Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Gela
Wohnort: 
Niedersachsen
Über mich: 
Ob Krimi, Belletristik, Biografie oder Dokumentation. Ich mag Bücher und reise gerne mit ihnen in andere Welten.
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 141 Bewertungen
Bewertung vom 21.10.2015
Der Zauberfluch des Elfenkönigs / Bd.1
Walder, Vanessa

Der Zauberfluch des Elfenkönigs / Bd.1


ausgezeichnet

Mitten aus dem Schlaf heraus wird Ariane von einem Drachen entführt. Eigentlich soll er sie zu den Elfen bringen, aber er läßt sie im geheimnisvollen Zauberwald fallen. Der Weg nach Hause ist ihr versperrt, solange der Elfenkönig seinen Fluch nicht rückgängig macht. Zusammen mit der Schlange Lukretia macht sich Ariane auf den gefährlichen Weg zu den Elfen, um ihre Freiheit zurückzugewinnen.

Vanessa Walder hat eine zauberhafte Welt geschaffen, die nur so vor lauter Fabelwesen wimmelt. Dies ist der erste Band der Elfenkönig-Trilogie. Kurze Kapitel und liebevoll gezeichnete Illustrationen von Almud Kunert erleichtern das Selbstlesen in der Altersgruppe 8 - 10 Jahre.

Im Zauberwald gerät Ariane mitten in den Streit zwischen den Fantastischen und den Waldtieren. Zum Glück gibt es den Kobold Knaster und den kleinen Hasen Theodor, die trotz allem befreundet sind. Mutig stellen sie sich gegen die Übermacht der Zauberwaldbewohner und versuchen, die Ruhe wieder herzustellen.

Wer hätte sich nicht schon einmal gewünscht, Märchenwesen zu treffen, doch so lustig, wie man sich das vorstellt, erlebt Ariane es nicht. Zunächst wirkt der Drache Obligo alles andere als freundlich, würde sie am liebsten sogar fressen. Dank des humorvollen Schreibstils, werden brenzlige Situationen aber schnell zu Schmunzelmomenten.

Während Ariane sich in der Zauberwelt befindet, kann sich niemand mehr in der Menschenwelt an sie erinnern. Durch eine innere Stimme geleitet, zeichnet Arianes Mutter, die beruflich Kinderbücher illustriert, Erlebnisse ihrer Tochter aufs Papier. Ohne zu wissen, wen sie da eigentlich skizziert, nehmen die Zauberwesen auf dem Papier Gestalt an. Diese wundervoll geschilderten Bilder zeigen aber auch die verzwickte Situation des Mädchens. Wie soll sie nur wieder zurückkehren, wenn nicht einmal mehr ihre Mutter sie erkennt.

Dieses fantastische Abenteuer hat unsere ganze Familie verzaubert. Wir freuen uns auf die beiden Folgebände. Lasst Euch entführen in eine fremde Welt voller Fabelwesen.

Bewertung vom 21.10.2015
Der Tod kommt schnell
Goerz, Tommie

Der Tod kommt schnell


sehr gut

Eine Geschichte muss nicht blutig sein, um Gänsehaut zu verursachen. Manchmal reichen wenige Seiten, um einen Fall lebendig werden zu lassen und auch Ermittler spielen nicht immer die Hauptrolle.

Tommie Goerz beweist mit seinen 12 kurzen Kriminalgeschichten, wie vielseitig Spannung sein kann. Sehr glaubhaft und intensiv werden die Gefühle der Protagonisten und deren Umgebung wiedergegeben. Ob man dabei einem Mörder, einem Zeugen oder einem Opfer über die Schulter blickt, merkt man vielleicht erst am Ende der Geschichte. Besonders interessant ist es, wie viele Fragen sich beim Lesen auftun. Fast jede Geschichte könnte mehrere Wege gehen und der Leser fragt sich, "was wäre wenn" ....

Das Spektrum der Fälle ist vielschichtig. Es geht u.a. um Vorverurteilung, Vergeltung, Kaltblütigkeit, Gesellschaftskritik und Selbstjustiz.

Natürlich darf Kommissar Friedo Behütuns nicht fehlen, aber mehr als 2 Geschichten darf er diesmal nicht ausfüllen.

Mir haben diese besonderen Fälle sehr gefallen und mich gedanklich beschäftigt. Manchmal ist ein zweiter Blick nötig, um etwas richtig zu sehen und nicht immer ist das Gesetz das Maß aller Dinge.

