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gst
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pirna

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Insgesamt 201 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2020
Die Klatschmohnfrau
Châtelet, Noëlle

Die Klatschmohnfrau


ausgezeichnet

Späte Liebe

Marthe blickt mit ihren 70 Jahren nach einer langweiligen Ehe auf zwanzig Jahre Witwenschaft zurück. Telefonate mit und Besuche von ihren Kinder und Enkeln halten sie am Leben, ebenso wie die Tabletten fürs Herz und gegen die Schmerzen. Bis ihr im Café Félix begegnet und ihr gesamtes Leben umkrempelt. Statt weiterhin Kreuzworträtsel zu lösen kauft sie sich einen ledergebundenen Kalender, in dem sie ihre Treffen und Gefühle festhält.

„Was hat dieser erschöpfte Körper, der sie hemmt und hindert, mit der Leichtigkeit ihrer Seele gemein, die zu allen kühnen Taten bereit ist?“

Noëlle Chȃtelet hat mich mit ihrem Roman voll getroffen. Die 176 Seiten waren leichtfüßig, voller Liebe und Einfühlungsvermögen. Die Worte zauberten mir von Beginn an eine Lächeln aufs Gesicht, das nicht mehr weichen wollte. Es fiel mir nicht schwer, mich in die Gefühlswelt der Protagonistin hinein zu versetzen und mich mit ihr über das Wunder der späten Liebe zu freuen.

Die Autorin, 1944 in der Nähe von Paris geboren, hat an der Universität in Paris Kommunikationswissenschaften unterrichtet. Bis 1987 war sie als Filmschauspielerin tätig. Sechs ihrer teilweise preisgekrönten Romane sind ins Deutsche übersetzt worden.

Für mich war sie eine Neuentdeckung und dieser Roman wird sicherlich nicht der Einzige für mich bleiben. Dieses Buch jedenfalls landet bei meinen Lieblingsbüchern!

Bewertung vom 03.11.2020
Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!
Backhaus, Arno

Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!


ausgezeichnet

Lebendige Rückschau auf ein christliches Leben

Arno Backhaus ist ist ein deutscher Liedermacher, Autor und Aktionskünstler, der sich selbst als „E-fun-gelist“ und „Missio-Narr“ bezeichnet. In seinen 70 Lebensjahren hat er so einiges erlebt und auf die Beine gestellt, woran er die Leser seiner Autobiografie in 20 Kapiteln teilhaben lässt.

Leicht hatte es der Autor in seiner Kindheit nicht. Sein Vater war konsequent, seine Mutter konnte ihre Liebe zwar Fremden, aber nicht dem eigenen Sohn zeigen. Doch er klagt nicht, sondern hat erkannt: „Meine Verantwortung als erwachsener Mensch ist, meine Vergangenheit aufzuarbeiten“ (Seite 28)

Und das tut er sehr ehrlich. Weder verheimlicht er seine Jugendsünden, die ihn in die Nähe einer kriminellen Laufbahn brachten, noch seine schulischen Schwierigkeiten. Erst in einer christlichen Jugendfreizeit erkannte er, dass er seine Einstellung zum Leben verändern muss. Er erzählt vom Kennenlernen seiner Frau, mit der er bald 50 Jahre verheiratet ist, seinem ungewöhnlichen beruflichen Werdegang mit vielen Abzweigungen und der durch seinen schwierigen mittleren Sohn hervorgerufenen Erkenntnis, dass er von AD(H)S geprägt ist.

Diese Autobiografie ist nicht nur mit vielen Fotos und Sprüchen außergewöhnlich abwechslungsreich gestaltet, sondern lässt sich auch sehr griffig lesen. Mich hat sie neugierig auf weitere Bücher von ihm gemacht. Ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 02.11.2020
Das Flüstern der Bäume
Christie, Michael

Das Flüstern der Bäume


gut

Wälder gestern, heute morgen

2038: Die Zeit des großen Welkens rafft auch die letzten Wälder dahin. Einzig auf einer kleinen kanadischen Insel gibt es noch Baumriesen, die von Touristen bewundert werden. Jake Greenwood, eine arbeitslose Wissenschaftlerin, ist hier als Führerin angestellt. Jobs sind Mangelware und ihre Schulden zwingen sie, sich hier zu engagieren – bis eines Tages ihr ehemaliger Verlobter auf die Insel kommt und beginnt, ihre Familiengeschichte aufzurollen.

