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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 16.08.2024
Die Tote von Nikosia
Essing, Hannah

Die Tote von Nikosia


sehr gut

Die Sonneninsel Zypern ist Schauplatz dieses Krimis, der die komplexen bürokratischen Verhältnisse des seit 1974 geteiltem Landes sehr gut wiedergibt, als man in der UN-Pufferzone, also im Übergangsbereich zwischen dem von den Türken annektierten und dem zypriotischen Teil der Insel, die Leiche einer jungen Frau findet.

Die politischen Machtstrukturen spiegeln sich unter den Ermittlern wieder, die sich aus Mitgliedern der UN-Truppe, der türkischen und der zypriotischen Polizei zusammensetzt. Zusätzlich unterstützt Monika Marx, eine pensionierte Ermittlerin aus Deutschland, die zypriotische Polizei als Beraterin. Es entbrennt ein Machtkampf, bei dem kaum jemand gewinnen kann und jeder dem anderen einen Täter unterjubeln will. Es scheint, als ginge es gar nicht darum, den Mörder einer jungen Frau zu fassen, sondern die politischen Eitelkeiten zu befriedigen.

Das wird von Monika Marx durchkreuzt, die mit ihrer Art nicht nur einmal ordentlich aneckt, sondern auch für Schmunzeln und manchmal auch für Kopfschütteln sorgt.

Meine Meinung:

Hannha Essing hat hier einen interessanten Krimi geschrieben, der die Lebensumstände auf der von Touristen beliebten Insel beschreibt. Er zeigt, dass man sich zwar 50 Jahre nach der widerrechtlichen Annexion von Nordzypern durch die Türkei mit dem Status Quo pragmatisch arrangiert hat, aber die Spannungen durchaus vorhanden sind. Schlimmeres kann durch die UNO-Truppen meistens verhindert werden. Allein die nervige Tatsache, dass die Ermittler mehrmals täglich, wenn sich ausweisen müssen, wenn sie von einem Ende der Insel zum anderen fahren müssen. Monika Marx erledigt das im sogenannten kleinen Dienstweg.

Viel Augenmerk legt sie auf das Kompetenzgerangel zwischen den Ermittlern. Monika Marx kann als Beraterin einiges übergehen. Dass sie den jungen Journalisten Noah zu den Ermittlungen mitschleppt ist ein wenig unglaubwürdig. Doch auf Zypern scheinen solche Extratouren niemanden aufzuregen.

Die Charaktere haben alle ihre Ecken und Kanten. Besonders Monika Marx ist eine vom Leben gebeutelte Person. Einerseits hat sie auf Grund ihrer Krankheit dauernd Schmerzen, nimmt Tabletten und frönt dennoch einem sehr ungesunden Lebensstil, zu dem neben üppigen Mahlzeiten auch ordentliche Mengen Alkohol gehören. Damit ist sie nicht unbedingt eine Sympathieträgerin, genauso wenig wie das Opfer, das intrigant und selbstsüchtig daherkommt.

Der Plot ist durchaus spannend und endet nach zahlreichen ermittlungstechnischen Sackgassen mit einer unerwartete Auflösung, die trotzdem stimmig ist.

Der Krimi lässt sich sehr gut lesen und bietet Einblick in die Geschichte und den Alltag auf der geteilten Insel.

Fazit:

Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 15.08.2024
Keine Schonzeit für Mörder
Preitler, Franz

Keine Schonzeit für Mörder


ausgezeichnet

Es ist Anfang Mai des Jahres 1914. Noch weiß niemand, dass dieses Jahr die Welt in den Abgrund stürzen wird. Einen kleinen Vorgeschmack bekommt die Gegend um Mürzzuschlag als Alois Birnstingl, Kommandant der Gendarmerie, und der junge Revierjäger Johann Freidl einen Wilderer im Wald stellen. Wenig später sind zwei der drei Männer tot. Birnstingl vom Wilderer erschossen, der Wilderer durch zwei Stiche ins Herz vom Aufsichtsjäger in Notwehr - wie er behauptet - getötet. Einigen Dorfbewohnern kommt die Geschichte nicht geheuer vor und der Freispruch des jungen Revierjägers beim nachfolgenden Prozess, spaltet das Dorf.

