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Alais

Bewertungen

Insgesamt 190 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2020
Grappa und die Toten vom See / Maria Grappa Bd.23
Wollenhaupt, Gabriella

Grappa und die Toten vom See / Maria Grappa Bd.23


ausgezeichnet

Von der Grappa-Krimireihe von Gabriella Wollenhaupt fühle ich mich immer gut unterhalten und gleichzeitig zum Nachdenken gebracht. Deshalb freute ich mich sehr, für meine Lago-Maggiore-Reise eine passende Urlaubslektüre von dieser Autorin einpacken zu können. Auch dieser Band ist locker-leicht geschrieben und wird doch den beklemmenden und leider immer noch aktuellen Themen Rechtsradikalismus und Rassismus gerecht.
Handlungsort ist dieses Mal nicht nur Grappas Bierstadt (eine fiktive Stadt, von der gemunkelt wird, dass sich die Autorin dabei stark von Dortmund inspirieren ließ ...), sondern wie schon angedeutet auch die idyllische Kulisse vom Lago Maggiore, wo in diesem Roman eine Bierstädter Familie ermordet aufgefunden wird und wo während der Nazizeit schon einmal ein schreckliches Verbrechen stattgefunden hatte ... Letzteres beruht leider auf einer wahren Begebenheit: 1943 begingen deutsche SS-Mitglieder am Lago Maggiore ein Massaker an Juden …
Die Journalistin Grappa, die auch in diesem Band wieder ermittelt, ist zum Leidwesen einiger ihrer Mitmenschen eine ausgeprägte Freidenkerin, die bei mir mit ihrer Schlagfertigkeit immer wieder für gute Laune beim Lesen sorgte.
Nur zwei unwichtige Kleinigkeiten gefielen mir nicht so gut: der Falschgebrauch der Bezeichnung „Übersetzerin“ für „Dolmetscherin“ – das sind zwei verschiedene Berufe, die unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften erfordern und somit manchmal auch von sehr unterschiedlichen Menschen ausgeübt werden. Und: Nur Futter hinstellen für Kater Horsti, während sein Mensch im Krankenhaus ist, finde ich nicht toll, sondern das Mindeste und sogar viel zu wenig Engagement angesichts der Tatsache, dass sich noch Katzenhasser in der Umgebung aufhalten … Dafür hatte ich in diesem Band wieder große Freude an den gewählten Namen - Grappa, Bierstadt und vor allem der Name Horsti für einen Kater brachten mich immer wieder zum Lächeln. Ein bisschen positive Energie benötigte ich als Leserin aber auch, angesichts des traurigen und leider gerade wieder so schrecklich aktuellen Themas ... Die Autorin beweist, dass es möglich ist, auf die in Thrillern üblichen voyeuristisch-detaillierten Beschreibungen blutiger Gräueltaten zu verzichten und dennoch deren Grausamkeit zu verdeutlichen. So flossen dieses Mal bei mir auch einmal Tränen beim Lesen ...
Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass „Grappa und die Toten vom See“ eine sehr schöne Mischung aus einer kräftigen Prise Gesellschaftskritik, humorvollen Dialoge und immerhin einer Katze (Kater Horsti) bietet!

Bewertung vom 21.11.2019
Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2
Garcia Saenz, Eva

Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Keltische Kultur, Baskenland und Kantabrien, das ist für mich bereits eine spannende Mischung und weitgehend Neuland. In diesem Thriller gesellen sich noch eine gruselige Mordserie und ein Ermittlerteam hinzu, das so ganz anders, viel einfühlsamer und taktvoller als die Ermittler in den meisten anderen Thrillern, ist. Und die Autorin möchte darüber hinaus, wie sie in ihrer Danksagung im hinteren Teil des Buches erläutert, mit ihrer Erzählung auch eine Botschaft vermitteln, zu der ich mich aber jetzt nicht weiter äußern möchte, um nicht zu viel zu verraten. Kurzum: Dieser Roman ist sehr viel mehr als „nur“ ein Thriller!
Mir gefielen besonders die klare, vereinzelt bildhafte Sprache und die so einfühlsam geschilderten Charaktere. Auch vermeidet die Autorin in ihrer Erzählung weitgehend Klischees und lässt ihre Figuren gerne mal ganz agieren als erwartet.
Zwei kleine Kritikpunkte habe ich trotz meiner allgemeinen Begeisterung gesammelt, die sich aber schnell relativieren lassen: So fand ich die Nutzung von WhatsApp durch die Polizei haarsträubend naiv und daher unglaubwürdig, vor allem auf so unbedarfte Weise … Da muss man doch nicht erst wie ich einmal einen Hacker gekannt haben, um zu wissen, dass sensible Daten (oder überhaupt irgendwelche Informationen) nicht WhatsApp anvertraut werden dürfen! Aber ich habe gerade etwas gegoogelt und zu meinem Erstaunen erfahren, dass die dienstliche Nutzung von WhatsApp für Polizisten zumindest in Deutschland verboten wurde. WhatsApp-nutzende Polizisten gibt bzw. gab es also tatsächlich – nicht zu fassen ... Ferner ließ meiner Meinung nach die Qualität der Übersetzung zum Schluss hin etwas nach (beispielsweise auf S. 512: „Päckchen, dass“). Das jedoch ist Jammern auf hohem Niveau, denn gerade den Schreibstil fand ich im Allgemeinen sehr ansprechend.
Besonderes Lob und Anerkennung verdienen im Übrigen auch die Zusammenstellung und Gestaltung des Buches: Vorne enthält das Buch einen Ausschnitt aus einem Stadtplan von Vitoria, hinten eine Karte mit der Lage der wichtigsten Städte – damit kann man mich immer begeistern, das schenkt einer Erzählung einen so herrlichen Anstrich von Authentizität! Wieder einmal viel zu spät entdeckt habe ich das praktische Glossar im Anhang, dem auch ein Personenregister vorangestellt ist. Und schließlich beeindruckte mich, dass trotz manchmal großer Beanspruchungen der Buchrücken wie durch Zauberei das Lesen ohne eine einzige Buchrille überstanden hat.
Ein ungewöhnlicher Thriller in hochwertiger Gestaltung, facettenreich und sensibel erzählt – sehr lesenswert!

Bewertung vom 13.11.2019
Wir alle sind Sternenstaub
Klein, Stefan

Wir alle sind Sternenstaub


ausgezeichnet

„Sämtliche Elemente entstanden in den Sternen durch Kernfusion aus Wasserstoff und Helium. Wenn Sie weniger romantisch veranlagt sind, können Sie die Menschen auch als stellaren Atommüll bezeichnen.“ (Martin Rees (Kosmologe), S. 38)
Dann doch lieber Sternenstaub! Für mich ein unglaublich spannendes, im Plauderton gehaltenes Buch, bei dem mich unter anderem die Themenvielfalt und die Vielfalt der Wissenschaftszweige, aus denen die interviewten Wissenschaftler stammen, begeisterten: Roald Hoffmann (Chemiker und Dichter), Martin Rees (Kosmologe, Hofastronom des britischen Königshauses), Hannah Monyer (Neurobiologin), Leonardo da Vinci (Künstler, Erfinder und überhaupt ein Universalgenie – hier wurde das „Gespräch“ aus naheliegenden Gründen nicht persönlich geführt, sondern aus Originalzitaten zusammengebastelt), Raghavendra Gadagkar (Verhaltensforscher), Ernst Fehr (Ökonom), Craig Venter (Biochemiker), Vittorio Gallese (Neurowissenschaftler), Walter Zieglgänsberger (Neuropharmokologe), Sarah Hrdy (Anthropologin), V. S. Ramachandran (Hirnforscher), Jared Diamond (Physiologe und Geograph) und Steven Weinberg (Physiker).
Ich staune immer wieder, wie viel Wissen und wie viele neue offene Fragen hinzugekommen sind, seit ich zur Schule ging. Auch dieses Buch ist jetzt schon nicht mehr taufrisch, aber ich konnte viel daraus lernen und fühlte mich gleichzeitig prächtig unterhalten. Natürlich werden in den Gesprächen die einzelnen Themen nur oberflächlich angerissen, aber so bleibt es für Laien wie mich verständlich. Darüber hinaus mochte ich den philosophischen Touch, der all diese Gespräche prägt.
Erzählt wird unter anderem von liebevoll beobachteten Wespen und kaltherzig gequälten Mäusen und Affen (nein, ich gehöre nicht zu den Menschen, die glauben, dass ein Zweck alle Mittel heiligt, und ja, ich würde eher sterben, als zuzulassen, dass ein Tier für mich stirbt!!). Das Buch bietet interessante Erkenntnisse zum Thema Schmerz und machte mich manchmal sprachlos –angesichts des unglaublich übersteigerten Selbstwertgefühls eines Biochemikers, der zum Teil erschreckenden Ansichten von Leonardo da Vinci (der zugleich tief beeindruckt, weil er seinen Zeitgenossen um Jahrhunderte voraus war – was muss er für ein einsamer, von den Menschen in seiner Umgebung unverstandener Mensch gewesen sein ...), vor allem aber immer wieder aufgrund erstaunlicher Erkenntnisse und Einblicke, die zeigen, in was für einer wunderbaren Welt wir leben, die für uns wohl noch unendlich viele Überraschungen zu bieten hat.
Mein Lieblingsabschnitt ist das Gespräch mit der Anthropologin Hrdy, die mein Menschenbild deutlich verbesserte und mich etwas optimistischer in die Zukunft blicken lässt.
Ein wunderbares Buch, das sich leicht liest und seinen Lesern sehr viel schenkt!