Ungewöhnlich an diesem Buch ist zum einen, dass die Geschichte aus der Zukunft in die Vergangenheit erzählt wird und schließlich wieder zurück in die Zukunft. Auch die Aufmachung des Buches ist nicht null-acht-fünfzehn. Gleich zu Beginn zeigt ein Baumquerschnitt, wie sich die Lebensringe zu unterschiedlichen Zeiten verhalten. Zudem wird von einem uralten Baum erzählt, der innen schon abgestorben ist, die äußeren Holzschichten und die Borke ihn aber noch halten: „Jeder Baum wird von seiner eigenen Geschichte aufrecht gehalten, den Gebeinen seinen Ahnen“ (Seite 541). Man merkt, dass der kanadische Autor den Wald liebt.

Leider hat mich sein distanzierter Schreibstil über 250 Seiten lang nicht erreicht. Hätte ich das Buch nicht in einer Leserunde gelesen (in der übrigens die meisten Mitleser sehr begeistert waren), hätte ich es abgebrochen und auf die Seite gelegt. Die schnellen Wechsel zwischen den unterschiedlichen Zeiten (2038 / 2008 / 1974 / 1934 / 1908) und Personen erschwerten es mir, einen Lesefluss aufzubauen. Erst als ich im Jahr 1908 angekommen war, also in der ältesten Vergangenheit dieses Buches, fand ich in die Geschichte. Hier änderte sich der Schreibstil vorübergehend und ermöglichte mir einen Zugang zu dieser Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg, die ich letztendlich nicht uninteressant fand.

Gefallen hat mir folgende Frage am Ende des Buches: „Warum ist der Mensch darauf ausgelegt, gerade lange genug auf Erden zu sein, um eine Lebenszeit an Fehlern anzuhäufen, aber nicht lange genug, um sie auszumerzen?“ Leider kann ich wegen der anfänglichen Schwierigkeiten nicht mehr als drei Sterne vergeben.

Bewertung vom 24.10.2020
Das Traumbuch
George, Nina

Das Traumbuch


ausgezeichnet

Zwischen Leben und Tod

„Etwas zu erzählen, was nicht mit Worten zu fassen ist – das ist die Magie der Literatur“ (Seite 111).

Henri ist auf dem Weg zum Treffen mit seinem Sohn, als ein unerwartetes Ereignis seine Pläne durchkreuzt. Nach einem lebensbedrohlichen Unfall liegt er im Koma.

Sam ist Henris unehelicher Sohn. Seine Mutter hasst den Erzeuger ihres Kindes und verweigert dem Jungen aus diesem Grund jeglichen Kontakt zu ihm. Doch den Besuch im Krankenhaus lässt sich Sam nicht verwehren. Dafür schwänzt der sensible, hochbegabte Junge den Unterricht.

Als dritte Protagonistin taucht Eddie auf. Auf sie hat Henri seine Patientenverfügung ausgestellt, obwohl sie seit Jahren getrennt sind.

Alle drei erzählen die Geschichte jeweils aus ihrer Sicht. Während die Tage nach dem Unglück genauer angesehen werden, schaut die Autorin in die innersten Gedanken von Henri, Sam und Eddie. So entstand ein aufwühlender, emotionaler Roman, in dem deutlich wird, dass es „mehr [gibt] zwischen Leben und Tod als wir von hier aus sehen können“ (Seite 408).


Die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Nina George (*1973) hat drei Romane geschrieben, in denen sie sich mit dem Tod auseinandersetzt. Auf diese Art versuchte sie, den Verlust ihres Vaters zu verarbeiten. „Die Mondspielerin“, den ersten Roman dieser Reihe, kenne ich noch nicht. Doch „Das Lavendelzimmer“ hatte sich sofort in mein Herz geschlichen. Es landete in meiner persönlichen literarischen Apotheke, die nun durch „Das Traumbuch“ ergänzt wird.

Bewertung vom 19.10.2020
Was dir bleibt
Saucier, Jocelyne

Was dir bleibt


ausgezeichnet

Auf Spurensuche

Was das Cover verspricht, hält der Inhalt des Romans: Eine Zugfahrt durch Kanadas Weiten. Die LeserInnen begleiten die unterschiedlichsten Reisenden im Northlander, im Transcontiental und anderen Zügen. Wer sich eine ungefähre Übersicht verschaffen will, kann das anhand des Vorsatzblattes machen.

