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anushka

Bewertungen

Insgesamt 140 Bewertungen
Bewertung vom 26.10.2015
Auf der Flucht
Gawhary, Karim El-;Schwabeneder, Mathilde

Auf der Flucht


ausgezeichnet

Zwei Journalisten schildern in mehreren Reportagen verschiedene Aspekte der aktuellen Flüchtlingssituation. In den Kapiteln "Auf der Flucht aus Syrien" und "Auf der Flucht im Irak" werden zahlreiche Schicksale geschildert, die Umstände, unter denen die Menschen derzeit leben und die Gründe für ihre Flucht. Die Aufteilung in diese beiden Kapitel macht deutlich, dass in den beiden Ländern die Situation eine komplett unterschiedliche ist. Gefolgt werden diese beiden Kapitel von Abschnitten über die Überfahrt über das Mittelmeer, Schlepperbanden und die ehrenamtlichen und zufälligen Helfer vor der italienischen Küste. Abgerundet wird das Buch durch das Fallbeispiel eines kleinen österreichischen Ortes, der plötzlich Flüchtlinge aufnehmen muss und in dem die Bewohner zunächst nicht begeistert davon waren, sich dann jedoch der Situation stellen und Hilfe für die Flüchtlinge auf die Beine stellen. Zum Abschluss gibt es ein kurzes Nachwort, um den Leser mit dem Gelesenen nicht allein zu lassen.

Das vorliegende Buch greift eine hochaktuelle Thematik auf und kann gut dazu dienen, sich einen Eindruck davon zu machen, warum derzeit so große Flüchtlingsströme nach Europa drängen. Die beiden Autoren legen dabei einen ganz klaren Fokus auf die emotionale Komponente und das Leid der Menschen und können dadurch eine große Betroffenheit erzeugen und Mitgefühl wecken. Viele einzelne Personen kommen zu Wort (und werden auch auf Farbfotos dargestellt). Die Autoren stellen diese Schicksale schonungslos dar und haben nicht nur tragische, aber auch nicht nur glimpfliche Schicksale ausgewählt. Immer wieder muss man schwer schlucken. Beim Lesen kommt oft Dankbarkeit dafür auf, dass man als Lesender durch eine Laune der Natur in einem derzeit sicheren und wohlhabenden Land geboren wurde. Die Autoren klagen vor allem die mangelnde transnationale Unterstützung und zahllose Budgetkürzungen an, die die Situation für Leidende und Helfende immer weiter verschlechtern.

Mir persönlich haben die Reportagen von Mathilde Schwabeneder besser gefallen, da sie in den Kapiteln zur Flucht über das Mittelmeer, die Schlepperbanden und die ehrenamtlichen Helfer an Italiens Küste sehr strukturiert vorgeht und sehr viel Hintergrundinformationen liefert, die ich für ein umfassendes Verständnis genauso wichtig finde wie betroffen machende Einzelschicksale. Karim El-Gawhary dagegen gelingt es, die Distanz des Lesers durch direkte Fragen (bspw. "Was würden Sie in einen einzigen Fluchtkoffer packen?") zu verkürzen. Gerade im Abschluss fehlen mir ein paar weiterführende Sachinformationen wie Prognosen und weiterführende und konkretere Hilfeleistung für Personen, deren Hilfsbereitschaft durch dieses Buch möglicherweise geweckt wurde.

Insgesamt emfpand ich dieses Buch aber auch in seiner vorliegenden Form als wichtige Bereicherung für Laien in der aktuellen Debatte. Immer wieder habe ich daraus Punkte aufgegriffen und mit Familie und Bekannten diskutiert. Wer sich schwer vorstellen kann, warum die Menschen derzeit flüchten und eine riskante Fahrt über das Mittelmeer ihrem Herkunftsland vorziehen, sollte unbedingt dieses Buch lesen. Mich persönlich wird es noch lange beschäftigen und begleiten.

