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Miro76
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 125 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2021
In diesen Sommern
Hecht, Janina

In diesen Sommern


ausgezeichnet

"In diesen Sommern" erzählt von Teresas Kindheit und Jugend. Episodenhaft gewährt uns die Ich-Erzählerin Einblick in ihr Aufwachsen am Land. Sie erzählt vom ersten Mal Fahrrad fahren, von den Tagen im Schwimmbad, von der Weinlese auf Großvaters Hof und von den sonnigen Urlauben in Italien.

Doch alle Geschichten sind durchzogen von einer Düsternis, die nie weicht und immer schwerwiegender wird. Denn der Vater ist Alkoholiker und neigt zu Gewalt, die sich anfangs eher gegen die Mutter richtet, aber später auch gegen die Kinder.

Diese Erinnerungsfragmente zeichnen langsam ein Bild der Familie. Der Konflikt zwischen Liebe und Hass und immer wieder das schwappen auf eine der beiden Seiten.

Es ist ein Aufwachsen mit ständiger Wachsamkeit, es kommt aber auch immer wieder zu einem Herausfordern, einem Überschreiten der Grenzen. Die kurzen Kapitel geben dem Erzähltem viel Gewicht. Die Geschichte ist auf das nötigste reduziert und transportiert diese innere Zerrissenheit ausgesprochen gut.

Das Aufatmen, als die Mutter mit den Kindern den Vater verlässt können wir gut nachvollziehen, doch für die Teresa und ihren Bruder löst sich nicht alles. Sie fühlen sich ihrem Vater dennoch irgendwie verpflichtet und kämpfen mit der Frage, wie viel Bedeutung ihre schönen Erinnerungen haben Angesichts der Gewalt, die sie durch ihren Vater erfahren haben.

Ich bin begeistert, von der Art, wie uns die Autorin an diese Geschichte heranführt. Der Mut zur Lücke macht das Buch besonders, denn dadurch hat jeder Satz Gewicht.

Janina Hecht hat mit diesem Buch ihr Talent zum Schreiben mehr als bewiesen und ich bin überzeugt, dass wir von dieser Autorin noch viel erwarten können. Ich freue mich schon jetzt auf ihr nächstes Buch, denn dieses hier konnte mich restlos überzeugen.

Bewertung vom 18.07.2021
Raumfahrer
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


sehr gut

Jan streift durch sein Leben in einer dystopisch anmutenden Kleinstadt im ehemaligen Osten Deutschlands. Er arbeitet als Hol- und Bringdienst in einem Krankenhaus, das kurz vor der Schließung steht und Personal und Patienten bereits auf ein Minimum reduziert sind.
Genauso reduziert wirkt die Stadt. Die Fabriken sind Ruinen, die Plattenbausiedlungen stehen ohne Fenster und Türen da und sind dem Verfall anheim gegeben.
Selbst sein Leben ist dominiert von Leerstellen. Seine alkoholkranke Mutter hat die Familie verlassen und sein Vater trauert seinem ehemaligen Leben als Fischer nach. Zwischen der Freiheit der Wende und der Hoffnungslosigkeit einer fehlenden Zukunft verläuft nur ein ganz schmaler Grat.
In einem zweiten Erzählstrang lesen wir von dem Maler Georg von Baselitz, der kurz vor dem Mauerbau in den Westen geflüchtet ist. Sein Bruder wollte ihm folgen, war aber ein paar Tage zu spät dran und wurde von der Mauer überrascht. Eine Flucht ist ihm in den folgenden Jahren nie gelungen.
Baselitz Bilder beschäftigen sich mit den Helden, bzw. gefallen Helden von früher. Berühmt wurde er mit seinen Kopfüber Bildern. Die Menschen hängen quasi in der Luft, gefangen in einem Vakuum, dass sie treiben lässt.
Und genau so nimmt Jan auch seine Eltern wahr. Sie treiben als Raumfahrer in der Leere der Wende.
Mit diesen zwei Erzählstängen spannt Lukas Rietzschel einen Bogen zwischen der Nachkriegszeit und der Nachwendezeit verbunden durch Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Der Aufwind dieser beiden Umschwünge weht definitiv anderswo.
Die Sprünge zwischen den zwei Erzählspträngen sind leider manchmal etwas verwirrend. Es braucht etwas, bis man sich an die chaotische Erzählweise gewöhnt, aber dem Autor gelingt es, diese beiden Geschichten zusammenzuführen und zu klären, wie die Ereignisse um Baselitz auch Jans Leben prägen.
Dadurch entspinnt sich ein Stück Erinnerungskultur, das eher die dunkle Seite der Geschichte zeigt.
Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn man streckenweise nicht weiß, worauf das alles hinausläuft. Schlußendlich fügt sich alles und es ergibt sich ein schlüssiges Bild dieser verlorenen Gesellschaft. Wie Raumfahrer schweben sie durch ihr perspektivenloses Leben, ihrer Wurzeln beraubt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.07.2021
Die Wütenden und die Schuldigen
Düffel, John