Doch die weltpolitischen Ereignisse, also der Mord an Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Frau und der daraufhin folgende Ausbruch des Großen Krieges, sowie die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung übertüncht zunächst das lokale Ereignis.

Erst als der Nachfolger des getöteten Birnstingl sich der Sache annimmt, kommen die Intrigen innerhalb der Dorfgemeinschaft ans Tageslicht.

Meine Meinung:

In seinem dritten Krimi, der in der Gegend rund um Mürzzuschlag spielt, hat Autor Franz Preitler wieder zahlreiche historische Fakten mit fiktiven Elementen kombiniert. Er nimmt seine Leser in eine vielschichtige Dorfgemeinschaft mit. Zahlreiche verdeckt und offen geführte Fehden bestimmen den Alltag. Auch das Thema Fortschritt versus Tradition finden ebenso Platz wie die verbotene Liebe zwischen zwei Männern und die Herabwürdigung der Töchter als Spielball zur Vermehrung des Besitzes der Väter.

Sehr gut ist die Stimmung im Dorf beschrieben. Manch einer sympathisiert mit dem Wilderer, denn der verbotenen Abschuss des Wildes gilt bei manchen als Mutprobe und dient anderen zum Überleben.

Geschickt integriert Franz Preitler historische Persönlichkeiten in seine Geschichte. So darf der Dichter Peter Rossegger (1843-1918) wieder auftreten und setzt dessen Freund, dem Fotografen Franz Josef Böhm (1874-1938), der das Heimatmuseum in Mürzzuschlag gegründet hat, ein Denkmal. Auch das fiktive Postwirtsehepaar Pfandl hat mit Sophie (1873-1963) und Toni Schruf (1863-1932) ein reales Vorbild.

Fazit:

„Keine Schonzeit für Mörder“ ist ein eindringlicher historischer Kriminalroman, der gekonnt Fakten mit Fiktion verquickt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2024
Eintunkt
Parker, Martina

Eintunkt


ausgezeichnet

In ihrem 5. Gartenkrimi entführt uns Martina Parker nach Bildein, einem 350-Seelen-Dorf im nordöstlichsten Zipfel des burgenländischen Bezirks Güssing. der nur wenige hundert Meter von der ungarischen Grenze entfernt ist. Bekannt ist Bildein durch das Musikfestival „picture on“, das seit 2000 alljährlich Anfang August stattfindet.

Und dieses Musikfestival bildet auch den Hintergrund für diesen Krimi, der wie alle seine Vorgänger durch die Beschreibung von Land und Leute, die durchaus schrullig sein dürfen, Tipps und Tricks für den Garten sowie für humorige Einlagen, die immer wieder im tiefsten burgenländischen Dialekt von sich gegeben werden, punktet. Keine Sorge, die Dialektpassagen werden in Fußnoten gleich übersetzt, sodass auch Leser aus anderen Regionen keine Mühe haben, das Gesagte zu verstehen.

Herzlich lachen musste ich nicht nur über „Gut gebettet mit Betty“, dem Werbeslogan des Bestattungsunternehmens, sondern auch über die illustre Schar der Gartenfreundinnen.

Über den Inhalt verrate ich nichts, sonst ginge die Spannung flöten.

Dass wir jetzt bis 2026 (!) auf die Fortsetzung mit dem Titel „Anbandelt“ warten müssen, ist betrüblich, doch Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Das Cover passt zu den Vorgängern.

Fazit:

Eine perfekte Fortsetzung dieser Reihe, die hoffentlich noch lange weitergehen wird. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Ein heißer Tipp: unbedingt bei Band 1 („Zuagroast“) beginnen.

