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Lu
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 187 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2024
Popcorn süß-salzig
Hach, Lena

Popcorn süß-salzig


ausgezeichnet

Lena Hachs Jugendroman "Popcorn süß-salzig" bietet eine mitreißende und unterhaltsame Handlung, die mir von Anfang bis Ende gefallen hat. Die Protagonistin Ruby ist nicht nur sympathisch, sondern auch eigensinnig, was sie zu einer Figur macht, mit der sich sicher viele junge (und ältere) Leserinnen und Leser identifizieren können. Besonders gelungen ist die Grundidee des Romans, die mit typischen Tropes aus dem New Adult-Genre spielt und dem romantischen Genre eine erfrischende Wendung verleiht. Ruby kennt zwar die ganzen Tropes, aber im real life hilft ihr das trotzdem nicht, sich entscheiden zu können, was sie eigentlich will: Deutsch oder Englisch? Süßes oder salziges Popcorn? Und soll sie Phils fake Freundin werden oder nicht?

Ein Aspekt, der besonders positiv hervorsticht, ist die Aufklärung und Sensibilität, die die Jugendlichen im Buch zeigen. Insbesondere Rubys offene Haltung, z.B. in Bezug auf Identität, Geschlechterstereotype oder Sex und Selbstbefriedigung, kann für Jugendliche sicherlich ein inspirierendes Vorbild sein. Auch wenn einige Charaktere vielleicht auch klischeehaft wirken mögen, spiegeln sie dennoch authentische Situationen aus dem Schulalltag von Jugendlichen wider, was dem Buch Authentizität und durch die leicht überzeichneten Charaktere auch Witz verleiht. Allerdings spielt sich die Handlung hauptsächlich im gymnasialen Umfeld ab, was eine gewisse Einseitigkeit mit sich bringt. Dennoch gelingt es Lena Hach, eine sehr sympathische Clique zu präsentieren, deren Entwicklung und Dynamik sie den Leserinnen und Lesern mit jedem Kapitel näher bringt.

Lena Hach beweist insgesamt also ihr Talent als Autorin für jugendliche Zielgruppen und schafft es, mit "Popcorn süß-salzig" eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur unterhält, sondern auch für Gesprächsstoff sorgt.

Bewertung vom 19.04.2024
Mühlensommer
Bogdahn, Martina

Mühlensommer


ausgezeichnet

"Mühlensommer" ist für mich eine echte Überraschung unter den aktuellen Debütromanen, der das ländliche Leben auf einem Bauernhof einfühlsam porträtiert. Die Sicht der Hauptfigur Maria, die zwischen ihrem modernen Leben in der Stadt und ihren Wurzeln auf dem Land hin- und hergerissen ist, wird mit Tiefe und Authentizität aber trotzdem mit Humor liebevoll dargestellt.

Nach langer Abwesenheit kehrt Maria mit ihren Töchtern auf den Hof ihrer Eltern zurück, da ihr Vater im Krankenhaus liegt. Die Rückkehr Marias auf den Hof ermöglicht ihr nicht nur eine Reise in die Vergangenheit, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den Konflikten und Verletzungen innerhalb ihrer Familie. Diese Zwiespältigkeit zwischen Nostalgie und Konfrontation wird dabei durch die Erzählerin eindringlich eingefangen und mit Hilfe von lustigen Anekdoten immer wieder durchbrochen, wobei die Schattenseiten des Landlebens dennoch ungeschönt dargestellt werden.

Insgesamt ist "Mühlensommer" ein Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten hat. Durch die verschiedenen Charaktere des Hofes, die humorvollen Anekdoten und die tiefgründigen Themen fühlte ich mich mehr als einmal an die zeitlosen Klassiker wie "Bullerbü" und "Michel von Lönneberga" erinnert - mit dem Unterschied, dass dieser Roman gleichzeitig ein moderner und relevanter Beitrag zur zeitgenössischen Literatur für Erwachsene ist!

Bewertung vom 17.04.2024
Nostalgia Siciliana
Di Stefano, Patrizia

Nostalgia Siciliana


sehr gut

Tita reist nach Sizilien, um ihr Erbe anzutreten. Spontan kauft sie das alte Familienanwesen und taucht ein in die Vergangenheit ihres Vaters, der als italienischer Gastarbeiter nach Deutschland ausgewandert war. "Nostalgica Siciliana" entfaltet eine spannende Erzählung, die geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart verwebt.