Die Reise von Gladys Comeau führt durch den Norden von Ontario und Québec, zuerst nach Süden, dann nach Westen, weiter nach Osten und schließlich wieder nach Norden. Niemand versteht, warum sie ihre lebensmüde Tochter alleine zurückließ, nachdem sie 54 Jahre lang um deren Wohlergehen besorgt war.

Aufgebaut ist die Geschichte wie eine Reportage, geschrieben von einem Englischlehrer, der verhindern will, dass noch mehr Zugstrecken stillgelegt werden. Er liebt Züge („durch meine vielen Reisen und die Begegnungen, die ich dabei machte, entdeckte ich eine neue Art zu leben“ - Seite 214) und beschreibt seine Reiseerlebnisse. Seine Erzählweise mäandert von hundertsten ins tausendste und man hat oft das Gefühl, dass er den Faden verliert. Auf diese Weise entstehen herrliche Porträts der unterschiedlichsten Menschen.

Besonders eindrücklich ist die Geschichte des „school-trains“. Gladys, als Tochter des reisenden Lehrers in diesem Zug geboren, hat als Kind mit ihrer Familie darin gewohnt und das Land und seine Einwohner kennengelernt. Deutlich wird auch, wie wichtig die Züge für all die Einwanderer der vergangenen Jahrhunderte waren. Seite 89: „Sie waren genauso Kinder der Schienen wie Kinder des Waldes, und viele von ihnen blieben ein Leben lang bei der Eisenbahn. Sie arbeiteten als Bremser, Lokomotivführer, Telegrafist, Fahrdienstleiter.“

Ich habe mich auf dieser Reise sehr wohl gefühlt, fast als säße ich selbst im Zug. Mit Interesse lauschte ich den Erkenntnissen des Erzählers und „erfuhr“ im wahrsten Sinne des Wortes mehr über Gladys und die Menschen, die sie kannten. Für mich war das Lesen ein richtiger Genuss. Den Gegensatz zwischen der journalistischen Herangehensweise des namenlosen Erzählers und den Aussagen von Gladys Freunden und Bekannten empfand ich als sehr lebendig. Trotz der Verirrungen „Irgendwann wusste ich nicht mehr, wo ich war“ (Seite 248) verlor mich das Buch nur ein einziges Mal für kurze Zeit. Für mich ein Lesehighlight im Coronajahr. Den Namen der kanadischen Autorin werde ich mir merken!

Bewertung vom 15.10.2020
Ada
Berkel, Christian

Ada


gut

Nachkriegsdeutschland

Als „Kriminalist“ denkt sich Christian Berkel gern in Täter hinein. Als Schriftsteller hat er die fiktive Lebensgeschichte von Ada erdacht. Da er in seinem Roman unter anderem die Lebensgeschichte seiner Eltern verarbeitet und Adas kleiner Bruder – wie Berkel selbst – 1957 geboren wurde, könnte man meinen, es handelt sich um seine große Schwester. Doch die gibt es in Wirklichkeit nicht; Berkel hat allerdings einen Bruder in Adas Alter.

Der Roman ist in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelt, als Eltern ihre Vergangenheit totschwiegen. So Vieles, was sie hautnah miterlebt haben, war ein Tabuthema – ebenso wie jegliche Sexualität. Ada, 1945 in Leipzig geboren, wuchs die ersten Lebensjahre in Argentinien auf, da die Mutter als Halbjüdin Deutschland verließ. 1954 kehrten beide nach Berlin zurück, wo Adas Vater bereits mit einer anderen Frau verheiratet war. Nach seiner Scheidung wurden sie zu einer Familie.

In eindrücklichen Szenen widmet sich der Autor den großen Emotionen der Geschichte: dem Mauerbau und der anschließenden Angst, dass Westberlin von der Landkarte getilgt wird. Weder die ausgefallene Aufklärung noch die Zeit der 68-Kommunen, noch der Mauerfall kommen zu kurz. Der Autor bemüht sich, sich in Ada hineinzuversetzen, was ihm meiner Meinung nach aber nicht überall gelungen ist.

„Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich erreichen will; ein Mann will ich werden, dann muss ich nicht mehr darüber nachdenken, was alles falsch an mir ist, warum ich mich aus dieser verdammten Lage befreie, oder mich möglichst elegant und unaufdringlich aus der Welt schaffe“, gesteht Ada auf Seite 249 ihrem Psychiater, den sie als 45jährige aufsucht. Viel später klagt sie darüber, dass sie es nicht geschafft hat, sich anzupassen. „Ich suchte so lange nach dem Bett, in das ich passte, bis ich keinen Schlaf mehr fand“ (Seite 345).

Die Themen, die Berkel aufgreift, regen zum Nachdenken an. Trotzdem bin ich mit dem Buch nicht so richtig warm geworden. Zum einen irritierte mich, dass ein Mann in der Ich-Form über eine Frau schreibt. Die weiblichen und männlichen Denkansätze sind in meinen Augen zu unterschiedlich. Zudem sind mir manche Szenen etwas zu sehr ausgewalzt, so dass es mir schwer fiel, an diesen Stellen die Konzentration zu halten.

Fazit: Die Idee, die deutsche Geschichte anhand tatsächlicher und fiktiver Personen aufzuarbeiten, ist nur teilweise gelungen.

Bewertung vom 12.10.2020
Der Moment zwischen den Zeiten
Orriols, Marta

Der Moment zwischen den Zeiten


ausgezeichnet

Auf der Suche nach dem neuen Leben

Kurz nachdem Mauro seiner Lebensgefährtin Paula eröffnet hat, dass er sie wegen einer neuen Liebe verlässt, verunglückt er tödlich. In diesem Buch erzählt Paula von ihrer Trauer, der Wut und ihrer Suche nach der Zukunft. Während die meisten Menschen ihrer Umgebung in ihr die Witwe sehen, erstarrt sie im doppelten Verlust.
Zu Beginn erscheint die Neonatologin, die in ihrem Beruf gegen den Tod von Frühgeborenen ankämpft, erstaunlich kühl. Man merkt, dass sie den Verlust gar nicht an sich heranlassen kann und will. Erst die Bemerkungen ihrer Arbeitskollegen und Freunde verdeutlichen ihr Leid: Paula wird immer dünner, kann kaum noch schlafen und lässt die Pflanzen, die Mauro immer so liebevoll umsorgt hat, kümmerlich vertrocknen.

„Kein Schmerz ist wie der andere. Ein Vater fühlt anders als eine Schwester, und eine Ehefrau wiederum anders als eine Frau, die ein paar Stunden zuvor verlassen worden ist“ (Seite 84). Paula, die schon früh ihre Mutter verloren hat, wuchs allein mit ihrem Vater auf. Dem fiel es sehr schwer, seine Emotionen zu zeigen. Nachdem sie mit 42 Jahren selbst so einen schweren Verlust erlitten hat, kümmert er sich rührend um die Tochter. Indem er sie unterstützt, scheint er die eigene Trauer noch einmal zu durchleben.

Abschalten kann Paula noch am ehesten, wenn sie mit den Kindern ihrer Freundin zu tun hat: „Wenn ich mit Lídias Mädchen zusammen bin, spüre ich oft, dass sie mir, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, eine große Dosis unschuldiges Glück bescheren, und womöglich gibt es für einen trauernden Erwachsenen kein wirksameres Heilmittel, als sich davon mitreißen zu lassen“ (Seite 95).


Bei diesem Buch war es mir nicht möglich, es auf einen Zug durchzulesen. Je weiter ich in der Erzählung vordrang, desto emotionaler empfand ich sie. Immer deutlicher trat Paulas Einsamkeit zu Tage: „Dass einen niemand mehr umarmt ist eine grausame Strafe“ (Seite 167). Die unterschiedlichen Trauerphasen waren sehr gut nachvollziehbar. Ebenso wie die Ablenkungsversuche, die schließlich doch nicht das hielten, was sich Paula von ihnen versprochen hatte.

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle noch die Aufmachung des Buches. Der Schutzumschlag ist ein haptisches Erlebnis, denn die den Titel umrahmenden Blüten sind leicht erhaben und wiederholen sich im Inneren des Buches.

Fazit: Lesenswert, nicht nur für Menschen, die in ihrer eigenen Trauer festhängen.

