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Benutzername: 
Lu
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 124 Bewertungen
Bewertung vom 10.11.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


sehr gut

"Lindy Girls" von Anne Stern entführt die Leser in das aufregende Berlin der 1920er Jahre und in die Welt des Lindy Hop, also des Swing-Tanzes aus Amerika. Die Geschichte um die Choreographin Wally und ihre Tanztruppe sorgt von Anfang bis Ende für eine unterhaltsame Lektüre. Das Buch thematisiert dabei auch die Herausforderungen, vor denen Frauen in dieser Zeit standen, z.B. die von Männern dominierten Tanzszene, zunehmende Armut und Arbeitslosigkeit, auch die Schlägertrupps der Nazis kommen vor sowie illegale Substanzen, um die Herausforderungen der Gegenwart zu ertragen.
Dennoch will der Roman vor allem Unterhaltung bieten. Die Charaktere, aus deren Sicht die unterschiedlichen Kapitel gestaltet sind, allen voran Wally und die Lindy Girls, sind vielschichtig, allerdings bekommt man durch die Menge der verschiedenen Figuren immer nur einen kleinen Einblick in ihre Träume, Ambitionen und Kämpfe. Die Autorin schafft es dadurch aber, die Atmosphäre dieser Ära lebendig werden zu lassen, und man fühlt sich, als wäre man selbst in den Straßen Berlins unterwegs. Das Lektüre wird durch die passende Playlist auf Spotify zu einem noch intensiveren Erlebnis, da man die Musik, die die Lindy Girls begleitet, gleichzeitig hören kann. Ausführlich beschriebene Tanzszenen machen Lust auf Lindy Hop.
Lindy Girls erinnert insgesamt auch an die faszinierende Welt von "Babylon Berlin" und bringt den Leser auf eine Reise in eine Zeit voller Abenteuerlust und Aufbruchsstimmung. Dieser unterhaltsame und abwechslungsreiche Roman weckt die Lust aufs Tanzen und macht deutlich, dass auch in Zeiten gesellschaftlicher Einschränkungen die Leidenschaft und der Wille, Träume zu verwirklichen, siegen können. Ein absolutes Muss für Fans von Lindy Hop und der Musik der 1920er-Jahre!

Bewertung vom 04.11.2023
Atalanta
Saint, Jennifer

Atalanta


sehr gut

Jennifer Saints "Atalanta" ist ein fesselnder Roman, der die Geschichte einer faszinierenden Figur der griechischen Mythologie erzählt. Ich persönlich kannte die Heldin vorher nicht. Die Handlung folgt Atalanta, die von ihrem eigenen Vater in der Wildnis ausgesetzt wird und von einer Bärin aufgezogen wird. Unter dem Schutz der Göttin Artemis wächst sie zu einer starken und unabhängigen Frau heran, die schneller und ausdauernder ist als jeder Krieger.

Die Autorin verleiht auch in diesem Roman wieder den Frauen der Antike eine Stimme und gibt uns Einblick in Atalantas Suche nach Identität und Anerkennung. Atalanta verlässt schließlich ihre wilden Wurzeln, um mit Jason und den Argonauten auf eine gefährliche Reise nach Kolchis zu gehen, bei der sie das Goldene Vlies stehlen. Dabei begegnet Atalanta weiteren bekannten Figuren der griechischen Sagenwelt wie Herakles, Medea oder Circe. Atalantas Entschlossenheit, ihren eigenen Platz in der Welt unabhängig von ihrem Geschlecht zu finden, ist der rote Faden des Romans.

Während die Geschichte selbst faszinierend ist und einen einzigartigen Blick auf die griechische Mythologie bietet, war es bedauerlich, dass ich Schwierigkeiten hatte, vollständig in die Geschichte einzutauchen. Dennoch ist "Atalanta" ein Roman, der es verdient, gelesen zu werden, um mehr über die bemerkenswerte Reise dieser starken und unabhängigen Heldin zu erfahren. Jennifer Saint gibt den Frauen der Antike eine verdiente Stimme und schafft so eine bereichernde Leseerfahrung.