Bewertung vom 23.08.2015
Nachtland / Die Seiten der Welt Bd.2
Meyer, Kai

Nachtland / Die Seiten der Welt Bd.2


sehr gut

Furia Salamandra Faerfax befindet sich nun in ihrer Ausbildung zur Bibliomantin. Zusammen mit ihren Freunden gehört sie einem Widerstandsnest an, das die Adamitische Akademie und die drei Hohen Häuser auch weiterhin bekämpft. Doch ist die Akademie wirklich der größte Feind? Merkwürdige Dinge passieren und es scheint eine Bedrohung von einer ganz anderen Seite auszugehen. Während Furia und ihre Freunde dem nachgehen, decken Sie Geheimnisse auf, die alles erschüttern, was sie bisher für wahr gehalten haben.

"Nachtland" ist der zweite Band von "Die Seiten der Welt" und kann nicht unabhängig vom ersten Band gelesen werden. Es werden zwischendurch kaum Rekapitulationen der Ereignisse des ersten Teils geliefert, sondern nur die wirklich allernötigsten Informationen. Da man in diesem zweiten Band direkt in die Handlung geworfen wird, sollte man den ersten Band definitiv noch im Hinterkopf präsent haben. Ich hatte einige Schwierigkeiten, wieder in die Geschichte zu kommen, obwohl ich den ersten Band erst drei Wochen zuvor gelesen hatte.
Da der erste Band ja schon viele interessante Ideen und Elemente bot, war es nicht leicht, neue Aspekte anzubieten. Aber dies ist dem Autor sehr gut gelungen und die neuen Elemente fügten sich natürlich ein und wirkten nicht bemüht.
Handlungstechnisch geht es in diesem Buch allerdings etwas chaotisch zu. Die Geschichte ist sehr komplex. Wer den ersten Band kennt weiß, dass es unter anderem um veränderte Vergangenheiten geht, was an sich ja schon schwierig darzustellen und zu verstehen ist. Hinzu kommt eine Vielzahl an Figuren: alte Bekannte, aber auch neue Gesichter. Die Handlung spielt oft abwechselnd an verschiedenen Orten mit verschiedenen Figuren, sodass es mehrere parallele Handlungsstränge gibt. Auf den knapp 600 Seiten gibt es kaum eine Verschnaufpause oder ruhigere Phase, sondern sehr viel Action. Darunter leidet manchmal das Vorstellungsvermögen, weil man nicht verweilen oder sich die Zeit nehmen kann, um sich die Abläufe bildlich vorzustellen. Es wirkte manchmal wie ein sehr temporeicher Film. Mir war es zwischendrin etwas zu gewaltlastig, da auch die "Guten" in diesem Buch oft direkt zu physischen Angriffen übergehen anstatt subtilere, durchdachtere Lösungen zu suchen.

Insgesamt hat mir der erste Band besser gefallen, den ich sogar als Schatz in meinem Bücherregal betrachtet habe und der bei mir große Euphorie ausgelöst hatte. Der vorliegende zweite Band ist sehr komplex, temporeich und gehaltvoll. Es gab schöne neue Ideen und interessante Entwicklungen. Mir ist die Liebe zum Buch, die im ersten Band sehr deutlich spürbar war, allerdings etwas zu kurz gekommen. "Nachtland" ist um einiges düsterer. Ich kann die Begeisterung, die dieses Buch auslöst, sehr gut nachvollziehen, da es wirklich sehr actionreich ist und eigentlich keine Längen aufweist. Mir war das allerdings manchmal etwas zu viel und schwer durchschaubar. Trotzdem habe ich mich nie gelangweilt oder gequält, sondern durchaus unterhaltsame Lesestunden gehabt. Den dritten Teil werde ich auf jeden Fall auch noch lesen, da der Grundstein für den Fortgang der Geschichte bereits gelegt ist. Ich vergebe für dieses Buch gute vier Sterne.

