachte geht: ein düsteres Verlies, ein scheußliches Verbrechen und eine Mutter, die verzweifelt nach ihrer Tochter sucht. Die besten Zutaten für einen spannenden Thriller!

Als Katharina mit ihrer 17-jährigen Tochter Fenja in den kleinen Ort Hussfeld im Erzgebirge zieht, sucht sie eigentlich nach Ruhe, Frieden und Beschaulichkeit. Die Einwohner des Dorfes empfangen die beiden weltoffenen jungen Frauen jedoch alles andere als mit offenen Armen, und eines Tages verschwindet Fenja plötzlich spurlos. Mit aller Macht stürzt sich Katharina in die Suche nach ihrer Tochter und stößt dabei auf einige Geheimnisse … Geheimnisse, die die Einwohner mit aller Macht im Verborgenen halten wollen, sodass Katharina bei ihrer Suche Stein um Stein in den Weg gelegt wird.

„Böse“ wartet mit allem auf, was das Thriller-Genre so zu bieten hat: ein grausames Verbrechen, ein wahnsinniger Psychopath und eine abweisende kleine Gemeinde, die jeden Eindringling schnell in seine Schranken weist. Viele wechselnde Perspektiven geben einen schonungslosen Einblick in das Grauen, das Fenja und Katharina widerfährt, und so baut der Roman auf jeder Seite ein klein wenig mehr Spannung auf.

Dass alle Register des Genres gezogen werden, führt allerdings auch zu einer gewissen Vorhersehbarkeit der Handlung, und hier muss man bei „Böse“ ein paar Abstriche machen. Weder das Setting noch die Handlung selbst ist besonders originell, und gewisse Plotpunkte fügen sich recht vorhersehbar in den Ablauf ein. Hier und da hätte es der Geschichte gutgetan, ein wenig von den üblichen Bahnen abzuweichen, und vor allem den ein oder anderen Aspekt genauer zu erklären.

Insgesamt aber ein sehr solider Genre-Vertreter, dessen Titel definitiv hält, was er verspricht.

Bewertung vom 14.10.2021
Bonuskind
Noort, Saskia

Bonuskind


sehr gut

Ein Thriller mit einer berührenden jungen Hauptfigur

„Bonuskind“ von Saskia Noort ist ein Thriller, der mal aus einer etwas anderen Perspektive erzählt wird: ein fünfzehnjähriges Mädchen versucht, eine Erklärung für das plötzliche Verschwinden ihrer Mutter zu finden, und stößt dabei auf einige Geheimnisse …

Lies’ Eltern sind geschieden, und während ihr Vater sich schon in einer neuen Beziehung eingenistet hat, leidet ihre Mutter Jet noch immer unter der Trennung. Als sie eines Tages spurlos verschwindet, sind alle überzeugt, es habe mit ihrer instabilen Psyche zu tun – alle außer Lies. Auf der Suche nach Antworten stößt sie auf das Tagebuch ihrer Mutter, und damit auf eine geheim gehaltene Beziehung zu dem mysteriösen God. Immer deutlicher tritt hervor, dass diese Beziehung alles andere als harmlos, sondern im Gegenteil: äußerst toxisch war.

Die große Stärke des Romans ist die ungewohnte Perspektive durch die Augen einer jungen Frau, die ihre Mutter erst nach ihrem Verschwinden als Mensch näher kennenlernt. All ihre Träume, Ängste und geheimen Sehnsüchte blieben Lies als Tochter verborgen, jetzt muss sie sich mit einer völlig anderen Person auseinandersetzen, die sich ihr durch ihr Tagebuch offenbart. Eine interessante Konstellation und eine komplexe Perspektive, denn Lies kämpft neben der schwierigen Situation auch mit den üblichen Teenager-Problemen: der ersten Liebe, der Ablehnung der neuen Beziehung ihres Vaters, der Sorge um ihr Ansehen …

Weniger komplex ist hingegen die Schlüsselfigur God gezeichnet. Es will dem Text nicht so recht gelingen, die Faszination greifbar zu machen, die God auf andere Menschen ausübt. Er wirkt im Gegenteil von Anfang an unsympathisch, wenig attraktiv, was seine Rolle in der Geschichte unglaubwürdig wirken lässt. Hier mangelt es leider an Nuancen und Zwischentönen.