Bewertung vom 03.11.2019
Alles außer fern
Konrad, Ksenia

Alles außer fern


ausgezeichnet

Eine Liebeserklärung an Sprachen als Schlüssel zu der Welt, in der wir leben, mit vielen klugen und inspirierenden Gedanken

„Wollen wir an einer Rose nur die Stacheln sehen, wird sie in unseren Augen zum Unkraut, das man mit aller Gewalt im Garten ausrotten muss, weil sie nur Probleme macht und den anderen Pflanzen Licht wegnehmen könnte. Aber ist das wirklich die einzige Eigenschaft einer Rose?“ (S. 169)
In einem kleinen Ort im titelinspirierenden Tiroler Außerfern lebt und wirkt die Autorin als Deutschtrainerin (die Bezeichnung „Lehrerin“ lehnt sie ab, denn sie sieht im Sprachunterricht eher eine Art Training, das sowohl den Lernenden als auch den Kursleitern ermöglicht, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln). In diesem Buch gewährt sie einen Einblick in ihre Tätigkeit als Deutschtrainerin für Menschen, die aus den verschiedensten Ländern und Kulturen nach Österreich gekommen sind.
Wer wie ich schon einmal versucht hat, anderen Menschen eine Sprache zu vermitteln, oder aber selbst gerne eine weitere Sprache erlernen möchte, kann hier einige wertvolle praxisorientierte Lernansätze finden, die dazu beitragen, das zu Erlernende an konkrete Sinneseindrücke, Emotionen und Erinnerungen zu knüpfen – der Königsweg zu einem erfolgreichen Lernen. Da ich mir manchmal Sorgen um meine Daten mache (man weiß ja nie, wie sich die politischen Verhältnisse in den nächsten Jahrzehnten ändern werden), gefiel mir nur der Einsatz von WhatsApp nicht, aber ich muss zugeben, dass die Vorteile für einen Sprachkurs, das schnelle Kommunizieren auch außerhalb der Trainingsstunden, natürlich auf der Hand liegen ...
Zwischendurch werden kurze und eingängige Erklärungen der verwendeten Grammatikbegriffe gegeben – sodass die Lektüre auch für alle, die sich schon seit längerem nicht mehr mit Grammatik auseinandergesetzt haben, kein Problem darstellt. Am Konjunktiv, Schrecken meiner Schulzeit, erkannte ich ganz neue, so sympathische wie nützliche Seiten („träumen, sich etwas wünschen, höflich streiten und für alles passende Ausreden formulieren“, S. 162). Hier zeigt sich auch der feine Humor, der in diesem Buch immer wieder aufblitzt.
Herzerwärmend fand ich, durch dieses Buch miterleben zu können, wie die Sprache den Deutschkurs-Teilnehmern einen Zugang zu ihrer neuen Heimat und weiteren Möglichkeiten der Lebensgestaltung eröffnet. Sprachen als Schlüssel zu der Welt, in der wir uns bewegen, die Beschäftigung mit Sprachen als das Nachdenken über das Leben und Sprache als Mittel, um unsere Wünsche zum Ausdruck zu bringen, und somit als erster Schritt für die Erfüllung unserer Wünsche – die Leichtigkeit, mit der die Autorin in ihrem Buch über Sprachen und das Leben philosophiert, bezauberte mich und machte es für mich zu einer bereichernden Lektüre.

