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Benutzername: 
Lymon
Wohnort: 
Werl

Bewertungen

Insgesamt 184 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


ausgezeichnet

„Via Torino“ heißt dieser Roman, der das Familienschicksal dreier Generationen Frauen umspannt: Eleonora, Rosalie und Milena: Großmutter, Tochter und Enkelin. Es geht um die Themen Liebe, den energischen Kampf auf Seiten der Arbeiter für gerechte Löhne, der sich am Ende der 60er Jahre im Turiner Fiatwerk Mirafiori in blutigen Kämpfen zwischen der Polizei und den Arbeitern und Studenten entlädt, aber auch um Verrat und Schuld. Sehr gelungen sind die lebhaften Innensichten der wechselnden Perspektiven, die vor dem Auge des Lesers mit ihren individuellen Charakteren und ihrer Eigenwilligkeit glaubhaft und nachvollziehbar Gestalt annehmen. Hier zeigen sich sympathische Seiten, aber auch Abgründe, Ängste und Schmerzen, die die Figuren auf Abstand halten, sich aneinander reiben lassen und zu zerbrechen drohen. Doch das Band der Liebe und die Gebundenheit an das Land Italien, die sizilianische Heimat des Großvaters Valerio, lassen alte Wunden wieder heilen und führt am Ende zusammen, was zusammen gehört.

Bewertung vom 12.02.2022
Bone Music
Almond, David

Bone Music


ausgezeichnet

„Bone Music“ heißt dieser Jugendroman, der auch für Erwachsene seine Anziehungskraft hat. Jedoch werden eher ältere Jugendliche, insbesondere Mädchen, Zugang zur ungewöhnlich poetisch gestalteten und naturmagischen Handlung finden. Den Leser erwartet keine actionreiche Handlung, worauf auch schon die Covergestaltung hindeutet. Darin liegt einerseits die Stärke des Buches, da so eine sehr dichte Atmosphäre rund um die Themen Bewahrung der Schöpfung, einen sensiblen Umgang mit der Natur und auch mit sich selbst, das große Thema der Achtsamkeit, zu sich selbst und zur inneren Balance finden, aber auch religiös-philosophische Themen rund um den Tod angesprochen werden. Streckenweise stellt der Roman meiner Ansicht nach vor allem für jüngere Leser eine sehr schwere „Kost“ dar. Denn in der Fülle der Themen, insbesondere der sehr problembehafteten ehelichen Verhältnisse und der psychologischen Probleme sehe ich auch die Schwächen. Man hätte nicht alles „in ein Buch packen“ müssen.

Bewertung vom 06.02.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


ausgezeichnet

„Der Papierpalast“ heißt dieser traurig-schöne Roman, in dem Eleanor, eine Frau um die Fünfzig am Urlaubsort, an dem die Familie seit Generationen ihr Feriendomizil bezieht, über ihr Leben reflektiert, und sich schließlich zu einer weitreichenden Entscheidung durchringt.
Die Anlage des Romans ist so leicht und raffiniert, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. In immer wieder neuen Erinnerungen, die episodenhaft wichtige Lebensetappen Eleanors einfangen, breitet sich vor dem Auge des Lesers ein Leben aus, das von Schicksalsschlägen, Verlorenheit, der Sehnsucht nach Liebe und dem Verfangensein in eigenen Ängsten und aggressiver Hilflosigkeit erzählt.
Gewisse Schicksalslinien scheinen sich zu wiederholen; es geht um das Verschweigen von Unrecht, das auf sich genommen wird, um seine Liebsten zu schonen. Doch zu welchem Preis? Es geht um Reue und Buße; um schmerzhafte Treue und das schicksalhafte Aneinandergebundensein, das alles andere in den Schatten stellt und das die Protagonistin in ein Gefühlschaos stürzt.

