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TochterAlice
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Köln

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Insgesamt 1438 Bewertungen
Bewertung vom 06.08.2024
Arntz, Jochen;Schmale, Holger

Wannsee


gut

(K)Ein Buch für mich
Was habe ich mich gefreut, als ich an dieses Buch kam. Endlich alles über den Wannsee zu erfahren, diesen Schicksalsee der Deutschen! Und das Inhaltsverzeichnis gab mir allen Grund zur Hoffnung, es versprach einen ebenso spannenden wie lehrreichen Rundumschlag, der den Lebenslauf dieses Sees aufs Eindringlichste skizziert.

Also, den Rundumschlag gibt es, aber mit der Eindringlichkeit ist es so eine Sache: mich konnte das Buch absolut nicht packen und ich hatte keine Freude daran. So wenig, dass ich nicht einmal den Einstieg richtig schaffte und ich kann gar nicht so genau sagen, woran das liegt.

Alle Interessenten möchte ich ermuntern, dennoch einen Blick zu wagen, denn nur wer wagt, gewinnt! Vielleicht ja ein unterhaltsames und lehrreiches Leseerlebnis!

Bewertung vom 04.08.2024
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

Auf der Suche nach E.T.
Nein, hier ist nicht die Filmfigur aus den 1980er Jahren gemeint, sondern Ernst Tanner, ein junger Mann, der 1963 den Unfalltod des Vaters der Autorin verschuldete. Und sich nie bei den Hinterbliebenen - Zora del Bueno und ihrer Mutter - meldete. Nun - die Mutter ist dement und selten ansprechbar, Zora selbst fast doppelt so alt wie der Vater zum Zeitpunkt seines Todes - begibt sie sich auf dessen Spur. Also, auf die Spur von E.T., wobei zwangsläufig auch gewissermaßen eine Findung des Vaters zustande kommt.

Zunächst fängt alles recht ungeordnet an, die Autorin sammelt Fakten zu verwandten Themen diversester Art, bzw. Statistiken zu Unfalltoden. Damit konnte ich so gut wie nichts anfangen und war zunächst einmal sehr verwirrt. Doch dieser Zustand nahm mit der Weiterentwicklung der Handlung stetig ab und bald war ich mittendrin im Geschehen.

Es ist ein zentrales Stück der Familiengeschichte der del Buenos, das hier aufgerollt wird, Zora trifft auf eine ganze Reihe von Ernst Tanners - zunächst noch voller Wut und Vorwürfe, allmählich immer verständnisvoller ob der zahlreichen Möglichkeiten, die sich ihr offenbaren. Findet sie den richtigen E.T.? Oder ihren Vater? Oder sich selbst?

Zweifellos lohnt es sich, all diesen Fragen nachzugehen!

Bewertung vom 27.07.2024
Vermeer, Maarten

Die Toten von Veere. Ein Zeeland-Krimi


sehr gut

Holland in Not: Und das betrifft gleich mehrere Baustellen auf einmal: Im Vordergrund steht ein diffiziler Vermisstenfall: der junge Mann, ein Koch, der mit seiner Freundin, die gerade das erste gemeinsame Kind erwartet, in Amsterdam lebt, ist nicht wie geplant von seiner Wochenendreise zurückgekehrt. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen ehemaligen Nazi handelt, der unter falschem Namen lebt und im Zeugenschutzprogramm gelistet ist.

Die Spur führt nach Veere in Zeeland, im Süden der Niederlande. Dorthin wird Liv de Vries, Hoofdinspecteur der Landespolizei, nach einem missglückten Einsatz versetzt und findet sich bald gemeinsam mit ihrer Kollegin Noemi und dem Leiter der lokalen Polizeidienststelle in einer ausgesprochen verqueren Situation mit zahllosen Verflechtungen, die bis weit in die Vergangenheit, in die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs hineinreichen, wieder.

