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Miro76
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 142 Bewertungen
Bewertung vom 02.02.2022
Swing High
Franz, Cornelia

Swing High


ausgezeichnet

Sommer 1939: Henri muss seinen Englandaufenthalt vorzeitig abbrechen, weil der Krieg jederzeit ausbrechen kann und es dann für Deutsche da ungemütlich wird. Henri liebt alles an England: die Sprache hat es ihm angetan, aber vor allem die Musik, die einfach nur Lebensfreude verspricht und bei der man so richtig abhotten kann.

Er und seine Freunde lassen sich das nämlich nicht nehmen. Sie treffen sich im Freibad, in den Parks oder am Fluss. Immer hat jemand ein Grammophon dabei und Platten werden abgespielt. Auch als die Stimmung immer düsterer wird, sie von Passanten beschimpft und von den Jungs der Hj verfolgt werden, geben sie nicht auf und tanzen gegen die düstere Stimmung.

Die Lage spitzt sich zu und für die Freunde wird es immer schwieriger, Orte zu finden, an denen sie sich noch treffen können. Aus Beschimpfungen werden Prügeleien und aus Prügeleien werden Festnahmen. Obwohl es immer ernster wird, wagen die Freunde, was wir heute Flashmob nennen, um darauf aufmerksam zu machen, dass nicht alle Deutschen dem System angehören.

Die Swingkids oder "Swingheinis", wie sie hier im Buch genannt werden, waren ein Gruppe Jugendlicher, die sich dem Regime nicht unterwerfen wollten und dadurch zu Widerständlern wurden. Auch wenn ihre Motivation nicht primär politisch war, waren sie den Nazis doch ein Dorn im Auge. Verkörperten sie doch alles, was diesen verhasst war.

Die Autorin hat diese Tatsache gut dargestellt. Die Bewegung entspringt dem einfachen Bedürfnis nach Spaß und Unterhaltung und wird mit Kriegsbeginn zunehmend politischer. Je größer der Druck auf die Jugendlichen wird, umso größer wird ihr Wagemut und langsam entsteht daraus eine tatsächliche Botschaft, die sie am Ende auch weitergeben wollen.

Stilistisch ist das Buch recht einfach gehalten, sodass es auch lesefaule Jugendliche ansprechen kann. Die Figuren sind so gestaltet, dass sich alle Leser*innen jemanden zum identifizieren finden können. Die Bewegung beginnt so harmlos, dass man sich selbst leicht im Widerstand sehen kann. Und wer wünscht sich das nicht.

Das Buch ist nicht rein linear erzählt. Auf schwarzen Seiten finden wir zwischendurch immer wieder einen Dialog aus dem SS-Untersuchungsgefängnis, denn Henri wurde schlussendlich verhaftet. Dort lernt er einen sehr politisch engagierten Jugendlichen kennen, der bei den Kommunisten aktiv war.

Diese Gespräche geben der ganze Geschichte eine vertiefende Dimension und verdeutlichen nochmals die Ernsthaftigkeit der Jugendlichen, die sich ihre Lebensfreude einfach nicht nehmen lassen wollten.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, obwohl ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Diese Swingkids konnten mich schon immer begeistern und hätte ich damals bereits leben müssen, wäre ich gerne eine von ihnen gewesen.

Ich hoffe, diese Buch wird von ganz vielen jungen Leuten gelesen, die darin den Mut zur Zivilcourage finden, die wir auch heute so dringend brauchen!

Bewertung vom 23.01.2022
Mein großes Lichter-Wimmelbuch: Auf dem Bauernhof
Grimm, Sandra