Bewertung vom 24.09.2012
Geheime Tochter
Gowda, Shilpi Somaya

Geheime Tochter


ausgezeichnet

Einfühlsamer, kitschloser Roman mit gesellschaftskritischen Ansätzen

Indien, 1984: Kavita ist schwanger, darf das Baby aber nicht behalten, weil es ein Mädchen ist. Auch ihr zweites Kind wird ein Mädchen und Kavita gibt es in einem Waisenhaus in Mumbai ab. Es zerreißt ihr das Herz.
Zeitgleich stellt das Ärzte-Ehepaar Somer und Kris in den USA fest, dass sie keine leiblichen Kinder bekommen können. Sie entschließen sich, in Kris' Heimat Indien ein Kind zu adoptieren und das kleine Mädchen Asha mit in die USA zu nehmen. Doch es wird nicht leicht für die kleine Familie.

"Du weißt es erst, wenn es dir passiert. Es ist die stärkste Liebe, die man sich vorstellen kann." (S. 26)

Shilpi Gowda hat mit "Geheime Tochter" ein sehr berührendes Buch vorgelegt. Bereits in den ersten Kapiteln zeigt sie ein schier unglaubliches Maß an Einfühlungsvermögen. Sie kann sowohl Kavitas Situation und Kummer eindringlich darstellen, als auch Somers Verzweiflung darüber, keine Kinder haben zu können. Zumindest viele weibliche Leser dürften die ersten Kapitel zu Tränen rühren. Schonungslos stellt die Autorin kulturelle Ansichten einander gegenüber: Kavita gilt nichts, solange sie keinen Sohn bekommen kann während Somer beruflich erfolgreich sein kann, aber sich wiederum als Frau gescheitert fühlt, weil sie keine Kinder bekommen kann. Die Autorin greift viele heikle und immer noch sehr aktuelle gesellschaftliche Themen auf wie den Umgang mit weiblichen Föten und Neugeborenen in Indien, Lebens- und Arbeitsbedingungen, Integrationsprobleme und Probleme, die eine Adoption für eine Beziehung mit sich bringen kann. Die Kapitel wechseln zunächst immer zwischen Indien und den USA hin und her, was sich jedoch auch je nach Abschnitt des Buches ändert. Der Leser begleitet das Leben der beiden Familien und "sieht" die Kinder aufwachsen, wobei manchmal leider einige sehr große Zeitsprünge gemacht werden. So kann man diverse Entwicklungswege nicht immer genau nachvollziehen. Und während Asha in den USA immer tiefer in eine Identitätskrise rutscht, weil sie keinerlei Bezug zu Indien hat, versuchen Kavita und ihre Familie sich durch Landflucht ein besseres Leben aufzubauen. Man mag glauben, dass die Probleme der einen im Vergleich zur anderen nichtig sind, doch der Autorin gelingt es immer wieder, die seelischen Qualen anschaulich darzustellen. Im Vergleich zu vielen Sehnsuchtsromanen ist dieser komplex und tiefgründig. Er hat nichts von einem kitschigen Liebesroman und auch die Suche nach Ashas Wurzeln ist nicht übermäßig romantisiert.

Ich habe dieses Buch absolut genossen, mitgelitten und immer wieder Denkanstöße erhalten. Viele der Themen sind auch in den Massenmedien immer wieder aktuell. Indien wird weder beschönigt, noch verteufelt. Viele der Ursachen werden logisch nachvollziehbar dargestellt und man erlebt sowohl eine farbenfrohe Seite wie auch die ärgste Armut des Landes in diesem Buch. Der Leser begleitet zwei Familien in deren Kampf ums Überleben, die Familie und die Liebe. Die Autorin ermöglicht es, sich in die Figuren einzufühlen, auch wenn manche davon nicht immer sympathisch ist. Dies ist eines der besten Mainstream-Belletristik-Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Ich würde Vergleiche zu Zadie Smiths "Zähne zeigen" ziehen, das ich auch erst kürzlich gelesen habe. "Geheime Tochter" war sehr emotional, mitreißend und spannend. Ich bin gespannt, ob dieses Buch einen (verdienten) Platz auf den Bestseller-Listen findet.

