Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Havers
Wohnort: 
Vaihingen an der Enz
Über mich: 
Top100-Rezensent und Buchflüsterer

Bewertungen

Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 11.01.2024
Das Bild der Toten / Rekke & Vargas Bd.2
Lagercrantz, David

Das Bild der Toten / Rekke & Vargas Bd.2


weniger gut

Eine Frau verschwindet, wird in Spanien tot aufgefunden. Offenbar ist sie bei einem tragischen Unglücksfall ums Leben gekommen und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Dennoch wird sie von ihren Angehörigen identifiziert. Lediglich ihr Ehemann bezweifelt ihren Tod. Und es scheint, als hätte er recht, denn vierzehn Jahre später sieht er ein Urlaubsfoto von Freunden und ist sich sicher, dass die Kamera am Rand des Bildes seine angeblich verunfallte Frau eingefangen hat. Ein Fall für den hochgradig depressiven Hans Rekke und Micaela Vargas, letztere mit familiären Kontakten zum kriminellen Milieu.

Natürlich kann das berufliche Umfeld der Verschwundenen nicht außen vor bleiben, hatte diese doch als Chefanalystin während der Finanzkrise eine zentrale Rolle inne, eine Position, in der man sich nicht nur Freunde macht. Das nimmt David Lagercrantz in „Das Bild der Toten“ zum Anlass, um daraus eine aufgeblähte, abstruse Story zu konstruieren, in der neben russischen Oligarchen, der KGB und sogar Putin ihre Auftritte haben. Und als ob das noch nicht genug wäre, taucht auch noch Gabor, das kriminelle Superhirn und Brekkes Erzfeind aus Jugendtagen, auf. Und wenn wir schon bei der Vergangenheit sind, da gibt es auf Brekkes Seite auch noch einen intriganten Bruder mit politischem Einfluss. Klingelt da etwas? Sollte es, denn es ist offensichtlich, dass der Autor hier mit Conan Doyles „Sherlock Holmes“, dem literarischen Klassiker kokettiert. Diese Bezüge sind zwar ganz nett, aber um dessen Qualität zu erreichen, fehlt hier noch eine ganze Menge.

Die Handlung überkonstruiert und verworren, insgesamt heillos überfrachtet, die Charaktere sind oberflächlich und ohne besondere Tiefe entwickelt, und nicht zuletzt ist die sprachliche Umsetzung mehr als schlicht. Teil 2 einer als Trilogie angelegten Reihe, die ich nicht weiterverfolgen werde.

Bewertung vom 09.01.2024
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


gut

Zwischen den Jahren lese ich gerne Bücher außerhalb meiner Komfortzone, die sich von meinen üblichen Lesevorlieben unterscheiden. Angesprochen hat mich Emily Henrys „Book Lovers“. Bereits der Titel weckt doch positive Erwartungen, oder etwa nicht?

Der Anfang hat gepasst, und auch später gab es durchaus Passagen, die meine Erwartungen erfüllt haben. Beispielsweise, wenn in den Dialogen literarische Anspielungen gemacht wurden oder man Details über das Arbeitsumfeld der beiden Hauptfiguren erfahren hat. Aber das tritt leider mit dem Fortschreiten der Geschichte immer mehr in den Hintergrund und muss Platz machen für völlig überhöhte und über Gebühr aufgeblähte Petitessen.

Zwei Akteure beherrschen die Bühne: Nora, Literaturagentin, pausenlos im Einsatz für ihre Klienten, und Charlie, Lektor mit Einfluss, mit dem sich ihre Wege bereits in der Vergangenheit unschön gekreuzt haben. Wir ahnen schon, wohin das führen wird. Aber beide schleppen jede Menge emotionales Gepäck mit sich herum, das über viele Seiten für das unsägliche Halb-zog-sie-ihn-halb-sank-er-hin verantwortlich ist.

Sie treffen wieder in Sunshine Falls aufeinander, einer Kleinstadt, in der Nora mit ihrer Schwester Libby einen vierwöchigen Urlaub verbringt. Libby, die, wen wundert’s, mit dem Gedanken spielt, ihren Mann zu verlassen. Puh, noch jemand, der sich mit Problemen herumschlägt.

Dazu kommen noch jede Menge Wie-sie-wurden-was-sie-sind Erklärungen mit Bezug zu Noras und Charlies persönlichen Biografien sowie künstlich überhöhte Alltagsdramen, die sich bei im Umfeld der beiden während dieser Auszeit in Sunshine Falls ergeben.