Bewertung vom 14.08.2024
Der geheime Wert der Zeit
Erle, Thomas

Der geheime Wert der Zeit


sehr gut

Autor Thomas Erle hat mit diesem Buch, eine sehr ruhige Geschichte rund um den Wert der Zeit geschrieben.

Friedrich Karmann ist ein Eigenbrötler und Müßiggänger. Sein Vermögen gestattet es ihm, jedem Luxus zu frönen. Doch am liebsten beschäftigt er sich mit alten, kostbaren Uhren. Er hat kaum Freunde und die letzte Frau an seiner Seite hat ihn verlassen. Allerdings scheint er menschliche Gesellschaft nicht wirklich zu vermissen.

Friedrich Karmann ist auf dem Weg zum Begräbnis seines Vaters und kommt zu spät, was angesichts seiner Leidenschaft für Uhren ein Anachronismus ist, aber zu ihm, der sich von seiner Familie losgesagt hat, sehr gut passt.

Mehr als der Tod des Vaters beschäftigt ihn, dass im tiefsten Schwarzwald eine Uhr existiert, die als die älteste der Welt gilt. Friedrich macht sich auf, den Eigentümer aufzusuchen und zum Verkauf zu überreden. Doch Johann Thoma, ein alter Bauer, hat so seine eigenen Vorstellungen. Er stellt Friedrich drei Aufgaben, die er zu lösen hat.

Beinahe gleichzeitig wird er bei der Testamentseröffnung von der Existenz seiner Halbschwester Margarethe überrascht. Die Frau erscheint ihm interessant. Ein näheres Kennenlernen wird auf später verschoben, muss er sich doch mit den Lösungen der Aufgaben beschäftigen, um die kostbare Uhr zu erhalten.

Als Friedrich wenig später dann doch Zeit findet, sich mit Margarethe zu treffen, erleidet sie hoch oben auf dem Glockenturm des Münsters von Freiburg einen Herzinfarkt und stirbt ein paar Tage später.

Erstmals scheinen in Friedrich so etwas wie Gewissensbisse aufzukeimen, statt seine Zeit mit Margarethe verbracht zu haben, mit der Jagd nach der Uhr verplempert zu haben, zumal er an den Aufgaben gescheitert ist.

Fazit:

Diese poetische Parabel auf den Lauf der Zeit, den man, trotz Reichtums nicht anhalten kann, hat mir sehr gut gefallen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 13.08.2024
Stürzende Feuer (eBook, ePUB)
Pastor, Ben

Stürzende Feuer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Autorin Ben Pastor entführt ihre Leser in den Juli des Jahres 1944. Die Niederlage des NS-Regimes ist nach der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 absehbar, auch wenn es die Machthaber nicht wahrhaben wollen.

Oberstleutnant Martin Bora, im Zivilberuf Detektiv, kehrt für eine Woche Heimaturlaub von der italienischen Front nach Berlin zurück, um am Begräbnis seines Onkels, Prof. Dr. Alfred Reinhardt-Thoma, teilzunehmen. Neben der von alliierten Bomben teilweise zerstörten und demoralisierten Stadt, entdeckt er einige Ungereimtheiten beim Tod seines Onkels, der ein Gegner der Euthanasie durch das NS-Regime war. Doch bevor er sich damit näher beschäftigen kann, erhält er vom Chef der Kriminalpolizei Arthur Nebe (1894-1945) den Auftrag bis zu seiner Rückkehr an die italienische Front, den Mord an einer schillernden Persönlichkeit, dem Magier Walter Niemeyer, den auch zahlreiche Nazi-Bonzen „konsultieren“, aufzuklären. Dazu erhält er eine Liste mit den Namen von vier Verdächtigen, ein Auto und einen erfahrenen Kriminalbeamten namens Grimm als Chauffeur und Aufpasser.

Gemeinsam arbeiten sie die Liste der Verdächtigen ab und Martin Bora (und die Leser) können sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Täter ohnehin schon feststeht, egal ob er Niemeyer tatsächlich getötet hat oder nicht.

