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Benutzername: 
Frau M. aus M.
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 104 Bewertungen
Bewertung vom 19.11.2021
Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2
Izquierdo, Andreas

Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2


sehr gut

Eine vom Krieg durchgeschüttelte Gesellschaft
Die Kulisse für den Roman "Revolution der Träume" ist Berlin in den Jahren kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs. Die Ereignisse dieser Zeit und die Lebensumstände der Menschen sind sehr gut erläutert. Man bekommt einen deutlichen Eindruck von dieser dramatischen, hektischen und unsicheren Zeit. Die Geschichte der drei fiktiven Figuren Carl, Artur und Isi, die schon seit ihrer Kindheit in Ostpreußen miteinander verbunden sind, ist dahinein implantiert. Die drei verkörpern sehr unterschiedliche Charaktere, die sicher beispielhaft für Schicksale dieser Zeit sein können. Artur ist ein zäher Bursche, der im Krieg schwer verwundet wurde und seine ganze Famile verlor. Luise, genannt Isi, ist eine Revolutionären und sehr selbstbewusste unabhängige junge Frau. Carl ist ein sensibler braver Mensch, der als Kameramann bei der Ufa eine Karriere beginnt.
Der Sprachstil ist stellenweise etwas eigenwillig. Im Bereich der Erörterung der geschichtlichen Hintergründe geht es glatt und detaillreich. Wenn es in die Erzählung der Abenteuer der Protagonisten geht, wird es flacher und es gibt auch abgehackte Sätze. Darauf kann sich der Leser aber durchaus einlassen. Das Buch ist spannend, informativ und absolut lesenswert.

Bewertung vom 11.11.2021
Berauscht vom Leben
Libaire, Jardine;Ward, Amanda Eyre

Berauscht vom Leben


ausgezeichnet

Vormittag ohne Kater
Das Buch "Berauscht vom Leben" ist prall gefüllt mit Lebensfreude. Grundthema ist der Ausstieg aus der Alkoholsucht der beiden Autorinnen Jardine Libaire und Amanda Eure Ward. In über 100 sehr unterhaltsamen kleinen Texten reden die beiden abwechselnd darüber, wie sie es schaffen, dem Alkohol aus dem Weg und somit neue Wege zu gehen. Sie beschreiben mit viel Optimismus, Kreativität und Verständnis für sich selbst, welche neuen Entdeckungen, Gewohnheiten und Bekanntschaften sie in ihrem jetzt alkoholfreien Leben finden. Die beiden beschönigen dabei nichts und es kommt immer wieder auch der Schmerz zum Ausdruck, den die Spuren der Sucht hinterlassen haben. Es wird deutlich, dass der Ausstieg nur zu schaffen ist, wenn man sich immer und immer wieder dafür entscheidet. Es ist ein sehr ermutigendes Buch für alle, die auch auf diesem Weg sind. Dabei muss es nicht unbedingt der Alkohol sein, dem man entsagen möchte. Das Buch hilft bestimmt auch bei anderen Drogen.

Bewertung vom 01.11.2021
Gesammelte Werke
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


ausgezeichnet

"Gesammelte Werke" von Lydia Sandgren ist mit 874 Seiten ein ziemlich dicker Schmöker. Die Geschichte spielt in Schweden, hauptsächlich in Göteborg. Sie rankt sich um den fünfzigjährigen Verleger Martin Berg, der sich in einer Lebenskrise befindet, und dessen Familie, zu der auch sein langjähriger Jugendfreund der Maler Gustav Becker zu zählen ist. Cecilia, Martins Frau hat die Familie vor vielen Jahren von einen Tag auf den anderen verlassen und ist seitdem unauffindbar. Diese Tatsache hält viele Seiten über die Spannung in der Geschichte. Wie kam es dazu? Warum ging sie? Wohin ging sie? Wo ist sie jetzt? Was bedeutet das für die Kinder Rakel und Elis?

Mit leichtfüßiger und vielseitiger Sprache werden Stimmungen, Gefühle, Situationen, Figuren und auch Orte sehr genau und ausführlich beschrieben. Das war sicher auch für die Übersetzer eine besondere Anforderung. Die Autorin nimmt sich die Zeit, sehr genau hinzusehen und die Dinge auch wirken zu lassen. Sie schwelgt im Spiel mit sprachlichen Bildern. Die Figuren beschäftigen sich mit Psychologie, Philosophie, Kunst, Literatur und Geschichte. Das alles fließt direkt in den Roman ein. Er beschäftigt sich sozusagen auch mit seiner eigenen Entstehung. Die Ereignisse werden von den verschiedenen Positionen der Familienmitglieder aus betrachtet. Dadurch ergeben sich sehr detaillierte und sehr schöne Bilder. Zwischen all dem Text gibt es außerdem auch viel Unausgesprochenes.

Dies ist kein schneller Roman. Man kann sich Zeit nehmen, sich darauf einzulassen und ihn zu genießen. Für mich ist der Roman ein sprachliches Gemälde, "eine Dichtung, der es um die seelische Tiefe des Menschen geht" (S.130).

Bewertung vom 30.09.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


ausgezeichnet

Der Schani, der Moni und der Smokey
Die Geschichte ist in München im Corona-Jahr 2020 angesiedelt. Sie dreht sich um drei alte Freunde in den Sechzigern. Einer von ihnen, der Schani, wird tot in einer Baugrube aufgefunden. Der Smokey ist ein schon seit einigen Jahren pensionierter Mordermittler, der in dieser Sache eigene Ermittlungen dazu anstellt, weil er natürlich persönlich daran interessiert ist, herauszufinden, was mit seinem Freund passiert ist. Der Moni mit seiner Eck-Kneipe ist immer wieder ein Anlaufpunkt, um zur Ruhe zu kommen.
Toll finde ich, wie die Rückblenden zu anderen wichtigen Zeitpunkten eingestrickt sind. So wird erkennbar, wie die einstigen Jungs zu erwachsenen Männern wurden und wie sie durch Ereignisse in ihren Leben geformt, verbogen, verletzt und letztendlich zu dem wurden, was sie jetzt sind.
Der Sprachstil und damit auch die Denke ist durch und durch bayrisch. Das hat mir beim Lesen großen Spaß gemacht.
Die eindringliche Bezeichnung auf der Titelseite, dass es sich um einen Kriminalroman handelt, erschien mir zunächst etwas übertrieben, auch wenn es um einen Todesfall geht, der genauerer Untersuchung bedarf. Im Verlaufe der Handlung wird jedoch klar, dass ganz andere kriminelle Umstände gemeint sind. Vor dem Hintergrund der angespannten Immobiliensituatiion in München geht es um Bestechung, Intrigen und andere Macht- und Geldspielchen, bei denen die Täter unerkannt bzw. unbehelligt bleiben, weil das System diese Art von Handlungen begünstigt. Diejenigen, die sich nicht hundertprozentig darin einfügen und skrupellos genug sein können, können daran zerbrechen.
Es ist ein tolles Buch, ein klares Zeitdokument und ein spannender Krimi.