Besonders berührend ist die einfühlsame Darstellung von Titas Vater, die den Leser immer wieder mitfiebern lässt. Die Darstellung des kindlichen Gianni ist liebevoll und authentisch, und seine Abenteuer fügen eine charmante Leichtigkeit hinzu. Bei seinem Leben in Deutschland werden schnell auch die bitteren Seiten des Lebens als Gastarbeiter deutlich. Später findet man heraus, was Gianni mit dem Weltkonzern Dr. Oetker zu tun hatte.

Titas Reaktion auf das Erbe und ihre Reise nach Sizilien machen außerdem Lust auf die Insel, da auch Landschaft, Sehenswürdigkeiten und Essen so detailliert und liebevoll beschrieben werden. Die lebendige Beschreibung des sommerlichen Lebens in Italien lässt die Leser:innen richtig in die Atmosphäre eintauchen. Ein Tipp dazu: Es gibt zu dem Roman eine Homepage, die zusätzlich eine Playlist, Rezepte und Hintergrundinformationen zur Verfügung stellt.

Insgesamt ist "Nostalgica Siciliana" ein fesselnder Roman, der mit seinem liebevollen Blick auf die Menschen und die Kultur Siziliens begeistert, ohne die bitteren Seiten des Lebens auf Sizilien und als italienische Gastarbeiter nicht ausblendet und somit die richtige Mischung aus Unterhaltung, neuen Erkenntnissen und Tiefgang bietet.

Bewertung vom 15.04.2024
Dümpeln
Schneemelcher, Pola

Dümpeln


ausgezeichnet

In „Dümpeln“ macht die Protagonistin genau das: Sie dümpelt vor sich hin und das auch noch im lebhaften Hanoi in Vietnam. Eigentlich will sie gerne Autorin sein, sie schreibt jedoch nicht, sondern versucht stattdessen Friteusen zu verkaufen - ein Gerät, auf das das Land nur gewartet hat? Und dann auch noch vertrieben und verkauft von einer Möchte-gern-Autorin? Während die Protagonistin also versucht, sich ein erfolgreiches aber anspruchsloses Nebengeschäft aufzubauen, trifft sie weitere sog. Expats in Hanoi, verliert sie sich immer wieder in den Geschichten und Begegnungen unterwegs. Nach einer unerwarteten Wendung begibt sie sich schließlich mit zwei weiteren suchenden Expats auf eine abenteuerliche Reise durch Vietnam.

Ich mochte den ironischen und nüchternen Schreibstil, der die Handlungen der Deutschen in Vietnam zwar nicht explizit kommentiert, aber immer wieder die Abstrusität ihrer Vorstellungen und Handlungen vor Augen führt. Vietnames:innen kommen in der Welt der Deutschen, obwohl in Vietnam, nur am Rande vor, gleichzeitig wird die eigene Kritik der Deutschen daran entlarvend naiv dargestellt. Die Charaktere sind zwar teilweise klischeehaft gezeichnet, dadurch war die Lektüre aber trotz des eigentlich anspruchsvollen Themas immer wieder sehr unterhaltsam.

Für Leser:innen, die auf der Suche nach einem Roman sind, der nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt, ist „Dümpeln“ eine klare Empfehlung. Insbesondere Menschen, die selbst schon Backpacking in den typischen Tourismuszielen gemacht haben, werden sicher einiges wiedererkennen und sich hoffentlich manchmal auch ertappt fühlen.

Bewertung vom 14.04.2024
Der Wind kennt meinen Namen
Allende, Isabel

Der Wind kennt meinen Namen


sehr gut

Allendes neuer Roman „Der Wind kennt meinen Namen“ verwebt die Flucht- und Migrationsgeschichten verschiedener Menschen an verschiedenen Orten in verschiedenen Zeiten miteinander. Im Zentrum stehen dabei Samuel Adler aus dem Wien von 1938 und Anita Díaz aus El Salvador von 2019. Samuel wird von seiner Familie getrennt und findet sich allein auf einem Kindertransport nach England wieder, während Anita an der US-Grenze von ihrer Mutter getrennt wird und in einem Lager landet. Beide kämpfen mit Einsamkeit und Ungewissheit in einer Welt, die von Gewalt geprägt ist. Zwischendurch kommen aber weitere Charaktere vor, die mehr oder weniger wichtig für Samuel und Anita werden.

