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Murksy

Bewertungen

Insgesamt 173 Bewertungen
Bewertung vom 18.01.2020
Der Gorilla-Garten / Käthe Bd.1
Veenstra, Simone;Loose, Anke

Der Gorilla-Garten / Käthe Bd.1


ausgezeichnet

Käthe muss umziehen. Weg vom geliebten Landleben bei Oma mit all den Tieren (mit denen Käthe auf ihre ganz spezielle Art kommunizieren kann) und Pflanzen in die große, fremde Stadt. Das kleine Häuschen im Hinterhof soll also jetzt ihr neues Zuhause sein. Zum Glück gibt es in der Nachbarschaft nette Menschen, die ihr den Umzug erleichtern. Aber es gibt natürlich auch die obligatorischen Griesgräme, die keine Kinder mögen und erst so langsam eines besseren belehrt werden müssen.
Das Buch ist sehr liebevoll erzählt, kommt ohne die leider oft zu findenden "Actioneinlagen und Superhelden" aus. Themen wie Verlust, Angst, Unsicherheit werden eingebunden und die kleinen Leser lernen, dass Veränderungen im Leben manchmal sein müssen und nicht zwangsläufig schlecht sind. Die Illustrationen sind nicht übertrieben platznehmend und ergänzen die Geschichte wunderbar. Ob als Selbstlese- oder als Vorlesebuch, die Geschichte funktioniert gut und beschert ein munteres und lehrreiches Lesevergnügen für die kleinen Leseratten.

Bewertung vom 12.01.2020
1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2
Natt och Dag, Niklas

1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Wie oft wurde das Nietsche-Zitat über den Abgrund, in den wir blicken schon als Vorwort in Thrillern genannt? In diesem Buch nicht, aber noch nie hätte es so gut gepasst. Eine Warnung sei angebracht: dies ist kein Buch für Leicht-Leser oder Zartbesaitete, wer skandinavische Thriller nach dem Schema F bevorzugt, sollte sich auf eine andere Dimension des Grauens einstellen. Denn das Buch ist nicht angenehm zu lesen, erzeugt keine wohlige Spannung, sondern schockiert mit seiner authentischen Schilderung einer düsteren, brutalen und oftmals unmenschlichen Zeit. Der Autor hat wieder brillant recherchiert, verknüpft die realen historischen Ereignisse geschickt mit der fiktiven Geschichte, die mit dem Vorgänger verbunden ist. Man kann das Buch zwar eigenständig lesen, aber erst die Kenntnis des ersten Bandes sorgt für ein Gesamtwerk, das man getrost als meisterlich bezeichnen kann. Mit seinen Worten beschwört der Autor dunkle, stinkende Gassen herauf, lässt den Mief und den Gestank in den Gasthäusern und Hinterhöfen aufleben, dass der Leser nach der Lektüre zwangsweise das Bedürfnis nach einer Dusche verspürt. Nebenbei erfährt man auch einiges über die Vergangenheit Schwedens, das heutzutage oft als sympathisches Sehnsuchtsland wahrgenommen wird. Von den ominösen Kaffeeverboten (die tatsächlich den Alkoholverkauf ankurbeln sollten) bis zur düsteren Rolle, die das Königreich im weltweiten Sklavenhandel spielte, wird dem Leser der historische Hintergrund für einen brutalen Mord geliefert. Dessen verworrene Aufklärung führt durch das Jahr 1794, das der Autor wieder in seiner raffinierten Rückwärtserzählweise durch die Jahreszeiten durchschreitet und dabei die Figuren miteinander in Relation setzt. Wie gesagt, hier muss der Leser aufmerksam der Geschichte folgen, um die Zusammenhänge im Auge zu behalten. Das Buch ist grausam, weil es die Geschichte und die Zeit es erfordern. Der menschliche Horror wird aus den Seelen und Handlungen der Personen geboren, die teilweise aus Gier und Machtfantasien zu herrschen glauben. Andere wiederum versuchen mit aller Härte am Leben zu bleiben. Das führt zu einem Gesamtbild, das stellenweise schwer zu verdauen ist. Niklas Natt och Dag schreibt überragend und beschreibt trefflich, was das Grauen noch verstärkt. Die Erzählweise lässt vielleicht nicht mit den Figuren sympathisieren, aber sämtliche Handlungen erscheinen nachvollziehbar und im Sinne der Personen verständlich. Das verlangt gehobene Erzählkunst. Ein großartiger Historienmix, der in Zusammenhang mit dem Vorgänger "1793" zum Besten gehört, was die schwedische Literatur zu bieten hat.