Emily Henrys Romane sind Bestseller, und schaut man sich die Bewertungen dieses Buches an, dann funktioniert das Konzept für die meisten Leserinnen. Es tut mir leid, aber mir war das einfach viel zu viel von allem, aber doch unterm Strich zu wenig.

Bewertung vom 04.01.2024
Wer den Löffel abgibt
Maxwell, Jessa

Wer den Löffel abgibt


gut

Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: Ein Backwettbewerb mit sechs Teilnehmern, bei dem es gilt, in täglichen Challenges sein Können zu beweisen, um am Ende auf dem Siegerpodest zu stehen. Ergänzt wird dies allerdings relativ früh durch einen Leichenfund und zahlreiche Sabotageakte während des Wettbewerbs, was dem Roman einen Dreh in Richtung ‚Cozy crime‘ verpasst.

Aber sowohl die Repräsentanten des Veranstalters als auch die Teilnehmer sind samt und sonders höchst unsympathisch, verbissen und nicht wählerisch in der Wahl ihrer Mittel, wenn es darum geht, den Konkurrenten zu schaden und ihre eigene Position zu verbessern.

„Wer den Löffel abgibt“ ist nach Bilderbüchern, Comics und Graphic Novels, allesamt dialogbasierte Medien, der erste Roman der Autorin, und das merkt man. Gute Ansätze sind zwar vorhanden, aber leider so ausgeführt, dass daraus weder ein spannender Krimi noch ein befriedigender Roman wird. Nach meinem Dafürhalten liegt das in erster Linie daran, dass die Autorin kapitelweise die Perspektiven wechseln lässt und es versäumt, Verbindungen zu schaffen. Die Übergänge sind mir zu abrupt, so dass ich die aus einem Guss erzählte Story vermisst habe. Das schafft Distanz zu den Personen, die sich auch leider im Verlauf der Geschichte nicht verliert. Und was definitiv auch viel zu kurz gekommen ist, war die Spannung, denn gemordet wird erst relativ spät. Bis dahin passiert außer der eher oberflächlichen Beschreibung der einzelnen Aufgaben des Wettbewerbs reichlich wenig.

Eine Lektüre für zwischendurch. Schnell gelesen, aber leider auch schnell wieder vergessen. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 02.01.2024
Essex Dogs
Jones, Dan

Essex Dogs


sehr gut

Wenn ein gestandener Historiker einen Ausflug in die Belletristik unternimmt, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hält er sich an die historisch verbürgten Fakten, behält das große Ganze im Blick, ergänzt dieses und erweckt es in seinem Roman zum Leben, oder er greift eine einzelne Persönlichkeit bzw. ein Ereignis heraus, biegt sich im einen oder anderen Fall die Fakten zurecht und nutzt sie lediglich als Hintergrund für einen historisch inspirierten Roman, in dessen Zentrum nicht die Historie sondern individuelle Schicksale stehen.

Mit den „Essex Dogs“, Auftakt einer geplanten Trilogie, ist es dem englischen Historiker und Bestsellerautor Dan Jones gelungen, diesen beiden Möglichkeiten zu verbinden. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Roman über eine zehnköpfige Söldnertruppe, die 1346 in den Anfangstagen des Hundertjährigen Krieges im Auftrag des englischen Königs Edward in der Normandie an Land geht, um dessen Anspruch auf den französischen Thron im Zuge einer großangelegten Invasion durchzusetzen. Die Normandie ist allerdings nur der Anfang einer Reise, in der die Essex Dogs zahlreiche Scharmützel überleben müssen, bis die am Ende Crécy erreichen, wo die entscheidende Schlacht geschlagen wird.

Die titelgebenden Dogs sind ein bunter Zusammenschluss aus zehn Männern aus den verschiedensten Ecken Englands, die für jeden in die Schlacht ziehen, der sie bezahlt und damit ihren Lebensunterhalt sichert. Angeführt werden sie von Loveday Fitz Talbot, einem erfahrenen Veteran, der allerdings allmählich des Kämpfens überdrüssig wird. Zu viele Freunde hat er schon auf den Schlachtfeldern verloren. Ins Grübeln kommt er insbesondere dann, wenn er sich den sechzehnjährigen Romford, den jüngsten seiner drei Bogenschützen anschaut, der in der zweiten Buchhälfte als Knappe dem verzogenen Sohn des Königs zugeteilt wird.