Bora gerät in ein dichtes Netz von Lügen und Halbwahrheiten aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt, zumal sich Gerüchte eines Umsturzversuchs hartnäckig in Berlin halten, weshalb er Kontakt zu Oberst Stauffenberg aufnimmt. Man ist sich, obwohl ähnlich versehrt (Bora fehlt nach einem Partisanenangriff die linke Hand), nicht sonderlich sympathisch.

Meine Meinung:

80 Jahre nach dem Umsturzversuch durch die Gruppe rund um Graf Stauffenberg auf Hitler bringt der Unionsverlag diesen zeitgeschichtlichen Kriminalroman, der der 7. Band einer bislang 11-teiligen Krimi-Reihe von Ben Pastor ist, heraus. Ben Pastor ist das Pseudonym der italienischen Autorin Maria Verbena Volpi. Bislang sind erst drei Krimis mit Martin Bora ins Deutsche übersetzt worden. Der hier vorliegende sowie „Tod der Äbtissin“ und „Kaputt Mondi“.

Ben Pastor hat mit Martin Bora, der 1913 als Martin-Heinz Douglas Baron von Bora geboren worden ist, eine interessante und mitunter ambivalent erscheinende Figur erschaffen. Er ist Wehrmachtssoldat, Detektiv sowie Nachfahre von Martin Luthers Ehefrau Katharina von Bora. Als adeliger Gutsbesitzer in Ostpreußen sind ihm Verantwortungsbewusstsein und Umsicht in die Wiege gelegt. Daher erscheint es manchmal unverständlich, dass er im NS-Unrechtsregime, anders als Onkel Prof. Dr. Alfred Reinhardt-Thoma, bisher überlebt hat.

Während seines Aufenthaltes in Berlin residiert er standesgemäß im Hotel Adlon, auch wenn das inzwischen auf Grund der kriegsbedingten Mangelwirtschaft an Qualität eingebüßt hat, und auch von zahlreichen Nazis frequentiert wird.

Der Auftrag, den Bora von Nebe erhält, lässt vermuten, dass Bora, der aus seiner Zeit bei der Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris über einige Verbindungen verfügt, eine Falle gestellt werden könnte. Oder dass Nebe es mit einer möglicher Beteiligung am Umsturzversuch ernst gemeint hat. Arthur Nebe wird jedenfalls wie Wilhelm Canaris wegen Hochverrat im März bzw. April 1945 zum Tode verurteilt und gehenkt.

Geschickt werden Fakten und Fiktion miteinander verknüpft.

Ben Pastor (und ihrer Übersetzerin Hella Reese) ist es sehr gut gelungen, die eigenartige Stimmung, die in Berlin herrscht, einzufangen. Man kann niemandem mehr trauen, manchmal auch sich selbst nicht. Wir dürfen an den Gedanken von Martin Bora teilhaben. Wie immer, finde ich die Widersprüche, die sich in der Doktrin des NS-Regime auftun, sehr interessant.

Man kann diesen Krimi sehr gut ohne Kenntnis der anderen lesen. Ich werde mir jedenfalls die beiden, die auf Deutsch erhältlich sind, besorgen, da mich die Entwicklung der Protagonisten immer interessiert.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem zeitgeschichtlichen Krimi rund um Martin Bora 5 Sterne.

Bewertung vom 12.08.2024
Was war denn da los?!
Melching, Felix;Neuhäuser, David

Was war denn da los?!


gut

Herausgeber Stefan Bergmann geht der Frage nach, warum sich Menschen für Geschichte interessieren. Dazu bieten sie drei Lösungen an:

Eine hoch motivierte Lehrkraft hat unsere Begeisterung im Alter von 14 oder 15 Jahren geweckt
Oder familiäre Betroffenheit durch Flucht und Migration in einer der letzten Generationen
Oder das eine oder andere historische Ereignis, das sich in unserem Gedächtnis fest verankert hat

Was auch immer der Anlass ist, sich mit Geschichte zu beschäftigen, die beiden Historiker Felix Melching und David Neuhäuser stellen in diesem Buch dreißig ausgewählte Ereignisse aus fünf Epochen vor, die sie zuvor in ihrem Podcast präsentiert haben. Der QR-Code am Ende jeden Textes führt zum entsprechenden Podcast.