Bewertung vom 21.10.2015
Der Jungfrauenmacher / Helen Henning & Knut Jansen Bd.1
Meister, Derek

Der Jungfrauenmacher / Helen Henning & Knut Jansen Bd.1


ausgezeichnet

Im Nordseeküstenort Valandsiel wird nach einer Sturmflut die Leiche einer Frau angespült. Noch bevor der junge Polizeichef Knut Jansen mit den Ermittlungen richtig beginnen kann, taucht am gleichen Tag eine weitere Frauenleiche im Wasser auf. Dank der ehemaligen FBI-Profilerin Helen kann Knut erste Erfolge verzeichnen. Die Zeit drängt, denn seit 30 Jahren wird immer im Sommer ein weiteres Mädchen vermisst.

Derek Meister hat mit dem Auftakt einer neuen Thriller-Serie um das Ermittlerteam Henning und Jansen einen fesselnden und spannenden Gänsehautthriller geschaffen. Der Schreibstil ist von der ersten Zeile an packend und bekommt durch die kurzen Kapitel ein rasantes Tempo.

Die Charaktere wirken sehr lebendig und werden detailliert und glaubhaft geschildert. Knut Jansen hat es als junger Polizeichef in Valandsiel nicht einfach. Er hat die Nachfolge seines Vaters angetreten und eckt häufiger als ihm lieb ist, bei seinen untergebenen Kollegen an. Die ständige Präsenz seines im Ruhestand befindlichen Vaters macht es ihm auch nicht leichter. Charmant ist sein Auftreten als Dorfsheriff. Cowboystiefel und ein Sheriffstern im Wagen komplettieren seine Vorliebe für Westernhelden.

Helen Henning gerät eher unfreiwillig in die Ermittlungen. Eigentlich wollte sie sich nur um den Nachlass ihres verstorbenen Vaters kümmern. Doch als ehemalige FBI-Ermittlerin kommt sie Knut als Unterstützung gerade recht. Ihre Vergangenheit und die damit verbundenen Ängste machen es ihr aber nicht gerade einfach, sich auf den Fall einzulassen.

Beklemmend und gleichzeitig spannend sind die Einblicke in sein Handeln, die der Mörder dem Leser gewährt. Seine Opfer wählt er gezielt aus, beobachtet, taxiert und wägt genau ab. Denn nicht jedes Mädchen ist für ihn die Richtige:

"Du darfst sie nicht berühren. Du darfst sie nicht beschmutzen. Sie müssen rein bleiben.“

Der Spannungsbogen wird von Anfang an hoch gehalten und nur durch kurze Passagen leicht unterbrochen. Man fiebert mit den Ermittlern um jedes gewonnene Detail. Die Lösung scheint greifbar und wird auf schreckliche Weise widerlegt. Ein hochspannendes Finale rundet den gelungen Thriller ab.

Auf den zweiten Fall von Knut und Helen darf man gespannt sein.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2015
Amsterdam blutrot
Avanzini, Lena

Amsterdam blutrot


sehr gut

In Amsterdam führt Maxi Mikulicz auf ihrem Hausboot ein eher beschauliches Leben. Doch als die Töne ihrer Klavierschüler scharfkantig und blutrot werden, ahnt sie, dass etwas passiert sein muss. Die Mutter eines Schülers wurde ermordet und Maxi stolpert mitten in den Tatort, der gerade von Hoofdinspecteur Bontekoe untersucht wird. Die vermeintliche Unfähigkeit des Beamten bringt Hobbykriminalistin Maxi auf die Idee, die Ermittlungen auf eigene Faust durchzuführen. Doch als weitere Frauen ermordet werden, gerät Maxi selbst in Gefahr.

Lena Avanzini hat einen spannenden und gleichzeitig unterhaltenden Krimi geschrieben. Humor und Nervenkitzel bilden eine interessante und außergewöhnliche Synergie. Eigenwillige, aber liebenswerte Charaktere geben dem Krimi eine besondere Note.

Die sympathische und leicht chaotische Klavierlehrerin Maxi Mikulicz agiert als Hobbyermittlerin. Durch ihre Musik-Farben-Synästhesie spürt sie im Vorfeld Veränderungen und Gefahren. Dank intensiver Krimilektüre und Leidenschaft für den indischen Ermittler Aravind Bhaduri meint Maxi, die Mordfälle allein klären zu können. Ihre naive und übereifrige Herangehensweise bringt sie mehr als einmal in Gefahr, sorgt aber auch für viele Schmunzelmomente.

