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TK

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Insgesamt 108 Bewertungen
Bewertung vom 16.11.2022
Vilma zählt die Liebe rückwärts
Skretting, Gudrun

Vilma zählt die Liebe rückwärts


ausgezeichnet

Liebenswert und einfach schön

Ein ziemlich klassisches Erzählmuster eines Feel-Good-Romans: Ein*e Protagonist*in, der/die das bisherige Leben als etwas verschrobene*r Einzelgänger*in gelebt hat, wird durch ein plötzliches, einschneidendes Ereignis aus der gewohnten Umlaufbahn gestoßen, lernt dadurch andere, auch etwas angeknackste Figuren kennen und kommt (mehr oder weniger freiwillig) in neue Situationen, die seine/ihre Sicht auf das Leben verändern und ihn/sie (wieder) Freude und menschliche Gemeinschaft erleben lassen.

In Gudrun Skrettings Roman ist diese Protagonistin Vilma, eine Klavierlehrerin, deren auf größtmögliche Risikovermeidung angelegtes Leben in einem ganz klaren, zum Teil zwanghaft anmutenden Rahmen verläuft, und deren soziale Kontakte sich auf ihre Musikschüler und eine Kollegin beschränken, bei der sie sich nach 13 Jahren fast täglicher Gespräche aber nicht sicher ist, ob sie sie vielleicht tatsächlich eine Freundin nennen könnte.
Nun erhält Vilma eines Tages Briefe von ihrem gerade verstorbenen Vater, den sie nie gekannt hat. Überbringer dieser Briefe sind ein Pfarrer in einer Glaubenskrise, und der Sektionsassistent Robert, der an Tourette leidet. Dazu kommt noch ihr Klavierschüler Amdi, der in Ermangelung eines häuslichen Musikinstruments in ihre Wohnung und ihr Leben stürmt, der sich als musikalisches Wunderkind erweist und mit der Hingabe Klavier spielt, zu der sich Vilma trotz aller Übung nie hinreißen lassen konnte.

So weit, so vorhersehbar und in den Grundzügen irgendwie bekannt, allerdings muss gerade eine Feel-Good-Geschichte das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr geht es bei einem Wohlfühlroman ja darum, sich, wie Vilma quasi ohne großes Risiko, in eine sichere Geschichtenwelt zu begeben, mit den Figuren mitzufühlen und unterhalten zu werden.

Das gelingt in „Vilma zählt die Liebe rückwärts“ auf Anhieb, schließlich sind die Figuren alle so charmant und sympathisch charakterisiert und mit augenzwinkernder Leichtigkeit erzählt, dass man sie einfach gernhaben muss. Das Setting in der Vorweihnachtszeit in Norwegen trägt auch sehr dazu bei, es sich in der Geschichte gemütlich zu machen.
Auch hat der Roman deutlich mehr Tiefgang und ernste, berührende Themen, als es die Aufmachung des Covers und die Kurzzusammenfassung vermuten lassen, schließlich erfahren wir im Laufe der Geschichte, warum Vilma jeglichen Kontakt mit ihrer eigenen Fantasie vermeidet und warum sie ihren Vater nie kennengelernt hat. Diese Melancholie der verpassten Chancen stimmt traurig, wird aber von Gudrun Skretting einfühlsam und gleichzeitig hoffnungsvoll erzählt.

„Dem Tod aus dem Weg zu gehen ist nicht das Gleiche wie zu leben.“ Diese Erinnerung, das Leben zu leben, die Zeit die man hat zu nutzen, Freude und Glück nicht nur zuzulassen, sondern auch zu suchen, ist doch eine wunderschöne Botschaft.

Bewertung vom 14.11.2022
Unsterblich sind nur die anderen
Buchholz, Simone

Unsterblich sind nur die anderen


ausgezeichnet

Who wants to live forever?

Dieser Roman ist ein beeindruckendes Leseerlebnis, in faszinierender Erzählform verfasst, mit Zeitsprüngen und Zeitbrüchen, Szenen die kaleidoskopartig aufflimmern, vor- und zurückgespult werden, die mehr einen Eindruck als eine wirklich greifbare Handlung hinterlassen. Es bewegt sich zwischen sehr zeitgenössischer Sprache und Lyrik, tiefer Mystik und Mythologie, mit atmosphärischen Bildern und ausgelösten Gefühlen, die noch lange nachwirken.

