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Benutzername: 
haberlei
Wohnort: 
Wien
Über mich: 
Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 284 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2024
Hingerichtet
Manz, Eric

Hingerichtet


sehr gut

Aliens und irdische Morde

„Hingerichtet“ ist der zweite Fall, den Major Höfer gemeinsam mit Abteilungsinspektor Kerbl zu lösen hat.

Das Cover wirkt düster. Das schäbige Haus vermittelt einen einsamen, etwas unheimlichen Eindruck, passt aber nicht ganz zum Klappentext, wo die Tote in einem Wald vor einem Marienbild gefunden wird. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart, in Mödling bei Wien. Die Kapitel sind kurz gehalten, ohne Orts- oder Zeitangaben. Genremäßig ordne ich den Krimi als Cosy-Krimi ein, ohne grausige Details, mit etwas Lokalkolorit. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich typisch österreichisch gefärbt, mit amüsanten Dialogen. Der Fall ist in sich abgeschlossen, Kenntnis des Vorgängerbandes ist nicht erforderlich.

Man ist sofort mitten im Geschehen, mitten in den Ermittlungen, lernt den überschaubaren Personenkreis kennen. Es ist ein typischer Whodunit-Krimi, die Spannung generiert sich aus der Mördersuche. Die in die Handlung hineinspielenden Verschwörungstheorien lassen einen schmunzeln, die Recherchen gehen nur langsam voran. Es ist ein ruhiger Krimi, ohne Action oder gefährliche Situationen, aufgrund diverser Alltagssituationen eher unterhaltsam. Das Motiv für die Morde bleibt lange im Dunkeln, verwirrende Hinweise auf eine alte Legende sind schwierig zu deuten und im Umkreis der Opfer kaum Verdächtige auszumachen. Bis eine Zeugenaussage den Stein ins Rollen bringt und der Täter überführt werden kann.

Bevölkert wird der Krimi von durchwegs sympathischen Menschen, gut vorstellbar beschrieben, auch mit gut dosiertem privaten Umfeld. Major Höfer wirkt gegenüber Abt.Insp. Kerbl aktiver und dominanter, unduldsamer und cholerischer, ist eher die treibende Kraft. Kerbl ist ruhiger, überlegter und geduldiger, meist auch höflicher. Sehr liebenswert sind die beiden alten Damen, die Höfer und Kerbl mit eigenen Nachforschungen und Hinweisen unterstützen. Die Stimmung ist generell positiv, selbst bei den Versammlungen der Aluhutträger spürt man kaum negativen Schwingungen, auch wenn man sich an den ernsthaften Hintergrund zu Coronazeiten sehr wohl erinnert.

„Hingerichtet“ hat mir amüsante und spannende Lesestunden beschert und Lust auf weitere Fälle mit diesem Ermittler-Duo gemacht.

Bewertung vom 19.01.2024
Aufs Meer hinaus
Enger, Cecilie

Aufs Meer hinaus


sehr gut

Die ersten Reederinnen Norwegens

Cecilie Engers Roman „Aufs Meer hinaus“ beschreibt das Leben und das Schaffen von zwei außergewöhnlichen Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Reederinnen Norwegens waren – von Hanna Brummenaes (1860-1942) und Bertha Torgersen (1864-1954).

Das Cover, ein Werk der Fotografin Mary Wethey, mit den beiden Frauen, die entlang der norwegischen Küste entlang spazieren, ist ansprechend, gibt jedoch ein malerischeres Bild ab, als deren Leben und Alltag tatsächlich war. Zudem sehen vor meinem geistigen Auge (gemäß der Beschreibung der Autorin) die beiden Frauen, insbesondere Hanna, nicht so aus.

Das Buch erschien in Originalausgabe 2021 unter dem Titel „Det hvite kartet“, was übersetzt eigentlich „Die weiße Karte“ bedeutet. Aus dem Norwegischen übersetzt wurde die Geschichte von Gabriele Haefs. Im Nachhang des Buches gibt es zwar ein Quellenverzeichnis, jedoch leider keine näheren Informationen hinsichtlich Fiktion und Fakten. Dass die Zeit der Reedertätigkeit historisch belegt ist, konnte ich nachvollziehen, doch hätte es mich interessiert, ob Berthas frühe Jahre und ihre Gedanken und Erlebnisse rein der Fantasie der Autorin entsprangen oder ob es dazu Aufzeichnungen, z.B. ein Tagebuch, gab.

Der Roman gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil, der die Zeit zwischen 1873 – 1890 umfasst, wird, in der Kindheit Berthas beginnend, ihre Lehrzeit, die beginnende Freundschaft mit Hanna bis zur gemeinsamen Führung eines Ladens, erzählt. Der zweite Teil von 1909 – 1919 schildert den Aufstieg der beiden zu vermögenden Reederinnen, auch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs, der dritte Teil gibt nur einen kurzen Einblick auf die Jahre 1941 – 1945, als bedingt durch den Verlust auch der letzten Schiffe im Zweiten Weltkrieg und den Tod Hannas die Reederei Brummenaes & Torgersen aufhörte zu existieren.