Bewertung vom 28.11.2019
Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod
Barry, Jessica

Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod


sehr gut

Ein kleines Flugzeug stürzt in den Bergen ab, der Pilot stirbt, eine junge Frau überlebt. Sie berichtet aus ihrer Sicht und nimmt den Leser mit auf eine dramatische Flucht vor einem mysteriösen Verfolger. Der Leser wird durch die Erzählung der Flüchtenden nach und nach deren Leben und die Geheimisse rund um den Absturz kennenlernen. Die zweite Perspektive wird von der Mutter der Frau erzählt. Diese erfährt von dem vermeintlichen Tod der Tochter und macht sich auf Spurensuche nach einem Leben, von dem sie so gut wie nichts weiß. Diese doppelte Handlung sorgt für Spannung und treibt den Leser zum Umblättern ohne Pause. Immer mehr erfährt der Leser von der Tochter und leidet mit der Mutter mit, der sich nach und nach das Bild einer Unbekannten offenbart, die sie zur Welt gebracht hat. Mehr soll von der Handlung nicht erzählt werden, um nichts von der Spannung zu nehmen. Das Buch ist flüssig erzählt, und das sich immer mehr vervollständigende Puzzle lässt den Leser nicht los. Natürlich ist die Grundgeschichte nicht vollkommen neu. Ähnliche Geschichten kennt der erfahrene Thrillerfan. Trotzdem lohnt sich das Lesen auf jeden Fall. Etwas Punktabzug gibt es für die eine oder andere Logiklücke oder allzu naive Handlungsweise der Hauptpersonen. Etwas plump ist auch die Verfolgerrolle geraten, scheint er doch manchmal geradezu hellseherische Fähigkeiten bei der Jagd auf die Frau zu entwickeln. Das ist nicht immer glaubhaft gelungen. Aber wie gesagt, ein gutes Debut, das man schon beim Lesen als Verfilmung vor sich sieht.

Bewertung vom 12.11.2019
Missing Boy
Fox, Candice

Missing Boy


ausgezeichnet

Eines der ungewöhnlichsten Krimiduos geht in die dritte Runde. Der Ex-Cop und der Pädophilie beschuldigte Ted Conkaffey und seine Chefin, die verurteilte Mörderin Amanda Pharrell arbeiten seit einem Jahr als Detektive zusammen. Diese merkwürdige Zweckgemeinschaft wird nun von einer Frau beauftragt, das Verschwinden ihres 8 jährigen Sohnes aufzuklären. Die Mutter war mit ihrem Sohn in einem Hotel untergebracht. Während sie und ein paar andere Eltern den Abend in feucht-fröhlicher Runde ausklingen ließen, waren die Kinder in einem Zimmer zusammen. Doch am zweiten Abend verschwand eines der Kinder spurlos, weder Kameras noch Gäste des Hotels können der Polizei helfen. Nun sollen die zwei Ermittler der Sache auf den Grund gehen. Ted, der gerade sehnsüchtig den Besuch seiner kleinen Tochter erwartet, versucht den Fall mit seinem Privatleben zu koordinieren, während Amanda mit ihrer "Hau-drauf"-Mentalität für neue Feindschaften sorgt. Der Fall wird immer komplizierter, auch weil die Polizei mit Amanda nichts zu tun haben will. Und wäre das nicht schon genug Zündstoff, sorgen auch mehrere Verdächtige für ein undurchschaubares Geflecht. Wo ist der Junge? Wie konnte er aus dem Hotel verschwinden? Rätsel über Rätsel und jede Menge Hochspannung.
Fox schreibt immer besser. Wer die Vorgängerromane (auch zu empfehlen ist die Hades-Trilogie) nicht kennt, sollte die unbedingt lesen. Natürlich funktioniert dieser grandiose Roman auch eigenständig, aber das ganze Vergnügen hat der Krimifan erst, wenn er die Vorgeschichte der beiden "Helden" gelesen hat. Allerdings sollte man die vor dem dritten Teil lesen, weil der Band zu viele Spoiler enthält. Wer sich also was Gutes tun will, liest alle drei Bände. Versprochen: es lohnt sich! Fox wurde für ihre Romane nicht ohne Grund mehrfach ausgezeichnet. Allerfeinste Krimikost aus 'down under'

Bewertung vom 31.10.2019
Ein Schweinebär im Schlafanzug
Langer, Andreas;Pop, Katalin Eva

