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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1971 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2024
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


ausgezeichnet

Juno und Jupiter

Martina Hefter habe ich schon vor Jahren mal live bei einer Bewegungs-Gedicht-Performance gesehen. Auch die Protagonistin dieses Buches, Juno, ist Perfomance-Künstlerin, mittleren Alters. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann Jupiter, der krank ist und im Rollstuhl sitzt. Vermutlich ist es multiple Sklerose. Ihren Alltag im Schatten dieser Krankheit wird nachvollziehbar gezeigt.
Juno leidet an Schlaflosigkeit. Um sich die Zeit zu vertreiben, chattet sie im Internet mit sogenannten Love-Scammern. Das sind Leute, die Kontakte zu Frauen suchen, um sie um Geld zu betrügen.
Juno macht sich einen Spaß daraus, diese Typen auszutricksen. Doch dann gerät sie mit dem Love-Scammer Beno, der in Nigeria lebt, in eine Art Beziehung. Ihre Gespräche werden immer vertraulicher, aber wie Benos Absichten sind, bleibt dem Leser immer fraglich.

Martina Hefter hat ihren Roman geschickt gemacht, er wirkt realistisch und echt. Junos Gedanken und Empfindungen kann man dicht folgen. Ich halte „Hey Guten Morgen, wie geht es Dir?“ für einen sehr guten Roman!

Bewertung vom 12.07.2024
Heim schwimmen
Levy, Deborah

Heim schwimmen


gut

Kitty Finch

Von Deborah Levy habe ich eine Reihe exzellenter Romane gelesen. Heim schwimmen ist überraschenderweise nicht mein Favorit, denn so ganz viel konnte ich mit dem Buch nicht anfangen.
Hauptproblem ist die Fokussierung auf die exzentrische Hauptfigur Kitty Finch, die für mich von Anfang bis Ende rätselhaft geblieben ist. Gleichzeitig rückt das die anderen Figuren in eher passive, beobachtende Rollen.
Dabei hatten Joe, Isabel, Nina oder Mitchell durchaus Potenzial.
Dennoch gibt es natürlich eine ganze Reihe bemerkenswerter Passagen, die wirklich gut geschrieben sind.

Bewertung vom 12.07.2024
Willkommen auf Tuga
Segal, Francesca

Willkommen auf Tuga


gut

Eine Tierärztin im Südatlantik

Woanders ist der Roman mal als gemütlich bezeichnet worden. Das ist wohl zutreffend.
Eine englische Tierärztin zieht auf Tuga de Oro, eine Insel im Südatlantik. Das wirkt so echt und exotisch wie eine Traumschiff-Folge.
Stilistisch wirkt der Roman altmodisch, aber nicht übel. Am Anfang wird Charlotte Walkers Jugend erzählt, ihre Charaktereigenschaften werden erläutert und doch wird sie für mich nicht wirklich eine glaubwürdige Protagonistin. Auf Tuga kann Charlotte sich relativ schnell in die Inselgemeinschaft einfügen, da sei als Tierärztin akzeptiert wird.
Ein wenig Romantik gibt es auch.
Aber ich hätte mir doch bessere Beschreibung der Natur der Insel und der Bewohnerschaft gewünscht.
Das ganze soll eine Trilogie werden. Also kann sich das Ganze vielleicht noch steigern.
Für mich war es nicht das richtige Buch, aber es gibt sicher eine Leserschaft, die den Roman wohlwollend aufnehmen wird.Schließlich liest sich der Roman so vorhersehbar wie flüssig, also für ein entspanntes Lesen geeignet.

Bewertung vom 06.07.2024
Fremder Champagner
Berscheid, Martina

Fremder Champagner


sehr gut

Geschichten des Alltags

Ein Band mit Kurzgeschichten. Die erste ist eine originelle Geschichte um die Phantasie einer Frau.
Auch die zweite Geschichte hat was. Es geht um zwei Familien im Urlaub. Wieder ist die Perspektive ganz bei einer Frau und ihrer Gefühlswelt.
Diese Art der Perspektive behält die Autorin bei, auch wenn die Geschichte „Passwort“ von einem Mann erzählt wird. Er und seine Freundin geraten in eine Krise, er beginnt ihren Laptop auszuspionieren und erfährt unerwartetes.
Unbedingt erwähnenswert auch “Die Besuche meiner Mutter“. Ein Höhepunkt ist dann noch die Geschichte Der Schmerz.
Es folgen viele ähnliche Stories. Das wird mit der Zeit gleichförmig, doch damit hält die Autorin auch ein gewisses Niveau, dass sie nie über- oder unterschreitet.
Martina Berscheid überzeugt mit Geschichten des Alltags, die ihre Erschütterungen haben.

Bewertung vom 29.06.2024
Wer findet das Opfer
Macdonald, Ross

Wer findet das Opfer


gut

Mit Wer findet das Opfer (find a Victim) kann man Ross MacDonald wiederentdecken oder vielleicht auch zum ersten Mal lesen.
Es ist der fünfte Teil der Reihe um den Privatdetektiv Lew Archer.
Archer ist ein Prototyp des toughen Ermittlers, der sich nie einschüchtern lässt und stets selbstbewusst auftritt. Außerdem fällt es ihm nicht schwer, immer einen ironisch-zynischen Spruch zu finden. Viele Dialoge sind davon geprägt.
Der Plot beginnt mit Tempo, das auch weiterhin einigermaßen gehalten wird. Es gibt vielleicht ein paar Kampfszenen zu viel.
Es ist ein relativ harter Krimi, für seine Zeit. Das Buch wurde 1954 geschrieben.
Man muss es entsprechend einordnen, gerade auch vom Frauenbild.
Der Krimifall selbst reicht nur knapp über Durchschnitt raus. Aber man muss es sicher nicht bereuen, diesen Roman zu lesen.