Der Schreibstil liest sich flüssig, der Zeitgeist und die Lebensverhältnisse werden anschaulich wiedergegeben – die Atmosphäre rund um das Kupferbergwerk, die ärmlichen Verhältnisse, das einfache Leben, die harte Arbeit, ebenso wie das damalige Frauenbild, die leisen Anfänge von Emanzipation, aber auch das Tabu von gleichgeschlechtlicher Liebe, die ja auch Bertha und Hanna miteinander verbindet.

Erzählt wird aus Berthas Sicht, allerdings nicht in Ich-Form. Dadurch entsteht eine gewisse Distanziertheit, es springen keine intensiven Gefühle auf den Leser über. Weder Trauer, noch Zuneigung, es fehlt an Tiefe der Empfindungen, es wirkt alles stets zu beherrscht. Dabei empfand ich Bertha noch als empathischer als Hanna, die sowohl durch ihre männlich-selbstbewusste Ausstrahlung als auch durch ihre Geschäftstüchtigkeit unnahbar und hart erscheint. Sie ist ein Workaholic, sehr leistungsbetont und fordert von den anderen denselben Einsatz. Obwohl die beiden ihre sexuelle Ausrichtung ihr Leben lang verbergen müssen, zeigt sich Hanna dennoch in fast leichtsinniger Art und Weise stets betont männlich was Kleidungsstil und Auftreten anbelangt.

Die Handlung zeigt kaum Höhen und Tiefen, selbst tragische Ereignisse werden ohne Dramatik geschildert, ohne aufwühlende Gefühle. Es gibt keine Spannungsmomente, wodurch die Lektüre zwar nicht langweilig wird, aber einen auch nicht wirklich packt. Es ist mir nicht wirklich gelungen, mich in die Protagonistinnen hineinzuversetzen. Es ist eine interessante Geschichte, wissenserweiternd, aber sie hält nicht ganz, was man vielleicht vom Klappentext, der da lautet: „… der Wunsch nach Freiheit und die Sehnsucht nach der Weite des Meeres eint sie …“, her erwartet hat, nämlich dass die beiden per Schiff Abenteuer erleben, etwas von der Welt sehen. Was aber letztlich nicht der Fall war. Sie haben als Frauen in einer Zeit, wo das Unternehmertum männlich orientiert war, etwas Besonderes erreicht, wurden wohlhabend und anerkannt, aber aufgrund gesellschaftlicher Zwänge konnten sie nie wirklich frei leben.

Ich fand das Buch historisch interessant und auch lesenswert, nur leider hat es meine Erwartungen nicht wirklich erfüllt.

Bewertung vom 19.01.2024
Mord auf Tour
Winger, Luc

Mord auf Tour


ausgezeichnet

Reise ins Ich mit einer Prise Mord

„Mord auf Tour – Neue Horizonte“ von Luc Winger ist bereits der 21. Band der Cosy-Krimi-Reihe mit der Kommissarin Lucie Girard im Mittelpunkt.

Nicht nur der Klappentext, auch das Cover macht klar: dies ist keiner der üblichen St. Tropez-Krimis. Kein südfranzösisches Flair, sondern amerikanisches Ambiente ist zu erwarten. Dennoch, Lucie und Patric sind Franzosen, somit gibt es nach wie vor im Text sowohl eingestreute französische Begriffe als auch englischsprachige. Die Reiseroute quer durch Amerika bringt nicht nur anschauliche Landschaftsbilder, von einsamen, schnurgeraden Highways, eindrucksvollen Felsenformationen, sowie von Metropolen mit Menschenmassen und vom Vergnügungszentrum Las Vegas, sondern man gewinnt Einblicke in den American Style of Life – vom Luxushotel über Campingplätze bis zu ärmlichen Verhältnissen, inklusive Begegnungen mit Menschen aus den verschiedensten Schichten.

Der Schreibstil ist flüssig, die kurzen Kapitel sind mit Orts- und einigen Zeitangaben versehen. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt im Jahr 1979. Ich kenne fast alle Bände der Serie und verfolge nicht nur die Fälle, sondern auch die charakterliche Entwicklung der Protagonisten seit Beginn. Im Prinzip ist der Roman ohne Kenntnis der Vorgängerbände problemlos lesbar und der Personenkreis ist überschaubar. Für Kenner der Reihe fügt sich diese Geschichte sinnvoll und verständlich ein, ebnet den Weg für Fortsetzungen und formt Lucies Persönlichkeit. Für Quereinsteiger, die sich primär eine Krimihandlung erwarten, sind vermutlich der Reisebericht und die familiären Passagen zu dominant und die Spannungsmomente zu spärlich.

Der (wenn auch kurze) Krimipart ist durchaus spannend und bringt Action seitens der amerikanischen Exekutive ins Spiel. Ich fand auch die Idee des Autors, wie er in die Reise einen Kriminalfall eingebaut hat und somit Lucie Möglichkeit zum Ermitteln bot, ausgezeichnet. Man darf sich nur keine 0815 Mördersuche erwarten, mit verschiedenen Verdächtigen, in die Irre leitenden Spuren und Miträtseln, aber Grund zum Mitfiebern gibt es.