Die Wütenden und die Schuldigen


gut

Richard, ein pensionierter Pastor in der Uckermark hat seine letzten Wochen vor sich, bevor ihn der Krebs endgültig besiegt. Eigentlich sollte die Familie zusammenkommen, doch sein Sohn ist in der Psychiatrie, seine ehemalige Schwiegertochter muss in Quarantäne und sein Enkel ist mit Beziehungsproblemen beschäftigt.

Also reist seine Enkelin mit der besten Freundin der Mutter an, die Palliativärztin ist und dafür sorgen soll, dass Richard keine Schmerzen hat.

Das Ende des Lebens birgt viele Möglichkeiten: Erinnerungen kommen auf, Unerledigtes drängt sich in den Vordergrund und Versöhnungen werden plötzlich möglich.

Der Titel des Buches lässt an größere Versäumnisse oder Verfehlungen in der Familiengeschichte denken. Doch die Wut ist eher eine generationenübergreifende immanente Wut, die sich nicht wirklich konkretisiert und auf die eine oder andere Weise in jedem Menschen schlummern kann.

Die Schuld ist auch er eine Schuld der Leerstellen; eine Schuld der Überlebenden. Richard hat seine Frau überlebt und seinen Sohn allein großgezogen, was ihm nur bedingt gut gelungen ist. Seine Schwiegertochter hadert mit dem Fehlen von Vater und Großvater und die Enkeltochter hadert generell mit dem Gesehen werden. Sie war immer die Ruhige, nie aufmüpfig und daher nie im Vordergrund.

Diese Themen bieten eigentlich viel Potential, doch irgendwie verzettelt sich die Geschichte in Alkohol- und Drogenexzessen, Beziehungsdramen und Alltäglichem. Erst ganz zum Schluss wird das Buch wieder tiefgründiger, gibt aber wenig Ausblick auf Veränderung.

Damit entspricht das Buch überhaupt nicht meinen Erwartungen und konnte mich auch nicht wirklich positiv überraschen. Ich hätte mir hier mehr erwartet.

Bewertung vom 20.06.2021
Die Beichte einer Nacht
Philips, Marianne

Die Beichte einer Nacht


sehr gut

Heleen befindet sich in der Hölle. Oder genauer: in einer Nervenheilanstalt in den 30er Jahren. Das bedeutet, sie liegt in einem Schlafsaal im Bett, die Fenster sind vergittert, Ausgang wird nicht gestattet. Die Frau neben ihr spricht die ganze Zeit unzusammenhängende Sätze. Sie selbst spricht seit Wochen nicht.

Doch eines Nachts beschließt sie ihr Schweigen zu brechen, setzt sich zur Nachtschwester an den Tisch und beginnt zu erzählen.

Diesen Monolog dürfen wir hier lesen, denn die Nachtschwester antwortet ihr nicht. Sie gibt nicht einmal zu erkennen, ob sie zuhört, doch Heleen lässt sich nicht aus dem Konzept bringe.

So erfahren wir, wie früh sie ihre Kindheit aufgeben musste, weil ihre Mutter mit zehn Kindern schlichtweg überfordert war. Da musste die Älteste schon mal einige Aufgaben übernehmen. Als der Vater einen Arbeitsunfall hat, wird Heleen mit ihren 13 Jahren in Stellung geschickt. Schnell erkennt sie, dass sich ihr Leben niemals ändern wird, wenn sie es nicht selbst in die Hand nimmt.

Sie zieht hinaus in die Welt und bringt es weit. Das Glück ist auf ihrer Seite, denn sie findet Hilfe, wenn sie Hilfe braucht. Sie hat Talent, ihre Schönheit kommt ihr zugute und sie ist sich ihres Wertes bewusst.