Es fällt schwer, dieses Buch auf ein Genre festzunageln, aber das braucht es auch nicht, literaturwissenschaftlich gesehen ist es tatsächlich am ehesten eine klassische Ballade, mit naturmagischen Elementen, der Verführung des Menschen durch Naturgewalt und das Übernatürliche.
Die Schicksale der menschlichen Charaktere sind nur grob gezeichnet, aber trotz dessen sehr bewegend und eindrücklich, die Wassergöttinnen und -wesen der verschiedensten Kulturen sind in ihrer eigenen Normalität geradezu amüsant dargestellt.

Sicher kein Buch für Jede*n, man muss sich darauf einlassen können, um den Zugang zur Geschichte zu finden. Am besten ein paar Stunden Zeit nehmen, und das Buch einfach machen lassen.

Bewertung vom 14.11.2022
Reißende Flut / Panda Kingdom Bd.1
Hunter, Erin

Reißende Flut / Panda Kingdom Bd.1


ausgezeichnet

Vielversprechender Auftakt einer neuen Reihe

Nachdem das Tochterkind seit Jahren reihenweise und immer wieder die Warrior-Cats-Bände verschlungen hat, war gleich klar, dass dieser Auftakt einer neuen Reihe natürlich auch gelesen werden muss.
Allerdings sind ihr die früheren Staffeln von Warrior Cats immer noch die liebsten, bei den späteren Staffeln hat sie beim Lesen zunehmend den Eindruck, dass den AutorInnen hinter dem Pseudonym Erin Hunter die Ideen ausgehen, wodurch entweder ähnliche Geschichten noch einmal erzählt wurden, bzw. die Handlungsideen immer abgehobener wurden - bei der doch beachtlichen Menge an Text wäre dies ja auch nicht überraschend.
Jedenfalls waren wir vor dem Lesen von Panda Kingdom sehr gespannt, ob hier einfach nur in einer schon bekannten Geschichte Katzen durch Pandas ersetzt wurden. Wenn dem so gewesen wäre, hätte mir das Tochterkind einen sehr ausführlichen, detaillierten Vortrag gehalten, was in welchem Buch welcher Katze schon genauso passiert ist, dieser Vortrag blieb aber aus, und sie war mit der Lektüre und der neuen Welt sehr zufrieden.

Die Auswahl von Pandas als Hauptfiguren hat bei mir im Vorfeld für Belustigung gesorgt, für mich sind Pandas nicht für heldenhafte Abenteuer geeignet, sondern eher für lustige Videos, in denen sie ungeschickt herumpurzeln. Tatsächlich wird auf diese Nachteile der Pandas eingegangen, sie sind keine unrealistischen Superhelden, aber sie schlagen sich gut mit ihren jeweiligen Talenten. Auch das Setting in der asiatischen Landschaft und die verschiedenen Interaktionen mit den anderen dort lebenden Tieren wurde sehr eindrücklich beschrieben. Alle Tiercharaktere, vor allem natürlich die Hauptfiguren der drei jungen Pandas Blättchen, Regen und Geist, haben deutlich ausgearbeitete individuelle Eigenschaften und ihre eigenen Geschichten, so dass es nicht schwerfällt, sich mit ihnen zu identifizieren und mitzufühlen.

Wie erwartet hat das AutorInnen-Team wieder ein spannendes, sehr gut zu lesendes und unterhaltsames Buch geschrieben, in dem aber auch kompliziertere, traurige zwischen"menschliche" Konflikte und Emotionen auf altersangemessene Weise erlebt werden.
Lediglich in der bekannten Vielzahl an Figuren und Namen muss man sich zurechtfinden können; ich konnte das auch bei den Katzen noch nie, das Tochterkind kennt allerdings sämtliche Katzen mit ihren Verwandschaftsverhältnissen noch immer auswendig, konnte also auch hier gut folgen.