Bewertung vom 01.11.2019
Das Jahrhundert der Hexen
Dyachenko, Sergej; Dyachenko, Marina

Das Jahrhundert der Hexen


ausgezeichnet

Russische Fantasy vom Feinsten!
Diese literarisch anspruchsvolle Hexenerzählung, ein Gemeinschaftswerk von Marina und Sergej Dyachenko, beeindruckte mich durch gewaltige Bilder und große Emotionen.
Zwei Handlungsstränge führen zum großen Finale, wobei mich zunächst vor allem der in der Vergangenheit des späteren Großinquisitors Klawdi spielende Handlungsstrang faszinierte – eine Geschichte von großer Liebe, Verlust, Schuldgefühlen, Trauer, dem Nicht-akzeptieren-können und seinen schrecklichen Folgen ...
Aber auch die Haupthandlung, die von Klawdis Tätigkeit als Großinquisitor während einer Zeit unheilvoller Entwicklungen unter den Hexen erzählt und nach und nach immer mehr Raum einnimmt, fesselte mich. Dabei brachte sie mich auch zum Nachdenken über die entsetzlichen Motive, die in der Geschichte der Menschheit oft hinter Hexenlegenden stecken – Angst vor starken Frauen, sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen, die sich in den Methoden der Inquisition offenbart ... Auch vergreift sich Klawdi gegenüber Frauen oft im Ton und die Geschlechtertrennung ist geradezu unerträglich deutlich. Gäbe es Hexen, würde es wohl genau so ablaufen – den menschlichen Nicht-Hexen würde nichts anderes einfallen, als der Gewalt der Hexen mit Gewalt zu begegnen und sie mit aller Macht zu unterdrücken.
Die Darstellung der Hexen fand ich einfach grandios. Die Dyachenko-Hexen stiften Chaos und Panik, sorgen für alptraumhafte Zustände und Verwirrung, ihre Motive sind für die anderen Menschen kaum zu fassen, sie leben mitten in der Welt und nehmen sie doch auf eine ganz andere Weise wahr ... Genauso faszinierend fand ich die sogenannten Tschugeister, die in der Lage sind, durch einen Tanz zu töten, und die gruseligen Njawken (Untote, im Singular: Njawka) ...
Dieser Roman wird sicher nicht jedem gefallen, dazu ist er trotz all der Geschehnisse zu wenig actionbasiert, wer aber wie ich den opulenten Stil der großen russischen Klassiker und dazu noch Fantasyliteratur mag, wird begeistert sein!