Der Schwerpunkt des Romans liegt eindeutig auf der Selbstfindung der Protagonisten, auf deren Erkenntnis, dass sie sich doch in ihrer Heimat Frankreich, an der Côte d’Azur, am wohlsten fühlen, dass die Freiheit nicht in der weiten Welt sondern in der eigenen Einstellung zu finden ist, und last but not least, wie ihre Zukunft werden soll. Diese charakterliche Wandlung ist gut nachvollziehbar dargestellt. Durch das enge Zusammenleben und das gemeinsame Bewältigen von Schwierigkeiten, die auf einer solchen abenteuerlichen Reise unweigerlich auftreten, lernt das Paar Wesenszüge und Eigenschaften des Partners kennen, die im stressigen Arbeitsalltag nie auffielen. Sie lernen nicht nur ihre Heimat schätzen, sondern auch einander. Letztlich stärkt die Reise ihre Beziehung.

Dieser Band war zwar nicht so prickelnd wie frühere Bände, hat mir dennoch gut gefallen, vom Stil her, von den Einblicken in die Psyche der Protagonisten, ebenso vom vermittelten USA-Feeling. Als langjähriger Lucie-Fan hat mich ihr Abenteuer wiederum gefangen genommen und mir ebenso entspannende wie auch spannende Lesestunden geschenkt. „Mord auf Tour“ bot somit einen vielversprechenden Übergang zu zukünftigen, sicher wieder von der ersten bis zur letzten Seite fesselnden Mordfällen. Darauf freue ich mich schon jetzt!

Bewertung vom 16.01.2024
Am tiefsten Punkt der Schuld
Knospe, Bernd Richard

Am tiefsten Punkt der Schuld


ausgezeichnet

Schuldig oder doch nicht?

„Am tiefsten Punkt der Schuld“ von Bernd Richard Knospe ist bereits der dritte Band der Eric Teubner-Reihe, der sich wiederum als ein packender Kriminalroman mit einer komplexen Handlung entpuppte.

Worum geht es?
Kurz zusammengefasst geht es um die Frage, ob Angelika Wiechert, die vor Jahren ihre Söhne getötet haben soll, unschuldig im Gefängnis sitzt. Als sie ein Wiederaufnahmeverfahren anstrebt, löst dies eine Mordserie aus, die die neue Leiterin der Mordkommission und ihr Team fordert. Zur selben Zeit versucht ein Hamburger Millionär, mit Hilfe eines Spezialisten, seine Tochter aus dem Drogenmilieu zu retten. Und Eric Teubler sollte eigentlich ein Drehbuch schreiben, doch da wird ein altes Projekt auf einmal wieder sehr aktuell. Geschichten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben …

Das Cover, etwas unscharf und düster gehalten, zeigt eine Person mit zwei Kindern, stellt somit die Verbindung zur Hauptthematik her, doch mit dem blutroten, großgedruckten Wort „Schuld“ wird das Augenmerk auf jenen Punkt gelenkt, worum es geht: um eine große Schuld, die jemand auf sich geladen hat. Aber wer?

Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart und basiert (nur von der Grundidee her) auf zwei wahren Fällen. Unterteilt ist der Roman in 23 Kapitel mit Überschriften, ohne Orts- oder Zeitangaben. Positiv anmerken möchte ich, dass es keine leeren und halbleeren Seiten am Ende von Kapiteln gibt. Es sind also tatsächlich rund 550 Seiten Lesestoff!
Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und packend durch stetige Wechsel zwischen den verschiedenen Handlungssträngen, wobei die Abschnitte meist mit Cliffhangern enden und zum Weiterlesen antreiben. Die Handlung ist vielschichtig, anspruchsvoll, abwechslungs- und temporeich konzipiert. Es ist eindeutig keine Lektüre für zwischendurch, man sollte das Buch möglichst kontinuierlich und konzentriert lesen. Die Spannung hält sich stets auf hohem Niveau, obwohl es nicht allzu viele Actionszenen gibt. Es sind die zahlreichen Fragezeichen, Geheimnisse und Ungewissheiten, die die Handlung würzen.

Die Handlung knüpft an und für sich an den Vorgängerband an, doch ist der Roman auch ohne dessen Kenntnis problemlos verständlich, weil sowohl die Protagonisten ausgiebig vorgestellt werden, als auch deren Vorleben soweit erforderlich beschrieben wird. Die diversen Handlungsstränge bauen sich langsam auf, zunächst völlig unabhängig voneinander – zum Kennenlernen der Protagonisten und dem Hineinfinden in die jeweilige Lebenssituation. Erst so nach und nach offenbaren sich Verbindungen, die sich gegen Ende immer mehr verdichten, bis die Fäden schließlich zusammenlaufen, und die Story in einer überraschenden Lösung mündet. Und sich vieles zum Guten wendet. Der Fall ist abgeschlossen, doch was das Schicksal der Protagonisten anbelangt, so bleibt einiges offen – Fortsetzung folgt.

Generell liegt der Schwerpunkt auf der facettenreichen Ausarbeitung der Charaktere. Alle wirken authentisch, lebendig, haben Ecken und Kanten und eine Menge Eigenheiten und Laster – sind drogen- oder alkoholabhängig, eigenbrötlerisch, eigensinnig, karrieregeil, manipulierend, egozentrisch, aber auch kreativ, verantwortungsbewusst und tüchtig. Es ist ein Kriminalroman, wobei die Betonung auf Roman liegt, auf der Schilderung menschlicher Wesenszüge, Gedanken, Gefühle, Stärken und Schwächen, dem Verständlichmachen ihrer Handlungen, ihrer Beziehungen zueinander, auch wenn ein Kriminalfall die Basis bildet und im Laufe der Geschehnisse noch weitere Menschen ihr Leben lassen müssen.