Sehr schöner Beginn einer vielversprechenden neuen Reihe im Bambusreich!

Bewertung vom 14.11.2022
Alle_Zeit
Bücker, Teresa

Alle_Zeit


ausgezeichnet

Zeit für eine neue Zeitkultur!

Alle_Zeit von Teresa Bücker ist ein sehr wichtiges, kluges, gut recherchiertes und argumentiertes Buch, das aber auch traurig stimmt, da so viele offensichtliche und logische Gedanken und Schlussfolgerungen in der Realität der gegenwärtigen Gesellschaft bisher nur wenige Auswirkungen gefunden haben, obwohl wie nahegelegt eine sehr viel gerechtere, gesündere, zufriedenere Realität möglich wäre, wenn nur die verfügbare Zeit für alle gleichmäßiger aufgeteilt wäre, und auch alle tatsächlich über diese Zeit verfügen könnten.

Das Buch liest sich für ein derartiges Sachbuch sehr flüssig und angenehm, hier merkt man eindeutig den journalistischen Hintergrund der Autorin. Allerdings hätte es für mein Empfinden an vielen Stellen deutlich gestrafft werden können, da viele Punkte und Ideen wiederholt ausgeführt wurden. Da ich mich allerdings selbst schon länger mit der Thematik beschäftige, ist mein Blick auf die Sachverhalte sicher auch ein anderer als der von Lesenden, die sich mit diesen Gedanken noch nicht so auseinandergesetzt haben.

Trotzdem muss man sich auch dessen bewusst sein, dass man aus einer privilegierten Position überhaupt die Zeit hat, sich mit einem Buch wie diesem zu beschäftigen, während gerade denjenigen, denen Teresa Bückers Gedanken am meisten mit einer neuen Sicht auf ihr Verhältnis zur Zeit helfen könnten, wohl kaum die Lektüre dieses vergleichsweise umfangreichen Buches neben ihren täglichen Aufgaben priorisieren können und/oder wollen. Aber auch deshalb ist natürlich die Gesellschaft als Ganzes gefragt, denjenigen, deren Zeit zu einem Großteil anderen gehört, die Kontrolle und Entscheidungsfreiheit über die eigene Zeit zurückzugeben.

Obwohl ich im Allgemeinen die genderspezifische Zuordnung bestimmter Farben ablehne, finde ich hier die Designentscheidung, den Buchumschlag knallpink mit rosa Lesebändchen zu gestalten, eher fragwürdig, schließlich wird diese Farbe doch generell stark feminin gelesen. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Frauen weltweit aufgrund von u.a. ungleich verteilter Care-Arbeit tatsächlich deutlich weniger Zeit zur freien Verfügung haben, und das Buch eine neue Zeitkultur als Schlüssel zur Geschlechtergerechtigkeit vorschlägt, wäre das Ziel absolut verfehlt, wenn diese nur als Frauenthema vermarktet und gesehen würde. Vielleicht ist es aber auch eine bewusste Entscheidung, und männlich identifizierende Leser haben inzwischen keinerlei Probleme damit, ein pinkfarbenes Buch beispielsweise in der U-Bahn in die Hand zu nehmen - dann wäre die Gesellschaft tatsächlich schon weiter als gedacht, was natürlich auch eine begrüßenswerte Entwicklung wäre.

Ich hoffe sehr, dass Alle_Zeit und die darin vorgestellten Thesen und Handlungsvorschläge viel verdiente Aufmerksamkeit bekommen, um die nötigen Änderungen auf politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Ebenen anzustoßen, damit die Gesellschaftsaufgabe Zeitgerechtigkeit keine Utopie bleibt.

Bewertung vom 14.11.2022
Die Sehnsucht nach Licht
Naumann, Kati

Die Sehnsucht nach Licht


ausgezeichnet

Bewegende Familiengeschichte, Lokalgeschichte, Zeitgeschichte

"Die Sehnsucht nach Licht" erzählt die Geschichte der Familie Steiner, deren Schicksal seit Generationen eng mit dem Bergbau im erzgebirgischen Schlematal verknüpft ist.
Nach dem allgegenwärtigen Motto "Ein Bergmann jammert nicht" erträgt die Familie sowohl die politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts als auch persönliche Schicksalsschläge mit einer beeindruckenden Stärke.
Der Zusammenhalt, der für die Bergleute unter Tage lebenswichtig ist, wird auch in allen Generationen der Familie gelebt, und das Wissen, dass ein Unglück jederzeit passieren kann, lässt alle Familienmitglieder besonderen Wert darauf legen, auf einander Acht zu geben und die gemeinsame Zeit zu nutzen.