Ein Schweinebär im Schlafanzug


sehr gut

Jule ist mit ihren 10 Jahren schon gefühlt erwachsen. Umso mehr hat sie mit ihrem kleinen Bruder Mitleid, der etwas tollpatschig beim Essen ist und somit von Mama und Papa immer wieder als Schweinebär tituliert wird. In diesem Fall wird der schmuddelige Schimpfname zum bösen Omen. Denn eines Tages geht der Vater in das Kinderzimmer und findet dort tatsächlich einen Schweinebären. Wie mit einem Zauber belegt hat sich der Sohn in dieses Wesen verwandelt, das von den genervten Eltern heraufbeschworen wurde. Jule findet den kleinen Gast sogar richtig niedlich und wird ab diesem Tag einige spannende Abenteuer mit ihrem verwandelten Bruder erleben.
Herrliches Vor- und Mitlesebuch, dass nebenbei auch die Eltern ermahnt, etwas mehr Geduld mit den kleinen "Schmutzfinken" zu haben. Die Geschichte ist gut verständlich, die Illustrationen kindgerecht einfach gehalten. Abgerundet wird das Ganze durch Mitmachseiten. Hier können die Kinder Rätsel lösen (manche recht knifflig für junge Kinder) und die Zeichnungen ausmalen. Hier setzt mein einziger Kritikpunkt an. Wohl wissend, dass das Buch im Selbstverlag erscheint, wäre eine großformatige Ausgabe für die Kinder besser gewesen. Dann könnten sie sämtliche Bilder, die leider alle farblos gestaltet sind, nachmalen. Das vorliegende Buch ist leider sehr klein. Vor allem jüngere Kinder neigen ja eher zu großflächigem Ausmalen. Positiv ist hierbei, dass die Mitmachseiten auf der homepage des Autors als pdf vorliegen. Nachschub für die Kleinen ist also verfügbar. Zum Suchbild: besser wären gleich große Bilder gewesen, das erleichtert das Vergleichen und Suchen der Fehler.
Alles in allem ein tolles Kinderbuch, das wie gesagt ein größeres Format verdient hätte.

Bewertung vom 26.10.2019
In den Klauen des Falken
Kallentoft, Mons;Karolina, Anna

In den Klauen des Falken


gut

Zack Herry ist im fünften Buch der Reihe immer noch auf der Suche nach seiner Identität. Die brennende Frage, wer seine Familie ist, muss aber zurückgestellt werden, als ein junges Mädchen in einer U-Bahnstation ein Massaker anrichtet und Zack das Mädchen erschießen muss. Und als ob das seine Welt nicht schon genug beschäftigen würde, wird eine brutal zugerichtete Leiche gefunden. Dies ist der Auftakt zu einer actionreichen und blutigen Jagd.
Nun ja, ich versuche möglichst wenig vom Inhalt preiszugeben. Schließlich gibt es Fans, die sehnsüchtig auf den neuen Band gewartet haben. Für meinen Geschmack allerdings ist das Buch zu unglaubwürdig und zu sehr mit Klischees behaftet. Zack hat mehr Sex als James Bond und scheint auch nicht allzu wählerisch zu sein, was seine Partnerinnen betrifft. Dass er auch noch ab und zu den Drogen verfällt und Kontakte ins kriminelle Milieu hat, scheint bei heutigen Thrillern fast schon zum Standard zu gehören. Der krude Mix aus Drogensumpf und Terrorismus wird abgerundet durch übliche Schemata: Einzelkämpferhandlungen der Polizisten, übertriebener Action mit so manchen Logiklücken und Brutalität (in diesem Fall muss mal wieder der oft zitierte Blutadler herhalten). Dass unser "Held" auch noch seinen kriminellen Freund in die Ermittlungen einbezieht versteht sich von selbst. Man kann nur hoffen, dass weder in Schweden noch sonst wo solche Polizisten ihren Dienst versehen und dabei auch noch von der Obrigkeit gedeckt werden. Um sich schießende blinde Polizisten, die auch noch in Außeneinsätzen teilnehmen steigern das Ganze teilweise ins Lachhafte. Unser (natürlich) motorradfahrender Zack (und es ist natürlich eine Hayabusa!) schwankt in dieser Melange immer wieder zwischen besorgtem Gewissen und rachesüchtigen Mordgedanken. Ähnlich geht es auch mir als Leser. Die Grundstory ist gut aufgebaut, raffinierte Wendungen machen das Ganze reizvoll. Doch die genannten Kritikpunkte lassen das Actionrührstück leider etwas ausarten. Zuviel des Guten, leider.