Alles in allem ist „Bonuskind“ jedoch ein stets spannender Thriller mit einer interessanten Prämisse und einer ungewöhnlichen Hauptfigur, deren Perspektive das Buch durchaus zu etwas Besonderem macht.

Bewertung vom 13.10.2021
Diese Frauen
Pochoda, Ivy

Diese Frauen


ausgezeichnet

Ein starkes, schmerzhaftes, berührendes Buch voll harter Poesie

Mit „Diese Frauen“ wandelt Ivy Pochoda auf dem schmalen Grat zwischen den Genregrenzen – was ihr meisterhaft gelingt. Der Roman bewegt sich irgendwo zwischen Gesellschaftsdrama, Biographie und Thriller und lässt dabei die zu Wort kommen, denen die Stimme oft genommen wird: „diese Frauen“.

Gemeint sind junge Prostituierte und andere Grenzgängerinnen auf den rauen Straßen von L. A., die nach und nach ermordet werden, über Jahre hinweg, ohne dass eine Aufklärung in Sicht wäre. Zu Wort kommen ihre Mütter, ihre Freundinnen, ihre Töchter, all jene, für deren Schmerz sich niemand zu interessieren scheint. Denn dafür sind „diese Frauen“ einfach nicht wichtig genug. Eine ganze Reihe unterschiedlicher Erzählstimmen wickelt nach und nach die Geschichte einer grausamen Verbrechensserie auf, die von Medien und Polizei unter den Teppich gekehrt wurde. Ivy Pochonda gibt all „diesen Frauen“, die nie ernst genommen wurden, ihre Stimme zurück.

Es ist ein Buch der leisen Töne, nicht rasant oder aufmerksamkeitsheischend, aber klar und präzise in dem, was es will: Gerechtigkeit und Achtung für all die Marginalisierten. Im Vordergrund steht nicht das Voyeuristische des Verbrechens, sondern die Opfer. Mit feiner psychologischer Feder, aber einer stetig unterschwellig brodelnden Spannung erzählt die Autorin ihre Geschichten – und die Geschichten all derer, die jederzeit zu Opfern werden könnten. Es ist ein Buch, das kaum aus der Hand zu legen ist, wenn man sich einmal in den Sog dieser rauen, poetischen und hyperpräzisen Sprache begeben hat. Ein Buch, das spannend wie ein Kriminalroman, aber doch so viel mehr ist.

„Diese Frauen“ ist ein feministisches Meisterwerk, das Gesellschaftskritik und Drama kunstvoll mit einer bedrohlichen Grundstimmung und einer erschütternden Krimihandlung verwebt. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


ausgezeichnet

Atemberaubend, schockierend, tragisch – Psychogramm einer gescheiterten Beziehung

Selten habe ich ein Buch in der Hand, das mich inhaltlich so überzeugen kann und zugleich handwerklich exzellent gemacht ist – „Schweig!“ von Judith Merchant gelingt dieses Kunststück. An einem einzigen Weihnachtstag, bei einem Gespräch unter Schwestern, werden die Geheimnisse und Entsetzlichkeiten der Vergangenheit ans Licht gebracht.

Drei Figuren bieten ihre Perspektive an: Sue, die jüngere Schwester, die gerne allein und friedlich im Wald lebt und von ihrer Schwester als psychisch labil eingestuft wird. Esther, die „Kümmerin“, die beständig über ihre Schwester und die Familie wacht, und Martin, Esthers treusorgender Ehemann. Sie alle sind nicht, was sie scheinen. Sie alle haben Geheimnisse, aber vor allem haben sie alle ein Selbstbild, was nicht ihrer Außenwirkung entspricht. Als Lesende werden wir ständig von den Figuren, die von sich selbst berichten, an der Nase herumgeführt. Erst nach und nach, mit immer neuen Enthüllungen der jeweils anderen, entstehen authentische Porträts dieser Menschen. Unerwartete Porträts!