Die fünf Epochen sind:

Antike
Mittelalter
Neuzeit
19. Jahrhundert
Gegenwart (20. Jahrhundert)

Die Auswahl für dieses Buch ist natürlich höchst subjektiv und leider sind unter den 30 ausgewählten Beiträgen nur 7 in denen Frauen die Hauptrolle spielten. Nun ja, Geschlechterparität sieht anders aus. Vielleicht wäre es doch möglich gewesen, hier halbe/halbe zu machen?

Die Autoren führen in leicht verständlichem Plauderton durch ihre Beiträge. Aber lasst euch selbst von der Antike bis zum Falklandkrieg entführen. Tiefer gehende Analysen darf man hier nicht erwarten, aber vielleicht reichen die Streifzüge durch die jeweilige Epoche, um sich näher mit den Ereignissen zu beschäftigen.

Ich persönlich habe nicht wirklich etwas Neues erfahren.

Fazit:

Ein schneller Überblick über fünf Epochen in dreißig Ereignissen, dem ich 3 Sterne gebe.

Bewertung vom 12.08.2024
Die Gräfin
Nelles, Irma

Die Gräfin


ausgezeichnet

Als der englische Pilot John Philipp Gunter im August 1944 mit seinem Flugzeug über der kleinen nordfriesischen Hallig Südfall abstürzt, weiß er noch nicht, dass er von einer interessanten Frau, der achtzigjährigen Hallig-Gräfin, gerettet wird.
Die Hallig-Gräfin, mit vollem Namen Diana Henriette Adelaide Charlotte Gräfin von Reventlow-Criminil, lebt seit dreißig Jahren abseits der funkelnden High Society an der nordfriesischen Küste. Sie gilt als Blaustrumpf, ja fast als schwarzes Schaf der weit verzweigten Familie der Reventlows, die in jeder Generation Sonderlinge hervorgebracht hat.

John verbringt sechs Tage auf der Hallig, immer in Gefahr von Gestapo-Schnüfflern entdeckt zu werden, bis sich die Gelegenheit ergibt, nach Dänemark zu fliehen.

Meine Meinung:

Dieser autofiktionale Roman beschreibt einige Tage im Leben der Hallig-Gräfin Diana von Reventlow-Criminil. Dafür greift die Autorin auf ein wahres Erlebnis zurück: Ein englischer Pilot stürzte mit seiner Maschine in der Nähe ihrer Hallig ab und wurde von ihr und ihren Helfern vor Ort gesund gepflegt.

Der historische Roman, der das Debüt der 80-jährigen Autorin Irma Nelles ist, beschäftigt sich mit dem mühseligen Leben auf einer Hallig. Da braucht es weder Gestapo-Schnüffler noch den Zweiten Weltkrieg, um den täglichen Kampf auszufechten, die Naturgewalten machen den Bewohnern das Leben ohnehin schwer genug.

Der Roman ist atmosphärisch, da vieles nur angedeutet und geheimnisvoll bleiben wird. Trotzdem entwickelt er einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann.

Der leider nur knapp 175 Seiten lange Roman ist sprachlich hervorragend verfasst. Dass einige Charaktere nordfriesischen Dialekt sprechen, macht dieses Werk authentisch.

Das blassrosa Cover, das den Strand und eine Reiterin zeigt, passt wunderbar zu der Geschichte

Fazit:

Gerne gebe ich diesem anspruchsvollen Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 11.08.2024
Königinnensonntag (eBook, ePUB)
Kaltenborn, Jill

Königinnensonntag (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nachdem dem Tod eines Patienten kehrt die junge Ärztin Nina Wedemeyer für einige Wochen, wie sie glaubt, in ihr Elternhaus in der Heide zurück, um sich über ihre berufliche und auch private Zukunft klar zu werden. Dabei wollte sie nie, nie wieder in das Dorf Lopauthal zurück, denn vor genau zwanzig Jahren sind in der Nacht zum Königinnensonntag zwei Frauen, Frederika Petersen und Ingrid Johanning, ermordet worden. Der Täter konnte damals nicht ermittelt werden.