Mir hat „Am tiefsten Punkt der Schuld“ bildlich gesprochen „an den Lehnstuhl fesselnde“ Lesestunden beschert, spannungsreich, mit Einblick in die Psyche von fiktiven Menschen, die mir im Laufe der Lektüre so vertraut wurden, dass ich das Buch letztlich mit Bedauern schloss. Aber mit Vorfreude auf den nächsten Band.

Eine unbedingte Leseempfehlung – am besten mit Band 1 beginnen! 5 Sterne sowieso.

Bewertung vom 13.01.2024
Overkill - Der Puppenspieler
Korten, Astrid

Overkill - Der Puppenspieler


ausgezeichnet

Eine Mörderjagd voller Irrungen und Wirrungen

„Overkill – Der Puppenspieler“ von Astrid Korten ist der vierte Band der Reihe mit Hauptkommissarin Mo Celta als Protagonistin.

Klappentext:
Hauptkommissarin Mo Celta kehrt traumatisiert aus der Ukraine zurück und lässt sich für einige Monate vom Dienst beurlauben. Doch als eine junge Frau ermordet im Auwald aufgefunden wird, erinnert der Fall Mo an die Opfer des Puppenspielers. Und an Viktoria Wittensee, die Frau des Münchener Anwalts Alexander Wittensee, die seit drei Jahren verschwunden ist und dem Opfer ähnlich sieht. Gemeinsam mit Thomas Berger, ihrem Kollegen von der Vermisstenstelle Letzte Spur, ermittelt Mo auf eigene Faust und kommt einem ungeheuerlichen Verbrechen auf die Spur. Geprägt von den Horrorszenarien ist sie fest entschlossen, den Täter zu fassen, notfalls mit Gewalt.

Das Cover mit dem aus dem Dunkeln heraus leuchtenden Clowngesicht ist ein Eyecatcher. In mir weckte das an uns für sich putzige Gesichtchen widersprüchliche Gefühle, vor allem wirkt das zweite im Hintergrund lauernde Gesicht bedrohlich, stimmig für einen Thriller. Das Buch erschien 2023. Es gliedert sich in zehn Teile, die mit Zitaten aus „Alice im Wunderland“ betitelt sind, die stets einen Bezug zur Handlung haben. Die Kapitel sind extrem kurz (80 bei rd. 310 Seiten), was einen - abgesehen von der sowieso spannenden Handlung und dem flüssigen Schreibstil - zum stetigen Weiterlesen animiert.

Auch dieser Band ist problemlos ohne Vorkenntnisse lesbar, doch gewisse Hinweise auf frühere Fälle, mit denen Mo Celta befasst war, bzw. auf jene Erlebnisse, die sie geprägt und traumatisiert haben, wecken – soferne man sie noch nicht kennt - Neugier auf die Vorgängerbände.

Das Thema „Alice im Wunderland“ zieht sich durch das gesamte Buch. Möglicherweise entgingen mir manche Feinheiten dadurch, dass ich das Kinderbuch nie gelesen habe.

Die Handlung spielt in der Gegenwart und schließt fast nahtlos an Band drei an. Man ist sofort mitten im Geschehen. Im Prinzip verfolgt man zwei Handlungsstränge – einerseits Alexander Wittensees Suche nach seiner verschwundenen Frau und andererseits Mo Celtas Jagd nach dem Mörder, den sogenannten Puppenspieler. Die Autorin wählte für Alexanders Linie die Erzählform, bei Mo die Ich-Form, wodurch man Alexander etwas distanzierter erlebt, während Mos Gedanken, Albträume und Ängste besonders eindrucksvoll zutage treten. Die beiden Handlungsstränge laufen quasi parallel, die beiden Protagonisten agieren unabhängig voneinander, eigentlich als Gegner, sehen den Fall jeweils von einer ganz anderen Perspektive aus und tragen letztlich jeder auf seine Weise zur Lösung des Falles bzw. zur Unschädlichmachung des Drahtziehers bei.

Das Spannungsniveau lässt nie nach, sondern steigert sich zunehmend. Dazu tragen nicht nur die kurzen Kapitel und die stetigen Perspektivenwechsel sowie Cliffhanger bei, sondern auch unerwartete Wendungen und die Tatsache, dass man bis zum überraschenden Schluss nicht durchschaut, was für ein fieser Plan dahintersteckt, wer hier Täter oder Opfer ist. Zudem mangelt es nicht an Action und lebensgefährlichen Situationen, auch nicht an Gänsehautmomenten, Brutalität, Grausamkeit und Leichen.

Die Charaktere sind gut vorstellbar gezeichnet, auch jene von Nebenfiguren. Im Mittelpunkt steht Mo Celta, die traumatisiert aus der Ukraine heimkam. Sie hat Fürchterliches erlebt, leidet unter Albträumen, neigt zu Aggressivität, handelt meist zu impulsiv, sie kämpft gegen die inneren Dämonen. Sie ist stur, hartnäckig, schlagkräftig und hart im Nehmen, wirkt wenig weiblich. Im Inneren sehnt sie sich jedoch nach Wärme und Geborgenheit, was sich zeigt, als sie sich verliebt. Wird die Liebesbeziehung eine Wesensänderung in ihr bewirken können – ein interessanter Aspekt im Hinblick auf die Fortsetzung dieser Reihe.