Bewertung vom 29.07.2012
Das Herz einer Löwin
Scholes, Katherine

Das Herz einer Löwin


sehr gut

Herzerwärmender Schmöker

Die kleine Angel ist mit ihrer Mutter Laura in der tansanischen Wüste unterwegs, fernab von jeglicher Zivilisation. Da nimmt die Tragödie ihren Lauf, die damit endet, dass Angel plötzlich mitten in der Wüste auf sich allein gestellt ist.
Die Virologin Emma will mit ihrer Vergangenheit abschließen. Sie will auf ihrer Afrikareise nur einen kurzen Abstecher zur Fieber-Forschungsstation machen, in der ihre Mutter starb als sie gerade so alt war, wie Emma selbst jetzt. Doch dann begegnet sie dem Veterinär und Massai Daniel und macht sich mit ihm auf die Suche nach Angel.

Wenn man die Inhaltsangabe so liest, klingt sie sehr trivial und wenig kreativ. Und sicherlich gab es solche oder ähnliche Geschichte schon in zahlreichen Sehnsuchtsromanen. Aber so ganz gerecht wird dies dem Buch dann doch nicht. Zugegeben, die Wendungen in diesem Buch sind nicht immer sehr realistisch und auch die Protagonistin hat einiges an Nervpotential mit ihrem Selbstmitleid, und doch ist dieses Buch anrührend und herzerwärmend. Besonders wer Tiere mag - und Löwen im Besonderen - kommt hier auf seine Kosten. Ich will nicht zu viel verraten, aber wie der Titel schon sagt, spielen Löwen hier eine besondere Rolle und zwar nicht nur im metaphorischen Sinn. Handlungstechnisch hatte ich mehr erwartet, aber das Buch befasst sich überwiegend mit der Suche nach Angel. Dabei kommen sich Daniel und Emma näher, doch zum Glück steht dies nicht im Vordergrund. Zwischenzeitlich betreibt Emma etwas viel Innenschau und kommt dabei immer wieder zu den gleichen Schlüssen. Das ist nicht sehr subtil und wird dem Leser manchmal fasst mit dem Holzhammer vermittelt. Dagegen werden jedoch Landschaft und Menschen farbenprächtig beschrieben und die Mensch-Tier-Interaktion ist herzerwärmend. Beim Lesen entwickelt sich eine Art Magie und die angepriesene "Liebeserklärung an Afrika" wird förmlich spürbar. Als Urlaubs- oder Sommerschmöker ist dieses Buch absolut geeignet und weckt das Fernweh. Zum Schluss bleibt man mit der festen Überzeugung zurück, dass diese Erde mehr als schützenswert ist und die Tiere sichere Territorien verdienen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.07.2012
Sieben Tage ohne / Dienstagsfrauen Bd.2
Peetz, Monika

Sieben Tage ohne / Dienstagsfrauen Bd.2


gut

"Sex and the City" im Altmühltal

Die Dienstagsfrauen verreisen gemeinsam. Allerdings wird dies kein Spaß- oder Erholungsurlaub, sondern die fünf ungleichen Freundinnen machen eine knallharte Fasten- und Entschlackungskur auf der Burg Achenkirch im Altmühltal. Aber das ist noch nicht alles. Einige der Frauen haben eine ganz eigene Agenda. Da ist zum einen Eva, die sich Hinweise auf ihren leiblichen Vater erhofft, Caroline, die ihren Freunden etwas gestehen muss, Kiki, die mit allen Kräften um Job und Beziehung kämpft und Judith, die plötzlich neue Seiten an sich entdeckt. Einzig Estelle scheint kein emotionales Gepäck dabei zu haben ...