Bewertung vom 07.10.2020
Audrey Hepburn und der Glanz der Sterne / Ikonen ihrer Zeit Bd.2
Weinberg, Juliana

Audrey Hepburn und der Glanz der Sterne / Ikonen ihrer Zeit Bd.2


gut

Geld und Ruhm sind nicht alles

Wer kennt sie nicht, die Hollywood-Ikone, die mehrmals mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde? Da ich die Filme mit Audrey Hepburn sehr mag, musste ich dieses Buch einfach lesen. Bisher wusste ich fast nichts über ihr Leben, das die Autorin Juliana Weinberg ausführlich unter die Lupe nahm. Wie mir inzwischen bestätigt wurde, ist sie in ihrem Roman sehr nah an Hepburns Biografie geblieben.


So erfahren die Leser, dass die 1929 geborene Audrey schon früh Ballerina werden wollte. Allerdings wurde ihr Traum durch den Hunger und die folgende Muskelschwäche im zweiten Weltkrieg zerschlagen. Stattdessen bekam sie eine Rolle im Revuetheater in London, wo sie für den Film entdeckt wurde. Dabei traute sie sich selbst weniger zu, als diejenigen, die ihr Talent erkannten.

Wirklich glücklich war Audrey Hepburn wohl nicht allzu oft. Die Männer, in die sie sich verliebte, sonnten sich in ihrem Ruhm. Ihr Wunsch nach einem Kind blieb durch das ständige Unterwegssein lange unerfüllt. Der Rückzug nach der Geburt ihres ersten Sohnes wurde der Vollblutschauspielerin sehr schwer gemacht. Dabei litt sie ihr Leben lang darunter, dass ihr Vater die Familie verließ, als sie sechs Jahre alt war. Das wollte sie ihrem eigenen Kind ersparen.


Dank der Autorin konnte ich tief eintauchen in die Welt der Highsociety mit all ihrem Glanz des Jetsets. Leider hielt sich meine Begeisterung über den Schreibstil der Autorin (zumindest im ersten Drittel des Buches) sehr in Grenzen. Mir waren Sätze wie „Mel blickte sie an und ihr wurde ganz heiß von der Heftigkeit der Bitte, die in seinen Augen stand“ (Seite 203) oder „Sie zog ihren Mantel enger um sich, fror so elendiglich, als dringe die Kälte bis zu ihren Knochen vor. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz sei vereist vor Kummer über den schrecklichen Abend“ (Seite 240) zu schwülstig. Wie sehr sich Hepburn ihrem ersten Mann Mel Ferrer wirklich untergeordnet hat, kann ich nicht sagen, aber im Buch wurde sie mir zu unterwürfig dargestellt. Der schwierigen Verbindung wird sehr viel Raum gewidmet. Gut gefallen hat mir dagegen, dass sich dank des Datums in den Kapitelüberschriften die jeweilige Zeit gut zuordnen ließ. Ich habe das Buch mit großem Interesse, aber nicht unbedingt mit Begeisterung gelesen.

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Bewertung vom 29.09.2020
Wüstenschwestern
Austin, Lynn

Wüstenschwestern


ausgezeichnet

Auf den Spuren der Bibel

Voller Gottvertrauen wagen zwei mutige Frauen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine abenteuerliche Reise ins Heilige Land. Lesenswert!

Rebecca und Flora, um 1850 herum geboren, wachsen ohne Mutter auf. Selbstbewusst überzeugen sie ihren wohlhabenden Vater, ihnen die Träume vom Reisen zu ermöglichen. Vor allem Rebecca langweilt die Schule; lieber lernt sie auf eigene Faust Fremdsprachen: „Eine fremde Sprache zu lernen, ist eine Sache, aber die Menschen, die sie sprechen, zu verstehen, ist etwas ganz anderes.“ (Seite 35) Um Abenteuer erleben zu können, nimmt sie gerne Schwierigkeiten in Kauf. Flora dagegen liegt vor allem das Wohlergehen ihrer Mitmenschen am Herzen. Beide wachsen in einem christlich geprägten Haushalt auf, was bei Rebecca den Wunsch entfacht: „Ich würde gerne auf den Spuren Jesu wandeln und die jahrhundertelange Geschichte des Heiligen Landes in mich aufsaugen.“ (Seite 113)

Der Roman beginnt während eines Sandsturms in der Wüste und erzählt im Rückblick von der Vergangenheit der beiden Schwestern. In vier Teilen steht jeweils eine andere Person im Mittelpunkt. Es fehlt weder an Spannung noch an der nötigen Portion Liebe, um den Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Sehr eindrücklich ist der große Brand von Chicago, ihrer Heimatstadt, geschildert. Der christliche Bezug ist dezent eingebaut und lässt erahnen, woher die beiden Frauen ihren Mut nehmen, in einer Zeit, als Frauen erst durch ihre Männer „etwas“ waren, allein auf Reisen zu gehen.