Unmittelbar vor Ninas Rückkehr taucht Frederikas verschollenes Tagebuch auf und Albert Johanning, Ingrids Ehemann und ehemaliger Schulleiter, gerät unter Mordverdacht, denn Frederika schreibt immer wieder über einen „Jo“. Auf die Idee, vorab alle Männer, deren Vorname mit Jo beginnt zu befragen, kommen weder der örtliche Polizist Harald Ulrich noch die beiden Kollegen von der Cold-Case-Abteilung. Als dann noch die mögliche Tatwaffe, eine Statue, die Albert gehört, buchstäblich auftaucht, ist für die Polizei alles klar: Albert Johanning ist der Täter.

Während das ganze Dorf abermals von der Polizei befragt wird, glaubt Nina nicht, dass Albert der Täter ist und beginnt auf eigene Faust Recherchen anzustellen. Dazu zapft sie unter anderem auch ihren Freund und Pathologen Stefan um die Obduktionsbefunde der toten Frauen an.

Je tiefer Nina in die Vergangenheit eindringt, desto mehr Zweifel an ihr eigenes Erinnerungsvermögen an die Nach des 15. August 1999 tauchen auf. Sie findet sich in einem Geflecht von Lügen, Halbwahrheiten und Intrigen wieder, das das Dorf seit jener Nacht gesponnen hat. Fast jeder und jede haben seinen bzw. ihren Anteil an dem Geheimnis rund um die toten Frauen.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist das Debüt von Jill Kaltenborn und gleichzeitig Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe rund um Nina Wedemeyer.

Dass Nicht-Polizisten Ermittlungen anstellen ist ja seit Jahren mit unterschiedlichem Erfolg sehr beliebt. Da gibt es Hausfrauen, Omas und Opas, Journalisten, Lehrkräfte, Adelige und PolitikerInnen und sogar diverse Haustiere, die Verbrecher jagen und oft mehr schlecht als recht die Verbrechen aufklären. Mit der Ärztin Nina Wedemeyer bekommen wir es mit einer analytisch denkenden Frau zu tun, die Weg-Zeit-Diagramme erstellt (was der Dorfpolizist z.B. nicht tut). Ermittlungen in einem verschworenen Dorf, in dem man sich untereinander zwar spinnefeind ist, aber gegen einen quasi äußerlichen Feind, zusammenhält, sind nie einfach. Daher wundert es mich, dass der Polizist Harald Ulrich vor zwanzig Jahren in seinem eigenen „Mikrokosmos“ ermitteln durfte.

Jedenfalls deckt Nina in ihren persönlichen Gesprächen und auch an Hand des Tagebuchs die Abgründe so mancher Dorfbewohner auf und löst das Rätsel, wer der ominöse Jo ist. Dabei gerät sie in einem fulminanten Showdown letztlich in akute Lebensgefahr.

Der Plot ist gelungen und der Schreibstil steigert die Spannung von Seite zu Seite. Ich habe recht bald zwei mögliche Täter in die engere Wahl genommen, wobei sich dann der eine Name bestätigt hat. Nur das Motiv hat sich mir zunächst nicht schlüssig genug dargestellt. Aber, wer weiß denn schon, was im Kopf eines anderen vorgeht?

Selten hat mich ein Krimi-Debüt so gefesselt. Ich bin schon neugierig, ob Nina den Arztberuf an den Nagel hängt oder als Pathologin arbeiten oder vielleicht als Ermittlerin ganz in den Polizeidienst eintreten wird. Jedenfalls freue ich mich, wenn es eine Fortsetzung gäbe.