... und diese Estelle sorgt beim Lesen für den Ausgleich, da sie sarkastisch und teilweise urkomisch kommentiert, was um sie herum passiert und als einzige nicht von ihren eigenen Problemen vereinnahmt wird, sondern tatsächlich die Zeit mit den Freundinnen zu genießen scheint. Bei allen anderen scheint diese gemeinsame Zeit zu kurz zu kommen, weil alle mit sich selbst beschäftigt sind und es nicht schaffen, sich für sieben Tage davon zu lösen. Und obwohl zum Fasten eigentlich auch das Entschleunigen gehören soll, halten die Frauen trotzdem ständig den Kontakt zur Außenwelt. An diesem Punkt kam mir das Buch sehr inkonsequent vor. Denn gerade dieser Konflikt zwischen Entschleunigung und ständiger Erreichbarkeit hätte so viel Stoff für die Geschichte liefern können. Neben ein paar Erläuterungen über das Heilfasten geht es aber vor allem darum, Evas Vater zu finden, sodass man es zum Schluss hin sogar mit fünf Amateurdetektivinnen zu tun bekommt. Für einen Zeitraum von sieben Tagen bietet die Handlung extrem und unrealistisch viel "Action", während vorher viel Zeit vergeht ohne dass bahnbrechende Dinge passieren.
Zudem waren die Frauen recht stereotyp gezeichnet, sodass sie wirklich ungleich waren, ich mich aber fragte, wie sie sich überhaupt kennengelernt und angefreundet haben. Möglicherweise wird das jedoch im Vorgängerbuch "Die Dienstagsfrauen" thematisiert, das ich nicht gelesen habe. Estelle ist die reiche Apothekersgattin, die eine Wohltätigkeitsveranstaltung organisiert. Eva ist Ärztin, die sich zuhause mit 4 Kindern und einer dominanten Mutter herumschlägt. Caroline ist eine kinderlose Strafverteidigerin, die von ihrem Mann betrogen und verlassen wurde. Judith war einer der Seitensprünge von Carolines Mann und wird permanent von einem schlechten Gewissen geplagt. Außerdem ist sie die einzige erfolglose Single-Frau in dieser Runde. Kiki hat ein kleines Baby mit einem wesentlich jüngeren Mann, der blöderweise auch noch der Sohn ihres Ex-Chefs ist. So bietet die Autorin eigentlich jeder Leserin eine Figur an, mit der man sich identifizieren kann. Zunächst bleiben alle jedoch recht blass und eindimensional. Stück für Stück werden sie dann lebensechter. Die Handlung ist jedoch wenig innovativ und der Fokus liegt klar auf Eva und Caroline und deren Problemen. Leider sind die Perspektivenwechsel auch nicht ganz konsequent und die Erzählperspektive springt immer wieder mitten in den Kapiteln hin und her.

Alles in allem hat mich dieses Buch stark an das Schema von "Sex and the City" erinnert. Fünf unterschiedliche Frauen mit ihren eigenen Problemen, die nun sieben Tage aufeinander hocken und durch eine Fastenkur etwas enthemmter sind. Die Handlung ist schon tausendmal dagewesen und bietet im Wesentlichen nichts neues. Das Buch ist locker und leicht geschrieben und lässt sich in kurzer Zeit weglesen. So sorgt es für einige Stunden Leseunterhaltung, nach der man direkt zum nächsten Buch greift ohne zurückzublicken.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Der Trakt
Strobel, Arno