Auch wenn ich der Meinung bin, dass der Krimi zwar nicht langatmig, aber doch für mich deutlich zu wortreich, wenn nicht gar zu umständlich erzählt ist, empfand ich ihn als spannend und konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Wer Zeeland oder die Niederlande insgesamt liebt und gerne Krimis liest, für den könnte dieses Buch das Richtige sein!

Bewertung vom 24.07.2024
Buck, Vera

Das Baumhaus


gut

Urlaub in Schweden! Und das im eigenen - gerade vom Großvater des Familienvaters geerbten - Haus mitten im Wald und gleich am Wasser: das kann doch nur toll werden!

Statt dessen entwickelt sich das alles sukzessive zu einem Horror-Szenario! Zunächst gibt es Zoff zwischen den Eltern Hendrik und Nora und dann verschwindet auch noch der kleine Fynn, der voller Vorfreude das Ende des Sommers und den Beginn seines Lebens als Schulkind erwartet. Doch soll es etwa gar nicht dazu kommen? Was ist mit Fynn passiert? Möglicherweise ist er entführt worden - und zwischen die Berichte von Hendrik und Nora geraten auch noch andere, so welche von einer Marla, die als Kind entführt wurde. Wie fügt sie sich wohl in die Geschichte ein?

Ein interessanter Ansatz, aus meiner Sicht jedoch etwas zu langatmig erzählt. Zudem gibt es am Ende eine Art Showdown diverser Akteure, das dann doch sehr konstruiert daherkommt - ein Teil davon hätte auch gereicht. Auch wenn alles durchaus schlüssig ist, ist es aus meiner Sicht doch deutlich zu viel des Guten!

Bewertung vom 18.07.2024
Ho-yeon, Kim

Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen


sehr gut

Das Spezialgeschäft von Frau Yeom: Oberflächlich betrachtet, ist es nichts Besonderes, es ist eins von vielen 24-Stunden Geschäften in Seoul, wo es Fertiggerichte, Getränke und anderes zu kaufen gibt. Doch wenn man hinter die Fassade schaut, dann sieht man, dass es hier doch gewaltige Unterschiede gibt und zwar im Hinblick auf die Mitarbeiter. Denn die haben die Stelle aus unterschiedlichen Gründen bitter nötig und zwar überwiegen nicht unbedingt finanzielle Probleme. Manche müssen ganz neu zu leben lernen.

Frau Yeom, die früher als Lehrerin gearbeitet hat, geht offen, ja sogar fürsorglich auf ihre Mitmenschen zu und kann dadurch so manche Probleme lösen. Doch leider nicht immer in ihrer eigenen Familie.

Ein berührender Roman - wenn da nicht die sachliche, dabei teilweise umständliche Sprache wäre! Sie hebt das Geschehen auf eine andere Ebene. Denn vom Aufbau her wirken die einzelnen Kapitel wie Kurzgeschichten, finden sich aber ingesamt zu einer großen, übergreifenden Geschichte zusammen. Ein starkes Stück koreanische Literatur, das mich doch nicht gänzlich zu erreichen vermag.

Bewertung vom 16.07.2024
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Eine Art Stasi
diktiert das neue Leben der Menschen in Irland, nämlich seit undemokratische Mächte sich der Regierung bemächtigt haben. Ist das unrealistisch? Nun, ich kenne mich in der irischen Politik nicht aus, aber global gesehen finde ich das leider überhaupt nicht. Autor Paul Lynch (Nomen ist hier leider Omen) ist ein Hell-, nein, eigentlich ein Schwarzseher. Und das tut er mit einer solchen Klarheit und Bestimmtheit, dass ich mich dem nicht entziehen kann. Und das betrifft sowohl die Lektüre des Buches, das ich nicht aus der Hand legen konnte als auch die darin beschriebenen Ereignisse.