„Schweig!“ ist ein sich langsam, aber unaufhörlich weiterentwickelndes und in der Spannung steigerndes Kammerspiel, das völlig ohne Schnickschnack auskommt: Erinnerungen, Dialoge, innere Monologe, das ist das Handwerkszeug, das Judith Merchant einsetzt, um die komplexen Beziehungen zwischen diesen drei Personen zu beleuchten, wobei das Verhältnis der beiden Schwestern zentral ist. Nicht nur repräsentieren sie ganz unterschiedliche Lebensentwürfe, sie repräsentieren auch eine Welt, in der es weder Schwarz noch Weiß, sondern nur Grautöne gibt.

„Schweig!“ ist ein unfassbar spannendes, schockierendes und intensives Leseerlebnis voller unerwarteter Wendungen, das noch lange, nachdem man das Buch aus der Hand gelegt hat, nachhallt. Mit erstaunlicher Präzision und nahezu unheimlichem Geschick schafft Judith Merchant es, uns in eine toxische Beziehung hineinzuziehen, in der nichts so ist, wie es scheint, und die uns zwingt, unsere eigene Wahrnehmung ständig zu hinterfragen. Ein absolut ungewöhnlicher und ausgesprochen lesenswerter Roman!

Bewertung vom 29.09.2021
Das Archiv der Gefühle
Stamm, Peter

Das Archiv der Gefühle


sehr gut

Ein Buch über Einsamkeit, Liebe und Lebensentscheidungen – gewohnt poetisch

„Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman, wie man ihn von Peter Stamm gewohnt ist: poetisch, lebensklug, mit einem intensiven und unverstellten Blick auf menschliche Emotionen.

Der Protagonist des Romans ist ein einsamer Mann: Als Dokumentar bei einer Zeitung ist er obsolet geworden, hat seine Stelle verloren und führt das Archiv nun privat weiter. So ordnet er die Welt, sein Leben, seine Gedanken – und seine Erinnerungen. Zum Beispiel an Franziska, seine Jugendliebe, die ihn ein Leben lang nicht losgelassen hat, auch als der Kontakt längst abgebrochen war. Nur lassen sich Gefühle nicht so einfach archivieren, und so muss er sich seinen Erinnerungen stellen und landet dabei unvermeidlich immer wieder vor der Frage: Was wäre, wenn …?

Immer wieder werden Möglichkeiten durchgespielt, fiktive Dialoge geführt, darüber nachgedacht, was er hätte anders machen können. Wäre er glücklich geworden? In „Das Archiv der Gefühle“ geht es ständig um Möglichkeiten, um verpasste Gelegenheiten, um Reue. All das schildert Peter Stamm ruhig und unaufgeregt, in gewohnt poetischer Sprache. Dabei übertrifft er sich allerdings keineswegs selbst. Es ist ein solider, intelligenter und nachdenklicher Roman, der jedoch nicht lange im Gedächtnis haften bleiben wird. Zu banal ist die Existenz seines Protagonisten bisweilen, zu vertraut die Geschichte von der großen Liebe (die jedoch einige durchaus ungewöhnliche Nuancen beinhaltet).

„Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman von gewohnt hoher Qualität, der die ganz großen Fragen des Lebens anreißt. Ein intelligenter, lesenswerter und sprachlich ansprechender Roman, jedoch nicht Stamms überzeugendstes Werk.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.09.2021
Giftrausch / Colossa Bd.2
Esch, Hendrik

Giftrausch / Colossa Bd.2


sehr gut

Ein chaotischer Protagonist, ein kurioses Verbrechen – und jede Menge schräger Humor

„Giftrausch“ ist bereits Hendrik Eschs zweiter Roman um den Neustädter Rechtsanwalt Paul Colossa – und grandioser Lesespaß für alle, die Kriminalromane mit bissigem Humor schätzen.

Paul Colossa wird engagiert, um einen Bericht über ein Elite-Internat zu verfassen, in dem angeblich Schüler unter Drogen gesetzt werden. Schnelles Geld, denkt sich der pragmatische und teils skrupellose Paul zunächst, und übersieht dabei, dass er ein wichtiger Bestandteil einer größeren Vertuschungsaktion werden soll. Die Presse übersieht das leider nicht, und insbesondere ein Blogger samt Followerschaft schießt sich auf Paul ein, der so vom Regen in die Traufe kommt und irgendwo zwischen Illegalität, Vertragsbuch gegenüber seinem Klienten und Existenzzerstörung durch Online-Trolle hängt. Sein nur mäßig ausgeprägtes Gewissen ist irgendwo auch noch im Spiel.