So entsteht ein historischer Roman mit einer vielschichtigen Handlung und einer Fülle von Charakteren. Manchmal hat aus meiner Sicht die Entwicklung der Charaktere jedoch unter der Fülle an Charakteren und Ereignissen gelitten, sodass es bei mir auch zu Verwechslungen kam und ich noch einmal nachschlagen musste. Der Schreibstil ist wie immer bei Allende flüssig und angenehm, aber gelegentlich wirkten Dialoge und Erklärungen etwas aufgesetzt, weil im Roman überhaupt kein Vorwissen bei den Leser:innen zu Fluchtgründen für Juden in der NS-Zeit oder zu Hintergründen der Unterdrückung der Bevölkerung in El Salvador vorausgesetzt wird. Das führt dazu, dass zwischendurch viel explizit erklärt wird - ein Jude hätte seinen Nachbarn z.B. 1938 wohl kaum ausführlich über diskriminierende Gesetze aufklären müssen. Dennoch ist es Allende am Schluss gelungen, mich mit ihrer einfühlsamen Geschichte zu berühren und zu Tränen zu rühren. Trotz kleinerer Schwächen bietet der Roman eine bewegende Darstellung von Flucht und zeigt, was es bedeutet, zu überleben. Außerdem wird veranschaulicht, wie viele Gemeinsamkeiten Menschen teilen können, auch wenn sie ganz unterschiedliche Geschichten haben.

Insgesamt ist „Der Wind kennt meinen Namen“ damit aus meiner Sicht nicht Allendes stärkster Roman, aber definitiv eine Empfehlung für Fans. Für Neulinge empfehle ich jedoch einen anderen Einstieg in Allendes Bücherwelt, hebt euch dieses dann für später auf!

Bewertung vom 14.04.2024
Unlearn Patriarchy 2
Amojo, Ireti;Borcak, Melina;Boussaoud, Yassamin-Sophia

Unlearn Patriarchy 2


sehr gut

Ich hätte diesem Sammelband eigentlich schon aus Prinzip fünf Sterne gegeben - denn die Reihe sollte unbedingt fortgesetzt werden! Ich lese ohnehin schon viel zu Sexismus und anderen Diskriminierungsformen. Während mir deshalb in Band 1 von „Unlearn Patriarchy“ bereits viele Themen und Autor:innen bekannt waren, kannte ich in Band 2 die meisten Verfasser:innen nicht, sodass ich, auch wenn ich die Themen kannte, einiges Neues mitnehmen konnte.

Was mich dann allerdings wirklich massiv gestört hat und was einen unfassbar bitteren Nachgeschmack bei mir hinterlässt, sind Verweise auf den Krieg in Gaza zu schwangeren Frauen und Kindern als Opfer, während mit keinem einzigen (!) Wort erwähnt wird, dass in Israel von der Hamas auch schwangere Frauen entführt wurden, Vergewaltigungen von Frauen als Waffe eingesetzt wurden und immer noch Frauen, Männer, Kinder als entführt und vermisst gelten. Warum fehlt gegenüber israelischen Menschen, teilweise Juden und Jüdinnen, die Empathie? Und warum wird das, wenn schon nicht im Kapitel zu Genozid, nicht in einem Kapitel „Unlearn Antisemitismus“ reflektiert? Ich habe noch einmal geschaut, dieses Kapitel gibt es auch in Band 1 nicht, beim Begriff Intersektionalität wird er im Vorwort auch nicht erwähnt, das scheint wirklich nicht mitgedacht zu sein. Ob bewusst oder unbewusst: Das muss dringend nachgeholt werden!

Meine Bitte also an den Ullstein-Verlag: Bitte veröffentlicht noch einen dritten Band, am besten wieder mit neuen Herausgeber:innen, gerne mit einem Kapitel „Unlearn Antisemitismus“ - leider ein Kapitel, was ebenso dringend gebraucht wird wie die Kapitel, die bereits erschienen sind.