Hausboot-Mitbewohner sind Medizinstudentin und Model Tess, die oft wechselnde Männerbekanntschaften und manchmal auch Leichenteile zum Experimentieren mit nach Hause nimmt und Fotograf Rudel, der leider jede Pflanze inbrünstig totpflegt und dessen Zimmer einer Müllhalde gleicht.

Der Ermittler, der es mit Maxi nicht gerade leicht hat, ist Hoofdinspecteur Cornelius Bontekoe. Durch seine ausgeprägte Klavierlehrerinnen-Phobie ist jedes Aufeinandertreffen mit ihr die reinste Qual. Der optisch etwas aus der Form geratene brummlige Single zeigt auf den zweiten Blick, dass er sein Herz am rechten Fleck sitzen hat.

Ungewöhnlich sind einige Passagen, in denen vermeintlich tote Gegenstände ein Eigenleben bekommen. Ihre Sicht auf die Dinge gibt dem Leser detaillierte Informationen zum Tatgeschehen.

Die Entwicklung der Geschichte ist spannend und gibt erst am Ende die Lösung preis.

Die gekonnte Mischung aus Humor und Spannung macht diesen Unterhaltungskrimi zu etwas Besonderem.

Bewertung vom 21.10.2015
Lindbergh / Mäuseabenteuer Bd.1 (1 Audio-CD)
Kuhlmann, Torben

Lindbergh / Mäuseabenteuer Bd.1 (1 Audio-CD)


ausgezeichnet

Die Erfindung der Mausefalle Anfang des 20. Jahrhunderts läßt die Mäuse aus Hamburg Richtung Amerika fliehen. Nur Charlie, der verträumt zwischen seinen geliebten Büchern sitzt, merkt davon nichts. Die großen Dampfer im Hafen werden von gefräßigen Katzen bewacht. Wie soll er da nur über den Atlantik nach Amerika gelangen? Seine Idee ein Fluggerät zu bauen, ist gefährlich. Trotz Fehlschlägen arbeitet er besessen an seiner Maschine, denn die Zeit drängt: Gefahren lauern jetzt auch in der Luft.

Der Hessische Rundfunk hat die wundervolle Bilderbuchgeschichte von Torben Kuhlmann als Hörbuch herausgegeben. Bastian Pastewka erzählt so lebendig und vermittelt so viel Atmosphäre, dass man gebannt der Geschichte folgt. Empfohlen wird die Geschichte ab 5 Jahren. Nach oben gibt es aber keine Begrenzung, denn auch erwachsene Hörer finden Gefallen an Charlies Abenteuer. Zwei wundervolle Zeichnungen die perfekt bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sind, zeigen Charlie und den Hamburger Hafen. So kann man sich ein noch besseres Bild von der Geschichte machen.

Den Reiz der Geschichte macht die besondere Erzählweise aus. Der Erzähler unterhält sich mit dem Zeichner und dieser läßt die kleine Maus Charlie lebendig werden. Immer wieder wird die Erzählung durch Einwände des Zeichners unterbrochen, weil er gar nicht so schnell zeichnen kann, wie Charlie seine Abenteuer erlebt.

Geräusche von tribbelnden Mäuseschritten und Flügelschwingen von verfolgenden Eulen unterstreichen das Hörerlebnis. Man taucht ein in eine Welt voller Gefahren, fiebert mit Charlie mit, wenn er gerade noch entwischen kann und ist gespannt, ob seine Flugmaschine endlich funktioniert.
Was es mit Lindbergh auf sich hat, wird hier nicht verraten!

Leider war das Abenteuer nach 45 Minuten schon vorbei. Wir hätten sehr gern noch länger zugehört.
Meine Kinder sind begeistert.
Das perfekte Erlebnis ist es sicherlich, das Bilderbuch zusammen mit dem Hörbuch zu genießen.

Fazit: Perfekt für einen gemütlichen Familiennachmittag.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.09.2015
Sungs Laden
Kalisa, Karin

Sungs Laden


ausgezeichnet

Auf der Schulbühne steht eine kleine starke Frau, mit einer vietnamesichen Holzpuppe und spricht über vergangene Zeiten, die selbst verwöhnte Berliner Gören träumen läßt. Plötzlich werden die vietnamesischen Ladenverkäufer am Prenzlauer Berg von den Bewohnern wahrgenommen. Kegelhüte sind hipp und Holzpuppen der Rennner. Aber wer weiß schon, das alles mit ehemaligen Vertragsarbeitern der DDR anfing, die sich eine neue Existenz suchen mussten. Ein modernes Märchen, das hoffentlich keines bleibt.