Loveday und Romford, es sind genau diese beiden Männer, die den Beschreibungen der Schlachten, in die die Dogs involviert sind, Tiefe und Dramatik verleihen. Leider hat Jones darauf verzichtet, die Charaktere der übrigen acht Männer annähernd so detailliert wie diese beiden zu beschreiben. Umso mehr konzentriert er sich auf die Darstellung der Schlachten, das Wühlen im Dreck, die Grausamkeiten und das dreckige Handwerk des Tötens. Angereichert werden diese Beschreibungen des Söldnerlebens durch nachdenkliche Passagen, aber teilweise auch entschärft durch jede Menge Flüche und schwarzhumorige Kommentare.

Eine spannende und fesselnde Saga im Stil bekannter Serienformate, die gelungen Fakten und Fiktion verbindet, aber mehr Wert auf die Beschreibung von Actionszenen als auf historischer Genauigkeit legt. Wer sich für Militärgeschichte interessiert, wird hier weniger auf seine Kosten kommen als diejenigen, die eine unterhaltsame Story über eine von kriegerischen Auseinandersetzung geprägte Epoche des dunklen Mittelalters lesen möchten.

Bewertung vom 28.12.2023
Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1
Gold, Robert

Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1


weniger gut

Platzierungen auf Bestenlisten können zwar Verkaufszahlen widerspiegeln, geben aber selten eine Auskunft über die Qualität eines Buches, was zahlreiche Beispiele belegen. Werfen wir einen Blick auf Robert Golds Debüt „Twelve Secrets“, hochplatziert in der Sunday Times Bestenliste. Ein Thriller, der das in Großbritannien für Spannungsliteratur beliebte Sujet „eine Kleinstadt und die Geheimnisse ihrer Bewohner“ plus die Suche nach einem Mörder zum Thema hat.

Ben Harper, ein Journalist, der sich mit True Crime Fällen beschäftigt, wird von seiner Vorgesetzten genötigt, zum Todestag seiner Mutter, die sich das Leben genommen hat, einen Artikel zu schreiben. Als Grund für ihren Selbstmord wird der tragische Tod ihres Sohns, Bens Bruder, vermutet. Aber ist dem wirklich so? Um das herauszufinden, muss Ben in sein Heimatstädtchen Haddley zurückkehren und tief in der Vergangenheit graben. Und natürlich gelangt dabei jede Menge verborgener Dreck in Form der „Twelve Secrets“ an die Oberfläche. Als dann auch noch während seines Aufenthaltes ein Mord geschieht, schließt Ben sich mit PC Dani Cash zusammen (wobei dieser allerdings recht wenig Raum gewidmet wird), und gemeinsam versuchen die beiden, unter Missachtung sämtlicher Regeln der Polizeiarbeit, den/die Mörder/in dingfest zu machen.

Der Thriller besteht aus zwei Teile. Teil1 legt Spuren und listet kapitelweise die Geheimnisse der jeweiligen Personen auf, wobei Gold ganz tief in die Klischee-Kiste greift und gefühlt alles an Verfehlungen aufbietet, was man sich vorstellen kann. Dazu kommt noch, dass sehr oft weder die zeitliche noch die personelle Einordnung klar ersichtlich ist. In Teil 2 hingegen versucht der Autor Verbindungen herzustellen, wobei jede Menge (gar nicht so unerwarteter) Wendungen zum Einsatz kommen, bevor die Story in einem abstrusen Finale endet.

Ein unausgegorener Reihenauftakt, der leider nicht zu überzeugen vermag.

Bewertung vom 21.12.2023
Die Stunde der Reporterin
Rosen, Renée

Die Stunde der Reporterin


gut

Chicago, die fünfziger Jahre. Eine taffe Zeit für eine junge Frau, die in einer Männerdomäne Fuß fassen will. Speziell dort, wo Dinosaurier an den Hebeln sitzen, für die in erster Linie das Geschlecht die Qualifikation für die Stellenbesetzung ist.

Das muss auch Jordan Walsh erfahren, die bei der Chicago Tribune durchstarten will. Getrieben von dem Wunsch zu schreiben, möchte sie die Familientradition – Mutter Schriftstellerin, Vater renommierter Journalist – fortführen. Sie ist intelligent, talentiert und ehrgeizig, aber das bewahrt sie nicht davor, für den Klatsch und Tratsch der Gesellschaftsseiten eingesetzt zu werden. Das typische Einsatzgebiet für eine Anfängerin und Arbeit, die sie zähneknirschend erledigt. Aber dennoch verliert sie ihr Ziel nicht aus den Augen. Sie möchte in die Nachrichtenredaktion, die eine große Story schreiben, die ihr dort einen Platz sichern soll.

