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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1345 Bewertungen
Bewertung vom 15.11.2023
Das Versprechen einer neuen Zeit / Sturmjahre Bd.2
Scott, Lia

Das Versprechen einer neuen Zeit / Sturmjahre Bd.2


gut

In echter Not befinden sich zahllose Menschen in Schottland nach dem Ersten Weltkrieg. So auch Vika mit ihrem kleinen Sohn, die wegen des unehelichen Kindes vielfach verachtet wird. Was es noch viel schlimmer macht - ihre Schwester arbeitet seit vielen Jahren als Prostitiuierte, wodurch vor allem die Frauen derer auf sie herabblicken, die bei ihr Schlange stehen, wenn sie gerade mal an Geld gekommen sind.

Gottseidank gibt es Archie, den -nach dem Krieg - einarmigen Gastwirt, der diese kleine Familie bei sich aufgenommen hat. Während ihre Schwester das tut, was sie eben tut, kocht Vika im Pub. Bis es eines Tages zu einem Zwischenfall kommt und Vika mit dem Kind geht, zurück in die Stadt, aus der sie vor Jahren gekommen ist.

Archie bricht es fast das Herz, er liebt sie schon lange - und sie ihn auch. Das klingt so, als wäre es bereits oft geschrieben worden - ist es aber nicht. Die Leser erfahren viel über diese Zeit in Schottland und über den Beitrag, den den Frauen während und nach dem Krieg leisteten. Es könnte richtig gut sein, ist leider aber immer wieder sehr, sehr langatmig. So sehr, dass ich mich wieder und wieder aufraffen musste, um hier weiter zu lesen.

Bewertung vom 07.11.2023
Die Kinder des Don Arrigo
Sciapeconi, Ivan

Die Kinder des Don Arrigo


ausgezeichnet

Eine dramatische und lange Flucht ist es, auf die sich eine Reihe von jüdischen Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen europäischen Ländern begeben, die von einer entsprechenden Organisation gerettet und nach Palästina verbracht werden. Allerdings steckt man bereits mitten im Zweiten Weltkrieg und so ist es entsprechend schwierig, zumal sich in viel zu vielen Ländern deutsche Soldaten herumtreiben. Und man kann sich denken, was sie mit diesen Kindern tun würden.

Wir erfahren die Geschichte, die sich tatsächlich ereignet hat, aus Natans Sicht - er ist einer der mitreisenden Jugendlichen. Viel zu schnell wird er erwachsen und begreift, dass er seine Familie in Berlin nie mehr wiedersehen wird.

Mit Natan passieren wir diverse Gefahren, denen der Tross wieder und wieder ausgesetzt ist, erleben sie jedoch auch monatelang in einem italienischen Dorf, in dem alle Bewohner mithelfen, die Kinder zu verköstigen und anderweitig zu versorgen, auch wenn sie selbst kaum etwas haben.

Ich bin mit dem Stil des Autors nicht ganz warm geworden. Ich lese viel zu historischen Themen, sowohl Sachbücher als auch Belletristik und mir ist wichtig, dass ich die Ereignisse an realen historischen Entwicklungen festmachen kann. Also an Jahreszahlen bzw. detaillierteren Terminierungen und ähnlichem. Hier kam nichts davon vor und so blieb die Geschichte für mich außerhalb von Zeit, was ich als wenig hilfreich empfand. Denn irgendwann war es ruhig - dann war nicht klar, ob das jetzt der Frieden ist oder nicht - das erfuhr man erst deutlich später (er war es nicht). Ich konnte daher keine atmosphärische Bindung zu den Ereignissen aufbauen, auch wenn die Geschichte mit viel Engagement erzählt wird.

Bewertung vom 06.11.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Gekränkt oder gelobt?


Ja, das fragen sich die Zeitgenossen des berühmten Regisseurs des öfteren nach einer Beurteilung seinerseits: war dies nun eine Kränkung oder ein Lob?


Ein bunter Reigen an Stars und Sternchen, aber auch der Akteure im Hintergrund begegnet uns in Kehlmanns Roman "Lichtspiel", der den Regisseur G.W. Pabst in den Mittelpunkt stellt, einen Filmemacher der mehr oder weniger ersten Stunden, der in der Weimarer Republik reüssierte, die große Greta Garbo entdeckte und bis zu seinem Tod ihrer Konkurrentin Louise Brooks verfallen war. Ihn gab es natürlich tatsächlich, ebenso wie die beiden Damen sowie Trude Pabst, seine Ehefrau.