Bewertung vom 10.10.2019
Wer die Wahl hat, liebt die Qual
Schönenborn, Tanja;Fuchsgruber, Rafael

Wer die Wahl hat, liebt die Qual


gut

Herr Fuchsgruber ist in der Szene bekannt wie ein bunter Hund. Seine Geschichte ist ja auch zu faszinierend. Da ich selber Läufer bin und seit über 40 Jahren Sport in allen Facetten betreibe, bin ich immer wieder begeistert, was der Mensch zu leisten vermag und welche Kraft er aus Sport beziehen kann. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, das Extremsport nicht gesund ist. Ein gutes Beispiel ist das Boxtraining: hervorragend, um die Fitness zu steigern. Der eigentliche Kampf ist dagegen eher gesundheitsschädlich. Auch der Autor hat seine ersten OPs hinter sich, Arthrose ist eine Verschleißerscheinung, die sich nicht stoppen lässt und irgendwann kommen auch die künstlichen Ersatzteile an ihre Grenzen. Von den Qualen eines Extremlaufes ganz zu schweigen. Die kommen in dem dünnen Buch, gestreckt durch viele Fotos, leider zu kurz. Wie auch der Rest eher sehr dünn beschrieben ist. Mir wäre ein Buch über ein oder zwei Läufe mit mehr Text dazu lieber gewesen. Obwohl Herr Fuchsgruber damit hausieren geht, wie sehr er einfach das Laufen liebt, ist der Tenor der Platzierung im vorderen Bereich sehr deutlich. Dagegen unterstellt der Autor unterschwellig den Wochenendläufern, dass sie nicht den Sport lieben, sondern die Medaillen. Ich laufe mittlerweile nur noch für mich, liebe ich das Laufen weniger? Nein. Der Autor liebt die Aufmerksamkeit und fühlt sich in seiner Rolle wohl. Nichts dagegen einzuwenden. Allerdings frage ich mich, was aus ihm wird, wenn der Körper wieder streikt und das Laufen nachlässt. Laufen ohne Bestwerte? Man wird sehen. Seine Frau schreibt auch an dem Buch mit, gibt auch sehr intime Gefühle in schwierigen Zeiten preis. Respekt dafür. Aber auch sie läuft letztendlich davon. Wie sie selber sagt, beim Singen und Laufen sind sie glücklich. Aus eigener Erfahrung sage ich, das reicht leider auf Dauer nicht aus. Das sollten sich auch alle Leser zu herzen nehmen, die nach der Lektüre denken "Tschakka" und "Juchuuu", das mache ich auch.
Zum Stil des Buches: der Autor rühmt sich dafür, dass er bei Sprache pedantisch sein kann. Bei dem Buch war er es leider nicht. "Orga" sagt man bestimmt in seiner Künstlerszene und in Managerkreisen, die keine Zeit haben und hip sind. Der Leser, der viel Geld zahlt, kann darauf verzichten. Genauso wie auf Anglizismus der Art "Anyway". Auch Wortkreationen wie Millijausend (ob die nun einem Dialekt entspringen oder nicht) stören. Auch störend ist orange Schrift auf weißem Papier, liest sich einfach schlecht. Das das Buch aus Einzelkapiteln zusammengeschustert ist, sieht man auch daran, dass zum Beispiel ein Filmzitat in fast gleicher Form auf wenigen Seiten zweimal missbraucht wird, um das machohaftige Harte des Extremläufers zu unterstreichen. Auch der Begriff des wahren Helden ist leicht übertrieben, die Helfer tun nur ihren Job in Regionen, die ansonsten andere Probleme haben, als ein paar Privilegierte im Extremwahn. Diese Kritikpunkte kommen im Buch zu knapp vor, die einseitige Sichtweise des Läufers wird hier deutlich.
Sport in dieser Form ist nicht für jeden geeignet und nicht die Allheilformel. Auch wenn dies vorher-nachher-Fotos der Läuferin suggerieren sollen, was aber nicht funktioniert. Auch hier gibt das Buch ein zu positives Bild wieder, was aus Sicht der Autoren durchaus stimmig sein mag. Man kann davonlaufen und trotzdem marschieren Schicksal und Leben Hand in Hand immer eine Nasenlänge vor einem ins Ziel uns rufen "Komm, wir haben noch eine Überraschung für Dich!"
Das notwendige Übel der Produktwerbung versteht sich von selbst, die Sponsoren wollen schließlich eine Gegenleistung. Dem unerfahrenen Sportler sei gesagt, es gibt auch andere sehr gute Produkte anderer Hersteller. Man muss einfach immer wieder probieren. Ich habe zum Teil Laufkleidung, die mich seit 20 Jahren durch die Wüste und das Hochgebirge begleitet, das Markenemblem ist schon lange verwaschen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.10.2019
Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1