Wer Val McDermids Roman um Allie Burns „1979“ gelesen und „Mad Men“ gesehen hat, bekommt einen Eindruck davon, wie es in den Büros der von Männern dominierten Redaktionen und Agenturen zugeht, in denen Frauen kein Bein auf den Boden bekommen. Die Chicago Tribune ist da keine Ausnahme. Dennoch fällt es schwer, Sympathie für Jordan Walsh zu entwickeln. Zu verbissen, zu unsolidarisch. „Die Stunde der Reporterin“ zeigt ihren Arbeitsalltag ungeschönt, aber auch immer wieder die Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt ist und die sie ohne mit der Wimper zu zucken nach unten durchreicht. Das ist gut gelungen.

Aber leider nimmt der Blick auf die Korruption und die mafiösen Strukturen innerhalb der Windy City für meinen Geschmack viel zu wenig Raum ein. Hier hatte ich mir wesentlich mehr erwartet. Dafür gibt es jede Menge Namedropping und banales Füllmaterial, das der Story Authentizität verleihen soll, letztendlich diese aber ausbremst und zerfasert.

Leider nicht der erwartete große Wurf. Schade.

Bewertung vom 15.12.2023
Monster / Oliver von Bodenstein Bd.11
Neuhaus, Nele

Monster / Oliver von Bodenstein Bd.11


weniger gut

Die Krimis der Bodenstein-Kirchhoff-Krimis von Nele Neuhaus erreichen sechsstellige Verkaufszahlen und sind regelmäßig monatelang hochplatziert in den Bestseller-Listen zu finden. Woran liegt das?

„Monster“ ist der elfte Band der Reihe, und die Verkaufszahlen gehen schon wieder durch die Decke. Grund dafür ist wohl unter anderem, dass Nele Neuhaus immer wieder leicht lesbar Themen behandelt, die durch den Blätterwald rauschen und die Leserinnen und Leser beschäftigen. Im aktuellen Fall ist das der Mord an einer Sechzehnjährigen, bei deren Obduktion DNA Spuren eines abgelehnten Asylbewerbers gefunden werden, aber auch die Taten einer Gruppe Gleichgesinnter, die das Versagen der Gerichte zum Anlass nehmen, ihren Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit im Geheimen Raum zu verschaffen, sprich Selbstjustiz auszuüben. Allerdings mangelt es ihr an Geschick, dies differenziert zu betrachten, und auch das Ausbreiten des woken Mäntelchens hilft dabei eher weniger.

Und was habe ich in einer Besprechung gelesen? Nele Neuhaus hetzt nicht durch die Seiten. Genau das ist ein weiterer Punkt, der mich beim Lesen immens gestört hat. 560 Seiten, voll mit sinnlosem Geplapper ohne Relevanz für die Handlung und immer wieder Zusammenfassungen des aktuellen Ermittlungsstands. Traut sie ihren Leserinnen und Lesern nicht zu, dass sie dieser wenig komplexen Handlung folgen können? Oder geht es vielmehr darum, im Überfluss zusätzliche Seiten zu generieren?

Man merkt es schon, ich bin kein Fan dieses Krimis, der zusätzlich zu einer unterkomplexen Handlung noch dermaßen schlecht lektoriert ist – Sätze, die im Nirgendwo enden, Worte, die fehlen, Nachlässigkeiten hinsichtlich der Logik, Schreib- und Grammatikfehler im Überfluss - am liebsten hätte ich den Rotstift ausgepackt.

Wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, dass Quantität nicht gleich Qualität ist. Und doch verkauft sich dieses Buch wie geschnitten Brot. Positiv im Gedächtnis bleiben lediglich die am Ende aufgeführten Quellen und Statistiken. Aber auch dazu sollte man sich lieber seine eigenen Gedanken machen.

Bewertung vom 14.12.2023
Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt / Die Mordclub-Serie Bd.4
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt / Die Mordclub-Serie Bd.4


gut

Ein Antiquitätenhändler wird erschossen, eine verschwundene Drogenlieferung zieht weitere Tote nach sich, eine dubiose Internet-Bekanntschaft hat das Bankkonto eines Neuzugangs in Coppers Chase im Visier, Elizabeth bereitet sich auf den Abschied von Stephen vor…und…und…und.