Fazit:

Ein Krimi-Debüt, das bis zur letzten Seite fesselt und daher von mir 5 Sterne erhält.

Bewertung vom 11.08.2024
Der Salon der kühnen Frauen
Pollard, Clare

Der Salon der kühnen Frauen


sehr gut

Clare Pollard entführt uns in das 17. Jahrhundert nach Versailles. Es ist die Zeit des höfischen Absolutismus und des Herrschaftsanspruch aus Gottesgnadentum, als dessen wichtigster Vertreter Frankreichs König Ludwig XIV. (1638-1715), den man auch als Sonnenkönig kennt, gilt.

Während Männer wie Kardinal Jules Mazarin (1602-1661) am französischen Hof direkt auf die Politik des Königs Einfluss nehmen können, ist dies den Damen verwehrt. Sie sollen hübsch anzusehen sein, ihm willig zur Verfügung stehen und sonst sich ja nicht politisch betätigen.

Eine Gruppe gewiefter Damen gründet einen Literatursalon, zu dem zunächst nur Damen Zutritt haben. Man schwätzt und tratscht und schmiedet dennoch die eine oder andere Intrige. So begegnen wir der unter anderem der abgelegten Mätresse des Königs, Olympia Mancini (1639-1708), Nichte von Kardinal Mazarin und Mutter von Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736). Olympia ist darin eine Meisterin. Ihr bevorzugtes Ziel ist die aktuelle Mätresse Mademoiselle de La Vallière (1644-1710).

Man erzählt sich Märchen, die uns bekannt vorkommen. Einige der Damen dichten selbst und geben allerlei Geschichten und Reime zum Besten. Auch die eine oder andere pikante Story aus Versailles wird leicht verfremdet als „Märchen“ dargeboten.

Als man sich dann später doch ein wenig langweilt, dürfen ausgesuchte Männer den elitären Zirkel mit Anwesenheit und Geschichten erfreuen.

Meine Meinung:

Die Idee zu dieser skurrilen literarischen Geschichte hat mir recht gut gefallen. Ursprünglich habe ich etwas anderes erwartet, nämlich einen geschlossenen historischen Roman, in dem die erzählten Märchen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Trotzdem hat mir das Buch gefallen. Es ähnelt ein wenig Giovanni Boccaccios Werk „Il Decamerone“, in dem sich eine geschlossene adelige Gesellschaft während der Quarantäne während der Pestepidemie um 1348 in Florenz, mehr oder weniger schlüpfrige Geschichten erzählen.

Bei Clare Pollard werden allerdings Märchen erzählt, die die meisten von uns aus dem Märchenbüchern der Gebrüder Grimm und Erzählungen unserer Kindheit kennen. Natürlich werden diese Geschichten nach französischer Art erzählt. Bei welchen Quellen die Autorin Anleihen genommen hat, kann auf den Seiten 287 und 288 nachlesen.

Zwischen den einzelnen Märchen erfahren wir einiges über das Leben bei Hofe sowie über diverse Les Liaisons Dangereuses. Denn was Männern erlaubt ist, ist für Frauen meistens verboten. Die meisten außerehelichen Verhältnisse (mit dem König) werden von den Ehemännern toleriert, vor allem dann, wenn sie von großem Nutzen sind. Trotzdem sind die Frauen stets in Gefahr, von ihren Männern wegen Untreue verstoßen zu werden. Für fremdgehende Männer gilt das nicht, denn sie sind die Norm.

Das eine oder andere, wie die Operation der Analfistel des Königs, wird mehrfach erwähnt. Für die damalige Zeit, ohne Narkose und Antibiotika und Hygiene, vermutlich eine chirurgische Meisterleistung, denn der Patient hat überlebt!

Die Beschreibung der Lebensumstände ist opulent gelungen. Man kann förmlich das Odeur der ungewaschenen Königs (angeblich hat er in seinem Leben nur drei Mal gebadet.) riechen. Die Dekadenz der Adeligen, deren Intrigen und Ränkespiele sind sehr gut beschrieben. Da wundert es nicht, dass sich der Volkszorn 1789 in einer blutigen Revolution entlädt, die Ludwig XVI. und Marie Antoinette den Kopf kosten.