Bewertung vom 28.06.2024
In den Farben des Dunkels
Whitaker, Chris

In den Farben des Dunkels


ausgezeichnet

Die Suche nach Grace

In den Farben des Dunkels ist ein emotional berührender Roman.
Das liegt zum großen Teil in der Figurengestaltung und -entwicklung.
Die Hauptfiguren Patch und Saint werden beim Lesen für den Leser lebendig.
Die Handlung beginnt in den Siebzigern. Patch und Saint sind Kinder, und Außenseiter. Dann wird Patch verletzt und entführt, weil er ein Mädchen von den Entführer rettete.
In seiner Gefangenschaft befindet sich auch ein Mädchen, Grace, das ihm Trost gibt.
Patch lässt das Erlebnis auch nach seiner Befreiung nicht los. Von Saint hat er sich entfernt. Als er älter wird, sucht er nach Grace, mit allen Mitteln.
Saint leidet darunter. Chris Whitaker wird beiden Figuren gerecht. Und er kann auch Nebenfiguren gut gestalten, zum Beispiel Misty, das Mädchen das Patch damals gerettet hatte. Sie kommt auch nicht los davon.

Die Jahre vergehen. Patch gerät auf schiefe Wege und Saint wird Polizistin.

Als Leser weiß man auch nicht so recht. Gab es Grace wirklich, oder hat Patch sie sich in seiner Not eingebildet?
Ich denke, dass der Autor recht weit geht mit dem psychologischen Aspekt, der seine Figuren so sehr beeinflusst. Aber es ist glaubhaft. Ein so gewaltiges Ereignis, prägt die betroffenen.
Es passiert noch viel in dem Buch, das trotz seines Umfangs vielleicht etwas überfrachtet ist.
Das Buch hat eine Intensität, die man erst einmal aushalten muss, aber es ist ein Leseerlebnis!

Bewertung vom 27.06.2024
Dünne Wände
Fofana, Sidik

Dünne Wände


sehr gut

Dünne Wände ist episodenhaft aufgebaut und vermittelt durch die verschiedenen Anschnitte einen Gesamtblick auf das Leben in Harlem der heutigen Zeit.
Besonders den Abschnitt um Ms. Dallas, der in einer Schule handelt, finde ich stark. Der Autor ist selber Lehrer und weiß Bescheid, wie es im Unterricht ablaufen kann.
Die Episoden sind locker durch die Figuren miteinander verbunden.
An der deutschen Übersetzung habe ich leise Zweifel, wobei das auch schwere Aufgabe war. Die Umgangssprache wird schon getroffen, doch etwas geht in der Übersetzung verloren.
Was aber dennoch gut transportiert wird, sind die Gedanken, Hoffnungen, Zweifel und Sehnsüchte der jungen Protagonisten.
Die letzten Worte hat dann aber ein alter Mann, der Tag für Tag mit seinem Schachspiel an der Straße sitzt und das ist sehr originell.

Bewertung vom 26.06.2024
Die Zeit der Zikaden
Heger, Moritz

Die Zeit der Zikaden


sehr gut

Die Frau im Tinyhouse

Moritz Hegers letzter Roman war sehr gelungen und in seinem neuen Buch Die Zeit der Zikaden sind ähnliche Qualitäten zu finden, z.B. die Ruhe und innere Kraft des Textes, die auch durch die Protagonistin Alex transportiert werden.
Alex war Lehrerin und gerade in den Ruhestand gegangen.
Zweite wichtige Figur im Roman ist Johann. Er ist in einer Phase in seinem Leben, indem er Bilanz zieht. In der zweiten Hälfte des Romans treffen Alex und Johann sich und es gibt ausführliche und intensive Dialoge.

Moritz Hegers Stil besitzt Eleganz
Das spürt man besonders bei den beschreibenden Passagen.

Bewertung vom 26.06.2024
Maddalena geht
Weiß, Margit

Maddalena geht


ausgezeichnet

Maddalena Decassian

Ein Roman um eine Frau in Tirol um 1900; die selbstbewusst den Weg zu einem selbstständigen Leben sucht.
Maddalena ging mit 19 Jahren von zu Hause weg, nachdem ihr liebevoller Großvater starb, und der fiese Vater über sie bestimmen wollte. Sie wurde Hebamme. Damit nimmt sie als berufstätige eine Ausnahmerolle unter den Frauen ein.
Der Roman setzt aber viel später ein, als sie abermals weggeht um ihren Weg zu suchen. Dabei spielen die Erinnerungen ihre erste Flucht eine große Rolle.
Die Autorin Margit Weiß nutzt eine genaue, poetische Sprache, die sofort überzeugt und den Leser an den Text bindet.
Es ist ein realistischer Roman, historisch ohne Kitsch, dafür mit einer inneren Kraft.