Mit „Ein Teufel stirbt immer zuletzt“ kommt der Donnerstagsmordclub aus der Seniorenresidenz zurück, zeigt aber verglichen mit den drei Vorgängerbänden, die ich alle gerne gelesen habe, deutliche Ermüdungserscheinungen. Zwar gilt es diverse Morde (u.a. an einem alten Freund von Elizabeths Ehemann) aufzuklären und eine verschwundene Drogenlieferung aufzuspüren, aber das wird insgesamt betrachtet doch recht dünn und oberflächlich abgehandelt, wirkt so, als hätte sich der Autor in seiner Story verlaufen und in deren verworrenen Nebensächlichkeiten verirrt. Mit ein Grund dafür scheint mir die Vielzahl der Personen zu sein, denen mittlerweile Raum in der Handlung gegeben wird. War zu Beginn der Reihe der Blick auf Elizabeth, Joyce, Ibrahim und Ron gerichtet, hat sich diese Gruppe nun um mehr als das Doppelte vergrößert, von denen auch jede/r eine Hintergrundgeschichte hat, was nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit beiträgt. Ich bin mit der Reihe vertraut, aber für Neueinsteiger ist das aktuelle Mordclub-Universum deshalb die Pest.

Überzeugen konnte mich einzig die kurze Geschichte zum langen Abschied von Elizabeths Ehemann. Diese war zwar anrührend und zu Herzen gehend, hat aber leider Elizabeth fast völlig aus der Handlung rund um den Mordfall herausgenommen. Ihre logischen Überlegungen, Handlungsanweisungen und sarkastischen Kommentare haben mir gefehlt, und das endlose, nichtssagende Geplapper von Joyce war nun wirklich kein adäquater Ersatz dafür.

No, I’m not amused…und kann hier leider nur mit 2,5 von 5 Punkten bewerten.

Bewertung vom 10.12.2023
Spy Coast - Die Spionin / Martini Club Bd.1
Gerritsen, Tess

Spy Coast - Die Spionin / Martini Club Bd.1


ausgezeichnet

Ehemalige Spione im Rentenalter? Scharfsinnige Senioren, die auf eigene Faust ermitteln? Das war doch was? Richtig, die erfolgreiche Donnerstagsmordclub-Reihe des englischen Autors Richard Osman. Und jetzt gibt es mit Tess Gerritsens „Spy Coast – Die Spionin“ das amerikanische Pendant dazu. Aber während die Krimihandlung bei den englischen Ruheständlern immer wieder durch humorvolles Geplänkel unterbrochen wird, bleibt Gerritsen, wie wir es auch von ihren Rizzoli & Isles Büchern kennen, nah am eigentlichen Fall.

Im Zentrum steht Maggie Bird, eine ehemalige CIA-Agentin, die nach ihrer aktiven Zeit in eine verschlafene Kleinstadt in Maine gezogen ist und dort mittlerweile eine Hühnerzucht betreibt. Wenn sie keine Eier sortiert oder Ställe ausmistet, trifft sie sich mit vier Freunden, allesamt ebenfalls Ex-Spione, zu einem gepflegten Martini in geselliger „Buchclub“ Runde, allesamt Ex-Spione wie sie, zu einem gepflegten Martini in geselliger „Buchclub“ Runde. Sie hat mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen und möchte nur noch ein ruhiges Leben und ihren unspektakulären Ruhestand genießen. Ein frommer Wunsch, das wird Maggie spätestens dann klar, als eine ihr unbekannte Besucherin vor ihrer Tür steht und sie nach Informationen zu einer ehemaligen Kollegin fragt, mit der sich ihre Wege vor langer Zeit gekreuzt haben. Ihre Tarnung ist aufgeflogen, bleibt nur noch die Frage, ob das für ihr weiteres Leben Konsequenzen hat. Die Antwort darauf gibt die Leiche der Besucherin, die am folgenden Tag in der Einfahrt liegt. Und mit eine Schlag löst sich Maggies Illusion, sie könnte der Vergangenheit entkommen, in Luft auf. Es ist an der Zeit, auf die Bühne zurückzukehren und sich mit Unterstützung der Freunde dieser erneuten Herausforderung zu stellen.