Bald bemächtigt sich eine gewisse Ausweglosigkeit der Bewohner des Landes, denen wir vor allem über Eilish, eine Wissenschaftlerin und Mutter mittleren Alters folgen. Ihr Mann, ein Gewerkschaftler, wurde schon früh verhaftet und seitdem hat sie nichts mehr von ihm gehört.

Als Leserin verdächtige ich zeitweise fast jede Figur der Zusammenarbeit mit dem Regime. Ist die nette alte Dame, die den Kuchen bringt, eine Spionin? Oder arbeiten Eilishs Kollegen für den Staat?

Sehr eindringlich und plastisch führt uns der Autor vor Augen, wie schnell man bspw. als Gewerkschaftler in die Illegalität abrutschen kann. In diesen dunklen Zeiten wächst auch die Kluft zwischen Eilish und einigen ihrer Kinder.

Zunächst fiel es mir schwer, mich auf das Buch einzulassen, dem Stil und den Inhalten zu folgen. Deswegen finde ich es wichtig, in der passenden Stimmung zu sein, wenn man sich dieses Buch zu Gemüte führt. Denn es ist definitiv keine Lektüre für alle Tage. Aber die Erkenntnisse, die man daraus schöpft, haben bleibenden Wert. Zumindest für mich!

Bewertung vom 09.07.2024
French, Tana

Feuerjagd


ausgezeichnet

Eine Art europäischer Western
Wenngleich das Szenario nicht ganz so dramatisch und drastisch und auch nicht so auf einen einzigen Moment zugespitzt ist wie bspw. in "Zwölf Uhr mittags", dafür sehr vielschichtig und mit sehr viel Personal, das bis ins kleinste Detail ausgearbeitet ist, bestückt.

Im Mittelpunkt stehen Cal und Trey. Cal ist Amerikaner, ein ehemaliger Polizist mittleren Alters, der nach seiner Scheidung nur noch weg wollte aus den Staaten und in einem winzigen Dorf im Westen von Irland ein neues Zuhause fand. Das hat er nicht zuletzt Trey zu verdanken, einem lokalen Teenager: das inzwischen 15jährige Mädchen tauchte vor zwei Jahren bei ihm auf und begann, ihn bei seinen Schreinerarbeiten, mit denen er sich nun seinen Lebensunterhalt verdient, zu unterstützen. Und genauso bei seinen Ermittlungen bzw. seinen Aktivitäten als Zünglein an der Waage bei gewissen Begebenheiten vor Ort.

Diesmal ist Trey selbst involviert, denn ihr Vater - sie ist eins der ältesten Kinder einer Großfamilie, der sich vor vier Jahren aus dem Staub gemacht hat, ist wieder da und macht ihrer Mutter und ihr und so manch anderen das Leben zur Hölle.

Doch er kommt mit einem Superplan zum Geldverdienen nicht nur für sich selbst zurück. Obwohl jeder Einzelne es besser wissen müsste, findet er Interessenten. Und nicht nur das - das potentielle Opfer ist gleich zusammen mit ihm in sein Heimatdorf gekommen.

Ein Spannungsroman der allerbesten Sorte - packend vom ersten bis zum letzten Wort und damit sehr empfehlenswert. Besonders für Leser:innen, die auf Atmosphäre statt auf Knallerei und Karacho stehen.

Bewertung vom 06.07.2024
Levensohn, Melanie

Der Morgen nach dem Regen


gut

Eine unglückliche Liebe?
Nein, gleich mehrere werden in diesem in einen ungewöhnlichen Rahmen eingebetteten Roman geschildert. Im Vordergrund steht die äußerst unglückliche Beziehung zwischen Mutter Johanna und Tochter Elsa, die man eigentlich gar nicht als Liebe bezeichnen kann, zumindest nicht von der Tochter aus.