Karin Kalisa hat mit ihrem Debüt eine wundervoll leicht daherkommende Geschichte geschrieben, die so viel Tiefgang bietet, wenn man es zuläßt. Dieses Buch liest sich wie eine kleine Melodie, der man einfach folgen muss. Man wird verzaubert und in eine andere Welt entführt.

Meine DDR-Kenntnisse sind eher mager und vietnamesische Vertragsarbeiter kenne ich nur aus Fernsehberichten. Um so mehr hat mich die Geschichte von Hiền berührt. Als DDR-Arbeiterin ist es ihr verboten gewesen, ein Kind zu haben und so bringt sie eine Tochter in Vietnam zur Welt, um sie gleich wieder verlassen zu müsen. Nach der Wende baut sie sich mit ihrem Mann einen Gemischtwarenladen am Prenzlauer Berg auf, der bald für die Bewohner nicht mehr wegzudenken ist. Doch Gedanken über die Ladenbesitzer macht man sich nicht. Es sind halt die Vietnamesen.

Erst durch den Auftritt von Enkel und Großmuter in der Grundschul-Aula geht eine Veränderung vor. Lehrer und Schüler sind von dem Auftritt begeistert und so beginnt eine leise Veränderung im Stadtteil. Lehrerinnen holen sich Tipps von Hiền, basteln Holzpuppen zusammen mit vietnamesischen Schreinern. Deutsche und Vietnamesen besuchen Sprachkurse, kommen ins Gespräch und plötzlich haben die Vietnamesen Namen und Geschichten. Die Geschichte der Holzpuppe Thủy spielt dabei eine zentrale Rolle. Ist sie anfangs noch versteckt unter einer Decke im Hinterzimmer, bekommt sie am Ende ihren großartigsten Auftritt.

Aber auch längst vergrabene Träume dürfen geträumt werden. Sung wäre lieber Archäologe geworden, betreibt aber den Laden seines Vaters weiter und hat sein Studium dafür aufgegeben. Seine Zerrissenheit während seiner Schulzeit wird lebendig geschildert. Optisch eindeutig nicht deutsch, doch sprachlich auch nicht vietnamesich, versucht er sich selbst zu finden. Doch erst das neue Bild seines Stadtteils läßt ihn seinen Weg gehen.

Durch den japanischen Fotografen Hideo bekommt man eine besondere Sichtweise auf das Viertel. Wunderschön der Moment, als er ein Bild von seiner verzauberten Frau vor dem Puppenspiel festhält.
"Versunken" würde er dieses Porträt später nennen, auf dem eine junge Frau zu sehen war, deren Blick in ein Wasser einsank, das Schemen beherbergte, nicht von dieser Welt. Die Frau jedoch, ohne die geringsten Anzeichen von Furcht oder auch nur Unruhe, schaute, als wäre sie dort, mitten unter diesen Schattenwesen, und nicht hier, wo der Blick des Fotografen sie festgehalten hatte".

Mich hat dieser Roman auf eine Gedankenreise geschickt. Das Großstadtleben mit all seinen Facetten kenne ich nur am Rande und deshalb bin ich dankbar, wenn auf so leise, aber eindringliche Weise Türen für neue Ideen geöffnet werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.09.2015
Die Kupferkönigin
Söder, Peter

Die Kupferkönigin


gut

Kaum bewohnt Kommissar Hammersberger seine neue Wohnung im Haus von Pfarrer Paul Sieder, wird in der gleichen Straße eine junge Frau ermordet aufgefunden. Pfarrer, wie Kommissar eilen an den Tatort um ihre Berufe auszuüben. Als der Fall von Würzburg aus gelöst werden soll, ermitteln Pfarrer und Kommissar auf eigene Faust in Prag weiter. Ein vermeintlich Verdächtiger ist schnell gefunden.

Peter Söder hat als evangelischer Pfarrer seine Kenntnisse mit in sein Erstlingswerk einfließen lassen. Der Schreibstil ist locker, wirkt aber teilweise durch lange Schachtelsätze etwas zäh.

Die beiden Hauptakteure Kommissar "Garfield" Hammersberger und Pfarrer Paul Sieder wirken sympathisch und könnten als ungewöhnliches Ermittler-Duo durchaus durchstarten. Allerdings wirken ihre Ermittlungen eher wie aneinandergereihte Zufälle. Lediglich in Prag begeben sie sich tatsächlich auf Spurensuche. Weitere Hinweise ergeben sich fast wie von selbst und führen zu schnellen Ergebnissen. Dabei wirkt die eigentliche Polizeiermittlung unprofessionell und bleibt im Hintergrund.