Aber sie ist auch einsam und in der Liebe hat sie weniger Glück. Nach einer gescheiterten Ehe findet sie doch die Liebe, doch diese zweite Ehe bleibt kinderlos. Die Familie wird von Heleens jüngster Schwester komplettiert, doch Heleen verkraftet es kaum zu sehen, wie sie altert, während ihre Schwester aufblüht.

Langsam aber sicher gleitet sie in eine Depression, die ihre Familie komplett zerstört und sie schließlich ins Irrenhaus bringt.

Dieser Roman von Marianne Philipps trägt teilweise autobiografische Züge und hat damals für schwere Kritik gesorgt. Depression gab es wohl noch nicht und so fehlte wahrscheinlich das Verständnis für die Nöte der Protagonistin.

Auch der narrative Stil ist etwas gewöhnungsbedürftig. Anfangs ist die Sprache sehr einfach gehalten. Mit dem Fortschreiten der Geschichte wird sie komplexer. So spiegelt die Sprache die Entwicklung der Protagonistin wieder, die kaum Schulbildung erhalten hat, sich aber Zeit ihres Lebens weiterbildete.

Die Lebensgeschichte von Heleen ist berührend und interessant. Ich bin ihr gerne gefolgt, durch ihre erfolgreichen Jahre. Aber ihren Weg in die Dunkelheit konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Sie war eine kämpferische, junge Frau und plötzlich scheint sie komplett in ihrer Ehe gefangen zu sein. Hätte sie es geschafft, ihre Zeit und Energie anderweitig zu kanalisieren, wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen. Aber es war wohl undenkbar, dass eine verheiratete Frau ihr Geld selbst verdient.

Das Buch zeigt auf jeden Fall eine interessante Persönlichkeit, deren Eskalation sicher vermeidbar gewesen wäre. Das Drama in der Geschichte zieht sich zwar wie ein roter Faden durch die Erzählung und soll Spannung aufbauen. Ich fand allerdings die Lebensgeschichte interessanter als die Tragödie, die alles beschließt. Daher vergebe ich vier Sterne für einen Roman, der es verdient ein echter Klassiker zu werden.

Bewertung vom 09.06.2021
Im Reich der Schuhe
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


sehr gut

Alex Cohen, der Sohn eines jüdischen Schuhfabrikanten soll in die Fußstapfen seines Vaters treten und wird Teilhaber der Firma in Foshan, China.

Der Vater hat die Fabrikation aus Amerika nach China verlegt und so die Pleite der Familie verhindert. Er produziert Schuhe für Eigenmarken der großen Handelsketten zu Preisen, die nirgendwo sonst auf der Welt möglich wären. Denn den Preis zahlen in diesem Fall die Arbeiter*innnen, die fast wie Sklaven an den Arbeitsplatz gebunden sind.

Alex verliebt sich in eine der Arbeiterinnen und möchte an den Zuständen etwas verändern. Dafür muss er allerdings erst mal an seinem Vater vorbei und das ist kein leichtes Unterfangen. Der alte Cohen war es gewöhnt mit harten Bandagen zu kämpfen.

Der Autor kennt anscheinend die Zustände in chinesischen Fabriken und beschreibt diese mit allen Schrecken. Was wir uns eigentlich vorstellen können, wird uns hier ungeschönt vor Augen gehalten und lässt uns hoffentlich den Konsum von chinesischer Billigware überdenken.

Irritierend fand ich anfangs die Vergleiche zwischen den verfolgten Juden und den chinesischen Wanderarbeitern. Aber vielleicht sind diese Vergleiche gar nicht so verkehrt. Die Landbevölkerung Chinas hat ebenfalls keine Wahl und als Wanderarbeiter*innen werden sie in Lager gepfercht, die sie nicht verlassen können, weil die Fabrik ihre Ausweise einbehält.

Alex Cohen wird in diesem Prozess erwachsen. Er möchte wirklich etwas bewirken. Keine kurzfristige Lösung, sondern echte Veränderung. Im Buch wird nur ein Grundstein gelegt und es gibt einen Funken Hoffnung am Ende. Mehr geht momentan natürlich nicht.

Stilistisch fand ich das Buch recht anspruchsvoll. Der Text wirkt anfangs etwas sperrig, was den Lesefluss leicht bremst. Aber wenn man sich dann eingefunden hat, wird es eine spannende Geschichte.