Bewertung vom 04.02.2022
Die Gezeiten gehören uns
Vida, Vendela

Die Gezeiten gehören uns


ausgezeichnet

„Die Gezeiten gehören uns“ ist eine spannende Erzählung, die sich mit dem Thema des Erwachsenwerdens beschäftigt. Die dreizehnjährigen Freundinnen Eulabee, Maria Fabiola, Julia und Faith, die in den Achtziger Jahren in San Francisco aufwachsen, merken, wie sie sich selbst verändern und registrieren auch, dass ihre Veränderungen von den Erwachsenen bemerkt werden. Mehr oder weniger ausgeprägt ist dagegen ihre innere Reife.
Es geht um das Verlangen, sich von anderen abzuheben, als etwas Besonderes wahrgenommen zu werden, um das Ranking in der Peergruppe, was auch mit brutalen Mitteln verfolgt wird. Diese Zeit ist sehr schwer für die sensible und aufgeweckte Eulabee, die sich plötzlich von ihren Freundinnen ausgegrenzt sieht.
Es passieren schlimme Dinge, die zum Teil aber einer überschäumenden Phantasie entspringen. Interessant ist auch der Sprung in die Gegenwart, in der die fast fünfzigjährige Eulabee unverhofft wieder auf ihre damalige Schulfreundin Maria Fabiola trifft.

Bewertung vom 28.01.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


gut

„Das Vorkommnis“ heißt dieser Roman, in dem die Ich-Erzählerin plötzlich damit konfrontiert wird, dass sie eine Halbschwester hat und dass ihr Vater sich auch zu dieser Tochter bekennt, die schließlich zur Adoption freigegeben wurde.
Das Wissen um die plötzlich aufgetauchte Schwester lässt die Protagonistin nicht mehr los und sie reflektiert seitdem intensiv über die verschieden Personen ihrer Familie. Vieles wird für sie auf einmal fragwürdig: die Beziehung ihrer Eltern, das geschwisterliche Verhältnis zu ihrer leiblichen Schwester, das zu ihrem Ehemann und auch das zu ihren zwei Kindern.
Mich konnte der Roman nicht überzeugen, da es sich gedanklich stets im Kreis dreht und dies sehr zermürbend wirkt. Mir fiel es auch zunehmend schwerer, die Gedanken der Protagonistin nachzuvollziehen. Sie bleibt seltsam kühl und emotional unberührt.

Bewertung vom 25.01.2022
Aurora und die Sache mit dem Glück
Weeks, Sarah

Aurora und die Sache mit dem Glück


sehr gut

„Aurora und die Sache mit dem Glück“ heißt dieses Jugendbuch, das eher unaufgeregt daher kommt und sehr feinfühlig eine Geschichte eines ungewöhnlichen Mädchens erzählt, das etwas anders ist als andere und das mit seiner Eifersucht zu kämpfen hat. Denn da gibt es noch ein Mädchen, welches ihre Eltern sehr ins Herz geschlossen hatten, bevor Aurora auf die Welt kam. Das ist Heidi, inzwischen eine junge Frau.
Als Heide zu Besuch kommt, fällt es Aurora anfangs sehr schwer, nett ihr zu sein. Wie sie ihre Meinung schließlich doch noch ändert, soll hier nicht verraten werden.
Ungewöhnlich, da selten in Jugendbüchern thematisiert, ist der biografische Hintergrund der jungen Frau Heidi, deren Eltern beide nicht allein für ihr Kind sorgen konnten. Aber auch hier soll nicht zu viel verraten werden. Die Lektüre eignet sich besonders für Kinder, denen es ähnlich geht wie Heidi oder Aurora.

Bewertung vom 23.01.2022
Allein auf dem Meer
Vick, Chris

Allein auf dem Meer


ausgezeichnet

„Allein auf dem Meer“ heißt dieser Abenteuerroman, der sich sowohl für Jugendliche als auch Erwachsene mit großem Gewinn lesen lässt. Sowohl die Romanhandlung als auch die Erzählweise ziehen den Leser schnell in seinen Bann. Das Lesen hat Sogwirkung, was keine Übertreibung ist.
Sehr überzeugend und einfühlsam wird das traumatische Abenteuer Bills erzählt, der allein auf einem Rettungsboot ums Überleben kämpft, dann aber bald auf Aya trifft, die sich in einer ähnlich aussichtslosen Situation befindet.
Beide Jugendliche kommen aus ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten, können sich anfangs sprachlich kaum verständigen und haben Schwierigkeiten sich zu vertrauen. Aber sie lernen viel voneinander und bewältigen gemeinsam verschiedene schwierige Herausforderungen. Faszinierend ist auch, welche Kraft die Kunst des Geschichtenerzählers beim Überlebenskampf entfaltet.
Der Roman hält seine Spannung bis zur letzten Seite; unbedingt empfehlenswert!