Aber viele andere Charaktere entstammen der Feder des Autors und so entstand eine wilde Mischung aus Wahrheit und Fiktion, wie es ja in der Belletristik nicht unüblich ist. Allerdings ist dieses Werk keineswegs der Gattung "Historische Romane" zuzuordnen, zu virtuos mäandert Kehlmann zwischen Sein und Schein und denkt sich hier und da etwas dazu, an anderen Stellen wiederum entfernt er etwas.


Das mag man mögen oder auch nicht, ich selbst taste mich an diese Art von Literatur eher vorsichtig heran. Von Haus aus Historikerin, kann ich aber durchaus einschätzen, welche ungeheure Arbeit an Recherchen ebenso wie am Feilen sowohl von Handlung als auch von Stil dem Autor hier abverlangt wurde - schließlich ist es nichts anderes als ein Spiel mit dem Lauf der Geschichte und das will gekonnt sein.


Ich bin eigentlich kein Kehlmann-Fan, mochte "Die Vermessung der Welt" nicht sonderlich, obwohl (oder vielleicht auch weil) ich im Bereich der Wissenschaftsverwaltung tätig bin, hatte so gar keine Lust auf "Tyll", habe hingegen das weniger beachtete Buch "F" durchaus mit Freude gelesen.


Und jetzt auch dieses, wobei ich mich durchaus kritisch herantastete. Aber die Überzogenheiten, die sich der Autor gestattete, haben mich amüsiert, ich habe das Buch schnell und mit Genuss gelesen. Dass man einer so schweren Thematik wie dem menschlichen Bestehen im und nach dem Dritten Reich mit einer solchen Leichtigkeit begegnen kann wie Kehlmann es tut - das bewundere ich!

Bewertung vom 06.11.2023
Der Geruch von Ruß und Rosen
Rabinowich, Julya

Der Geruch von Ruß und Rosen


ausgezeichnet

Krieg in irgendeiner (nicht sehr fernen) Zeit, in irgendeinem beliebigen Land. Die Betroffenen sind alles andere als beliebig, es sind Madina und ihre Familie, die geflohen sind. Bis auf den Vater, einen Arzt: der ist zurückgegangen, um zu helfen. Aber man hat seit Ewigkeiten nichts mehr von ihm gehört und das zehrt an der Familie. Madina, ihre Mutter, Tante, die Großmutter und der kleine Bruder: jeder einzelne verarbeitet es anders, aber niemandem geht es gut damit.

Bis die Tante beschließt, zurückzugehen und nach den Verbliebenen zu suchen: mit Madina. Dabei ist der Frieden, der sich gerade erst ergeben hat, ein überaus brüchiger...

Krieg hautnah - niemand, der einer solchen Hölle entronnen ist, kann diese abstreifen. Die Autorin Julya Rabinowich beschreibt dies ebenso einfühlsam wie schonungslos und beim Lesen wird klar, dass man diesen Krieg nicht abstreifen kann. Man muss mit ihm leben, Tag und Nacht, ob auf der Flucht, im sicheren Exil oder eben auch im Kriegsgebiet.

Nach diesem Buch hatte sich etwas in mir geändert. Ich dachte, ich wüsste, was Krieg bedeutet. In Wahrheit weiß ich es erst jetzt - beziehungsweise habe ich eine gewisse Ahnung.

Bewertung vom 03.11.2023
Die Postbotin
Schneefuß, Elke

Die Postbotin


sehr gut

Die Post ist da!
Da dieser Ruf auch während des Ersten Weltkriegs weiterhin erklingen sollte, haben Frauen die Stellen der mehr und mehr in den Krieg ziehenden Männer übernommen und mussten oft ganze Familienverbände durch die Arbeit ernähren, obwohl sie nur die Hälfte des Gehalts ihrer männlichen Vorgänger erhielten. Das war in Berlin nicht anders als in den übrigen Städten der Republik.

Nun - wir befinden uns im Frühling des Jahres 1919 - sollen sukzessive die Heimkehrer zurück in ihre früheren Positionen geführt werden, wodurch die Frauen - viele von ihnen Witwen - arbeitslos würden.

Auf der Suche nach Lösungen begegnen wir hier Regine, der ein ähnliches Schicksal droht, weswegen sie mit einem ältlichen Bäckermeister, der um sie wirbt, verheiratet werden soll - jedenfalls, wenn es nach ihren Eltern geht. Dabei hat sie, die mit Kolleginnen aktiv nach einer Lösung sucht, doch gerade den attraktiven Kurt kennengelernt, der auf eine Karriere in der Gewerkschaft, die zur Unterstützung anvisiert wird, hofft.