Einmal mehr zeigt Tess Gerritsen, welche Zutaten einen unterhaltsamen Thriller auszeichnen, der weitestgehend auf die Schockmomente physischer Gewalt verzichtet: Keine Superhelden, sondern sympathisches Personal mit Ecken und Kanten, bis in die Nebenrollen detailliert ausgearbeitet (siehe die stellvertretende Polizeichefin Jo Thibodeau oder Maggies Nachbar Luther und dessen Enkelin Callie). Eine auf zwei Zeitebenen angelegte Story mit Cliffhangern, die zum zügigen Weiterlesen animieren. Und last but not least mit dem ländlichen Maine ein unverbrauchtes Setting, wunderbar beschrieben, was jede/r bestätigen wird, die/der es aus eigener Anschauung kennt.

Der gelungene Auftakt einer neuen Reihe, auf deren Fortsetzung wir hoffentlich nicht allzu lange warten müssen (im Original ist bereits Band 2 „The Summer Guests“ für 2025 in Planung).

Bewertung vom 06.12.2023
Ich, Lady Macbeth
Schuler, Isabelle

Ich, Lady Macbeth


sehr gut

Shakespeare? Schon viel über ihn, doch noch keines seiner Werke gelesen. Aber dafür habe ich sein Geburtshaus in Stratford-upon-Avon sowie den Nachbau des Globe Theatre am Südufer der Themse in London besucht.

Seine Stücke waren schon immer ein Quell der Inspiration für Autoren. Man denke an das Hogarth-Shakespeare-Projekt aus dem Jahr 2013, als renommierte Autorinnen/Autoren Neuinterpretationen seiner Stücke geschrieben haben. Beteiligt daran waren u.a. Margaret Atwood, Ann Tyler, Edward St Aubyn, aber auch Jo Nesbø, der sich „Macbeth“ widmete. Und dessen Version vom Leben und Sterben des schottischen Königs ist auch die einzige, die ich kenne, weshalb ich recht unbedarft an Isabelle Schulers „Ich, Lady Macbeth“ herangegangen bin.

Der Roman nimmt uns mit ins frühmittelalterliche Schottland und wirft einen Blick auf die Kindheit und Jugend von Gruoch, der späteren Lady Macbeth, Enkelin des früheren Königs Coinneach. Das Christentum ist nun die offizielle Religion im Norden. Obwohl das Erbe der Pikten ausgelöscht werden soll, werden deren Riten noch immer im Verborgenen praktiziert, auch in Gruochs Familie. Ihre Großmutter hat druidische Wurzeln, und ein Besuch bei ihr wird Gruochs Leben bestimmen, denn sie hat in einer Vision eine große Zukunft für ihre Enkelin gesehen:

„Du wirst die Größte von uns allen sein. Dein Ruhm wird sich in ganz Schottland bis nach England ausbreiten. Alles Land, das deine Füße berühren und das deine Augen sehen, wird dir gehören. Du wirst viel mehr sein. Du wirst unsterblich sein.“

Und es ist diese Prophezeiung, die das Leben und das Handeln des Mädchens in den kommenden Jahren bestimmen wird. Gruoch verinnerlicht sie, setzt alles daran, Herrscherin von Schottland zu werden, und folgt zielgerichtet und mit viel Kalkül diesem Plan.

Schulers Blick auf Gruoch ist feministisch geprägt und zeigt am Beispiel der Protagonistin ungeschönt die Rolle der Frau in dieser von Männern dominierten Welt, in der eine junge Frau mit List, Intrigen und jeder Menge Wut agieren muss, um ans Ziel zu gelangen. Sympathiepunkte konnte sie bei mir nicht sammeln, dafür war sie bei all ihrem Handeln zu verbissen, zu skrupellos, zu sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Natürlich darf man bezweifeln, ob eine Heranwachsende tatsächlich so zielgerichtet und rational vorgeht, wie wir es bei der Protagonistin sehen. Aber da die spätere Lady Macbeth in der Tat eine real existierende Person war, ist davon auszugehen, dass das eine oder andere Körnchen Wahrheit in diesem Roman zu finden ist.

Ein interessanter, unterhaltsamer Blick auf eine der schillerndsten Figuren in Shakespeares Oeuvre, ein leicht lesbarer historischer Roman, durchaus auch für die Altersgruppe 16+ geeignet und ein passender Einstieg in das Werk des Barden von Stratford-upon-Avon.