Mein großes Lichter-Wimmelbuch: Auf dem Bauernhof


ausgezeichnet

Willkommen auf dem Bauernhof! In liebevoller Illustrationen begegnen die Kleinsten den Bauernhoftieren. Die Tiere haben freundliche Gesichter und schöne große Kulleraugen. Sie sind echte Hingucker.
Jede Seite hat einen kleinen Vierzeiler zum Vorlesen, der fast immer mit einem Tierlaut eingeläutet wird. Das zaubert immer ein Lächeln in die Kindergesichter.
Außerdem können dann Tiere und Dinge gesucht und gezählt werden und auf Knopfdruck kann man überprüfen, ob man alle gefunden hat. Da leuchten dann kleine Lichter auf.
Es ist ein Buch für Bilderbuchbeginner*innen in stabilem Pappkarton. Das hält auch einiges aus, wenn die Eltern mal nicht Zeit haben, das Buch mit dem Kind gemeinsam zu betrachten. Die bunten Bilder begeistern auch ohne Text.
Ich habe das Buch mit meiner Nichte angeschaut und ihr die Texte vorgelesen. Sie ist jetzt ein Jahr alt und konnte sich schon dafür begeistern. Das Buch lässt auch Spielraum für eigene Worte und Tierlaute.
Das wird bestimmt nicht ihr einziges Buch aus dieser Reihe bleiben.

Bewertung vom 23.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


weniger gut

Leo Gazarra, ein junger Mailänder, verlässt seine Familie, um in Rom seinen Lebensmittelpunkt zu finden. Er ist ein junger Mann mit Talent und Glück, findet schnell Anschluss, hat einflussreiche Freunde, bekommt viele Chancen, nur um alle ungenutzt zu lassen.

Stattdessen gibt er sich eine Amour Fou hin. Die Zerstörungskraft dieser Beziehung wird schnell deutlich. Wechselnde Annäherung und Ablehnenung zermürben den stärksten Charakter. Es wird pausenlos zu viel getrunken, ständig betrunken Auto gefahren und kaum gearbeitet, denn man fühlt sich ja über den Dingen stehend und schaut auf die arbeitenden Massen hinab.

Leider kann sich Leo seinen Lebensstil nicht leisten und seine Angebetete möchte sich versorgt sehen. Sie lässt ihn fallen, um reich zu heiraten.

Das wäre dann mal grob der Inhalt. Zum am Klappentext gelobten Flair im Rom der frühen 70 Jahre kann ich auch nach der Lektüre nicht viel sagen, denn Leo bewegt sich in ganz eigenen Kreisen. Es ist gar nicht so leicht, die Geschichte in der Zeit zu verorten, denn diese Tagediebe, die sich von einer Bar in die nächste treiben lassen, gibt es wohl immer. Ihre Gespräche sind pseudointellektuell und mäandern ziellos von einem Thema zum nächsten, um nur ja nicht in die Tiefe gehen zu müssen. Überhaupt fehlt es den Charakteren an Überzeugungen und Tiefgang. Sie driften durch ihr Leben, als wären sie Schicksalsgebunden. Einzig die Beschreibungen von Orten, Morgen- und Abendstimmungen konnten mich wirklich begeistern und lassen mich über eine weitere Reise nach Rom nachdenken.

Dennoch denke ich, dass es einen Grund gibt, warum dieser Roman schon zwei Mal in der Versenkung verschwunden ist. Vielleicht hätte man ihn dort belassen sollen. Leider kann ich hier keine Leseempfehlung aussprechen, obwohl Cover und Titel großes Versprechen!

Bewertung vom 18.12.2021
Das verbotene Turnier / Pferdeflüsterer-Mädchen Bd.3
Mayer, Gina

Das verbotene Turnier / Pferdeflüsterer-Mädchen Bd.3


ausgezeichnet

Die Ocean Ranch ist in Gefahr. Hegarty will sich rächen und einen Flugplatz für Privatflugzeuge auf dem Feld direkt neben der Ranch errichten. Das wäre für die Pferde eine Katastrophe. Die Ranch könnte so nicht weiter bestehen.

Ruby und ihre Freunde überlegen, wie sie Patrice und Kelly helfen können. Ruby fasst sich ein Herz und sucht heimlich den Besitzer des Feldes auf, um ihn zu bitten, seine Feld doch lieber an Patrice zu verkaufen. Der Besitzer ist nicht abgeneigt, knüpft diese Zusage allerdings an eine Bedingung. Ruby soll an seinem Turnier teilnehmen. Wenn sie es schafft in ihrer Altersklasse zu gewinnen, wird es keinen Flugplatz geben.