Ihre Kindheitsfreundin Evi hat zwar als Telefonistin eine sichere Position bei der Post inne, bringt sich jedoch selbst in die Bredouille, als ihr bisheriger Liebhaber - ein hohes Tier bei der Post - sie eiskalt fallen lässt. Dazu lebt sie allein mit ihrer depressiven Mutter und wartet auf die Rückkehr des Bruders aus dem Krieg.

Eine etwas verzweigte Geschichte, die gleichwohl durch die Schilderung des Arbeitskampfes der Frauen durchgehend die Spannung zu halten vermag. Autorin Elke Schneefuß schreibt eindringlich und kann sich zudem auf detaillierte Recherchen der historischen Entwicklungen stützen. Mir sind die Liebesränke ein wenig zu viel des Guten, mir wäre eine stärkere Fokussierung auf den Arbeitskampf lieber gewesen. Aber da repräsentiere ich vermutlich nicht den Großteil der Leserschaft. Zudem ist dies ein eher marginaler Einwand, denn trotz diesem habe ich das Buch gerne gelesen und würde mich über eine Fortsetzung freuen!

Bewertung vom 30.10.2023
Die Spur im Fjord / Hildur Bd.1
Rämö, Satu

Die Spur im Fjord / Hildur Bd.1


sehr gut

Dieser Krimi markiert den Auftakt zu einer ungewöhnlichen Reihe um die Kommissarin Hildur Rúnarsdóttir, die in den Westfjorden Islands, auf gut Deutsch am A... der Welt, ermittelt. Eigentlich leitet sie die Abteilung für vermisste Kinder, aber aufgrund der dünnen Besiedlung und der damit verbundenen ebenso dünnen Besetzung des Polizeireviers hat sie immer wieder in anderen Bereichen zu tun.

Wir erleben sie zunächst bei der Einführung ihres neuen Kollegen, des Finnen Jakob Johannson, der sich für einige Monate zur Aufarbeitung persönlicher Probleme nach Island versetzen ließ. Die beiden geraten an eine große Aufgabe - es gilt, Überlebende eines schweren Erdrutsches zu finden, zu retten und die Umgebung zu sichern.

Quasi nebenher erfahren wir, dass auch Hildur ein nicht gerade kleines Päckchen an persönlichen Problemen mitschleppt. Dennoch lässt sie sich nicht unterkriegen und meistert ihr Leben und ihren Beruf mit Humor.

Hildur ist eine sehr sympathische Figur, der ich gern weiter folgen möchte. Allerdings kommt dieser Einstiegsband noch ein wenig verschachtelt und umständlich daher, denn es sind so einige Erzählstränge und Informationen, die die Autorin Satu Rämö, selbst eine auf Island gestrandete Finnin dort untergebracht hat. Ich bin aber bester Dinge, dass sie sich bis zum nächsten Band weiter eingeschrieben hat und ich ihn noch mehr genießen werde als bereits diesen!

Bewertung vom 30.10.2023
Good Inside - Das Gute sehen
Kennedy, Becky

Good Inside - Das Gute sehen


sehr gut

Becky Kennedy begleitet
Und zwar Eltern beim Erziehen - dabei hat sie neue Ansätze und Lösungen, die allerdings aus meiner Sicht ab und zu ein wenig zu detailliert sind - da muss dann schon so Einiges passen, um die Kinder a la Becky in allen Lebenssituationen zu "versorgen".

Ich kann mir vorstellen, dass es vielen gefällt, mir jedoch ist es manchmal fast ein wenig zu übergriffig, bspw. wenn sie vorschlägt, das Kind täglich - teilweise sogar mehrmals - mit Mama und Papa aufzufüllen. Das ist eine sehr intensive Methode, derer sowohl Eltern als auch Kinder rasch überdrüssig werden können - bzw. nutzt sich dieser Effekt möglicherweise schnell ab. Das kann für einige Kinder bzw. in manchen Situationen passen, aber doch nicht immer! Ich bin mir sicher, dass nicht gerade wenige Kinder auf diese Methode - die ich hier nur als eines von mehreren Beispielen anbringe - recht bald sehr genervt reagieren und man damit das Gegenteil von dem erreicht, was man anstrebt.