Paul Colossa ist ein hinreißend unsympathischer Protagonist, der so manchem Rechtsanwalts-Klischee alle Ehre macht, sich jedoch durch das gezielte Aufsuchen von Fettnäpfchen und gefährlichen Situationen irgendwie auch ins Herz seiner Leser*innen zu manövrieren weiß. Seine Liebe zu seinem ebenso problematischen Vorgänger Oscar, dessen Kanzlei er nach seinem Tod übernommen hat, ist bisweilen sogar rührend.

„Giftrausch“ krankt einzig und allein ein wenig an der eigenen Gesprächigkeit. Die Geschichte wird auf über 600 Seiten ausgebreitet, wobei sich der eigentliche Fall kaum weiterentwickelt – ein Großteil dieser substanziellen Seitenanzahl geht für witzige Episoden (gerne auch mal Slapstick!), innere Monologe voller Selbstzweifel und clevere Formulierungen drauf. Diese sind zugleich auch das Herzstück und das Besondere an diesem Kriminalroman, sie nehmen aber bisweilen ein wenig Überhand, was den Lesefluss etwas zäher gestaltet, als das bei anderen Genrevertretern üblicherweise der Fall ist.

Abgesehen von dieser leichten Schwäche ist „Giftrausch“ jedoch ein tolles Lesevergnügen, das immer wieder zum Schmunzeln oder auch zum herzhafte Lachen einlädt.

Bewertung vom 29.09.2021
Das Jahr, in dem wir verschwanden
Jones, Tayari;Somann-Jung, Britt

Das Jahr, in dem wir verschwanden


sehr gut

Ein Buch, das Kindern eine Stimme gibt

„Das Jahr, in dem wir verschwanden“ von Tayari Jones beschäftigt sich mit einem realen Verbrechen, den Kindermorden in Atlanta um das Jahr 1980 herum. Aber im Vordergrund steht keine Mördersuche, kein Kommissar, keine Ermittlungen – sondern die betroffene Gruppe, die schwarzen Kinder von Atlanta.

Einfühlsam und aus wechselnden Perspektiven lässt Tayari Jones drei Kinder zu Wort komme, die Freunde und Klassenkameraden verlieren, die nicht ganz verstehen, was um sie herum geschieht, aber eines ganz genau wissen: dass sie in Gefahr sind. Ein Gefühl von Panik überträgt sich von den angespannten Eltern auf diese Kinder, die nicht nur mit dieser Bedrohung von außen zu kämpfen haben. Vorurteile, familiäre Probleme, aber auch ganz banale Sorgen eines Schulkindes spielen für sie eine ebenso große Rolle wie der weniger greifbare, aber stets präsente namenlose Kindermörder.

„Das Jahr, in dem wir verschwanden“ ist ein Drama der leisen Töne und nicht nur das Porträt dreier Kinder, sondern auch das Bild einer Gesellschaft. Das erlaubt es mir als Leserin, den Figuren ganz nah zu kommen, ihre Lebensrealität intensiv zu verstehen, der Roman büßt dadurch aber auch deutlich an Tempo ein. Einen handlungsorientierten Thriller hat man sich natürlich nicht erwartet, aber die Erzählung stagniert insgesamt so stark, bietet keine Lösungen und kaum Entwicklungen an, dass sie fast ein wenig belanglos bleibt. Um die Authentizität zu wahren, wurde dieser ungeklärte Fall nicht im Fiktiven aufgelöst (sicher eine kluge Entscheidung), aber auch für die Geschichten der drei ProtagonistInnen gibt es keinen so rechten Abschluss.

Für diesen Aspekt entschädigt jedoch die großartig inszenierte Atmosphäre, der psychologische Tiefgang und die meisterhaft gelungene Perspektive aus Kinderaugen auf ganz große gesellschaftliche Fragen, wobei das Individuelle nie in den Hintergrund rückt. Ein lesenswerter Roman!