Bewertung vom 10.04.2024
Das andere Tal
Howard, Scott Alexander

Das andere Tal


sehr gut

Es handelt sich um einen Roman, der in einem zeitlosen Tal spielt, das von anderen Tälern umgeben ist. Geht man nach Westen in das angrenzende Tal, reist man 20 Jahre in die Vergangenheit, geht man ins östliche Tal, reist man 20 Jahre in die Zukunft. Damit Vergangenheit und Zukunft nicht versehentlich von Menschen geändert werden, werden die Grenzen von autoritären Regierungen auf allen Seiten streng kontrolliert. Nur Personen mit einem triftigen Grund dürfen unter strengen Auflagen ein anderes Tal besuchen, z.B., um einen verstorbenen Menschen ein letztes Mal aus weiter Entfernung zu sehen.

In diesem Setting wächst die schüchterne Odile auf und bewirbt sich für den Rat, der über die Besuche entscheidet. Der erste Teil des Romans ist eigentlich ein Coming-of-age-Roman über Odile, die erstmals Freunde findet und sich verliebt. Das hat einen großen Sog auf mich entfaltet, sodass ich förmlich durch die Seiten geflogen bin. Auch den Schreibstil des Autors mochte ich sehr, er tendiert dazu Beschreibungen anschaulich auszuschmücken, allerdings ist er dabei nicht kitschig oder blumig. Im zweiten Teil lernt man Odile als Erwachsene kennen, dieser Teil ist deutlich düsterer und beklemmender, die Konsequenzen des autoritären Systems für die Menschen werden deutlich und sehr ausführlich beschrieben. Ich muss sagen, dass mir der zweite Teil nicht so gut gefallen hat wie der erste Teil, weil es kaum Hoffnung gibt und Odile kaum Positives erlebt. Ich war deshalb dann doch froh, als ich den Roman ausgelesen hatte, weil er mich ein bisschen heruntergezogen hat.

Wie immer bei Zeitreisenromanen gab es auch ein paar Logikfehler, die mein Leseerlebnis allerdings nicht beeinträchtigt haben. Zudem wirft der Roman moralische Fragen auf: Sollte man in die Vergangenheit reisen, um Menschen noch einmal zu sehen? Und sollte man diese Menschen sogar warnen und damit einen Tod verhindern? Wir wirken sich autoritäre Systeme auf die Gefühle und das Leben der einzelnen Menschen aus? Insgesamt hat mir der Stil des Autors so gut gefallen, dass ich schon gespannt auf sein nächstes Buch bin.

Bewertung vom 07.04.2024
Ein falsches Wort
Hjorth, Vigdis

Ein falsches Wort


ausgezeichnet

Der Roman "Ein falsches Wort" wirft einen tiefen Blick in die zerrütteten Beziehungen innerhalb einer Familie. Die Protagonistin Bergljot hat seit 23 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie und hat stattdessen eine unterstützende Wahlfamilie um sich herum aufgebaut. Als Konflikte um das Erbe ihrer Eltern entstehen und ihr Vater stirbt, werden alte Wunden aufgerissen, und Bergljots Familie sucht wieder Kontakt. Doch die Gründe für ihren Bruch werden nicht anerkannt, was zu einer komplexen und emotionalen Auseinandersetzung führt.

Der Plot des Romans ist nicht handlungsgetrieben, sondern konzentriert sich auf Bergljots innere Reflexionen, die anfangs einen gewissen Kreislauf zu bilden scheinen und oft beklemmend sind. Dennoch zog mich die Geschichte in ihren Bann, als die Gründe für Bergljots Distanz zur Familie deutlicher wurden. Gefallen haben mir auch die Verweise auf Freud, Jung und verschiedene Schriftsteller:innen, die die Erzählung bereichern und zum Nachdenken anregen.

Die Autorin schafft es in diesem Roman, komplexe emotionale Dynamiken aufzuzeigen und den Leser dazu zu bringen, über die Bedeutung von Familie und persönlicher Identität nachzudenken. Auch wenn nicht in allen Familien traumatische Ereignisse der Ausgangspunkt für Trauer, Wut und Enttäuschung sind, bin ich sicher, dass fast alle Leser:innen Teile ihrer eigenen Familiengeschichte in Bergljots Gedanken wiederfinden werden. Dies war sicher nicht der letzte Roman, den ich von der Autorin gelesen habe!