Bewertung vom 29.10.2023
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


sehr gut

Der Roman beginnt, als Frida schon Anfang dreißig ist. Frida beschließt, wieder mehr auf sich als Malerin zu achten als auf ihren Mann Diego. Bald bekommt sie zwei Einladungen, erstmals allein in Gallerien in New York und Paris auszustellen und stürzt sich in die Vorbereitungen - aus der Ehefrau Frida Rivera soll die Malerin Frida Kahlo werden!
Frida kommt schließlich in New York an und fiebert ihrer ersten Ausstellung entgegen, die ein voller Erfolg wird. Man kann Fridas Freude mitfühlen, was den Roman durchaus zu einem Feel-good-Buch macht. Selbst wenn Fridas Schwierigkeiten mit ihrer Gesundheit, ihrem Mann und ihren Liebhabern oder schließlich auch mit schwierigen Bedingungen in Paris hat, helfen Fridas Kunst und ihr Glaube daran ihr immer wieder, aus diesen Situationen herauszukommen. Dabei hat sie oft Unterstützung von anderen eigenständigen Frauen.

Insgesamt war der Roman deshalb für mich sehr unterhaltsam. Obwohl ich Band 1 der Autorin zu Frida nicht kannte, bin ich gut in die Geschichte gekommen, ich kannte allerdings auch bereits einige wichtige Ereignisse aus Fridas Biografie: ihren Unfall und ihre Heirat mit dem damals berühmteren Maler Diego Rivera. Das hat sicherlich geholfen, um Fridas Selbstzweifel und ihre ambivalente Beziehung zu Rivera zu verstehen.
Besonders gut gefallen hat mir auch, dass das personale Erzählen Fridas Freude an der Kunst so gut transportiert hat - ich habe direkt Lust auf die einzelnen im Roman beschriebenen Bilder bekommen und war beim Lesen ähnlich vorfreudig wie Frida, mir die Bilder anzuschauen.
Leider bekommt man nur einen kleinen Einblick in Fridas politische Ansichten und die Auswirkungen der politischen Ereignisse in Europa auf Frida und ihre Freundinnen. Davon hätte ich mir gerne mehr gewünscht - Fridas Engagement scheint eher aktionistisch zu sein, vielleicht wirkt das aber auch nur so, weil die Autorin den Leserinnen nicht mehr politisches und geschichtliches Interesse zugetraut hat? Es scheint außerdem immer wieder ein kolonialkritischer Blick Fridas in Bezug auf mexikanische Kultur durch, zu dem ich gerne mehr erfahren hätte!

Bewertung vom 27.10.2023
Und dann gab's keines mehr
Christie, Agatha

Und dann gab's keines mehr


ausgezeichnet

Zehn einander Unbekannte werden auf die Insel Soldier Island vor Devon eingeladen. Gastgeber ist ein Ehepaar namens Owen - oder doch nicht? Bald, nachdem die Gäste die Insel erreicht haben, stirbt die erste Person. Schnell wird klar, dass sie unter falschen Vorzeichen auf die Insel gelockt wurden und alle etwas zu verbergen haben. Auf jedem Zimmer findet sich außerdem der Abzählreim der „zehn kleinen Kriegerlein“, die nach und nach immer weniger werden. Wer wird also das nächste Opfer sein? Und noch wichtiger: Wer ist der Mörder? Ein rasanter Thriller auf der einsamen Insel nimmt seinen Lauf, bis zum Schluss enthält er überraschende Wendungen und clevere Hinweise. Obwohl ich sonst keine Krimi- oder Thrillerleserin bin, hat mich mein erster Christie-Roman auf ganzer Linie überzeugt - das war eine spannende, aber nicht zu blutrünstige oder düstere Lektüre!

Bewertung vom 27.10.2023
Die kleinen Lügen der Ivy Lin
Yang, Susie

Die kleinen Lügen der Ivy Lin


sehr gut

Susie Yangs "Die kleinen Lügen der Ivy Lin" ist eine fesselnde Erzählung, die uns auf eine Reise mit Ivy Lin nimmt, die im Alter von fünf Jahren zu ihren Eltern in die USA kommt. Das Buch verfolgt ihr lebenslanges Bemühen, dazuzugehören, von ihrer Schulzeit bis ins Erwachsenenalter. Ivy verstrickt sich dabei in einem Netz aus Lügen, und der Roman bietet ständig neue überraschende Wendungen, die die Spannung aufrechterhalten.

Der Roman bietet einen Einblick in die Abgründe des Lebens der Reichen und Schönen der Upper Class der USA, zu denen Ivy unbedingt gehören möchte, aber trotz all ihrer Anstrengungen kann sie ihre Außenseiterrolle nie ganz abschütteln. Gleichzeitig bekommt man mit, welche Entwicklung Ivys chinesische Einwandererfamilie durchläuft, von der Ivy sich beständig abgrenzen will. Dabei lernt man auch die Geschichten von Ivys Eltern und ihrem Bruder näher kennen. Für Leser, die nach einer flüssig erzählten Geschichte suchen, bei der es bis zur letzten Seite spannend bleibt und die gesellschaftliche und soziale Dynamiken in den Blick nimmt, erweist sich dieses Buch als eine gute Wahl. Wer „Die Einladung“ von Emma Cline mochte, aber wem dort zu viele Fragen offenbleiben, wird Yangs Roman ebenfalls sicher gerne lesen. Man fliegt förmlich durch die Seiten.