Mir bleibt die Story sicher noch eine Weile im Magen liegen, denn schlußendlich betrifft sich auch mich und ich werde mich noch mehr bemühen, darauf zu achten, wo die Dinge produziert werden, die ich kaufe.

Ich fand die Geschichte sehr lesenswert. Der Abnabelungsprozess war realistisch dargestellt und die Hintergründe des Settings ebenfalls. Die Vergleiche mit der Shoah und mit Trotzki fand ich nicht immer ganz passend. Der vergebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 02.06.2021
Die Geschichte von Kat und Easy
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


ausgezeichnet

Kat und Easy sind beste Freundinnen, die alles teilen. Auch ihre große Liebe Fripp. Er ist ein charismatischer Jugendleiter, einige Jahre älter als Kat und Easy, die gerade ihren 16. Geburtstag in den 70er Jahren gefeiert hatten.

Kat und Easy wollen das Leben genießen. Sie haben viel vor. Und doch kommt alles ganz anders als sie gedacht hatten.

Fast fünfzig Jahre später werden sich die beiden erst wiedersehen. Kat arbeitet als Coach und betreibt einen Blog als Kummerkastentante, der relativ berühmt ist. Als Easy darin Kat erkennt, schreibt sie ihr einen Brief und die beiden entschließen sich, eine Woche auf Kreta in Easy's "Chalet" zu verbringen.

Ganz langsam nähern sich die beiden wieder an und es braucht fast die ganze Zeit, bis sie sich an eine Aussprache wagen. Vorher tragen sie ihre Sorgen noch über den Blog aus, obwohl sie im selben Haus schlafen.

Die Autorin erzählt uns die Geschichte von Kat und Easy aus zwei Perspektiven. Einmal in der Vergangenheit in Laustadt, als die beiden Teenager sind und dann noch in ihren Gesprächen auf Kreta in der Gegenwart, wo die beiden schon ungefähr 60 sind.

Ganz langsam entspinnen sich die Hintergründe, die zu diesem Zerwürfnis geführt hatten und ganz leise bahnt sich eine Annäherung an. Beide hatten an der Vergangenheit zu nagen und beide konnten nicht ganz abschließen mit diesen Erlebnissen.

Ich fand die Geschichte von Kat und Easy großartig erzählt und ich konnte mich wunderbar darin wiederfinden. Der Roman ist authentisch, berührend und ein klein wenig aufrüttelnd. Für mich war es ganz genau das richtige Buch und ich bin mir sicher, dass es viele als Sommerlektüre begeistern kann. Mädchenfreundschaften können ganz schön viel verkraften, auch wenn die Pause manchmal etwas länger dauert!

Bewertung vom 21.05.2021
Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte
Tîbuleac, Tatiana

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte


ausgezeichnet

Aleksy hat eben seinen letzten Schultag hinter sich gebracht und sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Er hat keine Perspektiven. Er weiß nur, dass er weg von Mutter will, die er hasst und verachtet.

Der Sommer soll auf jeden Fall großartig werden. Mit seinen Freunden will er nach Amsterdam, Drogen konsumieren und seine Jungfräulichkeit verlieren.

Doch es kommt alles ganz anders. Seine Mutter überredet ihn, diesen einen Sommer mit ihr in Frankreich zu verbringen und was trist beginnt, wird für beide ein unvergesslicher Sommer.

Tatiana Tibuleac hat ein starkes Buch über ein schwer gestörtes Mutter-Sohn-Verhältnis geschrieben. Der Protagonist, Aleksy, war immer ein Außenseiter. Ungeliebt und ohne Perspektiven scheint er in seinem Sumpf gefangen. Seine Sprache ist derb und heftig; stellenweise schwer zu ertragen. Doch sie Autorin gibt ihn nicht auf. Er macht eine schöne, aber auch traurige Entwicklung durch.

Die Autorin hat ein Buch geschrieben, dass nicht gefallen will. Das Buch besticht mit schonungsloser Direktheit. Wie eine Faust ins Gesicht schreit und Aleksy seine Hilflosigkeit entgegen. Trotz dieser furchtbaren Kindheit lässt die Autorin eine relativ strahlende Zukunft aufblitzen.