Natürlich stellt sich Ruby dieser Herausforderung. Doch Patrice weigert sich, sie zu trainieren. Wird Ruby einen Weg finden, sich auf ein Turnier vorzubereiten? Und welches Pferd könnte sie da reiten? Und wie wird Patrice darauf reagieren, der dem Turnierbetrieb doch so skeptisch gegenübersteht?

Dieser Band ist wirklich spannend. Ruby wächst über sich hinaus. Sie ist mutig, trainiert hart und ihre Freunde stärken ihr den Rücken. Die Gemeinschaft auf der Ocean Ranch ist uns mittlerweile richtig ans Herz gewachsen. Meine Tochter und ich freuen uns schon jetzt auf den nächsten Band, der im Februar erscheinen wird.

Bewertung vom 27.11.2021
Das Liebesleben der Pinguine
Heckler, Bernhard

Das Liebesleben der Pinguine


ausgezeichnet

Sascha, Nico und Nura hatten eine gemeinsame Geschichte als Teenager. Die Jungs waren beste Freunde, Nura war Saschas Freundin und Nico war auch in sie verleibt.

Jahre später treffen wir sie wieder. Nach dem typischen Drama im Teenageralter haben sie sich alle drei aus den Augen verloren. Später wurden Nico und Nura ein Paar, aber auch das hat nicht funktioniert. Jetzt trifft Nico seinen ehemals besten Freund unbeabsichtigt bei einem Blind Date und die ganze Geschichte kommt ins rollen.

Außerdem gibt es noch Franco, einen Süditaliener, der in der Mafia groß geworden ist, seinem Leben entfliehen wollte und in Deutschland neu begann.

Franco ist das Bindeglied. Alle drei treffen in wichtigen Momenten auf ihn und ein bisschen verändert er ihre Leben. Francos Geschichte ist interessant und noch besser gefällt mir, wie Franco zum roten Faden wird, der der ganzen Geschichte Halt gibt.

Ich bin ziemlich begeistert von diesem Debüt, das mich von der ersten Seite weg fesseln konnte. Die Protagonisten sind wunderbar aus dem Leben gegriffen, es gibt kleine und größere Dramen und dabei vergißt der Autor nicht, das alles mit einer brise Humor zu würzen. Also ein Roman, ganz nach meinem Geschmack! Tiefgründige Themen werden hier mit einer Leichtigkeit erzählt, die dem ganzen an Schwere nimmt, ohne dabei oberflächlich zu werden.

Es ist ein dünnes Buch, aber dicht an Themen, mit denen viele Menschen kämpfen.

Ich bin begeistert und freue mich sehr, dass ich diesen jungen Autor entdeckt habe. Ab jetzt warte ich auf das zweite Buch von Bernhard Heckler. :)

Bewertung vom 14.11.2021
Mädchenmeuterei
Fuchs, Kirsten

Mädchenmeuterei


gut

Diese Buch war leider völlig anders als erwartet. Klappentext und Leseprobe klangen sehr spannend: Eine Freundin steckt in Schwierigkeiten und natürlich kommt das Rudel zusammen und hilft.

Die Freundinnen brechen auf nach Marokko, aber ihrer Freundin Bea helfen sie nicht. Denn dafür dauert die Reise mit dem Containerschiff einfach zu lange. Bis sie ankommen, haben Bea und ihr Vater alles geklärt.

Das Buch handelt hier von den Zuständen auf so einem Schiff, den Arbeitern, die teils aus sehr prekären Verhältnissen kommen. Ganze Familien sind auf die Heuer der Männer angewiesen.

So eine Schifffahrt ist naturgemäß ruhig und ereignisarm. Damit das alles nicht zu langweilig wird, hat sich die Autorin schon einiges einfallen lassen. Die Mädels erleben ihr Abenteuer, aber eben ein komplett anderes. Mich hat diese Geschichte nicht wirklich angesprochen. Und streckenweise fand ich den pittoresken Erzählstil der Autorin sehr ermüdend. Das war mir alles etwas zu detailliert.

Allerdings kann ich mir vorstellen, dass das Buch bei jüngeren Leserinnen wesentlich besser ankommt. Denn es geht auch um Freundschaft, Geheimnisse, Beliebtheit und Verantwortung. Eine Menge Themen, die für Mädchen zwischen 14 und 16 sicher interessant sind.