„Overkill – Der Puppenspieler“ ist ein packender Thriller voller Täuschungen und Irreführungen, eine Lektüre, die man kaum aus der Hand legen möchte.

Eine unbedingte Leseempfehlung und selbstverständlich 5 Sterne!

Bewertung vom 13.01.2024
TV-Tod
Wieland, Roswitha

TV-Tod


sehr gut

Ein Mörder führt Regie

„TV-Tod“ ist Roswitha Wielands Debut-Roman, spannend, mit einem Blick hinter die Kulissen einer TV-Anstalt.

Worum geht es?
Beim Finale von Dancing VIPs fängt das Kleid einer Tänzerin Feuer – sie erleidet vor laufender Kamera tödliche Verbrennungen. Die polizeilichen Ermittlungen ergeben, dass das kein Unfall sondern ein Mordanschlag war. Die Konkurrentin, die Profitänzerin Lara Klein gerät in Verdacht. Und es bleibt nicht bei einem Opfer.

Das Cover ist farblich ein Eye-Catcher und das vor einer Kamera tanzende Paar stellt den inhaltlichen Bezug her. Der Roman erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart in Wien, was einerseits sprachlich erkennbar ist, andererseits auch vom Umfeld. Die Geschehnisse erstrecken sich über einen Zeitraum von sechs Tagen. Demgemäß ist das Buch pro Tag in sechs Abschnitte gegliedert. Der Schreibstil ist flüssig. Durch die stetigen Perspektivenwechsel zwischen dem Geschehen im TV-Sender, den Protagonisten Lara Klein, dem Journalisten Alexander Artner und dem geheimnisvollen Mörder, der im Hintergrund bereits den nächsten Anschlag plant, ist die Handlung abwechslungs- und temporeich und die Spannung hält stets ein hohes Niveau. So packend, dass ich das Buch fast in einem Zug ausgelesen habe.

Obwohl von Anfang an klar ist, dass es ein Insider sein muss und auch einige sich ziemlich verdächtig benehmen, tappt man als LeserIn (wie die Polizei) bis zum dramatischen, sehr überraschenden Finale im Dunkeln. Der Hergang der Taten und die Motivation des Täters sind letztlich nachvollziehbar, aber hinterfragt man Details, so bleibt manches unklar – da muss man sich dann vor Augen halten, dass es sich um einen Debutroman handelt.

Die beiden Protagonisten Lara und Alexander sind sympathische, beruflich kompetente Menschen, durch deren Liebesbeziehung auch etwas Romantik in die Handlung kommt. Generell sind die Charaktere, auch von Nebenfiguren, gut vorstellbar gezeichnet, ebenso das Flair hinten den Kulissen eines Fernsehstudios. Man merkt deutlich, dass die Geschichte von einer Insiderin verfasst wurde, die sowohl vom Tanzen etwas versteht, als auch solche TV-Sendungen als Akteur selbst erlebt hat. Es ist eine erfundene Geschichte mit fiktiven Persönlichkeiten; dennoch ist die Parallele zum ORF und die Sendung Dancing-Stars unübersehbar.

„TV-Mord“ ist ein packender, aber dennoch nicht zu nervenaufreibender Thriller, der mir großes Lesevergnügen bereitet hat. Es ist ein anerkennenswertes Erstlingswerk, dem ich verdiente 4 Sterne verleihe und das ich gerne weiterempfehle. Mit Interesse sehe ich weiteren Romanen dieser Autorin entgegen.

Bewertung vom 06.01.2024
Ach, Gisela: Ein Wohlfühlroman für jung und alt (Gestern & Heute, Band 1) (MP3-Download)
Teufl-Heimhilcher, Brigitte

Ach, Gisela: Ein Wohlfühlroman für jung und alt (Gestern & Heute, Band 1) (MP3-Download)


ausgezeichnet

Bewertung des Buches:

Gisela klärt die Missverständnisse der Vergangenheit

„Ach, Gisela“ von Brigitte Teufl-Heimhilcher ist der 1. Band der neuen Reihe „Gestern & Heute“ der Autorin, ein Familien-Wohlfühlroman.

Das Cover in seiner Buntheit ist ein Eye-Catcher, das Motiv – die junge Frau neben einem VW Käfer – weist auf die 60er Jahre hin, die tatsächlich die Basis für das Gestern in diesem Roman bilden. Das Buch erschien 2023, ist in 20 Kapiteln mit Überschrift unterteilt. Rückblenden heben sich optisch durch die kursive Schrift ausgezeichnet ab. Der Schreibstil ist locker und flüssig. Dass die Handlung in Wien spielt, wird durch typisch Wienerische Begriffe gut zum Ausdruck gebracht. Im Hinblick auf die zahlreichen Familienmitglieder und Geschäftspartner hätte eine Personenliste die Übersicht erleichtert. Der Roman ist in sich abgeschlossen, der rote Faden wird aber fortgesetzt.