Allerdings sollte beachtet werden, dass die düstere Stimmung des Romans im Laufe der knapp 500 Seiten möglicherweise belastend sein kann. Mich hat der Roman etwas heruntergezogen, ich lese normalerweise aber auch keine Thriller o.Ä. Der Roman hat definitiv das Potenzial, den Leser emotional mitzunehmen und nachdenklich zu stimmen.

Bewertung vom 24.10.2023
Damals im Sommer
Gottschick, Florian

Damals im Sommer


gut

Schon das Cover erweckt die Erwartung einer Sommergeschichte mit einer Prise Melancholie, der Umschlag innen versetzt einen dann direkt in die Urlaubskulisse der Familie des Ich-Erzählers. Diese Urlaubsreise steht als zügig und flüssige erzählte Haupthandlung im Mittelpunkt des Romans und wird gerahmt durch die Vor- und Nachgeschichte der Ich-Erzählers, die insbesondere am Ende des Romans mehrere Wendungen bereithält. Ich mochte die Verwobenheit einzelner Episoden des Romans, außerdem wurde das Verhältnis des Ich-Erzählers zu seinem großen Bruder einfühlsam und multiperspektivisch dargestellt. Insgesamt eine schnelle, durchaus spannende Lektüre mit einigen netten Metaphern (manchmal vielleicht etwas gewollt), daher 3,5 Sterne.
Was mich am Ende allerdings beschäftigt hat, ist, warum Frauen insgesamt so schlecht wegkommen bzw. nur als (schlechte) Mütter oder Mutterersatz gedacht werden. Das fand ich schade, denn der Ich-Erzähler stellt sein Verhältnis zu männlichen Personen wie Bruder, Vater und Freund deutlich mehrperspektivisch dar.

Bewertung vom 23.10.2023
Echtzeitalter
Schachinger, Tonio

Echtzeitalter


ausgezeichnet

Ich hatte nicht erwartet, dass den Buchpreis einer der Coming of Age-Romane gewinnt, die nominiert waren - und war nun beim Lesen positiv überrascht! Bei „Echtzeitalter“ erwartet die Leser:innen ein schnell erzählter, die Handlung immer vorantreibender Roman über den Jugendlichen Till. Till geht auf ein Wiener Elitegymnasium und der Roman zieht sich über seine gesamte Schulzeit dort. In seiner Schul- und Freizeit spielt Till Age of Empires 2 und macht auch alle anderen Dinge, die Jugendliche so machen, um sich im starren System Schule Freiräume zu schaffen und das Leben auszuprobieren. Das ist nicht selten nicht nur unterhaltsam, sondern auch ziemlich witzig, vor allem wenn der Lehrer der alten Schule Dolinar ins Spiel kommt!
Bei der schnellen Lektüre war ich insgesamt nicht nur bestens unterhalten, ich habe auch eine Menge über Wiener Elitegymnasien, österreichische Politik und den österreichischen Blick auf Deutschland gelernt - who knew, dass das Hamburger Abi aus Wiener Sicht viel mehr Anspruch hat?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.10.2023
Das Klugscheißerchen
Kling, Marc-Uwe

Das Klugscheißerchen


sehr gut

Also eigentlich müsste der Schriftzug auf dem Cover „Das KLUGSCHEIßERCHEN“ heißen - schließlich gibt es seit 2008 auch ein großes ß und nach einem Diphthong folgt im Deutschen… Ja, ich weiß! Das hier ist eine Rezension und keine Lektion über die deutsche Rechtschreibung! Aber wer ist nicht manchmal gern ein Klugscheißerchen?
Genau darum geht es in dem neusten Kinderbuch von Marc-Uwe Kling: Theo und Tina aus der Bilderbuchfamilie Theufel lernen, nachdem sie sich am Abendbrottisch (wobei: Es gab gar kein Brot!) altklug geäußert haben, das Klugscheißerchen kann, dass ihnen beim Spielen erscheint und noch viel mehr besser weiß als sie. Am nächsten Tag ist es weg - wie kann die Familie es zurückholen?
Ein bisschen hat mich die Familie in ihrer Kartoffeligkeit an Conny und ihre Familie erinnert, weshalb ich mich auch gefragt habe, ob eher Erwachsene und altkluge Kinder Freude an der Geschichte haben werden - schließlich kann man manche Witze und Anspielungen nur verstehen, wenn man z.B. weiß, welches Mädchen ein Pferd hochheben kann. Andererseits kann man vielleicht auch lachen, wenn man Familien wie die Theufels aus dem eigenen Umfeld kennt - und dann froh sein kann, dass die eigene Familie nicht so ist. Im Vergleich mit dem „Neinhorn“ fand ich die Geschichte insgesamt nett und kurzweilig, aber nicht so voller Fantasie und Sprachwitz wie das „Neinhorn“.