Den Vorgänger "Mädchenmeute" muss man nicht zwingend gelesen haben. Wo es nötig ist, geht die Autorin auf die Vorgeschichte ausreichend ein, damit man sich auskennt. Allerdings werde ich dieses Buch nicht mehr lesen, denn überzeugen konnte mich die Autorin nicht.

Bewertung vom 28.10.2021
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


ausgezeichnet

Kaspar Wettner erfährt nach dem plötzlichen Tod seiner Frau, dass diese eine Tochter geboren hatte. Sie hatte sie damals in der DDR zurückgelassen, abgelegt auf den Stufen eines Pfarrhauses, oder eines Waisenheims. Seine Frau hatte ihm nie davon erzählt. Sie wollte ihre Tochter suchen und hatte gleichzeitig so viel Angst davor, dass sie nur Artikel über Waisenkinder im Ostblock zusammengetragen hat.

Kaspar sieht in ihren Aufzeichnungen einen Auftrag und verfolgt die erste Spur, die ihm auch gleich weiterhelfen kann. Es ist gar nicht so schwer, die Tochter seiner Frau zu finden, doch eine Verbindung zu ihr kann er nicht aufbauen, denn sie lebt mit einer Gruppe Völkischer. Mit dieser Ideologie möchte Kaspar eigentlich nichts zu tun haben, doch er möchte die Enkelin kennenlernen, denn sie ist noch ein junges Mädchen.

Mit einem Kniff bindet er das Mädchen an sich und zeigt ihr eine andere Welt. Er bringt ihr Musik näher und sie zeigt großes Talent am Klavier. Mit Literatur versucht er ebenfalls ihren Horizont zu öffnen. Doch er verliert sie wieder, denn den Eltern gefallen diese Maßnahmen gar nicht.

Bernhard Schlink hat hier mehrere wichtige Themen aufgegriffen. Da ist einerseits die traurige Situation der Waisenkinder oder der schwierigen Kinder, die in Jugendwerkshöfen gelandet sind. Außerdem greift er des Thema des rechtsradikalen Denkens auf, das in vielen Teilen der östlichen Bundesländer den Alltag prägt. Der Autor erläutert gut, wie es dazu kommt und zeigt auf, dass dem nur mit Bildung beizukommen ist.

Mit Kaspar Wettner hat der Autor eine äußerst sympathischen und feinfühligen Protagonisten geschaffen, dem ich sehr gerne gefolgt bin, bei seinen Versuchen einem jungen Mädchen den Kopf zu öffnen und die Welt zu zeigen. In wie weit das gefruchtet hat, wird hier natürlich nicht verraten. Aber ich fand es sehr schön, diese Reise ins Erwachsen-werden lesend mitzuerleben. Ein interessantes uns liebenswertes Buch! Sehr lesenswert!

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


sehr gut

Daniela verlässt ihre Familie bei Nacht und Nebel, um in Italien als Pflegekraft zu arbeiten. Sie verabschiedet sich nicht, denn dafür fehlt ihr die Kraft. Aber die Kinder sollten es einmal besser haben. Sie sollen aufs Gymnasium gehen und studieren.

Doch welche Auswirkung diese Entscheidung auf die Kinder hat, zeigt uns Marco Balzano in diesem Roman. Im ersten Abschnitt lässt er den Sohn zu Wort kommen, der plötzlich seine ältere Schwester als Erziehungsperson akzeptieren soll. Die Mutter gibt zwar aus der Ferne Befehle, aber so richtig ernst nehmen kann das keiner.

Im zweiten Teil spricht die Mutter. Sie ist wieder in Rumänien, weil ihr Sohn im Koma liegt. An seinem Krankenbett erzählt sie ihm ihre Geschichte. Dass es für diese Frauen nicht leicht ist in der Fremde, liegt auf der Hand. Dennoch sieht sie noch immer nicht, dass sie ihren Kindern nicht nur Gutes getan hat. Vielleicht hätte es auch einen andere Weg geben können.

Im letzten Abschnitt lernen wir die Sicht der älteren Tochter kennen, die sich die Verantwortung auch nicht gewünscht hatte.