Die Handlung spielt primär in der Gegenwart. Man ist von Beginn an in den Alltag Giselas bzw. ihres Stiefsohnes Andreas mit einbezogen, lernt einerseits so nach und nach die in einem Haushalt zusammenlebenden Familienmitglieder kennen. In Form von Rückblenden aus Giselas Sicht, erfährt man wie es war, als sie Mitte der 60er Jahre im Immobilienbüro Wogner bei Andreas‘ Vater zu arbeiten begann, welche Schwierigkeiten es zu meistern galt, betrieblich und menschlich. Denn in der Patchwork-Familie haben Missverständnisse und Vorurteile im Laufe der Jahre zu tiefgehenden Abneigungen geführt. Gisela macht es sich zur Aufgabe, die Wogen zu glätten.

Der Wechsel zwischen dem „Gestern“ und „Heute“ belebt den Roman, so kommt u.a. auch die Divergenz des Frauenbildes zutage. Frauen von Giselas Format waren in den 60er Jahren Seltenheit und mussten sich die männliche Akzeptanz hart erkämpfen. Ein wenig erhält man auch Einblick in die vielseitige Immobilienbranche, in deren Probleme mit Hausverwaltungen, Mietern und Instandsetzungsarbeiten.

Gisela steht im Mittelpunkt der Handlung. Sie ist tüchtig, realistisch, effizient, keineswegs gefühlsduselig, hat aber durchwegs ihr Herz am rechten Fleck. Geschäftstüchtig wie sie ist, investiert sie auch stets mit Bedacht, aber nie von Gier getrieben. Sie agiert bestimmt, doch nicht aus Egoismus heraus, sondern zum Wohle der anderen – ihres Chefs, Gatten, Stiefsohnes. Sie vermag nicht von der ersten Seite an Sympathie zu erwecken, doch je näher man sie kennenlernt, desto lieber gewinnt man sie. Sie ist eigentlich die gute Seele des Betriebes und der Familie, auch wenn sie in ihrer manchmal zu bestimmend wirkenden Art einen anderen Eindruck erweckt. Und ihre Entscheidungen wirken stets sinnvoll und richtig. Auch die anderen handelnden Personen sind gut vorstellbar beschrieben, wirken lebendig und authentisch, mehr oder weniger sympathisch.

„Gisela“ hat mir unterhaltsame und entspannte Lesestunden beschert. Am liebsten hätte ich gleich den nächsten Band zur Hand genommen. Gerne empfehle ich das Buch weiter und vergebe 5 Sterne.

Bewertung vom 01.01.2024
Misooks Ring
Durrani, Katharina

Misooks Ring


ausgezeichnet

Todbringender Ring

„Misooks Ring“ von Katharina Durrani ist der vierte Band mit den Hobbydetektivinnen Simone Jaan und Luise Winkler, ein spannender, eher unblutiger Regionalkrimi.

Worum geht es?
Simone Jaans Hündin Rala findet einen abgetrennten Finger – und schon sind Simone und Luise wieder einmal in einen Mordfall verwickelt. Die Großmutter einer jungen Südkoreanerin wurde ermordet, ihr wertvoller antiker Ring entwendet. Entgegen jeglicher Vernunft und wohlgemeinter Ratschläge können sie das Detektiv-Spielen nicht lassen und geraten in allerlei Verwicklungen und gefährliche Situationen.

Das Cover mit der Hand eines alten Menschen, bei der der Ringfinger fehlt, und der Ring davor im Gras liegt, unterstreicht eindrucksvoll den Klappentext. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart in und um Wiener Neustadt. Der Schreibstil ist flüssig, dialogreich. Die Kapitel angenehm kurz, mit Orts- und Zeitangaben, was ich persönlich nicht nur sehr schätze, sondern auch besonders in diesem Fall – es gibt etliche Zeitsprünge bzw. Rückblenden - sehr hilfreich fand. Die wechselnden Orte der Handlung bringen einiges an Lokalkolorit ins Geschehen, man lernt sehenswerte Plätze und Landschaften Niederösterreichs kennen. Man spürt die Liebe und Begeisterung der Autorin für ihre Heimat und bekommt Lust, all diese Orte selbst zu besuchen.

Als Kennerin der Vorgängerbände überblickte ich rasch wieder den Personenkreis rund um Simone und Luise. Für Quereinsteiger gibt es eine Personenliste am Ende des Buches, wobei ich diese zu Beginn des Buches besser fände; ich habe sie erst bei Beendigung des Buches entdeckt. Grundsätzlich steht der Fall für sich, der rote Faden der Reihe ist für das Verständnis der Handlung nicht ausschlaggebend. Soweit nötig, gibt es erklärende Hinweise zu früheren Ereignissen.

Man ist sofort mitten im Geschehen, im Rätsel um den abgetrennten Finger. Nach dem mysteriösen Beginn hält sich die Spannung bis zum dramatischen Showdown auf hohem Niveau. Die temporeiche Erzählweise, Perspektivenwechsel und Cliffhanger lassen einen das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Je mehr Simone und Luise recherchieren, desto rätselhafter, turbulenter und gefährlicher wird es für die beiden. Denn es bleibt nicht bei einem Mord und die beiden geraten ins Visier des Mörders. Infolge in die Irre führender Spuren und überraschender Wendungen tappt man bis zum dramatischen, alles klärenden Finale im Dunkeln.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Simone und Luise. Beide wollen das Rätsel lösen, den Ring finden, den Mörder entlarven - wobei Simone die zögerlichere und scheinbar vernünftigere der beiden ist, während Luise in ihrer energiegeladenen, frechen, unbekümmerten Art leichtsinniger agiert. Leider lässt sich Simone von der selbstbewussten Luise, nach deren Kopf immer alles gehen muss, etwas zu leicht manipulieren und zu Aktionen verleiten, die sie eigentlich nicht möchte, die beide immer wieder in prekäre Situationen bringen. Auch die Nebenfiguren zeigen markante Eigenschaften, man kann sie sich gut vorstellen.