Bewertung vom 22.01.2022
Strahlemann
Schaefer, Fritz

Strahlemann


gut

„Strahlemann“ heißt dieser Roman, in der der 1Live-Moderator Fritz Schaefer locker-flockig und zum Teil etwas schräg auf prägende Ereignisse seiner Kindheit und Jugend blickt. Mich hat die Lektüre nicht so angesprochen, sie wirkt oft etwas bemüht und sprachlich gelegentlich verkrampft, z.B. bei Ausdrücken wie „verdrogter Humor“. Einige Beschreibungen sind in ihrer Übertreibung wenig glaubhaft. Vermutlich sollen sie witzig wirken. Wirklich witzig fand ich jedoch lediglich drei Passagen.
Zudem hat man den Eindruck, dass sich diese Autobiografie zu sehr an schon mal Dagewesenem orientiert, sei es Kerkelings Autobiografie „Der Junge muss an die frische Luft“ oder „Generation Golf“.
Die Covergestaltung ist dagegen recht originell, der ständig in den Zeitebenen wechselnde Erzählstil und sehr dick aufgetragene inhaltliche Darstellungen konnten mich jedoch nicht überzeugen.

Bewertung vom 21.01.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

„Dschinns“ heißt dieser bewegende Roman Fatma Aydemirs, in dem aus den Perspektiven aller Familienmitglieder der Familie Yilmay erzählt wird. Es beginnt mit dem Vater Hüseyin, der kurz vor der Rente steht und meint, am Ziel seiner Träume angelangt zu sein, als ihn in der für seine Familie gekauften, und frisch renovierten Eigentumswohnung in Istanbul ein Schlaganfall ereilt, den er nicht überlebt. Seine vier Kinder und seine Frau Emine machen sich auf den schwierigen Weg von Deutschland in ihr Herkunftsland Türkei, denn nach muslimischem Verständnis muss ein Verstorbener noch am selben Tag beerdigt werden. Nicht alle Familienmitglieder schaffen es rechtzeitig zur Beerdigung. Ihr Weg nach Istanbul scheint eine Annäherung an die Familie, die eigenen Wurzeln und eine Auseinandersetzung mit tief verborgenen Wunden, die man sich gegenseitig zugefügt hat bzw. die einem das Leben beschert hat.
Diese Familienschicksale vermitteln den Lesern eindrückliche Einblicke in das Leben von Menschen, die in verschiedenen Kulturen zu Hause sind, und sich dennoch nicht wirklich angenommen und verstanden fühlen, die auf dem Weg zu ihrem eigenen Leben immer wieder an Grenzen stoßen, gegen die sie anrennen, die sich aber nicht so einfach überwinden lassen.
Bewegend, tröstlich, traurig und schonungslos.

Bewertung vom 14.01.2022
Kleine Philosophie der Begegnung
Pépin, Charles

Kleine Philosophie der Begegnung


sehr gut

„Kleine Philosophie der Begegnung“ heißt dieses inspirierende Sachbuch des französischen Autors Charles Pépin. Anhand von anschaulichen Beispielen aus Literatur, Film, Musik, Begebenheiten aus dem Leben von Künstlern, Theologen und Philosophen führt uns der Autor immer wieder vor Augen, was die Voraussetzungen für gelingende Begegnungen sind: Offenheit, aufmerksame Unvoreingenommenheit und di innere Bereitschaft sich auf Neues einzulassen.
Mögliches Scheitern muss einkalkuliert werden, gehört einfach dazu und trägt letztendlich ebenfalls zur Begegnung mit der Welt, dem Gegenüber und mit uns selbst bei.
Viele der mit entsprechenden philosophischen Bezügen vermittelten Beispiele führen dem Leser interessante, großartige historische Persönlichkeiten vor Augen, wie das sehr anschauliche und bewegende Zusammentreffen des vorherigen Papstes Benedikt XVI. und des damaligen Erzbischofs Jorge Mario Bergoglio (jetzt Papst Franziskus).