Der Autor behandelt hier ein wichtiges Thema. Es ist schön, dass diese Menschen, denen wir die Pflege und Obsorge der Alten anvertrauen einmal vor den Vorhang geholt werden. Und ich finde es auch gut, dass die Probleme der Zurückgebliebenen thematisiert werden. Allerdings verstehe ich nicht ganz, warum der Autor die Dringlichkeit der Geschichte durch diesen Unfall erhöhen wollte. Dieses zusätzliche Element nimmt dem ursprünglichen Problem den Nachdruck. Es ist so schon schlimm genug, dass die Kinder wenn sie Glück haben, bei den Großeltern sind, ansonsten aber in Heimen aufwachsen.

Die Aussage der Geschichte ist schwierig. Einerseits ist es eine Kritik an unserer Gesellschaft, dass wir unsere Kinder und Alten nicht selbst versorgen, aber es ist wohl auch eine Kritik an den Ländern, die die Frauen in mittelständischen Berufen so schlecht bezahlen, dass sie im Ausland schuften, um ihr Auskommen zu sichern.

Trotz dieser Kritikpunkte habe ich das Buch gerne gelesen. Es ist wunderschön geschrieben, die Charaktere sind ausgefeilt und die Motive nachvollziehbar. Aber es ist für mich nicht das beste Buch des Autors.

Bewertung vom 06.10.2021
Die Tränen der Welt
Falcones, Ildefonso

Die Tränen der Welt


ausgezeichnet

Barcelona, 1902. Wir begeben uns mit Ildefonso Falcones auf eine Reise in die Zeit der Arbeiteraufstände. Der Bürgerstand ist reich und wird immer reicher, die Kirche oktroyiert den Menschen strenge Verhaltensregeln auf und übersieht dabei, dass sie Mitschuld an der Armut der Massen trägt, während die Arbeiterschaft ums Überleben kämpft.

Der Autor führt uns direkt mitten in diese Missstände. An der Hand des Malers Dalmau Sala erleben wir, wie unmöglich es sein kann, sich aus seiner „Kaste“ zu befreien. Er ist ein Arbeiterkind mit großem Talent und noch größeren Ambitionen. Die Bürger bewundern zwar seine Arbeiten, aber näher an sich ran lassen sie ihn nicht. Er wird nie einer von ihnen sein.

Sein Vater war bereits Anarchist und wurde im Gefängnis zu Tode gefoltert. Seine Schwester und sein Bruder führen diesen erbitterten Kampf weiter. Auch seine Freundin Emma ist politisch engagiert, allerdings nicht so unbedingt wie Dalmaus Schwester, die früh im Roman bei einem Generalstreik ums Leben kommt.

Das Leben meint es alles andere als gut mit Dalmau und Emma. Dalmau stürzt in die Alkohol- und Drogensucht, Emma ist Alleinerziehende Mutter und sieht sich zum äußersten gezwungen um ihr Kind halbwegs ernähren zu können. Den beiden bleibt wirklich nichts erspart. Immer wieder versucht Dalmau die Anerkennung der Bürgerschaft zu erhalten und immer wieder steht ihm der Katholizismus im Weg. So richtet sich sein ganzer Zorn gegen die Kirche und er malt einen Zyklus an Bildern, der die Arbeiter aufstachelt, die Kirche anzugreifen. Der nächste Generalstreik mündet in der tragischen Woche, wo über 60 katholische Einrichtungen in Barcelona niedergebrannt wurden. Die Nonnen, Padres und Priester wurden allerdings verschont. Diese Angriffe richteten sich lediglich gegen die Institution.

Durch Dalmaus Bilder wurde er allerdings nun zum persönlichen Feindbild und sah sich gezwungen das Land zu verlassen. Leider haben es die Arbeiter wieder nicht geschafft, ihre Situation zu verbessern und wie es mit Spanien weiterging, ist uns ja bekannt.

Dalmau besucht sein Heimatland erst wieder im Alter. Nichts ist ihm geblieben, was ihn dort hingezogen hätte.