Bewertung vom 19.10.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Nein, dieser Roman ist keine Antwort auf den Barbie-Film, in dem Ken schnell erkennt, dass es in der realen Welt der USA vor allem um Männer und Pferde geht. Der Roman von Geraldine Brooks erschien nämlich schon 2022 unter dem Titel „Horse“ und kommt nun in der Übersetzung von Judith Schwaab auf den deutschen Buchmarkt. Dennoch liest sich der Roman über die Pferderennindustrie der USA im 19. Jahrhundert wie ein Versuch, die Sache mit den Männern und den Pferden zu erklären - mit allem, was dazu gehört: dem Patriarchat, das es Frauen kaum erlaubt, zur Hauptfigur der Geschichte aufzusteigen, dem Anti-Schwarzen Rassismus, der die amerikanische Gesellschaft noch immer auf eine speziellere Weise strukturiert und bestimmt als im Rest der Welt, dem Klassismus, der mit den Mechanismen von Rassismus und Patriarchat zusammenwirkt.
Die Autorin tut dies, indem sie einen Roman über ein berühmtes Rennpferd schreibt und dabei beständig zwischen Perspektiven der Vergangenheit und Perspektiven der Gegenwart wechselt, die sie wiederum durch ein Gemälde dieses Pferdes geschickt verwebt. Kann man der Autorin vorwerfen, dass sie es als weiße Frau nicht ganz schafft, die Perspektive Schwarzer Männer in den USA authentisch darzustellen? Ja, ihr ist es sicherlich nicht immer gelungen, die Schwarzen Charaktere hinreichend komplex zu zeichnen. Allerdings könnte man auch diskutieren, ob dies nicht wiederum als Verweis auf die amerikanische Gesellschaft zu lesen ist. So gibt am Ende des Romans auch nicht nur eine der Figuren die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in den USA auf.
Was der Autorin definitiv gelingt, ist, die Leser in die Geschichten eintauchen zu lassen - mir ist auf den knapp 600 Seiten nie langweilig geworden, so spannend, anrührend und aufwühlend sind die Episoden, die sie beschreibt und so sehr gehen die Figuren, die die Autorin für die Erzählung zu Historie des Rennpferds und seines Gemäldes dazu erfindet, ans Herz.

Bewertung vom 14.10.2023
Büchermenschen
Vernet, Stéphanie;de Cussac, Camille

Büchermenschen


ausgezeichnet

Im Laufe des Buches wird der gesamte Prozess der Entstehung eines Buches anhand der verschiedenen beteiligten Berufsfelder erklärt. Durch die liebevollen Illustrationen und Fun Facts über den Literaturbetrieb kann man auch beim zweiten Mal lesen noch jede Menge entdecken. Oft werden die Inhalte der Erklärtexte durch die Illustrationen noch einmal veranschaulicht, sodass auch junge Leser:innen sich Begriffe wie den „Seitenaufriss“ besser erschließen können. Trotzdem würde ich sagen, dass das Bilderbuch eher anspruchsvoll ist und Erwachsene evtl. mehr Spaß an den in den Zeichnungen enthaltenen Easter Eggs und den Anekdoten um Schriftsteller:innen und ihre Bücher haben als Kinder. Außerdem ist die Schriftgröße mit 9 pt eher klein - wer wissen möchte, was die Angabe aussagt, muss ins Buch schauen! Zudem hat man nach dem Lesen dieses Buches richtig Lust, direkt in die Bibliothek zu gehen und eines der erwähnten Bücher auszuleihen. Das sind aber fast alles Bücher für Erwachsene, insbesondere Klassiker wie Tucholsky, Dostojewski oder Austen.
Erfahrene junge Leser:innen werden das Bilderbuch aber definitiv zu schätzen wissen, weil man einfach so einen liebevollen Einblick in die Welt der Bücher bekommt. Deshalb ist dieses Bilderbuch ein tolles Geschenk für alle Menschen zwischen 9 und 99 Jahren, die Bücher lieben! Bei mir wird es einen Ehrenplatz im Regal bekommen.