Von allen von Kati Naumann sehr individuell und eindrücklich charakterisierten Figuren hat mich die Vorstellung von Wilhelms Leben am meisten fasziniert, schließlich hat er von einer Jugend im Kaiserreich bis zum Ende der DDR so viel deutsche Zeitgeschichte miterlebt, den Wandel des Ortes Oberschlema im Laufe seiner Bergbaugeschichte mit angesehen, und nicht zuletzt so viel Freude und Trauer in seiner Familie erfahren.
Seine Urenkelin Luisa, die auch in der jüngsten Generation der Steiners noch immer in dieser Gegend und der Familie stark verwurzelt ist, schließt in der Gegenwart den Bogen zur Geschichte, einerseits durch ihre berufliche Aufarbeitung des Uranbergbaus, andererseits indem sie sich auf die Suche macht, Klarheit über das Schicksal von Wilhelms lange verschwundenem Sohn Rudolf zu finden, um ihrer Großtante Irma so ihren Frieden zu geben.

Der Roman ist sprachlich wunderbar geschrieben, die Lokalgeschichte ist sehr genau recherchiert, die technischen Aspekte des Bergbaus sind gut nachvollziehbar beschrieben, und die Familiengeschichte ist sehr spannend in die Zeitgeschichte eingebettet und berührend erzählt.

Insgesamt eine fesselnde und sehr bewegende Lektüre, deren Bilder und Emotionen noch nachhallen.

Bewertung vom 14.11.2022
Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat
Kling, Marc-Uwe

Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat


ausgezeichnet

Klassischer Kling für ältere Kinder und ihre Erwachsenen

Ein neuer aufregender Tag in dieser schrägen, sympathischen Familie, diesmal sind die Männer des Hauses mit Tiffany zu Hause, die prompt das Haus unter Wasser setzt, natürlich ohne zu wissen, wie das überhaupt passiert sein kann, schließlich hat sie ja nur ein bisschen in der Badewanne geschaukelt. Nun muss Papa irgendwie wieder Ordnung herstellen, bevor die Frauen der Familie vom Wellnesstag zurückkommen. „Unterstützt“ wird er dabei von Opa, Max und ihren hilfreichen Kommentaren.

Kinder sind seltsame Wesen, Eltern auch - wie das im Zusammenleben aussieht, wird hier herrlich komisch in gewohnter Art von Marc Uwe Kling mit trockenen Beobachtungen und witzigen Dialogen erzählt sowie in fröhlich-liebenswerten Bildern mit vielen lustigen Ideen und Details (Papa liest unter seinem Sonnenschirm „Die Leiden des alten Werthers“, bzw. versucht es zumindest) von Astrid Henn illustriert.

Der Diskurs über „Danke, Merkel!“ hat mir im Vorfeld etwas Sorge bereitet (Marc Uwe Kling ist nun einmal Marc Uwe Kling, politische Äußerungen und Kommentare sollten niemanden überraschen), wurde aber zumindest für unsere Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren sehr gut umgesetzt und erklärt. Hierbei muss man aber natürlich seine eigenen Kinder kennen und einschätzen. Falls man die Themen mit seinen Kindern (noch) nicht ansprechen möchte, lassen sich entsprechende Textstellen aber gut überspringen. Mit der Altersempfehlung ist es ab 6 Jahren vielleicht eine lustige Geschichte, gerade auch in Kombination mit den Bildern, aber ich denke so richtig verstehen gerade die „überronischen“ Textstellen erst ältere Kinder.