Mit „Tränen der Welt“ zeichnet der Autor ein lebendiges Gesellschaftsbild dieser Zeit. Er nimmt uns mit in eine Welt, die wir uns so heute nicht mehr vorstellen können. Wir sind den Kämpfern und Kämpferinnen der Arbeiterbewegung zu großem Dank verpflichtet. Ihnen ist es zu verdanken, dass wir heute eine 5-Tage Woche und den 8-Stunden Tag haben. Erkämpft wurde das alles mit Tränen, Schmerzen und Tod.

Leider verliert sich der Autor manchmal zu sehr in den Betrachtungen der architektonischen Leistungen dieser Zeit. Die Bauwerke des Modernisme sind auch heute noch beeindruckend, aber die ausschweifenden Beschreibungen lassen den Lesefluss schon sehr stocken und nehmen zu viel Tempo aus der Geschichte.

Dennoch habe ich das Buch sehr gerne gelesen, viel gelernt über diese turbulente Zeit und bin gerne wieder mal ins historische Barcelona gereist.

Bewertung vom 11.09.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Herr Schmidt ist bereits Rentner, als er eines Tages aufwacht und alles ist anders. Er riecht keinen Kaffee und hört kein Hantieren aus der Küche. Wo steckt nur Barbara, seine Frau, die immer sein Leben organisierte.

Doch Barbara ist im Bad umgefallen und fühlt sich nicht gut. Herr Schmidt hilft ihr auf und führt sie ins Bett, wo sie quasi liegen bleibt.

Herrn Schmidt ist das alles ein Rätsel. Sie war doch immer gesund, hat sich nie beklagt. Wer soll den jetzt für ihn kochen und seinen Tag strukturieren?

Mühsam lernt Herr Schmidt auf eigenen Füssen zu stehen und beginnt dabei Barbaras Tätigkeiten endlich zu würdigen. Nicht alles gelingt ihm auf anhieb, aber er bessert sich.

Wenn Herr Schmidt von seiner Frau spricht, dann hat man als Leser*in das Gefühl, er spricht von einem Haustier. Er erzählt davon, wieviel Geduld er anfangs mit ihr hatte, weil das Essen nicht so schmeckt wie bei Mutti und ist stolz darauf, dass er sie nie geschlagen hat. Das liest sich streckenweise schon sehr heftig, aber man liest auch zwischen den Zeilen, dass sich Barbara ihr Leben wohl organisiert hat und nicht nur auf das Wohlwollen ihres Mannes angewiesen war. Manche seiner Aussagen jagen mir einen Schauder über den Rücken, aber über manche kann man auch schallend lachen. Er ist ein Urdeutscher, der es einfach nicht schafft, ein bisschen Weltoffenheit in sein Leben zu lassen.

Extrem amüsant fand ich, wie Harr Schmidt über seine Tochter denkt, die mit ihrer "besten Freundin" zusammenlebt. Auf den Gedanken, dass seine Tochter eine Frau hat, kommt er nicht einmal ansatzweise.

Doch Herr Schmidt beginnt mit seinen Aufgaben zu wachsen. Er öffnet seinen Geist, sein Horizont wird weiter und es könnte Sympathie für ihn aufkommen, bis es ihm wieder einen typischen Altnazisatz raushaut. Er kann eben doch nicht aus seiner Haut.

Wäre der Anlass nicht so traurig, würde es richtig Spaß machen, ihn bei seiner Entwicklung zu begleiten. Doch auch davor verschließt Herr Schmidt seine Augen, denn Barbara stirbt nicht!

Mit diesem Buch beschäftigt sich Alina Bronsiky, wie schon in den Vorgängern mit den Verschrobenheiten der älteren Generation. Doch diesmal setzt sie einen Großvater ins Zentrum und tut das mit gewohntem Wortwitz, kritisch und dennoch sensibel. Sie gibt diesem typischen Rollenbild eine Stimme; zeigt, dass auch unter der rauesten Schale ein weicher Kern stecken kann und dass man nie zu alt für Veränderung sein kann.

Mir hat das Buch hervorragend gefallen. Ich mag diesen schwarzen Humor und habe mich gut amüsiert bei der Lektüre, auch wenn ich mir manchmal dachte, dass man besser hinter vorgehaltener Hand lachen soll. Daher vergebe ich 5 Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.