Mich hat diese Geschichte sehr begeistert. Das Buch hätte gerne noch mal so viele Seiten haben können und ich hätte auch wahnsinnig gerne erfahren, wie alles so gekommen ist, wie es schließlich wurde. Doch damit lässt uns die Autorin allein. Und gerade diese Kürze verstärkt die Dringlichkeit dieses Romans.

Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung, für alle, die auch mal derbere Sprache ertragen und für alle, die es aushalten, wenn nicht alles auserzählt wird!

Bewertung vom 07.05.2021
Eine perfekte Ehe
McCreight, Kimberly

Eine perfekte Ehe


ausgezeichnet

Lizzie Kitsakis' Ehe steht schwer auf dem Prüfstand. Ihr Mann ist Alkoholiker und hat sich durch Sachbeschädigung schwer verschuldet. Lizzie sah sich gezwungen ihren Job als Staatsanwältin aufzugeben und auf der anderen Seite, bei einer Kanzlei anzuheuern, was wesentlich lukrativer ist.

Sie ist in einige Fälle vertieft, als ein ehemaliger Studienfreund sich aus dem berüchtigten Gefängnis Riekers Island meldet. Er wird beschuldigt seine Frau Amanda erschlagen zu haben, was er vehement bestreitet.

Lizzie glaubt ihm und lässt sich überreden, den Fall zu übernehmen, obwohl Kapitalverbrechen eigentlich nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören.

Lizzie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und deckt nach und nach die Abgründe der New Yorker High Society auf. Außerdem stößt sie auf schwere Ungereimtheiten in Zach und Amandas Vergangenheit.

Die anfangs klar scheinende Schuldfrage verschwimmt zusehends und als Lizzie ein weiteres Beweisstück entdeckt, kann sie sich nicht mehr sicher sein, ob nicht auch ihr Ehemann in den Fall verstrickt ist.

Die Autorin erzählt uns diese Geschichte aus der Sicht der Anwältin und baut so langsam den Fall auf. Sie lässt uns aber auch an Amandas Leben teilhaben. In wechselnden Kapiteln erfahren wir, was Amanda in ihren letzten fünf Tagen erlebt und gedacht hat. Ihre Geschichte lernen wir aus Tagebuchauszügen kennen, in die sich Lizzie vertieft.

So entwickelt sich Seite um Seite ein immer klareres Bild der Ermordeten, ihrer Familie und ihrer Freunde, die auch den erweiterten Freundeskreis von Lizzie's Mann kreuzen.

Kimberly McCreight bringt hier einige Erzählstränge und Motivationsmöglichkeiten ins Spiel. Hier ist nichts so, wie es anfangs scheint. Gut und Böse verschwimmen. Aber die Autorin hält die Fäden fest in der Hand und so fügt sich alles zu einem spannenden Fall.

Ich bin keine versierte Krimi- oder Thrillerleserin. Ich begebe mich nur selten in dieses Genre, aber dann weiß ich es umso mehr zu schätzen, wenn ich gut unterhalten werden. Wer mehr in diesem Genre liest, dem ist dieses Buch vielleicht nicht blutig genug, oder nicht spannend genug, denn fürchten muss man sich nicht bei der Lektüre. Aber genau das hat mir gefallen. Ich fand auch das Ehedrama interessant und die Fragen, die dadurch aufgeworfen wurden.

Mich hat das Buch ausgesprochen gut unterhalten und ich empfehle es unbeschränkt allen, die Spannung mögen, Unvorhergesehene zu schätzen wissen und auf Blutrünstiges verzichten können!

Bewertung vom 05.05.2021
Enriettas Vermächtnis
Madsack, Sylvia

Enriettas Vermächtnis


gut

Enrietta da Silva verstarb über 80jährig und hinterlässt ein ordentliches Vermögen. Das Erbe sollte zwischen Emilio und Jana aufgeteilt werden. Während Jana dem Anwalt und Testamentsvollstrecker seit einigen Jahren in Freundschaft verbunden ist, hält Emilio mit der Begründung, warum er als Erbe genannt ist, hinter dem Berg. Er gibt sich sehr geheimnisvoll, wirkt aber freundlich und zuvorkommend und unterstützt Jana, die sich nach einem Sturz starke Prellungen zugezogen hatte.

Obwohl sich die beiden in Zürich näher kommen, verrät Emilio nicht, wie er zu der Verstorbenen stand.

Bis eine dritte Person auf den Plan tritt und ordentlich Chaos stiftet.