Wie die Autorin im Anhang mitteilt, basiert der Roman auf der wahren Geschichte der Zwillingsschwestern Agnes und Margaret Smith. Natürlich hat sie ihren Roman verfremdet und und die Tatsachen ausgeschmückt.

Gerade weil ich ursprünglich etwas zurückhaltend an das Buch herangegangen bin, hat es mich völlig vereinnahmt. Es entstand ein regelrechter Lesesog und auch Bewunderung für die beiden Frauen, die ihrer Zeit weit voraus waren und sogar wissenschaftlich ein wenig Anerkennung einheimsten.

Bewertung vom 14.09.2020
Das Buch eines Sommers
Kast, Bas

Das Buch eines Sommers


sehr gut

Verluste können auch Gewinne mit sich bringen

Diese typischen Diogenes-Cover sind ein Traum! Ich mag jeden einzelnen Umschlag dieser leinengebundenen Bücher. Grund genug für mich, „Das Buch eines Sommers“ anzuschaffen und zu lesen. Doch diesmal war ich wohl der angesprochenen Leserschaft schon entwachsen. Vielleicht hätte ich mehr auf den Zweittitel „Werde, der Du bist“ achten sollen?

Aber von vorne: Die Leseprobe vom liebeskranken Abiturienten, der vom Onkel aufgefangen wird, hat mir gefallen. Dass aus dem schließlich ein erfolgreicher Geschäftsmann wird, der vor lauter Arbeit kaum noch Zeit für seine kleine Familie findet, hatte ich so nicht erwartet. Warum eigentlich nicht? Ist das nicht ein normaler Lebenslauf?

Erst der Tod seines geliebten Onkels Valentin – einem erfolgreichen Schriftsteller – riss Nicolas aus seinem Alltagstrott. Als der Ich-Erzähler zugibt: „Er war einer der wenigen Menschen gewesen, in dessen Gegenwart ich nie das Gefühl hatte, meine Zeit zu verschwenden. Selbst wenn wir einfach nur dasaßen und nichts taten, außer uns etwas zu erzählen“ (Seite 77), beginnt seine Wandlung. Zu der Zeit dürfte er etwa im Alter des 1973 geborenen Autors Bas Kast sein. In der vom Onkel geerbten Villa irgendwo nahe eines Weinbaugebietes erinnert sich der Inhaber einer vom Vater geerbten pharmazeutischen Firma, die mit ihrem Methusalem-Projekt versucht, den Alterungsprozess des Menschen aufzuhalten, daran, dass der Onkel ihn immer ermutigt hatte, sein Leben nicht von anderen bestimmen zu lassen …

Dieses Buch ist meiner Meinung nach ideal für Menschen in der Lebensmitte: Wenn sich im Alter zwischen 40 und 50 Jahren die Frage auftut, ob das nun alles gewesen sein soll; wenn die Alltagsroutine das wahre Leben behindert und sich eine gewisse Lebensunzufriedenheit breit macht.

Im Traum begegnet Nicolas einer Figur aus den Romanen des Onkels, die ihm klar macht: „Wir haben das Gefühl, dass alles immer so weitergeht. Dass es gar kein Ende gibt. Bis es plötzlich ganz anders kommt und die Realität uns jäh wachrüttelt. Ein geliebter Mensch stirbt, und man erkennt, wie dünn jene Schicht namens Leben ist, auf der wir uns alle bewegen.“

Dieses Buch regt zum Nachdenken an, wie sich das Leben lebenswerter gestalten lässt, ohne es total auf den Kopf zu stellen. Es enthält für diejenigen, die schon etwas älter sind, keine neuen Erkenntnisse, passt aber in die momentan so häufig propagierte Entschleunigung des Lebens. Ich bin davon überzeugt, dass es Menschen in der Lebensmitte voll treffen kann.