Der Trakt


ausgezeichnet

Sibylle ist nachts in einem Park überfallen worden und hat dabei - so klischeehaft es klingt - einen Schlag auf den Kopf bekommen. Nun wacht sie zwei Monate später im Krankenhaus auf. In einem Raum ohne Fenster und ohne Beeper. Der Arzt weicht ihren Fragen aus und legt eine Art an den Tag wie "ein Psychiater mit seiner Patientin". Als er zudem leugnet, dass Sibylle einen Sohn hat, reißt ihr der Geduldsfaden. Doch die Merkwürdigkeiten enden nicht: keine Klinke, kein Lichtschalter, eingesperrt ... Sibylle gelingt die Flucht und sie muss feststellen, dass man sie in einem Keller festgehalten hat. Sie sucht die Personen aus ihrem Leben auf an die sie sich erinnert, doch alle behaupten, sie nicht zu kennen bzw. dass sie nicht Sibylle sei. Aber vor allem: dass Sibylle niemals ein Kind hatte. Sibylle ist verzweifelt und weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Sie flüchtet vor der Polizei, die ihr ebenfalls nicht glauben und macht sich allein auf die Suche nach Antworten.

Die ersten Kapitel dieses Buches ließen die Panik von Sibylle wirken, als könnte man sie fast anfassen. Sprachlich weniger flach als viele andere Thriller, konnte mich der Schreibstil des Autors überzeugen. Auch wenn ich den Namen Sibylle nun nicht unbedingt poetisch finde, soll er vielleicht gerade das Allerweltliche transportieren, damit sich Leser leichter hineinversetzen können. Und das ist mir aufgrund des Schreibstils und der Ich-Perspektive sehr gut gelungen. Als Leser ist man überzeugt von Sibylles Sicht auf die Dinge und hält ihr Wissen für unumstößliche Fakten. Zwischendurch wechselt die Perspektive in die dritte Person, sodass man Sibylle zudem durch die Augen eines Dritten beobachtet, der für einen mysteriösen Doktor arbeitet. Auch wenn ich auf ca. Seite 120 heraus hatte, was passiert war, konnte ich das Buch die ganze Zeit vor Spannung kaum weglegen und war erstaunt, dass ich es schließlich so schnell durch hatte. Die Spannung ging trotz meines Verdachtes nicht verloren, da mir das Wie und Warum bis zum Ende nicht klar waren. Die Auflösung fand ich zudem dann auch glaubhaft und darüber hinaus sehr interessant. Was mich nur wundert ist, dass die Bösewichte zum Ende hin immer so redselig werden ...
Insgesamt finde ich es berechtigt, Strobels Buch mit den Büchern von Sebastian Fitzek zu vergleichen. Und Fitzek-Fans würde ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen. Mich freut zudem, dass es den deutschen Thriller-Autoren scheinbar gelungen ist, diesem Genre eine eigene Richtung zu geben. Im Vergleich zu amerikanischen Psychthrillern, gibt es weder jede Menge Leichen noch literweise Blut. Stattdessen geht es um psychologische Spannung, das Spiel mit Wahnsinn und Normalität und den Einfluss auf die Gedankenwelt. Das finde ich eine sehr positive Entwicklung, die dem Leser sehr gute, deutsche Psychothriller beschert, die sich längst nicht mehr verstecken brauchen. Ich bin schlichtweg von diesem Buch begeistert und lege es allen Fans von Fitzek-Büchern ans Herz. Auch den anderen Lesern würde ich einen Blick hinein auf jeden Fall empfehlen.

5 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Biosphere
Fahy, Warren

Biosphere


sehr gut

In den USA gibt es eine neue Reality Show: SeaLife. Eine Gruppe aus Schauspielern und Wissenschaftlern kreuzt im Ozean und besucht verschiedene Inseln. Nach einer Flaute, die der Show schlechte Quoten beschert, empfängt das Schiff ein Notsignal von einem vermissten Boot in der Nähe einer bislang unerforschten Insel. Die Wissenschaftler und Schauspieler gehen nichtsahnend an Land ... doch nur zwei von ihnen überleben die Begegnung mit noch nie gekannten, aggressiven Arten auf sechs Beinen. Diese letzte Episode der Show ruft die U.S. Marine und den Präsidenten auf den Plan, die Militär und Wissenschaftler auf die Insel schicken, um die Lage zu sondieren. Dabei finden die Wissenschaftler heraus, das es sich bei dieser Insel um eine Evolutionsnische handelt, auf der sich seit Millionen von Jahren ganz andere Arten entwickeln konnten. Doch was bedeutet das für das Festland? Was würde passieren, wenn diese Arten die Insel verlassen würden?