Janas Gefühle geraten in Wallung und es fällt ihr schwer, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Als Leserin war mir schnell klar, dass die überzogenen Rollenbilder in die Irre führen sollten und nicht alles so ist, wie es scheinen soll. Die Autorin hat hier etwas über das Ziel hinausgeschossen und daher kommen die Wendungen gar nicht so überraschend. Die gewünschten Aha-Effekte bleiben aus und die Motivation der Protagonist*innen darf man nicht immer hinterfragen.

Der Roman ist ein kurzweiliges Vergnügen für Leser*innen, die sich nach leichter Kost mit großen Gefühlen sehen. Ich habe die Lektüre wie eine Telenovela empfunden. Da ist auch alles etwas überzogen, damit wirklich jede*r versteht, warum es geht.

Um abzuschalten kann das ja mal ganz amüsant sein.

Somit empfehle ich dieses Buch nicht ganz unvoreingenommen als Strandlektüre, wenn die Sonne auf den Kopf prasselt. In dieser Situation könnte es dann vielleicht sogar ein fünf Sterne Buch sein. Ich hatte bei der Lektüre alle meine Sinne beisammen, deshalb kann ich nicht mehr als drei Sterne vergeben. Immerhin hat es mich ganz gut unterhalten!

Bewertung vom 24.04.2021
Drei Kameradinnen
Bazyar, Shida

Drei Kameradinnen


ausgezeichnet

Saya, Hani und Kasih kennen sich schon ihr Leben lang. Sie sind miteinander aufgewachsen, haben gemeinsam die Schulbank gedrückt und miteinander das Student*innenleben genossen.

Jetzt treffen sie sich wieder, um die Hochzeit einer Bekannten zu feiern und verbringen im Vorfeld drei Tage miteinander. Die drei sind mehr oder weniger erfolgreich in ihren Berufen, leben ein typisches Leben von Mittzwanzigern, genießen ihre Leben und vor allem ihre Nächte.

Doch die Freude am Wiedersehen ist getrübt vom Start eines der größten Naziprozesse. Eine rechtsradikale Gruppierung wurde ausgehoben, die verantwortlich ist für mehrere Morde hauptsächlich an muslimischen Frauen.

Diese Tatsache bestimmt zum Teil ihren Alltag, denn die Drei sind immer wieder konfrontiert mit ihrer "Herkunft". Diese wird uns in diesem Buch nicht verraten, weil sie ganz einfach nichts zur Sache tut. Allein die Tatsache, dass wir als Leser*innen gerne wüßten in welche Schublade wir diese drei Freundinnen stecken können, zeigt, dass es unserer Gesellschaft nach wie vor an Diversität mangelt.

Kasih erzählt uns diese Geschichte in einem Guss. In einer einzigen Nacht schreibt sie sich alles von der Seele, was in diesen drei Tagen passiert ist und schließlich dazu führt, wozu es eben führte. Aber sie lässt uns auch in ihre Erinnerungen blicken, zeigt uns ihre Welt, ihre Freundinnen und immer wieder wo es hakt. Denn auch die aufgeschlossensten weißen Freund*innen tappen in alltägliche kleine rassistische Fallen. Denn schlussendlich wissen wir nicht, wie es sich anfühlt, wenn man im Yogakurs die Frau ist, die nicht korrigiert wird, weil die Lehrerin denkt, sie würde Berührungen aus Glaubensgründen nicht ertragen.

Dieses und viele weiter alltägliche Beispiele machen die Lektüre äußerst eindringlich und regen mich zum nachdenken über mein eigenes Verhalten an. Kasih und ihre Freundinnen unterscheiden sich in nichts von mir und meinen Freundinnen. Nicht in ihrem Wesen, nicht in ihren Gedanken, nicht in ihren Sorgen und nicht in ihrer Freude. Und trotzdem haben sie es immer ein bisschen schwerer als ich, denn sie sind nicht geborgen in einer weißen Haut.

Die Thematik dieses Buches ist in diesem Lesejahr stark vertreten. Es finden sich einige Autor*innen die dazu ihren Beitrag leisten. Es ist ein wichtiges Thema und jedes Buch, das das Bewusstsein dafür schärft, kann unsere Welt ein Stückchen besser machen. Deshalb öffnet eure Augen und euren Geist und lest eines dieser Bücher. Diese hier kann ich schon mal uneingeschränkt empfehlen!