Der Schreibstil ist charmant, stellenweise frivol manchmal ins Vulgäre abgleitend und an manchen Stellen recht modern.

Die Anzahl der auftretenden realen Charaktere ist recht hoch, so dass der eine oder andere Name vielleicht nachgelesen werden muss. Um sich zurecht zu finden, gibt es zu Beginn des Romans ein Personenverzeichnis.

Das einzige, das mir missfallen hat ist die Haptik des Covers. Es fühlt sich gummiartig an, was möglicherweise Samt imaginieren soll. Ich habe den Schutzumschlag während des Lesens zu Seite gelegt.

Fazit:

Auch wenn ich ursprünglich etwas anderes erwartet habe, hat mich das Buch gut unterhalten.

Bewertung vom 11.08.2024
Salzburger Intrigen
Theiss, Jenna

Salzburger Intrigen


ausgezeichnet

Nach „Salzburger Abgründe“ lässt Jenna Theiss ihre Abteilungsinspektorin Dina Stassny zum zweiten Mal in der Stadt Salzburg ermitteln.

Daniel Gerlach und Stella Hellwig, ein junges Paar, stößt beim Umgraben eines Rasenstückes in ihrem Garten auf menschliche Knochen. Anstatt die Polizei zu verständigen, entwickeln sie eine eigenartige Betriebsamkeit. Blöderweise werden sie dabei von der neugierigen Nachbarin beobachtet.

Dieses Skelett wird nicht der einzige Todesfall in diesem Salzburger Krimi bleiben, denn, wie Dina Stassny und ihr Chef Adrian Billinger herausfinden, ist der Knochenfund nur der Auftakt einer Reihe von Verbrechen. So wird wenig später Stellas Chefin, die Schriftstellerin Alexa Graf, mit vergifteten Mozartkugeln getötet. Der Verdacht fällt relativ schnell auf Daniel und Stella, denn in ihrem Garten wächst der Blaue Eisenhut, jene Pflanze die in ihrer Gesamtheit höchst toxisch wirkt.

Doch was hätte Stella davon, ihre Chefin zu töten?

Meine Meinung:

Wie schon in ihrem ersten Salzburg-Krimi „Salzburger Abgründe“, gelingt es Autorin Jenna Theiss wieder eine komplexe Handlung vor der Kulisse der Festspielstadt zu erstellen, in dem starke Gefühle eine große Rolle spielen, die schon in der Vergangenheit für eine Tragödie gesorgt haben.

Der Plot ist komplex und die Anzahl der Mitspieler groß, die in einem Personenverzeichnis dem Krimi voran gestellt sind. Neben den menschlichen Akteuren spielen verschiedene Ortsteile von Salzburg sowie Chips, der Schäferhund von Dina Stassny, der zwar kein offizieller Polizeihund ist, aber eine entsprechende Ausbildung absolviert hat, eine große Rolle.

Dieser Krimi beschert uns auch ein Wiedersehen mit Chefinspektor Paul Materna. Leiter der Ermittlungsabteilung „Leib und Leben“ in Linz aus der anderen Krimi-Reihe von Jenna Theiss. Hier wird Netzwerken und Bundesländer übergreifende Zusammenarbeit großgeschrieben! Das gefällt mir sehr gut.

Der Schreibstil ist authentisch, denn die Autorin verwendet zahlreiche österreichische Ausdrücke. Aber, keine Angst, die werden in einem Glossar am Ende des Krimi aufgelistet und übersetzt. Sehr angenehm ist, dass auch die Dienstgrade der österreichischen Polizei - also AbteilungsinspektorIn, ChefinspektorIn etc. verwendet werden.

Neben den zielstrebigen Ermittlungen darf auch ein wenig Humor nicht fehlen.

Fazit:

Eine fesselnde Fortsetzung, der ich gerne 5 Sterne gebe.