„Misooks Ring“ hat mir packende Lesestunden beschert, hat Lust auf weitere Fälle der beiden jungen Frauen gemacht. Eine Leseempfehlung mit 5 Sternen!

Bewertung vom 25.12.2023
Blinder Tod
Abrolatis, Karina

Blinder Tod


ausgezeichnet

Blindes Vertrauen - tödliches Grauen

„Blinder Tod“ von Karina Abrolatis ist der Auftakt zu einer fünfbändigen Bodensee-Krimi-Reihe mit Becca Brigg im Mittelpunkt.

Klappentext:
Ravensburg, Februar 2020. Kriminalhauptkommissarin Becca Brigg und ihr neues Team sind unter den Eindrücken der sich weltweit ausbreitenden Covid-19-Pandemie einem ungewöhnlichen Fall auf der Spur.
Am Gehegezaun der Touristenattraktion Affenberg bei Salem wird eine weibliche Leiche gefunden, der skurrilerweise ein Auge fehlt. Zeitgleich rückt die Badener Landfleisch GmbH ins Visier der Kripo Ravensburg. Beccas neuer Partner KHK Herz, ein Ex-Feldjäger der Bundeswehr, kämpft sich indes durch seine eigene Hölle.

Das Cover stellt einerseits durch die abgebildete Wasserfläche die Verbindung zum Bodensee her, andererseits durch den hellen Lichtfleck auch den Bezug zum Augenlicht. Zudem weist die obere Bilderleiste auf die übergeordnete Thematik der Reihe hin: auf die fünf Sinne. Jeder Band thematisiert einen davon. Band 1 das Auge.

Bei diesem Buch handelt es sich um das Debutwerk der Autorin, das zunächst nur als E-Book erschien, aus Kostengründen ohne professionellem Korrektorat, was auch in der 2023 erschienen, 2. Auflage als Taschenbuch, noch verspürbar ist, in zukünftigen Editionen jedoch behoben sein wird. Daher haben allfällige Druckfehler meine Bewertung nicht beeinflusst.

Der Schreibstil ist sprachlich anspruchsvoll, mit verschachtelten Sätzen und kreativen Wortschöpfungen, dennoch liest sich das Buch flüssig. Sehr anschaulich werden durch ausführliche, aber nie ausufernde Beschreibungen ausgezeichnete Bilder der Bodensee-Landschaft vermittelt, ebenso der handelnden Personen und ihres privaten sowie beruflichen Umfelds. Das Lokalkolorit wird auch durch gut dosiert eingesetzten Dialekt unterstrichen. Unterteilt ist das rund 320 Seiten umfassende Buch in 16 Kapitel, jeweils mit Überschrift und genauem Datum versehen, was ich persönlich besonders schätze.

Die Handlung spielt im Frühjahr 2020, zu Beginn der Covid-19-Pandemie. Die Auswirkungen und Maßnahmen, sowie die divergierenden Reaktionen der Bevölkerung sind in ihrer Vielschichtigkeit sehr gut eingefangen, gut verwoben mit den Ermittlungen und dem Fall, ohne zu dominieren. Abgesehen davon reißt die Autorin eine Reihe interessanter, wissenserweiternder Themen an, wie z.B. Xenotransplantationen oder die chinesische Tradition des Xiào.

Man ist bereits vom Prolog an mitten im Geschehen, wird Zeuge der letzten Lebensminuten des Mordopfers, um in den folgenden Seiten zunächst einmal die Protagonistin, ihre Familie und ihre Kollegenschaft kennenzulernen. Der mühsame Polizeialltag ist sehr realistisch wiedergegeben, ohne dass die Spannung darunter leidet. Dramatische Szenen, Gefahrenmomente und Attacken erzeugen das nötige Prickeln. Sukzessive mehren sich die Informationen, treten neue überraschende Wendungen ein, erschütternde Fakten kommen zutage. Die Verdächtigen und ihre Untaten kristallisieren sich immer deutlicher heraus. Es wird immer pressanter, den Fall zu lösen, die Übeltäter zu fassen. Im Großen und Ganzen kann die Polizei den Fall klären, aber - da es Fortsetzungen geben wird - noch nicht völlig zufriedenstellend abschließen. Ein realitätsnahes Ende im Sinne von Recht und Gerechtigkeit sind nicht dasselbe.