Bewertung vom 06.10.2019
Luzies Erbe
Bürster, Helga

Luzies Erbe


ausgezeichnet

Dieser Roman wirkt auf den ersten Blick so nordisch kühl, schlicht und bescheiden und hat mich doch so tief bewegt, dass ich mich nach dem Lesen erst einmal sammeln musste.
Angesiedelt ist die Erzählung in einem kleinen Dorf, in dem die fast hundertjährige Luzie stirbt – ein Anlass zum Rückblick auf eine Geschichte, die sie und ihre ganze Familie geprägt hat … Ein Rückblick, der in eines der finstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte führt – die Nazizeit mit ihren schlimmen Folgen und den Traumata von Diskriminierung und mörderischer Gewalt, die bis heute nachwirken...
Der behutsame Umgang der Autorin mit dieser Thematik gefiel mir sehr. Sie zeichnet kein Schwarzweiß, sondern viele Schattierungen, es sind die kleinen Gesten der Menschlichkeit, manchmal von unerwarteter Seite, die hier gewürdigt werden. Sie verdeutlicht aber auch das Grauen des Naziterrors, die Entmenschlichung, das Morden, das Irrationale…
Das Leben der Menschen, insbesondere der Frauen, in diesem Buch ist hart, zu den Schrecken der Nazizeit und des Zweiten Weltkriegs kommen später jahrelange Ausgrenzung und Schwierigkeiten, den Mut zur Liebe zu finden und Liebe zu zeigen, hinzu, auch eine Vergewaltigung wird angedeutet. Mutterliebe wird in unserer Gesellschaft oft als etwas Selbstverständliches angesehen und dabei übersehen, dass manchmal Frauen beispielsweise aufgrund eines Traumas schlicht und ergreifend nicht in der Lage sind, ihrem Kind die Liebe zu zeigen, die es bräuchte, um mit Grundvertrauen durchs Leben zu gehen – eine weitere wichtige Thematik, die die Autorin anschneidet. Und da sie sehr geschickt darin ist, dem Leser ihre Figuren mit wenigen Worten nahezubringen, litt ich auch sehr mit und empfand diesen Roman als emotional packend. Die Wucht der Gefühle, die von der schlichten, aber so treffenden Sprache und den eindrucksvollen Bildern vermittelt werden, ist einfach gewaltig.
Auch sprachlich konnte mich der Roman begeistern. Neben verdichteten, aber unglaublich aussagekräftigen Sätzen stehen ein paar sehr schöne, alte Redewendungen und Begriffe. Die kranke Denkweise der Nazis wiederum spiegelt die Autorin an einigen wenigen Stellen durch das fürchterliche Nazideutsch wider (beispielsweise mit der Bezeichnung „die bestellte Ware“ in Bezug auf angeforderte Zwangsarbeiter, S. 75). Angereichert ist der Roman außerdem mit ein paar plattdeutschen Sätzen, die für mich eine Herausforderung darstellten, mir als Sprachenfreak aber auch sehr willkommen und mit ein bisschen Nachdenken auch gut zu meistern waren. Durch diese facettenreiche sprachliche Gestaltung gelingt es der Autorin sehr geschickt, die erzählten Zeiten und das Dorfmilieu lebendig werden zu lassen.
So ist „Luzies Erbe“ ein Roman, der sich leicht liest und doch schwere Themen behandelt. Als Lehren nehme ich für mich mit, wie wichtig es ist, miteinander zu reden, und wie wunderbar und kostbar der Mut zu Menschlichkeit und Liebe ist ...

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2019
Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse
Skybäck, Frida

Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse


ausgezeichnet

Dieses Buch bietet eine wunderschöne Lesezeit für alle, die Literatur, kleine Buchhandlungen, Katzen, London und Liebesgeschichten lieben – für mich eine unwiderstehliche Kombination!
Die Erzählung gliedert sich in zwei zusammenhängende Handlungsstränge, die abwechselnd weitererzählt werden: In dem einen wird die Geschichte der jungen schwedischen Schwestern Kristina und Sara erzählt, die auf der Flucht vor ihrem Vater nach Großbritannien auswandern, der andere Handlungsstrang spielt viele Jahre später und dreht sich um Kristinas Tochter Charlotte, die von ihrer Tante Sara, die sie seltsamerweise nie kennengelernt hat, in London eine Buchhandlung samt Kater geerbt hat … Zwischen diesen beiden Ausgangspunkten muss, so ahnt man bald, einiges geschehen sein …
Einige ausgeprägte und höchstinteressante Charaktere verleihen der Geschichte Lebendigkeit. Insbesondere die beiden Angestellten der Buchhandlung, die gutherzige Martinique und die etwas ruppige Sam, wuchsen mir schnell ans Herz, aber auch bei der amüsanten Darstellung einiger Nebenfiguren aus der Nachbarschaft und Fangemeinde der Buchhandlung brilliert die Autorin. Charlotte selbst war mir nicht immer sympathisch – wie kann man denn nur auf die Idee kommen, einer Katze einen „Knuff“ zu versetzen? Dennoch stellt sie eine starke Frauenfigur dar, wächst schließlich auch in die Rolle der neuen Beschützerin des Katers Tennyson hinein und ihre Suche nach der Geschichte ihrer Familie war für mich sehr spannend …
Ein paar kleine Punkte zum Kritisieren habe ich leider gefunden, beispielsweise den Fehler auf S. 508 „balancierte Charlotte konzentriert ein Toast in der rechten Hand“ („ein Toastbrot“ oder „einen Toast“?) oder die wenig glaubwürdige Tatsache, dass eine erfahrene Unternehmerin wie Charlotte sich nicht gleich einen Überblick über das Firmenkonto mit den regelmäßig zu leistenden Zahlungen verschafft. Aber dafür hat mir dieses Buch so viele berührende, erhebende oder auch mal lustige Momente geboten und mich beim Lesen in so gute Stimmung versetzt, dass für mich diese kleinen Mängel völlig unerheblich sind.
Die Geschichte bietet leichte Kost, ohne dabei oberflächlich zu sein. Sie ist unterhaltsam, erfreulich oft humorvoll und schenkte mir in einer schwierigen Situation neuen Mut. Besonders gut gefiel mir, dass sich die Autorin traut, eine märchenhafte Wendung einzubauen, die aber auch so gut zu der beteiligten Person passt, dass sie gar nicht mal so unglaubwürdig wirkt …
Ein Buch zum Verlieben!