ausgezeichnet

Was verbinden wir mit norwegischen Krimis? Düstere Stimmung, melancholische Menschen, traumatisierte Opfer und oftmals Ermittler, die mir ihren eigenen Dämonen kämpfen müssen, Ermittler, die an der Flasche hängen oder eine offene Rechnung mit einem Mörder haben. Nicht zu vergessen, brutale Morde, Psychopathen, die sich die kompliziertesten Todesarten für die Opfer ausdenken, um damit ein Jahrzehnte altes Drama zu rächen. Ja, das kommt einem alles so bekannt vor. Achtung: Quasi-Spoiler! Auf all das verzichtet dieses Buch! Spoiler-Ende!
Man merkt dem Autor an, dass er selber als Kommissar gearbeitet hat. Penibel und ausführlich wälzt sein Charakter Wisting alte Fallakten, liest immer wieder Hinweise und versucht nach 20 Jahren immer noch den geheimnisvollen Code zu entschlüsseln, den damals die verschwundene Ehefrau hinterlassen hat. Der Ehemann wurde damals natürlich verdächtigt, hatte aber ein Alibi. Seither besucht in Wisting einmal jährlich, ein freundschaftliches Verhältnis hat sich entwickelt. Eines Tages taucht ein Beamter einer Cold-Case-Einheit auf und legt neue Beweise vor. Die Technik hat sich weiterentwickelt, der Fall wird neu aufgerollt. Was beginnt, ist eine raffinierte Suche nach Wahrheit, Opfer und Täter. Die Polizei lässt keinen Stein umgedreht, leistet nahezu perfekte Arbeit. Alles was bisher der Lösung im Wege stand, war der Code. Zusammen mit der Presse soll dem Täter eine Falle gestellt werden, er soll zu einem Geständnis getrieben werden.
Der Leser wird durch die alten Akten und die Methoden der Polizei mit in den Fall gezogen. Das Buch wird zu einem wahren Page-Turner ohne die üblichen Schockeffekte oder haarsträubend konstruierten Motive anderer Bücher. Das ist ein wahres Lesevergnügen, weil nur der Fall im Vordergrund steht. Natürlich haben die Personen des Buches auch ein Leben mit den kleinen oder großen Problemen. Aber das dient im Buch nicht als Mittel zum Zweck. Der Roman wirkt extrem realistisch und nachvollziehbar. Ein ruhiger, fesselnder Kriminalfall, der trotz oder gerade weil die üblichen Actionelemente fehlen, eine ungeheure Spannung aufbaut. All die Leser, die ohne Torturen und Blutfontänen, wilde Schießereien und aberwitzige Zweikämpfe jenseits der Logik, nicht auskommen, werden den ruhigen Roman nicht besonders mögen. Genießer gepflegter und intelligenter Krimikultur umso mehr. Wahrlich einer der besten Krimis des Jahres!

Bewertung vom 01.10.2019
Der größte Spaß, den wir je hatten
Lombardo, Claire

Der größte Spaß, den wir je hatten


sehr gut

Warum sollte man eine 700 Seiten lange Familiengeschichte lesen wollen? Weil man überzeugter Familienmensch ist? Oder weil man sich es mit der Familie noch einmal überlegen sollte? Beides findet seine Berechtigung. Aber vor allem sollte man das Buch lesen, weil es grandios geschrieben ist. Beim Lesen der Geschichte um die ziemlich privilegierte Familie ist man immer wieder erstaunt um den psychologischen Weitblick der Autorin und ihre feine Beobachtungsgabe. Das soll ein Erstlingsroman sein? Chapeau! Die Autorin erstellt ein außergewöhnliches Psychogramm der liebenden Eltern und den vier komplett unterschiedlichen Töchtern, die bis auf ihr gutes Aussehen nicht viel gemeinsam zu haben scheinen. Das Buch beginnt mit einer Hochzeitsfeier und zeigt die Eltern als dauernd verliebtes Paar. Das wirkt schon fast so kitschig, dass man das Buch in die Ecke "romantischer Frauenroman" verbannen will. Doch dann springt das Buch raffiniert zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Es werden all die Klippen des Familien- und Ehelebens gezeigt, die das Ganze zu einem immerwährenden Drahtseilakt macht. Weder Geld noch Schönheit lassen Schicksalsschläge und dunkle Geheimnisse verhindern. Und trotzdem schwebt über allem die Hoffnung, dass Liebe der Klebstoff ist, der alles zusammen hält. Manchmal droht das Buch etwas langatmig zu werden, doch die Erzählweise und die Charaktere halten den Leser gefesselt. Eine bewegende Familiengeschichte mit Höhen und Tiefen, Sonne und Regen. Genau wie das Leben. Und deshalb so lesenswert.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.