Die Charaktere sind sehr umfassend beschrieben, mit familiärem Hintergrund, mit Gefühlen, mit Ecken und Kanten, Schwächen und Stärken, man erhält Einblicke in ganz persönliche Probleme und Befindlichkeiten, umfassend und doch so, dass stets die Ermittlungsarbeit im Vordergrund bleibt. Becca, die anfangs sehr sympathisch wirkt, erweist sich im Laufe der Handlung als karrierebetont, zickig und egoistisch, entwickelt sich aber letztlich wieder ins Positive. Generell empfand ich die Figuren als authentisch und lebendig, mit markanten Eigenschaften und einem glaubhaften Umfeld. Angefangen bei Beccas Kollegen Jan, über die Gerichtsmedizinerin mit chinesischen Wurzeln bis zu Beccas Eltern, sind alle sehr gut vorstellbar dargestellt.

„Blinder Tod“ ist nicht nur ein spannender Krimi mit Lokalkolorit, sondern hält auch die vielschichtigen Facetten einer Zeitspanne fest, die nicht spurlos an der Gesellschaft vorübergegangen ist. Mich hat dieses Buch in seiner Vielschichtigkeit beeindruckt und begeistert. Ein gelungenes Debut, das mir Lust auf die Fortsetzungen gemacht hat. Eine Leseempfehlung mit 5 Sternen.

Bewertung vom 20.12.2023
Das Weihnachtswunder von Haus 7
Marschall, Anja

Das Weihnachtswunder von Haus 7


ausgezeichnet

Magische Weihnachten im Haus Nr. 7

„Das Weihnachtswunder von Haus 7“ von Anja Marschall ist ein Märchen für Erwachsene, das einen den realen Alltag wunderbar vergessen lässt, eine Geschichte voller Liebe, Freundschaft und mit einer Prise Magie.

Worum geht es?
Luisa, verwitwet, mit zwei kleinen Kindern, hat ein Riesenproblem. Das alte Haus, in dem sie lebt, soll abgerissen werden. Eine andere leistbare Wohnung zu finden, erweist sich als schwierig. Also sucht sie den Eigentümer des Hauses in seiner Villa auf, um ihn umzustimmen. Doch der alte Mann reagiert völlig unerwartet. Er hält Luisa für seine Tochter, zu der er seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Mit einem Mal steckt Luisa mitten in verwirrenden Turbulenzen.

Den ersten Hauch von Weihnachtsfeeling verspürt man bereits, wenn man das Buch zur Hand nimmt. Das Cover mit weihnachtlich dekorierten Haustüren, Schneegestöber, Päckchen und Tannenzweiglein ist nicht nur stimmig, es glitzert sogar etwas. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart. Unterteilt ist der rund 350 Seiten umfassende Roman in über 50 kurz gehaltene Kapitel, ohne genaue Zeit- oder Ortsangaben.

Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich beschreibend. In der Geschichte ist man sofort drinnen, sie liest sich locker, die Seiten fliegen nur so dahin. Ich habe das Buch fast in einem Zug ausgelesen, nicht nur weil die Story so stimmungsvoll und herzerwärmend, sondern auch dramatisch und spannend ist. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven und genau diese Wechsel gestalten die Handlung nicht nur abwechslungsreich, sondern macht die Protagonisten auch lebendiger, weil man ihre Gedanken und Intentionen erfährt, und als Leser gewissermaßen auch einen Wissensvorsprung gegenüber den anderen handelnden Personen hat. Die Handlung steckt voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen. Trotz der grundsätzlich weihnachtlichen Wohlfühlstimmung basiert die Geschichte aber auf durchaus ernster Thematik, nämlich den Machenschaften auf dem Immobiliensektor.

Die Charaktere wirken authentisch, aus dem Leben gegriffen und doch auch irgendwie originell, wie Luisas Nachbarn Wolle und Oma Baumann. Fast alle sympathisch gezeichnet, nicht alle findet man vom ersten Moment an liebenswert, doch im Laufe der Handlung zeigt es sich, dass sie doch das Herz am rechten Fleck haben. Die Menschen zeigen Gefühle, haben nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen. Die kämpferische Luisa mit ihren herzigen Kindern Matti und Lilli hat natürlich sofort mein Herz erobert. Was die Liebesgeschichte zwischen Joost und Luisa anbelangt, so gibt es zwar die eine oder andere romantische Szene, doch der Funke sprang nicht auf mich über. Die Wandlung von Van Arnheim vom kühl kalkulierenden Geschäftsmann zum gefühlvollen Wahl-Opa fand ich überzeugend und berührend. Ihm fehlte einfach jahrzehntelang menschliche Wärme und Zuwendung.

Der rote Faden von Magie, personifiziert durch den, einem Weihnachtsmann ähnelnden, Hausmeister Tomte, der immer dann zur Stelle ist, wenn handwerkliche oder seelische Hilfe vonnöten ist, der zaubert und bezaubert, und der Geschichten weiß, die er selbst gar nicht erlebt haben kann, verleiht dem Roman seinen besonderen Reiz. Natürlich ist es unrealistisch, aber genau diese magischen Momente verkörpern das Weihnachtswunder. Und würde man sich nicht gerade in diesen unruhigen Zeiten so einen guten Geist wünschen, der Wunder bewirken kann?!

„Das Weihnachtswunder von Haus 7“ hat mir sowohl berührende wie fesselnde Lesestunden beschert, mich bezaubert und alles rundherum vergessen lassen. Mir hat das Buch Weihnachtsvorfreude geschenkt. Eine ideale Geschichte für die Vorweihnachtszeit, die ich wärmstens empfehle!