Bewertung vom 02.04.2024
Und dann sind wir gerettet
Carati, Alessandra

Und dann sind wir gerettet


ausgezeichnet

Der Roman "Und dann sind wir gerettet" erzählt die Geschichte von Aida und ihrer Familie, die vor dem Jugoslawienkrieg nach Italien fliehen müssen. Das Trauma von Krieg und Flucht prägt das Leben von Aida nachhaltig. Besonders bedrückend ist der Zustand ihrer Mutter, den die junge Aida kaum begreifen kann. Die Autorin zeigt einfühlsam, wie Aida in Italien schon bald zwischen zwei Welten lebt.
Aidas Familie findet Hilfe und die enge Beziehung zu Emilia, obwohl von ambivalenten Motiven geprägt, spielt eine zentrale Rolle in ihrer Integration in die italienische Gesellschaft. Die Entscheidung zwischen zwei Heimaten und Identitäten wird für Aida immer drängender. Die Vernachlässigung der Schule durch geflüchtete Jugendliche aus Hoffnung auf Rückkehr in ihre Heimatländer wird ebenso wie Aidas persönlicher Kampf mit den eigenen Bedürfnissen und Verantwortlichkeiten authentisch dargestellt.

Die realistische Darstellung der Hilflosigkeit der Familie und die Unterstützung von außen, die das Innenleben der Familie nicht verstehen und dementsprechend nicht helfen kann, zeigen eindringlich die Einsamkeit im Umgang mit solchen Herausforderungen auf. Dazu trägt außerdem die poetische und einfühlsame Sprache der Autorin bei, welche die Auswirkungen des Krieges auf individueller Ebene greifbar macht, ohne explizit zu erklären.

Insgesamt überzeugt "Und dann sind wir gerettet" durch seine einfühlsame Darstellung der Flucht, der schwierigen Integration in einer fremden Gesellschaft und des familiären Dramas. Die poetische Sprache und die detaillierten Charakterstudien machen den Roman zu einem berührenden Leseerlebnis, das die Leser:innen auf eine emotionale Reise mitnimmt. Dabei schafft es die Autorin, die Schwere des Themas immer wieder auch mit einer gewissen Leichtigkeit zu erzählen, ohne dabei die tiefgreifenden Auswirkungen des Krieges zu vernachlässigen.

Das Buch wurde zudem durch die Europäische Union gefördert - was für eine gute Erinnerung, wählen zu gehen, damit solche Projekte bestehen bleiben und für Verständigung unter den Menschen sorgen können.

Bewertung vom 31.03.2024
Weiße Wolken
Seck, Yandé

Weiße Wolken


weniger gut

Leider hat mich dieser Roman nicht überzeugen können. Zu oft wird für mich das Erzählprinzip „show, don‘t tell“ verletzt. Sicher, anfangs ist es ganz amüsant, den sozialen Stand der älteren Schwester Dieo an ihrem gelben Fjällräven-Rucksack ablesen zu können, während ihre jüngere Schwester Zazie mit Signalwörtern postkolonialer Theorie um sich wirft und auf social media nachschaut, wie sie sich möglichst antifaschistisch schick machen kann. Allerdings wirken viele Beschreibungen, z.B. regelmäßig von Männern mit Apple Watches, dadurch unauthentisch und oberflächlich, auch wenn dadurch die oberflächliche Welt kritisiert werden soll. Ähnlich ging mir das mit einigen Dialogen: Warum erzählt Zazie vorweg, dass sie in letzter Zeit über transgenerative Traumata nachgedacht hat anstatt dieses einfach nach und nach deutlich werden zu lassen?

Ich hatte oft das Gefühl, dass einerseits viel Vorwissen über postkoloniale Theorie und auch Fremdsprachen wie Französisch vorausgesetzt wurde (interessanterweise wurde aber Wolof als Sprache nicht unübersetzt zitiert, was ich dann gut gefunden hätte), andererseits zu viel erklärt wurde, was auch so deutlich geworden wäre oder wo eine Leerstelle vielleicht auch interessant gewesen wäre. Ich denke, mir hätte ein Sachbuch der Autorin besser gefallen.