Bewertung vom 03.09.2019
Der Sprung
Lappert, Simone

Der Sprung


ausgezeichnet

Es gibt Bücher, die in mir den dringenden Wunsch nach einem Einsiedlerleben wecken, und dann gibt es jene kostbaren, seltenen Juwelen, die mich wieder an das Liebenswerte im Menschen mit all seinen Fehlern erinnern - und dieses wunderbare Buch ist eines davon. Erstaunlicherweise gelingt das diesem Roman ohne jeglichen Kitsch und obwohl einiges thematisiert wird, was die Menschen von ihrer eher schlechten Seite zeigt - Ausgrenzung, Mobbing, Gaffertum ...
In einer klaren, schlichten Sprache mit ein paar wenigen Schweizer Einschlägen verwebt die Autorin Simone Lappert die Geschichten mehrerer Menschen zu einem facettenreichen Roman, der tiefgründig, oft traurig, oft aber auch voller Hoffnung ist. Immer wieder begeisterte mich, wie viel sie mit ein paar wenigen Worten und gut gewählten Bildern auszudrücken vermag (beispielsweise dieses "Sich-französisch-fühlen" in: "Im Café aux Prunes setzte sie sich an den einzigen freien Tisch, fest entschlossen, sich nun französisch zu fühlen", S. 278).
Die einzelnen Personen werden kapitelweise eingeführt. Auch dabei beeindruckte mich die Autorin wieder mit ihrem Talent, dem Leser die Figuren mit wenigen Zeilen nahe zu bringen oder mal eben als Erklärung in einem Halbsatz die Vergangenheit einer der Personen zusammenzufassen ( "ein Transportmittel, weg aus seiner Vergangenheit auf dem Bauernhof, wo nicht nur die Milch roh gewesen war, sondern auch der Umgang miteinander", S. 73). Immer wieder hat man so Gelegenheit, eine Person näher kennenzulernen und besser zu verstehen, die man bereits aus einer anderen Perspektive in einem anderen Kapitel kennt (bzw. zu kennen glaubte) bzw. in einem späteren Kapitel neu erleben wird. Dieser Roman liest sich so leicht und ist doch so unglaublich geschickt konstruiert, dass immer wieder offenbar wird, wie falsch es ist, vorschnell zu urteilen und andere in ein Bild zu pressen, das man sich von ihnen gemacht hat. Wer wie ich die Du-sollst-dir-kein-Bildnis-machen-Thematik in "Andorra" von Max Frisch liebt, wird begeistert sein!
Trotz der für so einen schlanken Roman erstaunlichen Fülle an Handlungsfiguren und Schicksalen fiel es mir dabei nicht schwer, den Überblick zu bewahren, vielleicht weil mir so viele dieser Menschen ans Herz wuchsen. Und ich denke, es sagt viel über das Buch aus, wenn ich, die Tierschützerin, ausgerechnet einen Schlachthofangestellten und eine passionierte Jägerin zu meinen (noch viel zahlreicheren) Lieblingsfiguren in diesem Roman zähle ...
Dieser Roman spiegelt das pralle Leben mit vielen tieftraurigen, wuterregenden oder auch erhebenden Momenten, zerplatzten Träumen, Hoffnungsschimmern und möglichen Neuanfängen. Es gibt so unglaublich viel in ihm zu entdecken, eine wohldosierte Prise Gesellschaftskritik und Humor ist auch zu finden und er ist so voller Weisheit geschrieben - für mich ein ganz großes Lesehighlight!