Der Grund: sie fühlte sich von ihrer Mutter allein gelassen. Diese war ihr gesamtes Berufsleben lang als Krisenmanagerin für die Vereinten Nationen an den Brandherden der Welt unterwegs gewesen, wodurch auch die Ehe der Eltern zerbrochen ist. Denkt zumindest Elsa - dass der Hintergrund deutlich vielschichtiger ist, weiß nur Johanna.

Denn es gibt viele Arten zu lieben - das wird auch Elsa Jahre später klar, als sie selbst sich vor der Flucht vor einer unglücklichen Beziehung in die Familienresidenz am Rhein zurückzieht, die Johanna gerade geerbt hat.

Aufgrund des ungewöhnlichen Rahmens wollte ich diesen Roman unbedingt lesen, bin aber nun etwas enttäuscht aufgrund der fehlenden Tiefe, wie ich finde. Die Vereinten Nationen mit den Brandherden bleiben eher im Hintergrund, im Vordergrund stehen die Liebesbeziehungen. Wobei einiges zu ausführlich behandelt wird, anderes wiederum in der Luft hängen bleibt.

Bewertung vom 03.07.2024
Bakker, Gerbrand

Der Sohn des Friseurs


gut

Simon, ein noch recht junger Mann, arbeitet als Friseur im eigenen Salon, den er von seinem Opa geerbt hat. Er arbeitet nur so viel, wie es ihm zur Finanzierung seines Unterhalts erforderlich ist. Auch sein Vater war Friseur, ist aber seit langem - Simon war gerade geboren - fort. Wahrscheinlich bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen, auch wenn seine Leiche nie gefunden wurde.

Simons Innenleben ist überaus reichhaltig, nach außen hin wirkt er eher zurückhaltend, da er wenig spricht. Während er seine Mutter in ihrem Ehrenamt - Schwimmen für geistig behinderte Jugendliche - unterstützt, erwachen in ihm gewisse Begierden.

Damit tat ich mich ziemlich schwer: auch wenn dies ein "typischer Bakker" im gewohnten Stil mit dem üblichen Charme ist, wurden hier aus meiner Sicht gewisse Grenzen überschritten. Ein Umstand, der mich sehr verunsicherte und mit dem ich mich ausgesprochen unwohl fühlte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2024
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Man umkreist sich
Und das bereits seit dem ersten Kennenlernen! Frie und Robert kennen sich seit der Mittelstufe und haben seither ein Auge auf einander geworfen. Allerdings, ohne sich darüber auch nur im geringsten bewußt zu sein, dass der andere genauso empfindet. Stattdessen sind sie jahre, nein: eher jahrzehntelang beste Freunde. Das Mädchen aus gehobenen Verhältnissen, aber mit agressivem Vater geschlagen und der Junge mit der alleinerziehenden Mutter, der sich seit seiner Kindheit mehr um sie kümmern muss als umgekehrt. Trotzdem: sie erkennen einander, haben in vielerlei Hinsicht dieselbe Wellenlänge.

Sehen sich wieder, mißverstehen sich, kommen wieder aufeinander zu und gestehen einander Jahre nach dem Abitur - Frie ist inzwischen alleinerziehende Mutter - ihre Liebe. Klappt alles nicht so ganz. Also: abrupte Trennung, nach Jahrzehnten ein neuer Versuch, der wiederum desatrös endet.

Das alles garniert mit einer Menge recht originellen weiteren Akteuren, die sich auf unterhaltsame Art in den Handlungsablauf einreihen.

Nicht gefallen hat mir das viele Rauchen - die Protagonisten sind fast 10 Jahre jünger als ich und schon zu meiner Jugendzeit wurde man als Nichtraucher nicht (mehr) für uncool gehalten. Genauso war es mit dem Trinken. Doch abgesehen von dem, dass einige Klischees etwas überzogen sind bzw. gar nicht passen, ist dies ein warmherziger, scharfsinniger Roman um das gemeinsame und getrennte Altern von Freunden bzw. Liebenden, das ausgesprochen charmant geschildert wird.