Insgesamt dürften hier sowohl Eltern, sofern sie den Humor von Herrn Kling kennen und mögen, als auch Kinder verschiedener Altersstufen beim gemeinsamen Lesen ihren Spaß haben. Der Papa unserer Familie fand die Geschichte auch sehr unterhaltsam, allerdings hatte er beim Zuhören einen recht leeren Blick, mit dem er in die Ferne gestarrt hat, wahrscheinlich haben die Ereignisse der Geschichte für ihn einen zu starken Realitätsbezug…

Bewertung vom 14.11.2022
Nordlicht 01
Falch, Malin

Nordlicht 01


sehr gut

Künstlerisch wunderschön gestaltet

"Nordlicht: Im Tal der Trolle" ist ein wirklich wunderschön gestalteter Comic-Roman über die Reise des Mädchens Sonja in die norwegische Sagenwelt Jotundalen.
Die Farbgebung und der Zeichenstil passen wunderbar zu dieser Welt und den magischen, mystischen Ereignissen und Figuren. Die Charaktere, allen voran der an Peter Pan erinnernde Espen, seine Trollbande und ihre tierischen Gefährten sind charmant, witzig, liebenswert und ein bisschen rätselhaft.
Auch die nicht so freundlichen, gefährlichen Wesen der Welt sind fantastisch dargestellt. Der Konflikt mit den Wikingern, mit denen Espen schon in der Vergangenheit gekämpft hat, scheint sehr viel Spannung zu versprechen, auch mit dem Seeungeheuer, das wohl auch nicht zu unterschätzen ist.

Obwohl ich die vorwiegend dunkle Farbgebung sehr schön und passend finde, macht sie in Kombination mit der zum Teil sehr kleinen Schrift das Lesen leider etwas mühsam, hier hätte ich mir etwas größere Schrift (oder gleich größere Seiten) gewünscht.

Leider hat auch diese Geschichte den Nachteil, der bei ersten Teilen einer Reihe häufig auftritt: Gerade wenn man die Welt und alle Figuren kennen gelernt hat, und sich ein Spannungsbogen richtig aufbauen könnte, ist das Ende des Buches, aber nicht das der Handlung erreicht. Das soll natürlich Spannung und Neugier auf den nächsten Teil wecken, allerdings ist es sehr schade, Sonja und die anderen an dieser Stelle schon so unvermittelt verlassen zu müssen. Eine etwas mehr in sich abgeschlossene Handlung hätte uns etwas zufriedener zurückgelassen.

Bewertung vom 14.11.2022
Die Bücher, der Junge und die Nacht
Meyer, Kai

Die Bücher, der Junge und die Nacht


ausgezeichnet

Ein Buch über die Kraft und die Geheimnisse der Bücher und der Menschen, die sie berühren, ist ein Thema, das mich wie sicher viele Bücherfreunde sofort aufhorchen lässt. Eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, verknüpft und verwoben mit der Zeitgeschichte, zieht mich ebenfalls magisch an. Kai Meyer erschafft aus diesen Themen einen wunderbar spannenden Roman, voller interessanter Charaktere und atmosphärischer Bilder.

Das alte Leipzig, besonders das im zweiten Weltkrieg untergegangene Graphische Viertel ersteht hier so eindrücklich wieder auf, dass man im Hintergrund das Stampfen der Druckereien hört und den Kohlendunst in der Luft riecht. Als eines der Zentren des deutschen Buchhandels- und Verlagswesens bildet es die perfekte Kulisse für geheime, verschwundene, legendäre und möglicherweise mit dem Teufel verbundene Bücher, sowie die faszinierenden Gestalten, die nach ihnen suchen.

Ein Vergleich mit Carlos Ruiz Zafóns Barcelona aus dem Universum des "Friedhof der Vergessenen Bücher" schleicht sich inhaltlich wie auch stilistisch an, davor braucht sich "Der Junge, die Bücher und die Nacht" aber nicht zu scheuen, denn es ist auch für sich selbst eine wirklich überzeugende, fesselnd erzählte und spannend konstruierte Geschichte, die den Weg eines Buches und des Protagonisten durch die dunkelsten Abschnitte der deutschen Geschichte von 1933 über 1943/44 bis 1971 nachzeichnet.

Fantastisch packende Lektüre!