Bewertung vom 28.08.2019
Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1
Lodge, Gytha

Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1


sehr gut

Ein eher ruhiger Kriminalroman mit sehr einfühlsam beschriebenen Figuren
Die Autorin bietet mit ihrem Debütroman einen eher ruhigen Krimi zu einem jedoch recht kniffligen Fall: eine Gruppe Jugendlicher zeltet im Wald. Am anderen Morgen ist ein Mädchen aus ihrer Gruppe verschwunden ... viele Jahre später wird ihre Leiche gefunden ...
Mir gefiel unter anderem, dass die Autorin verdeutlicht, wie dieses zunächst spurlose Verschwinden das weitere Leben der anderen aus der Gruppe geprägt hat. Dieser Aspekt, die Auswirkungen, die ein Verbrechen auch auf die Menschen im Umfeld des Opfers hat, spielt meiner Ansicht nach in Krimis leider viel zu selten eine Rolle. So sind in diesem Buch neben der Suche nach dem Mörder auch Trauer und Abschiednehmen wichtige Themen.
Auch fand ich es schön, dass die Autorin sehr behutsam mit ihren Figuren umgeht. Sie beschreibt sie auf sehr einfühlsame Weise, gleichzeitig bleiben die Handlungspersonen facettenreich und etwas mysteriös. Sie bleibt auch ganz bei dem Opfer, dem sie sich respektvoll annähert.
Ein Pageturner war für mich dieser Krimi jedoch nicht, wenn ich auch auf die Auflösung - allerdings recht bald eher auf die Frage nach dem wie und warum als die nach dem wer - sehr gespannt war.
Interessant hätte ich am Ende eine kurze Zusammenfassung gefunden, wie es für die Unschuldigen weitergeht, was für Auswirkungen die Lösung des Falls auf ihr Leben gehabt hatte – das hätte dem Krimi etwas Besonderes verliehen, was ihm ansonsten leider trotz der gut ausgearbeiteten Charakterbeschreibungen und der Konzentrierung auf das Opfer gefehlt hat. Dennoch habe ich diesen Krimi sehr gerne gelesen.

Bewertung vom 16.08.2019
Tage in Cape May
Cheek, Chip

Tage in Cape May


gut

Deprimierendes Bild einer jungen Ehe ...
„Vorher gab es nur irgendwelche Verabredungen, von denen wir um zehn wieder zurück sein mussten. Und plötzlich lagen wir im selben Bett […]“ (S. 151)
Die Ehe muss für viele konservativ erzogene Menschen in den USA gegen Ende der 1950er Jahre (die Handlung dieses Romans spielt 1957) eine ziemliche Herausforderung dargestellt haben - von einem Moment auf den anderen nicht mehr Kinder sein, sondern verantwortungsvolle Ehepartner. Das junge Ehepaar, Henry (20 Jahre alt) und Effie (18 Jahre alt), deren Flitterwochen im Zentrum dieses Romans stehen, schlägt sich zunächst sehr tapfer und mir gefiel, wie der Autor, Chip Cheek, auf sehr zarte und einfühlsame Weise ihre Unsicherheit, in ihre neue Rolle hineinzuwachsen, eine Rolle, für die sie nicht geübt haben, beschreibt.
Auch der Handlungsort ist sehr geschickt gewählt: Ein halbverwaister Ort an Küste, der außerhalb der Touristensaison in eine Art Dornröschenschlaf versunken ist und in dem die beiden erst einmal fast allein und mit sich selbst konfrontiert sind.
Sehr sympathisch waren mir beide nicht. Sie verhält sich anderen (beispielsweise ihrer alten Freundin Clara) gegenüber manchmal etwas scheinheilig und er wird durch sein erstes sexuelles Erlebnis mit Effie, das überhaupt sein erstes sexuelles Erlebnis mit einer Frau ist, übermütig wie ein Kind, was rührend sein könnte, wenn er nicht eindeutig mehr mit seinem eigenen Körper beschäftigt wäre als mit dem seiner Frau ...
Im weiteren Verlauf der Handlung flachte die Erzählung zunehmend ab. Statt mich den Protagonisten immer näher zu fühlen, wurden sie mir immer fremder und Henry erreicht unvorstellbare Höhen der Idiotie. Seine Entwicklung ist so schrecklich vorhersehbar und ich empfand die Erzählung als immer überflüssiger. Das Ende konnte mich dann aber tatsächlich noch etwas mehr deprimieren, als ich erwartet hätte.
Eine gut geschriebene, aber sehr deprimierende Erzählung, die man auf keinen Fall Menschen in den Flitterwochen in die Hände drücken sollte!