Wider Erwarten hat mir dieses Buch ziemlich gut gefallen. Auf ein paar Schwächen muss man allerdings eingehen und diese lassen keine volle Punktzahl zu. Aber unterhalten wurde ich gut und kurzweilig. Das Buch beginnt mit einer fiktiven wissenschaftlichen Einleitung, die doch sehr gut recherchiert scheint. Darin geht es darum, wie heimische Arten sich schon immer gegen Invasoren, die überwiegend von Menschen eingeschleppt wurden, verteidigen mussten. Hier wird die Frage gestellt, was wäre, wenn Arten fähig wären, sich gegen Fremdlinge zu wehren. Dies ist ein guter und spannender Ausgangspunkt für die darauf folgende Geschichte. Allerdings ist es mir schwer gefallen, mir die Lebewesen direkt vorzustellen. Ihre Beschreibung, aber auch die Zeichnungen im Anhang, wirken doch sehr Sci-Fi- oder Alien-mäßig und dadurch für mich nicht immer realistisch. Andererseits gab es zu Zeiten der Saurier auch einige merkwürdige Spezies, die ich wahrscheinlich nie geglaubt hätte, wenn es nicht Fossilien davon gäbe. Auf jeden Fall aber weist das Buch ein unglaublich hohes, geradezu rasantes Tempo und sehr viel Spannung auf. Der Autor ist nicht zimperlich mit Splatterszenen und dem Tod von Charakteren, die man eigentlich für zentral gehalten hatte. Für die Menschen ist es ein einziger Wettlauf gegen die Zeit und die unbekannten Wesen wirken unbesiegbar überlegen. Mir haben tatsächlich des öfteren die Nackenhaare hochgestanden und ich glaubte, verwesenden Atem im Nacken zu spüren.

Zu den Kritikpunkten: meiner Meinung nach dozieren die wissenschaftlichen Charaktere zu viel und zu irrelevant. Ich hatte das Gefühl, dass der Autor selbst ein paar kontroverse Hypothesen hat, die er einfach noch mit unterbringen wollte, die aber letztlich keinen Mehrwert für die Geschichte haben, wie beispielsweise Binswangers Polterabende. Zudem belehren sie auch ihre wissenschaftlichen Kollegen zu stark, die ja eigentlich - um als Experten ausgewählt worden zu sein - auf dem gleichen wissenschaftlichen Level sein sollten. Dass der Autor hier auf Zwang noch mehr wissenschaftliche Erläuterungen unterbringen wollte, begreift der Leser mit der Holzhammer-Methode. Des weiteren wird sehr deutlich, aus welcher Stadt der Autor stammt: Hollywood. Die Story gleicht manchmal sehr einem solchen Film und auch die Zutat "skrupelloser Wissenschaftler, der alles für die Aufrechterhaltung seiner Theorie tut" deutet in diese Richtung. Genauso wie der hohe Splatter- und Spannungsfaktor.

Abschließend kann ich aber sagen, dass ich von diesem Buch positiv überrascht war. Statt Monstergeschichte ist dieses Buch doch eher ein manchmal mehr, manchmal weniger gut durchdachter Wissenschaftsthriller. Das fiktive wissenschaftliche Vorwort sowie die fiktiven Anhänge aus wissenschaftlichen Publikationen fördern den positiven Eindruck. Ich habe mit diesem Buch einige spannende und atemlose Lesestunden verbracht und bereue es nicht.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.