Bewertung vom 29.10.2023
Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


ausgezeichnet

Wie am Schnürchen

klappt es weder bei Florence Butterfield, 87 Jahre alt, kürzlich eines Beines verlustig geworden und daher seit einiger Zeit Bewohnerin der Seniorenresidenz Babbington Hall in Oxfordshire ist, noch bei ihrer Autorin Susan Fletcher in vielerlei Hinsicht.

Florence, genannt Florrie, hat es im Leben nie so richtig leicht gehabt, es waren immer welche da, die mehr als sie vom Glück, der Schönheit oder auch dem Reichtum begünstigt wurden, trotzdem blickt sie insgesamt auf ein reiches, erfülltes Leben zurück, dass sechs von ihr geliebte Männer beinhaltet. Wohlgemerkt - von ihr geliebt, nicht immer liebt sie zurück.

Und nun stirbt in ihrem neuen Heim ein ihr sehr sympathischer Herr ausgesprochen unerwartet und die zurückhaltende, grundsätzlich aber ebenfalls sehr angenehme Heimleiterin Renata stürzt sich aus dem Fenster ihrer recht hoch gelegenen Wohnung. Florrie will den Dingen auf den Grund gehen und findet recht schnell Unterstützung in einem Mitbewohner namens Stanhope, der Hosenträger liebt und ebenso wie sie auf Tee nicht verzichten kann.

Doch so richtig voran kommen sie lange Zeit nicht - zu lange aus meiner Sicht - und das liegt vor allem an dem überaus umständlichen Stil der Autorin Susan Fletcher. Die Handlung breitet sich eher schwerfällig aus, die Figuren sind vor allem durch äußere Merkmale gekennzeichnet und die Autorin springt oft von einem Thema so unmittelbar auf das nächste, dass ich den Faden verlor.

Eine wirklich gute Idee zu einem Roman wurde so in ihrer Umsetzung leider nur zu etwas Mittelmäßigem - so meine Meinung!

Bewertung vom 27.10.2023
Drifter
Sterblich, Ulrike

Drifter


weniger gut

Driftet mir zu sehr ab

Ich kenne Ulrike Sterblich bereits von ihrem vor mehreren Jahren veröfflichten Memoir "Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt" über ihre Jugend im Westteil des geteilten Berlin. Dieses Buch empfand ich als witzig, einfallsreich, herzerwärmend und berührend - um nur einige von den Worten des Lobes, die mir dazu einfallen, zu nennen. Daher freute ich mich sehr auf ihren vielgerühmten Roman, erwartete Ähnliches.

Doch leider konnte ich mit diesem so gar nichts anfangen - eine Art modernes Märchen über KI, neue Lebensformen und eine Art Gruppenbildung im Stil von Querdenkern: die Autorin verlor mich früh und bekam mich auch nicht zurück, obwohl ich tapfer durchhielt bis zum bitteren Ende, das mir ebenfalls wenig weiterhalf.

Bewertung vom 26.10.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


gut

Wer spielt hier eigentlich welche Rolle?
Auf der Zugfahrt nach Malma und in der gesamten Handlung: Wie viele Väter gibt es und wie viele Töchter? Und wie ist die Rolle der Mütter im jeweiligen Zusammenhang?

Es geht um Harriet, immer wieder um Harriet. Aber ebenso um Oskar und Yana. Sie alle wollen geliebt werden - und schaffen es vor allem nicht selber. Also, sich selbst zu lieben. Wie es bei den anderen ist? Nun, es viel Verachtung, Abfälligkeit, Kälte in dem Roman enthalten - nicht durchgehend und nicht von jeder Figur aus, aber doch immer wieder und wieder.

Aber für mich sind dies die Faktoren, die den Roman tragen: Kälte, Verachtung, Hass ebenso wie Gleichgültigkeit und Ignoranz und jeder einzelne von ihnen macht es mir schwer, mit diesem Buch klar zu kommen. Sicher, der Autor Alex Schulman schreibt eindringlich und süffig, es fiel mir überhaupt nicht schwer, am Ball zu bleiben. Zumindest, was den Stil anging. In Bezug auf die Handlung war es ganz anders, ich wurde zögerlicher, verhaltener, die letzten Seiten zu bewältigen - das dauerte eine halbe Ewigkeit.

Wobei es ein kleines Highlight gab: die letzte Szene von Harriet mit ihrem Vater. Der aber wieder eine Unmenge solcher Passagen gegenüber standen, die für mich schier unlesbar waren. Vom emotionalen Standpunkt aus.

Nein, obwohl es gut geschrieben ist, ist dies nicht mein Buch. Ganz und gar nicht!