Teilweise scheint der Autor Nebenschausplätzen mehr Beachtung zu schenken, als der eigentlichen Handlung. Die Fußballinteressen der beiden Ermittler stehen sehr im Vordergrund und auch das Füttern einer streunenden Katze wird detailliert beschrieben.

Ein durchgehender Spannungsbogen ist leider nicht zu finden. Es gibt viele spannende Momente, die aber viel zu schnell wieder durch Alltägliches abgelöst werden. Die Aufklärung des Falls ist ungewöhlich und auch nicht vorhersehbar. Leider aber auch sehr sprunghaft, so dass keine wirkliche Spannung entstehen will.

Das Grundkonzept des Krimis ist durchaus stimmig und auch das Ermittler-Duo hat Potential. Leider konnte mich der erste Roman noch nicht begeistern.

Bewertung vom 03.09.2015
Der halbe Mond
Cobanli, Hasan;Reichenberger, Stephan

Der halbe Mond


ausgezeichnet

Feridun Cobanlis Leben gleicht einem Kinofilm. 1915 wird er fern der türkischen Heimat im Berliner Kadettenkorp ausgebildet und findet Aufnahme bei der preußischen Adelsfamilie Roon. Obwohl sein Vater ein Kriegsheld ist, wendet sich Feridun lieber der Diplomatie zu. Als Protegé Atatürks genießt er sein Leben und die Frauen. Erzählt wird diese beeindruckende Familiengeschichte bis zum Jahr 2013 von Feriduns Sohn Hasan Cobanli.

Das Autorenduo Hasan Cobanli und Stephan Reichenberger hat eine wundervolle authentische Familiengeschichte zu Papier gebracht. Der Schreibstil ist fesselnd und humorvoll, man vergisst, dass es sich tatsächlich um eine wahre Familiengeschichte handelt. Hasan Cobanli ist es gelungen, seine Familie über ein Jahrhundert hinweg wieder lebendig werden zu lassen und den Leser in eine andere Zeit zu entführen.

Im Mittelpunkt steht das Leben des charmanten und leidenschaftlichen Feridun Cobanli. Als "Prinz aus dem Morgenland" wird er während seiner zehnjährigen Ausbildung in Deutschland als Exot von den Frauen geliebt und ist ein gern gesehener Gast bei preußischen Adelsfamilien. Sein Vater, der Dardanellen-Helden Cevat Pascha, beendet das lockere Junggesellenleben mit einer arrangierten Ehe. Doch auch an der Seite seiner Frau wird der inzwischen als Diplomat tätige Feridun nicht ruhiger. Es gibt noch so viele Herzen zu erobern und Abenteuer zu erleben. Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung kreuzen seine Wege. So u.a. auch die 17-jährige ZsaZsa Gabor, die aber mehr Interesse an einem Pass hat.

Nicht nur die persönliche und sehr emotionale Geschichte hat mich begeistert, sondern auch die facettenreiche und beeindruckende Schilderung der Örtlichkeiten. Der Konvak, der Familiensitz der Cobanlis in Istanbul, der Landsitz der Familie Roon in Preußen oder ein Jagdabenteuer in den albanischen Bergen. Fast so, als würde man einen Film anschauen.

Die Dardanellen-Schlacht und der geschichtsträchtige 18. März werden intensiv beschrieben und man bekommt eine sehr persönliche Schilderung der Geschehnisse. Als Leser erlebt man praktisch aus erster Hand die Entstehung der Türkei. Die Begegnung mit Kemal Atatürk in jungen Jahren und die anschließenden Jahre unter seiner Regierung vermitteln Details, die man in Geschichtsbüchern so nicht findet. Interessant die deutsch-türkische Beziehung vom 1. Weltkrieg bis zur heutigen Zeit. Gefehlt haben mir Informationen rund um den 2. Weltkrieg. Als Diplomat hätte Feridun in irgendeiner Weise dazu doch Stellung nehmen müssen. Lediglich die Flüchtlingsströme jüdischer Emigranten finden Erwähnung.

Hasan Cobanli agiert nicht nur als Erzähler sondern auch als Teil der Geschichte. Seine Spurensuche führt ihn nach Istanbul und endet im Jahr 2013 mit einer Begegnung während der Unruhen im Gezi-Park mit einer bis dahin unbekannten Verwandten.

Diese Familiengeschichte musste einfach erzählt werden. Vielen Dank Herr Cobanli.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.